Kant und seine 'Empfindungen'

Hallo!

In der Philosophievorlesung sprach der Prof. gestern über Kant und seine (also Kants) Erkenntnistheorie. Dabei kam er auch zu Kants Begriff der „Empfindungen“. Den Kantschen „Empfindungen“ soll es an Eigenschaften mangeln, durch die sich die Kantschen „Objekte“ auszeichnen, nämlich Kontinuität und Konstanz. Kontinuität und Konstanz sollen nach Auffassung des Profs genau diejenigen Voraussetzungen sein, damit Wissenschaft (Naturwissenschaft?) überhaupt möglich ist. Bei diesen Ausführungen des Profs kam mir der folgende Gedanke: Wenn die „Empfindungen“ nicht über Kontinuität und Konstanz verfügen, die notwendig dafür sind, daß man etwas wissenschaftlich betrachten kann, dann müßte es nicht möglich sein, „Empfindungen“ wissenschaftlich zu untersuchen. „Empfindungen“ wären also kein Gegenstand einer Wissenschaft.

Ist meine Überlegung richtig? Hat der Kantsche Begriff der „Empfindung“ etwas mit dem psychologischen Begriff des „Erlebens“ zu tun? Wenn ja, könnte man dann den vorgetragenen Standpunkt (angeblich der Kants) als philosophischen „Beleg“ anführen, daß eine Wissenschaft des Erlebens nicht möglich ist?

Vielen Dank im voraus!

Oliver Walter

Hallo Oliver,

Kontinuität und Konstanz sollen nach Auffassung des Profs
genau diejenigen Voraussetzungen sein, damit Wissenschaft
(Naturwissenschaft?) überhaupt möglich ist.

Wenn sie gelten will, als was sie landläufig zu gelten ich ihr nicht bestreiten will; ohne freilich diese Geltung selbst stets zu begleiten; dann ja, dann sind Kontinuität und Konstanz Voraussetzung von dem, was da Wissenshaft sein will.

Bei diesen
Ausführungen des Profs kam mir der folgende Gedanke: Wenn die
„Empfindungen“ nicht über Kontinuität und Konstanz verfügen,
die notwendig dafür sind, daß man etwas wissenschaftlich
betrachten kann, dann müßte es nicht möglich sein,
„Empfindungen“ wissenschaftlich zu untersuchen.

Gut getroffen für die Empfindungen. Doch nicht allein mit Blick auf die Empfindungen gut getroffen, finde ich darüber hinaus.

„Empfindungen“ wären also kein Gegenstand einer Wissenschaft.

Nicht von dem, was als Wissenschaft zu gelten sich da allzu oft allzu unausgewiesen erfrecht. Und eben nicht nur Empfindungen.

Ist meine Überlegung richtig? Hat der Kantsche Begriff der
„Empfindung“ etwas mit dem psychologischen Begriff des
„Erlebens“ zu tun?

Ohne mich als Kantkenner zu fühlen, würde ich sagen, dass sich das für mich plausibel anhört. „Gerechtigkeit“ „Legitimität“ etc. sind in letzter Instanz Gegenstände eines stets „nur“ subjektiven Erlebens. Deswegen auch deren erbitterte Umstrittenheit zwischen; allerdings stets „wiedergeborenen“; Rollenmodellprotagonisten einiger archaischer „Grunderlebnisbereitschaften“, wie ich als Historiker und Coach zu identifizieren das Gefühl habe.

Jede Epoche hatte ihre Spartakusse, doch seit es die Wissenschaft gibt, können wir sagen, dass es sich um neurotische Gerechtigkeitsfanatiker handelt, Maniker von Grandiosität oder was auch immer. Zwangsjacke und Gummizelle erkenne ich als ein Fortschritt gegenüber Kreuz und Nagel an; hat aber auch etwas von einer Einbusse an Würde nehme ich da wahr. Vielleicht haben Nero (und die anderen Nagler) ja wenigstens ein schlechttes Gewissen gehabt, während ich das manchem Weisskittel das nur als zu wünschen übrig zu haben empfinde. Mich da zu irren, würde mich allerdings nicht allzu traurig machen.

