Kann es 'gerechten Sport' überhaupt geben?

Servus,

im Hinblick auf Doping wird ja immer mit dem Argument gewunken, der Sportler habe sich einen „ungerechten Vorteil“ verschafft.

Aber ist das eigentlich nicht zu kurz gedacht?
Gibt es so etwas wie „gerechten Sport“ überhaupt?
Was wäre denn ein „gerechter Vorteil“?

Jeder sportliche Wettbewerb selektiert und belohnt doch immer diejenigen, die am besten an die jeweilige Herausforderung angepasst sind.

Klar, Doping beruht auf der Verwendung leistungssteigernder Mittel und ist gewissermaßen eine verpönte „Abkürzung“, aber ist es „fairer“ wenn z.B. jemand beim 100-Meter-Lauf regelmäßig gewinnt, nur weil er im Vergleich zu seinen genauso stark trainierenden Konkurrenten die besten genetischen Voraussetzungen hat?

Ist es gerecht, wenn andere, die eben nicht die besten körperlichen Voraussetzungen haben, aber viel stärker trainieren, niemals in der Lage sind, in einem Wettbewerb ganz vorne mit dabei sein?

Niemand ehrt bei Olympia den Läufer, der z.B. seine persönliche Bestzeit am meisten gesteigert hat (was IMHO gerechter wäre), sondern den Läufer, der als erstes ins Ziel kommt.

Im Grunde kennt das Problem jeder Sportlehrer, der eine Schulklasse benoten will:

Da ist ein Schüler der perfekt Fußball spielt, weil er auch noch in einem Fußballverein eine entsprechende Ausbildung und Training bekommt und daher im Sportunterricht einfach nur das macht, was er immer schon gemacht hat.

Da ist der Schüler, der zu Beginn des Jahres noch nie gegen einen Fußball getreten hat, aber Ende des Jahres ganz gut mit dem Durchschnitt mithalten kann.

Da ist der übergewichtige Schüler, dem schnell die Puste ausgeht und der keinerlei Kondition besitzt, der aber erstaunlich gewandt am Ball ist.

Da ist der Schüler, der viel Sport macht, die 100 Meter unter 13 Sekunden läuft, locker 20 Klimmzüge macht und über 6 Meter im Weitsprung hinlegt. Allerdings hat er kein Ballgefühl und verstolpert jeden Ball.

Wem soll der Lehrer hier eine gute oder schlechte Note geben?

Eben, es ist eigentlich unmöglich hier gerecht zu bleiben.

Insgesamt ist daher meine Meinung, das Sport immer ungerecht sein muss , weil er die komplexen Faktoren, die beim Sport eine Rolle spielen, auf eine einzige Größe reduziert: Nämlich das Ergebnis beim Wettbewerb.

Daher kann es doch eigentlich auch egal sein, ob dieses Ergebnis durch Drogen, starkes Training, genetische Disposition oder andere Mittel erreicht wurde. Gerechter wird es jedenfalls nicht dadurch, dass man bestimmte Dinge verbietet und andere zulässt.

Was meint ihr?

Gruß,
Sax

Servus,

Moin! Moin!

Jeder sportliche Wettbewerb selektiert und belohnt doch immer
diejenigen, die am besten an die jeweilige Herausforderung
angepasst sind.

Das ist doch bei jeder Bewertung so!
…Da ist der verkrachte Gymnasiast, der ohne zu lernen jetzt in der Hauptschule gute Noten bekommt.
…Da ist der Grundschüler, der ohne ein Wort Deutsch zu sprechen in der 4. Klasse ein ausreichend erreicht.
…Da sind Vorteile durch Nachhilfe.

Also vor der Benotung festlegen, welche Leistung der jeweiligen Note entspricht.
Mit freundlichen Grüßen
Dino

Hallo!

Klar, Doping beruht auf der Verwendung leistungssteigernder
Mittel und ist gewissermaßen eine verpönte „Abkürzung“, aber
ist es „fairer“ wenn z.B. jemand beim 100-Meter-Lauf
regelmäßig gewinnt, nur weil er im Vergleich zu seinen genauso
stark trainierenden Konkurrenten die besten genetischen
Voraussetzungen hat?

Der Grund, warum Doping verboten ist, ist ein anderer: Doping-Mittel ermöglichen Leistungen, die ohne das Doping so nicht möglich wären. Wenn man Doping erlauben würde, dann wären alle Sportler gezwungen auch zu dopen, um nicht ins Hintertreffen zu geraten. Es käme zu einer Spirale in der immer mehr gedopt wird, bis das Risiko aufgrund der Nebenwirkungen für die Sportler zu groß wird.

Wenn ein Sportler sich nicht in diesen Teufelskreis stürzen will, soll er nicht benachteiligt werden. Deswegen verbietet man seinen Konkurrenten das Dopen.

Ist es gerecht, wenn andere, die eben nicht die besten
körperlichen Voraussetzungen haben, aber viel stärker
trainieren, niemals in der Lage sind, in einem Wettbewerb ganz
vorne mit dabei sein?

hm …

Im Grunde kennt das Problem jeder Sportlehrer, der eine
Schulklasse benoten will:

Nein, das ist ein völlig anderes Problem. Die Note soll eine Rückmeldung für den Lernerfolg sein. Im Sport hingegen zählt nur die absolute Leistung.