(Es sind natürlich alle Weisskittel gemeint, ich kenne auch ausgesprochen nette; ich bin nur gerade im Polemisierschwung, den ich als Erkenntnisquelle manchmal nicht missen möchte…)

Wenn ja, könnte man dann den vorgetragenen
Standpunkt (angeblich der Kants) als philosophischen „Beleg“
anführen, daß eine Wissenschaft des Erlebens nicht möglich
ist?

Fänd ich prima, wenn die Wissenschaft die Ojektivierbarkeit des Erlebens an den Nagel hängen könnte und bei der Gelegenheit noch eine gute Portion ihrer Urteile (früher: „Anschauungen“) vom Menschen als auch erlebnisgebunden dazuhängen könnte.

Eine Wissenschaft die das Erleben kategoriell fixieren und „prognostisch-postulierend“ antizipierend organiseren will, ist ein Verstoß gegen Wittgensteins 7. Traktatgebot (Siehe ein Thema tiefer) und was dabei herauskommt, sind allzu oft bloß Angriffspläne auf die Menschenwürde.

Was ich dagegen vorsichtig für überpersonell erkenntniszugänglich halte, sind die Bedingungen der Möglichkeit individuellen (und in gaaanz vorsichtiger Annäherung „archtypischen“) Erlebens und Empfindens auf der Basis von „empathischer Demut“, wie ich das mal nennen möchte und was ich im übrigen für ein Gebot von Menschenwürde erachte.

Wir brauchen mehr Spielregelgemeinschaften, in denen sich die unterschiedlichen Empfindungsträger rund um ihre Erbebnissehnsüchte gruppieren können. Grundsätzlich bietet der Westen und die Moderne das ja auch als Möglichkeit. Nur gewisse traditionelle und wissenschaftliche Vorgaben an Menschenbild und Normalität erzeugen verfehlte Vorstellunen von Regulierung und Anstand. Nach meinem Eindruck ist das Ensemble der unterschiedlichen Empfindungsausprägungen unter den Menschen (also, soweit ich sie halt „nichtklinisch“ kenne) in sich archetypisch plausibel und im Prinzip auch selbsthilferegulativ organisierbar, ohne sich gegenseitig auf die Füsse zu treten oder über den Haufen schiessen zu müssen. Man muss nur immer wissen woran man bei einer Spielregelgemeinschaft ist, und bereit sein, selbstgewählte Spielregeln zu achten und Konsequenzen zu tragen.

Die Wissenschaft, soweit sie vom Menschen handeln will, täte gut daran, auf die Erforschung der unterschiedlichen Bedingungen unterschiedlicher Ausprägungen von Glück und Zufreidenheit umzuschwenken und sich der Mannigfaltigkeit menschlicher Erlebens- und Schaffensfähigkeiten zu öffnen, anstatt alle über den gleichen humanistischen Kamm balbieren zu wollen.

Am Anfang entstünde vielleicht der Eindruck, es würde sich alles zu einem gigantischen Individualcoachingdurcheinander atomisieren und das Abendland ginge gerade unter, aber ich bin zuversichtlich, dass die Gesellschaft doch auf ein Geflecht von pragmatisch vernetzten Spielregelgemeinschaften hinauslaufen würde, die untereinander ihre Belange nach der Logik ihrer Lüste und Leidenschaften regeln würden und sich keineswegs unfriedlich gegenseitig in die Quere kommen müssten.

Zoff gibt es, wenn irgendein Durchschnitt wissenschaftlich als „normal“ postuliert wird und das Gezank darum ausbricht, wer sich wieviel „Toleranz“ als Abweichung davon herausnehmen darf.

Dabei geht es überhaupt nicht um „Toleranz“ für „Abweichungen“, sondern um Respekt vor Differenz.

Wissenschaft des Erlebens? Wenn, dann aber bitteschön für jeden extra.

Beste Grüße,

Thomas

Puuuh, schwierig. ich wills im Ansatz versuchen: Empfindung ist das, was je einzelne Subjekte haben können oder auch nicht (etwas kontingentes), und zwar zum beispiel als „Empfindung des Vergnügens“ (KpV 102). Ich glaube, dass Deine Schlussfolgerung zu stark ist (obwohl mir die Polemik gegen all diese Freud-für-Dumme-Psychio-heinis unseres Mit-Posters herzerfrischend sympathisch scheint). Denn der Begriff der Empfindung müsste nicht konstant sein, damit es keine Wissenschaft von den Empfindungen geben kann - aber das ist er resp könnte er sein (präziser: Als möglicher gegenstand der Erfahrung können wir ihm sehr wohl Konstanz beilegen).

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Hallo Oliver,

In der Philosophievorlesung sprach der Prof. gestern über Kant
und seine (also Kants) Erkenntnistheorie. Dabei kam er auch zu
Kants Begriff der „Empfindungen“.

Das ist der Punkt wo ich fragen möchte: Was sind für Kant denn „Empfindungen“? sind das die Gefühle, die wir heute kennen oder ist das der Vorgang der Erkenntnis?

Empfinde ich einen Baum immer als einen Baum und empfinde ich Liebe immer als Liebe?

Den Kantschen „Empfindungen“

soll es an Eigenschaften mangeln, durch die sich die Kantschen
„Objekte“ auszeichnen, nämlich Kontinuität und Konstanz.

In meinen Beispiel hätten diese erkannten Gefühle (Empfindungen) einen Kontinuität, da ich sie immer als dieselben wiedererkenne. Und bei der Konstanz frage ich wie konstant muss sie sein die kosntanz. Bedenke man doch, daß wissenschaftler auf der Suche nach elementen ist, deren Existenz nur beweisen läßt, daß sie wirken, nicht das man sie „greifbar“ machen könnte.

Kontinuität und Konstanz sollen nach Auffassung des Profs
genau diejenigen Voraussetzungen sein, damit Wissenschaft
(Naturwissenschaft?) überhaupt möglich ist.

Ich will hier nicht Kant widersprechen, doch laß mich anmerken, daß Kant zwar viele Grundfesten gefunden hat, aber einige halt aufgrund der fortschreitenden wissenschaftlichen Entwicklungen unter den Rahmenbedingungen seiner Zeit und des Standes der Wissenschaften damals zu betrachten sind und nach heute fortgeschrieben werden sollten.

Bei diesen

Ausführungen des Profs kam mir der folgende Gedanke: Wenn die
„Empfindungen“ nicht über Kontinuität und Konstanz verfügen,
die notwendig dafür sind, daß man etwas wissenschaftlich
betrachten kann, dann müßte es nicht möglich sein,
„Empfindungen“ wissenschaftlich zu untersuchen. „Empfindungen“
wären also kein Gegenstand einer Wissenschaft.

Und so wurden sie es doch, nur erkannte vielleicht Kant damals nicht, daß diese ebenfalls Kontinuität und Konstanz besaßen.

Ist meine Überlegung richtig? Hat der Kantsche Begriff der
„Empfindung“ etwas mit dem psychologischen Begriff des
„Erlebens“ zu tun? Wenn ja, könnte man dann den vorgetragenen
Standpunkt (angeblich der Kants) als philosophischen „Beleg“
anführen, daß eine Wissenschaft des Erlebens nicht möglich
ist?

Zu Zeiten Kants vielleicht zu bejahen, heute eine Anekdote der Zeitgeschichte. Vergleichbar vielleicht mit der Gravitation vor dem Fall des Apfels.(Und dann auch noch vor Newtons Füße)

gruss
winkel

Hallo Oliver,

Wenn die
„Empfindungen“ nicht über Kontinuität und Konstanz verfügen,
die notwendig dafür sind, daß man etwas wissenschaftlich
betrachten kann, dann müßte es nicht möglich sein,
„Empfindungen“ wissenschaftlich zu untersuchen. „Empfindungen“
wären also kein Gegenstand einer Wissenschaft.

Kant Begriff der Wissenschaft ist an der Physik Newtons orientiert, einen Begriff von empirischer Psychologie hatte Kant noch nicht. Empfindungen sind nach Kant der subjektive Teil von Erfahrungen, und nur Erfahrungen - also regelmäßige Empfindungen - können nach Kant wissenschaftlich betrachtet werden, denn nur auf diese Regelmäßigkeiten beziehen sich die kantischen Verstandeskategorien (Quantität, Qualität, Relation, Modalität).