Die Regeln im Sport sind insofern „gerecht“, weil sie objektiv sind, aber sie messen halt etwas anderes als die Schulnote. Das kann man gut oder schlecht finden, aber ungerecht ist es nicht.

Michael

Servus,

Ist es gerecht, wenn andere, die eben nicht die besten
körperlichen Voraussetzungen haben, aber viel stärker
trainieren, niemals in der Lage sind, in einem Wettbewerb ganz
vorne mit dabei sein?

hm …

Könntest Du das „hm“ etwas mehr ausführen, schließlich ist dass der Kern meiner Frage…

Gruß,
Sax

Servus,

vielleicht habe ich es bisher noch zu unklar formuliert:

Meine Vorstellung eines echten fairen Wettbewerbs wäre es, wenn

  1. Alle die gleichen Trainer und Trainingsmethoden hätten
  2. Alle die gleiche Ausrüstung besäßen
  3. Jeder Sportler entsprechend seiner körperlichen Grundvoraussetzungen eine Art „Handicap“ (z.B. wie im Golf) hätte, welches zu einer Vergleichbarkeit der persönlichen Leistungen führte.

Doch was wird derzeit bei Olympia - und anderen Wettbewerben belohnt:
Der, der über die besten finanziellen Mittel verfügt, so dass er sich die besten Trainingsmethoden und die beste Ausrüstung leisten kann und darüber hinaus auch noch die besten genetische Voraussetzungen mitbringt.

Gruß,
Sax

Morgen

Könntest Du das „hm“ etwas mehr ausführen, schließlich ist
dass der Kern meiner Frage…

Hab ich getan. Einfach bis zum Schluss weiter lesen …

Michael

Hallo Sax,

das widerspricht dem Kerngedanken des (kompetetiven) Sports. Deine Idee findet sich in den kooperativen Spielen (New Games etc.).
Das entspricht auch der wesentlichen Unterscheidung zwischen Spiel und Sport (die in dem Brett vor einiger Zeit angerissen wurde). Das Spiel hat seine Wurzel im liturgischen Fest. Der Sport ist eine „Erfindung“ der Moderne. Es muss eine „kalkulierte“ Ungleichheit vorliegen, sonst wird es für alle Beteiligten uninteressant (zu den verschiedenen Akteuren im Sport siehe Bette, K.-H. „Systemtheorie und Sport“).
Die Homogenisierung durch gleiche Start-, Gewichtsklassen etc. ist eine fiktionale Gleichheit; wären alle Voraussetzungen identisch, wovon sollte dann das Ergebnis abhängen? Die fiktionale Homogenisierung hingegen schafft ein aleatorisches Element, das dann besonders zur Entfaltung kommt, wenn der „Außenseiter“ entgegen aller Erwartung gewinnt.

Notabene: wir dürfen nicht vergessen, dass der Begriff „fair“ ursprünglich „schön, gefällig“ bedeutet. Und ob sich Schönheit an moralischen Kategorien messen lassen muss, wäre eine weitere spannende Frage.

Beste Grüße

Michael

Servus,

vielleicht habe ich es bisher noch zu unklar formuliert:

Meine Vorstellung eines echten fairen Wettbewerbs wäre es,
wenn

  1. Alle die gleichen Trainer und Trainingsmethoden hätten

Alle Sportler sollem von nur einem Trainer trainiert werden?!
Im Hochleistungsport nutzen alle die gleichen Trainingsmethoden bzw. die, die sie für die besten halten.

  1. Alle die gleiche Ausrüstung besäßen

Ist im HLS mehr oder weniger der Fall.

  1. Jeder Sportler entsprechend seiner körperlichen
    Grundvoraussetzungen eine Art „Handicap“ (z.B. wie im Golf)
    hätte, welches zu einer Vergleichbarkeit der persönlichen
    Leistungen führte.

Du kannst davon ausgehen, daß im HLS nur Leute sind, die genetisch auch dafür geeignet sind. Es wird niemand im Olympia - Finale laufen, der für den Laufsport aufgrund seiner Vorraussetzungen gar nicht geeignet ist und es wird auch kein 60 - kg - Athlet im Kugelstoßen antreten.

Doch was wird derzeit bei Olympia - und anderen Wettbewerben
belohnt:
Der, der über die besten finanziellen Mittel verfügt, so dass
er sich die besten Trainingsmethoden und die beste Ausrüstung
leisten kann und darüber hinaus auch noch die besten
genetische Voraussetzungen mitbringt.

Und Du willst Leute dafür bestrafen, daß sie sich besseres Equipment leisten können? Und dafür, daß sie in dem Sport aktiv sind, für den sie besser geeignet sind? Du willst, daß alle barfuß zum Marathonlauf antreten, weil Läufer aus armen Ländern mitlaufen wollen, die sich keine Schuhe leisten können? Du willst, daß der zum sprinten geborene künstlich gebremst wird, damit auch der völlig unbegabte eine Chance hat? Du willst, daß der marathonlauf nur noch 120 m lang ist, damit auch eine Chance hat, wer für Langstrecken gar nicht geeignet ist? DAS fändest Du gerecht?