Ist meine Überlegung richtig? Hat der Kantsche Begriff der
„Empfindung“ etwas mit dem psychologischen Begriff des
„Erlebens“ zu tun?

Ich denke, das könnte man sagen.

Wenn ja, könnte man dann den vorgetragenen Standpunkt
(angeblich der Kants) als philosophischen „Beleg“ anführen,
daß eine Wissenschaft des Erlebens nicht möglich
ist?

Schon im Anschluss an Kant ist ja der Wissenschaftsbegriff ausgeweitet worden. Man könnte also sagen, dass der Kantische Wissenschaftsbegriff eine wissenschaftliche Betrachtung des Erlebens nicht zulässt, gleichwohl aber müsste man sagen, dass diese Auffassung Kants schon zu Lebzeiten Kants Widerspruch erfahren hat. Es hängt alles am Wissenschaftsbegriff, also daran, was man als Wissenschaft bezeichnen möchte, und das ist arg umstritten.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Hallo Oliver,

Wenn die
„Empfindungen“ nicht über Kontinuität und Konstanz verfügen,
die notwendig dafür sind, daß man etwas wissenschaftlich
betrachten kann, dann müßte es nicht möglich sein,
„Empfindungen“ wissenschaftlich zu untersuchen. „Empfindungen“
wären also kein Gegenstand einer Wissenschaft.

Kant Begriff der Wissenschaft ist an der Physik Newtons
orientiert, einen Begriff von empirischer Psychologie hatte
Kant noch nicht.

Hallo Oliver und Thomas, ist schon recht, allerdings: Hume hat sich ja bekanntlich als der newton der psych.Wissenschaft gesehen, also: Da wäre schon Raum für eine Wissenschaft der Psyche. Die Frage wäre eben die, ob Psychologie gerechtfertigt als Wissenschaft wird auftreten können! Und zumindest für einen Groß-Teil der heute bei Manager-Seminaren auftretenden „Wissenschaften“ möchte ich das mal bestreiten.

Hallo Thomas!

Kant Begriff der Wissenschaft ist an der Physik Newtons
orientiert, einen Begriff von empirischer Psychologie hatte
Kant noch nicht.

Das ist klar.

Empfindungen sind nach Kant der subjektive
Teil von Erfahrungen, und nur Erfahrungen - also regelmäßige
Empfindungen - können nach Kant wissenschaftlich betrachtet
werden, denn nur auf diese Regelmäßigkeiten beziehen sich die
kantischen Verstandeskategorien (Quantität, Qualität,
Relation, Modalität).

O.k., das leuchtet mir ein. Nun referierte der Prof, daß nach Kant den Empfindungen generell Konstanz und Kontinuität fehlt. Wie können Empfindungen dann im Rahmen der Kantischen Philosophie zu regelmäßigen Erfahrungen werden, die Gegenstand von Wissenschaft sein können?

Man könnte also sagen, dass der Kantische
Wissenschaftsbegriff eine wissenschaftliche Betrachtung des
Erlebens nicht zulässt,

Dies verstehe ich so, daß nach Kant eine wissenschaftliche Betrachtung des Erlebens nicht möglich ist.

gleichwohl aber müsste man sagen, dass
diese Auffassung Kants schon zu Lebzeiten Kants Widerspruch
erfahren hat.

O.k. Widerspruch erfährt jeder. Kants Erkenntnistheorie war ja (nach meinen bescheidenen Kenntnissen in Philosophie) eine Antwort auf Hume.

Es hängt alles am Wissenschaftsbegriff, also
daran, was man als Wissenschaft bezeichnen möchte, und das ist
arg umstritten.

Das sehe ich ein.

Vielen Dank für Deine klar verständliche Antwort.

Freundliche Grüße,

Oliver Walter

Hallo Hartmut!

Die Frage wäre eben die, ob Psychologie gerechtfertigt
als Wissenschaft wird auftreten können!

Das ist für mich keine Frage, denn Psychologie ist nach gängigem Selbstverständnis Wissenschaft von Erleben und Verhalten. Verhalten dürfte über Kontinuität und Konstanz verfügen und damit Gegenstand einer Wissenschaft sein.

Und zumindest für
einen Groß-Teil der heute bei Manager-Seminaren auftretenden
„Wissenschaften“ möchte ich das mal bestreiten.

Ja, Du willst darauf hinaus, daß die heutige Psychologie noch keinen Zustand erreicht hat, der es rechtfertigt, sie als Wissenschaft zu betrachtet. Die Frage der Wissenschaftlichkeit der heutigen Psychologie ist berechtigt, aber nur differenziert zu beantworten. Was sich auf Manager-Seminaren abspielt, dürfte in keinem Fall Wissenschaft sein, sondern höchstens Anwendung von (wissenschaftlichen) Erkenntnissen in der Praxis.

Grüße,

Oliver Walter

Hallo winkel!

Empfinde ich einen Baum immer als einen Baum und empfinde ich
Liebe immer als Liebe?

Nach Kant beziehen sich Empfindungen nicht auf Objekte, sondern sind „nur“ subjektiv gegebene Präsentationen von sinnlichen Qualitäten. Deshalb ist es mir nicht recht klar, wie man nach Kant einen Baum „empfinden“ kann.

In meinen Beispiel hätten diese erkannten Gefühle
(Empfindungen) einen Kontinuität, da ich sie immer als
dieselben wiedererkenne.

Der Gedanke ist nicht schlecht. Du erkennst sie wieder - aber als dieselben? Ist nicht jedes Gefühl ein neues? Gleicht die gestrige Empfindung von Freude der von morgen?

Und bei der Konstanz frage ich wie
konstant muss sie sein die kosntanz.

Gute Frage! Wohl nicht im Sinne von „Identität“, denn identisch ist ein Objekt zu sich selbst im gleichen Augenblick. Schon im nächsten hat es sich verändert. Panta rhei!

Bedenke man doch, daß
wissenschaftler auf der Suche nach elementen ist, deren
Existenz nur beweisen läßt, daß sie wirken, nicht das man sie
„greifbar“ machen könnte.

Dies ist mir nicht klar.

Ich will hier nicht Kant widersprechen, doch laß mich
anmerken, daß Kant zwar viele Grundfesten gefunden hat, aber
einige halt aufgrund der fortschreitenden wissenschaftlichen
Entwicklungen unter den Rahmenbedingungen seiner Zeit und des
Standes der Wissenschaften damals zu betrachten sind und nach
heute fortgeschrieben werden sollten.

Dies ist mir wieder klar. Ich wollte ja auch nicht argumentieren: „Das geht nicht, weil Kant gesagt hat, daß das nicht geht.“ Diese Art von „Argumentation“ ist zu platt. Ich wollte nur wissen, ob man Kant heranziehen könnte, falls man so argumentieren möchte, daß Empfindungen nicht wissenschaftlich untersuchbar sind.

Grüße,

Oliver Walter

Hallo Thomas!

Wenn sie gelten will, als was sie landläufig zu gelten ich ihr
nicht bestreiten will; ohne freilich diese Geltung selbst
stets zu begleiten; dann ja, dann sind Kontinuität und
Konstanz Voraussetzung von dem, was da Wissenshaft sein will.

O.k., dann stimmst Du mit dem Prof. also überein! :wink:

Gut getroffen für die Empfindungen. Doch nicht allein mit
Blick auf die Empfindungen gut getroffen, finde ich darüber
hinaus.

Danke.

„Empfindungen“ wären also kein Gegenstand einer Wissenschaft.

Nicht von dem, was als Wissenschaft zu gelten sich da allzu
oft allzu unausgewiesen erfrecht. Und eben nicht nur
Empfindungen.

Du kannst Dir denken, daß ich nicht das meinte, das als Wissenschaft zu gelten sich da allzu oft unausgewiesen erfrecht. :wink:

Ohne mich als Kantkenner zu fühlen, würde ich sagen, dass sich
das für mich plausibel anhört.

Für mich hört es sich auch plausibel an. Allerdings gehöre ich zu denjenigen, die Plausibilität als Kriterium nicht besonders hoch halten. Plausibilität hängt für mich zu stark vom Kenntnisstand desjenigen ab, der urteilt, ob etwas plausibel ist.

„Gerechtigkeit“ „Legitimität“
etc. sind in letzter Instanz Gegenstände eines stets „nur“
subjektiven Erlebens.

Sie sind hier als Empfindungen gemeint.

Jede Epoche hatte ihre Spartakusse, doch seit es die
Wissenschaft gibt, können wir sagen, dass es sich um
neurotische Gerechtigkeitsfanatiker handelt, Maniker von
Grandiosität oder was auch immer.

Nicht doch!

Zwangsjacke und Gummizelle
erkenne ich als ein Fortschritt gegenüber Kreuz und Nagel an;

Du verwechselst da etwas: Kreuz und Nagel waren für Verbrecher gedacht, Zwangsjacke und Gummizelle für Kranke. Alle 4 Utensilien sind heute aus der Mode gekommen.

Vielleicht haben Nero (und die anderen Nagler) ja
wenigstens ein schlechttes Gewissen gehabt, während ich das
manchem Weisskittel das nur als zu wünschen übrig zu haben
empfinde. Mich da zu irren, würde mich allerdings nicht allzu
traurig machen.

Neros psychischen Zustände kann man nur schwer beurteilen. Aber das, was Du über die „Weißkittel“ schreibst, ist überzogen. Wie gut, daß Deine Erkenntnis dahin geht, daß Du weißt, daß Dich in Polemisierungen ergehst.

Fänd ich prima, wenn die Wissenschaft die Ojektivierbarkeit
des Erlebens an den Nagel hängen könnte und bei der
Gelegenheit noch eine gute Portion ihrer Urteile (früher:
„Anschauungen“) vom Menschen als auch erlebnisgebunden
dazuhängen könnte.

Wobei es sich bei dem Nagel dieses Mal um einen anderen handelt :wink:

Dem Standpunkt, Erleben als das zu betrachten, was es meiner Meinung nach ist - subjektiv -, und den Versuch einer Verwissenschaftlichung der Beschäftigung damit aufzugeben, bringe ich gewisse Sympathien entgegen. Doch weiß ich nicht, was Du mit den Urteilen vom Menschen als auch erlebnisgebunden meinst. Meinst Du, daß menschliches Verhalten nicht vom Erleben abhängt? Dies wäre ein behavioristischer Ansatz.

Eine Wissenschaft die das Erleben kategoriell fixieren und
„prognostisch-postulierend“ antizipierend organiseren will,
ist ein Verstoß gegen Wittgensteins 7. Traktatgebot (Siehe ein
Thema tiefer) und was dabei herauskommt, sind allzu oft bloß
Angriffspläne auf die Menschenwürde.

Daß eine kategorielle Fassung und eine Prognose des Erlebens zu Angriffsplänen auf die Menschenwürde führen kann, halte ich für übertrieben. Gerade diejenigen, die das Erleben wissenschaftlich untersuchen wollen, bezichtigen diejenigen, die das Erleben ausklammern wollen, der Negierung der Menschenwürde. Aber das ist kleinliches Gezänk.

Was ich dagegen vorsichtig für überpersonell
erkenntniszugänglich halte, sind die Bedingungen der
Möglichkeit individuellen (und in gaaanz vorsichtiger
Annäherung „archtypischen“) Erlebens und Empfindens auf der
Basis von „empathischer Demut“, wie ich das mal nennen möchte
und was ich im übrigen für ein Gebot von Menschenwürde
erachte.

„Sich in jemanden einfühlen“ übersetze ich. Das geht allzu oft nach hinten los.

Wir brauchen mehr Spielregelgemeinschaften, in denen sich die
unterschiedlichen Empfindungsträger rund um ihre
Erbebnissehnsüchte gruppieren können.

Bleib mir weg mit den Selbstfindungsgruppen! :wink:

Grundsätzlich bietet der
Westen und die Moderne das ja auch als Möglichkeit.

Schauder!

Nach meinem Eindruck ist das
Ensemble der unterschiedlichen Empfindungsausprägungen unter
den Menschen (also, soweit ich sie halt „nichtklinisch“ kenne)
in sich archetypisch plausibel und im Prinzip auch
selbsthilferegulativ organisierbar, ohne sich gegenseitig auf
die Füsse zu treten oder über den Haufen schiessen zu müssen.

„Archetypisch plausibel“ - terminologische Nebelbomben nenne ich das, wenn ich mich in Leute „hineinfühle“, die nicht Jung genug sind.

Man muss nur immer wissen woran man bei einer
Spielregelgemeinschaft ist, und bereit sein, selbstgewählte
Spielregeln zu achten und Konsequenzen zu tragen.

Selbstgewählt sind die Spielregeln der Spielregelgemeinschaft in den allerseltensten Fällen.

Der Rest ist sprachlich hochgestylte Meinung, was nicht heißen soll, daß Dein Posting zu lesen, mir nicht Vergnügen bereitete.

Freundliche Grüße,

Oliver Walter

Hallo!

In der Philosophievorlesung sprach der Prof. gestern über Kant
und seine (also Kants) Erkenntnistheorie. Dabei kam er auch zu
Kants Begriff der „Empfindungen“. Den Kantschen „Empfindungen“
soll es an Eigenschaften mangeln, durch die sich die Kantschen
„Objekte“ auszeichnen, nämlich Kontinuität und Konstanz.
Kontinuität und Konstanz sollen nach Auffassung des Profs
genau diejenigen Voraussetzungen sein, damit Wissenschaft
(Naturwissenschaft?) überhaupt möglich ist. Bei diesen
Ausführungen des Profs kam mir der folgende Gedanke: Wenn die
„Empfindungen“ nicht über Kontinuität und Konstanz verfügen,
die notwendig dafür sind, daß man etwas wissenschaftlich
betrachten kann, dann müßte es nicht möglich sein,
„Empfindungen“ wissenschaftlich zu untersuchen. „Empfindungen“
wären also kein Gegenstand einer Wissenschaft.

Ist meine Überlegung richtig? Hat der Kantsche Begriff der
„Empfindung“ etwas mit dem psychologischen Begriff des
„Erlebens“ zu tun? Wenn ja, könnte man dann den vorgetragenen
Standpunkt (angeblich der Kants) als philosophischen „Beleg“
anführen, daß eine Wissenschaft des Erlebens nicht möglich
ist?

Hallo Oliver,

ich persönlich würde Empfindung definieren als das wiederholte Erleben (Widerspiegelung einer Erfahrung) einer Situation, deren Ursachen und Zusammenhänge (noch) nicht erfasst werden.

beste Grüße
Frank

Begriffsbedeutlichkeiten

aha. öhm?

Hallo Olli,

ich stellte das nicht aus Spaß zur Diskussion, weil ich in diesen Aussagen von Kant Widersprüchlichkeiten sehe.
Für mixch bedeutet „subjektiv“ eine Sache, wie ich sie als Subjekt erkenne. Wie kann dann Empfinden nur der subjektive TEIL des Erfahrungsvermögens sein? Erfahrung ist prinzipiell subjektiv, wie soll ich das Wort sonst interpretieren?
Weiter unten gab mir Thomas recht, als ich behauptete, ich spiegele eine objektiv existierende Realität subjektiv wider, indem ich sie als logisch determiniert darlege.
Hier behauptet er wieder etwas anderes. Ich fände es schon recht sinnvoll, wenn wir uns auf eine Begriffsbestimmlichkeit einigen könnten. Ansonsten würde ich vorschlagen, daß wir uns etwas assoziationszerblastern.
Ihr. Ich nicht.

Gruß
Frank

Hallo Frank!

ich stellte das nicht aus Spaß zur Diskussion,

Wieso schreibst Du das?

weil ich in
diesen Aussagen von Kant Widersprüchlichkeiten sehe.

Welche Aussagen sind mit „diesen“ gemeint?

Für mixch bedeutet „subjektiv“ eine Sache, wie ich sie als
Subjekt erkenne. Wie kann dann Empfinden nur der subjektive
TEIL des Erfahrungsvermögens sein? Erfahrung ist prinzipiell
subjektiv, wie soll ich das Wort sonst interpretieren?

Vorschlag: Erfahrung ist individuell, Erleben ist subjektiv.

Weiter unten gab mir Thomas recht, als ich behauptete, ich
spiegele eine objektiv existierende Realität subjektiv wider,
indem ich sie als logisch determiniert darlege.
Hier behauptet er wieder etwas anderes. Ich fände es schon
recht sinnvoll, wenn wir uns auf eine Begriffsbestimmlichkeit
einigen könnten.

Wenn Du in Thomas´ Ausführungen Inkonsistenzen siehst, dann sprich doch bitte ihn an, nicht mich.

Ansonsten würde ich vorschlagen, daß wir uns
etwas assoziationszerblastern.

An Assoziationsblastern hat Biggi ihre Freude.

Ihr. Ich nicht.

Ich habe damit nichts zu tun.

Grüße,

Oliver Walter

Hallo Olli,

Vorschlag: Erfahrung ist individuell, Erleben ist subjektiv.

Erfahrung ist auch subjektbezogen, also subjektiv. Ich dachte, „nur“ Empfinden ist in deiner Vorstellung subjektiv? erleben also auch :smile:?
Subjektiv ist doch halt wohl alles, was sich auf das Subjekt bezieht. Während Erfahrung das im Gehirn bereits eingeordnete ist, ist das Erlebnis ein gegenwärtiger Prozess einer in der objektiven Realität vorhandenen Sache, der mit dem Subjekt wechselwirkt.

Ansonsten würde ich vorschlagen, daß wir uns
etwas assoziationszerblastern.

An Assoziationsblastern hat Biggi ihre Freude.

Dann sollten wir uns da nicht noch einmischen.:smile:

gruß
Frank

objektiv existierende Realität?
Hallo Frank,

Weiter unten gab mir Thomas recht, als ich behauptete, ich
spiegele eine objektiv existierende Realität subjektiv wider,
indem ich sie als logisch determiniert darlege.

nix da, sollte ich das konsistiert haben (wo denn?), dann war das höchstens eine Konzession an deine Ausdrucksweise.
(aus Zeitgründen nur kurz)

Herzliche Grüße

Thomas Miller

link für Vergeßliche :smile:
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarticl…

Da habe ich dich wohl gänzlich falsch verstanden??

Gruß
Frank

Hallo Oliver,

O.k., das leuchtet mir ein. Nun referierte der Prof, daß nach
Kant den Empfindungen generell Konstanz und Kontinuität fehlt.
Wie können Empfindungen dann im Rahmen der Kantischen
Philosophie zu regelmäßigen Erfahrungen werden, die Gegenstand
von Wissenschaft sein können?

durch Wiederholung. Oder meinst du etwas anderes?

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Hui, das ging ja schnell …
Hallo Frank,

Da habe ich dich wohl gänzlich falsch verstanden??

ich denke schon, nämlich weil du die Realität als objektiv ja voraussetzt, was ich mehrfach bestritten habe. Objektivität und Wiederspiegelung sind in bezug auf die „Realität“ materialistische Kategorien. Objektivität im kantischen Sinn heißt nicht, dass wir die Außenwelt widerspiegeln (vgl. Gerold Prauss, Einführung in die Erkenntnistheorie, 1980, eine lohnende Lektüre). Freilich ergeben sich daraus ein andere Probleme, aber das zu diskutieren würde dann wieder zu weit führen.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

so bin ich halt…
Halo Thomas,

ich denke schon, nämlich weil du die Realität als objektiv ja
voraussetzt, was ich mehrfach bestritten habe. Objektivität
und Wiederspiegelung sind in bezug auf die „Realität“
materialistische Kategorien. Objektivität im kantischen Sinn
heißt nicht, dass wir die Außenwelt widerspiegeln (vgl. Gerold
Prauss, Einführung in die Erkenntnistheorie, 1980, eine
lohnende Lektüre). Freilich ergeben sich daraus ein andere
Probleme, aber das zu diskutieren würde dann wieder zu weit
führen.

Das läßt sich mit wenigen Worten umschreiben:
Wenn du die Existenz einer objektiven Realität nicht voraussetzt, verkommt die Philosophie zur Ideologie. Sie wird unwissenschaftlich. Fehlende Existenz einer objektiven Realität ===> Unmöglichkeit der Methodik ===> unwissenschaftlich ===> Erkennbarkeit unmöglich. Das lehne ich strikt ab, da es sich widerspricht.

Gruß
Frank