Kants Kategorischer Imperativ

Hallo zusammen,

die einen finden Kant bewundernswert, andere widerum schlagen eher die Hände überm Kopf zusammen oder schmunzeln vor sich hin, wenn sie von ihm hören / lesen…

auf jeden Fall gibt es da so eine „These“ oder Behauptung, wo ich gerne von Euch wissen möchte, ob Ihr das auch so seht und wenn nicht mir Eure Erklärung dazu abgibt.

Den Kategorische Imperativ definiere ihn nochmal kurz, für die eingefleischten Philosophen, bei denen es lange her ist:
"Der Wille sei durch ein Gesetz bestimmt, das Sittengesetz. Wir handeln allein aus Pflicht (nicht aus Neigungen oder Trieben) selbstbestimmend. Die Vernunft hat die Kontrolle über uns, die uns die Antwort gibt was sittlich ist oder nicht.

Ist dieses Sittengesetz von Kant vergleichbar oder eher nur eine „schön philosophisch ummalte“ Aussage die wir im heutigen Alltag kennen:
„Was du nicht willst, was man dir tu, das füge keinem andern zu.“

Seht Ihr das auch so, oder liegt bei Kants KI mehr dahinter oder hat sogar eine ganz andere Bedeutung?

Dank im Voraus !!!

tina81

Hallo zusammen,

die einen finden Kant bewundernswert, andere widerum schlagen
eher die Hände überm Kopf zusammen oder schmunzeln vor sich
hin, wenn sie von ihm hören / lesen…

Er ist gut verständlich, wird aber krass falsch verabsolutiert.

auf jeden Fall gibt es da so eine „These“ oder Behauptung, wo
ich gerne von Euch wissen möchte, ob Ihr das auch so seht und
wenn nicht mir Eure Erklärung dazu abgibt.

Den Kategorische Imperativ definiere ihn nochmal kurz, für die
eingefleischten Philosophen, bei denen es lange her ist:
"Der Wille sei durch ein Gesetz bestimmt, das Sittengesetz.
Wir handeln allein aus Pflicht (nicht aus Neigungen oder
Trieben) selbstbestimmend. Die Vernunft hat die Kontrolle über
uns, die uns die Antwort gibt was sittlich ist oder nicht.

Hier fällt auf, dass sittlich selbstbestimmtes Handeln an einen Widerstand geknüpft wird. Es wird nicht nur gesagt, dass die Vernunft herrsche, sondern dass sie sich gegen Widerstand durchsetzt.

Ist dieses Sittengesetz von Kant vergleichbar oder eher nur
eine „schön philosophisch ummalte“ Aussage die wir im heutigen
Alltag kennen:
„Was du nicht willst, was man dir tu, das füge keinem andern
zu.“

Es gibt zwar einige Sätze, die so funktionieren, dass sie in etwa diese Bedeutung haben, aber beim obigen Zitat scheint mir das eher nebenbei mitzuschwingen und nicht von zentraler Bedeutung.

Seht Ihr das auch so, oder liegt bei Kants KI mehr dahinter
oder hat sogar eine ganz andere Bedeutung?

Wahrscheinlich ist die Bedeutung der Stelle insbesondere die: Glaube nicht, nur weil gut gehandelt ist, seist du schon ein Mensch, der selbstbestimmt nach einem Sittengesetz handelt! Nur wenn du gegen einen Widerstand (!) handelst, der in dir selber ist, hast du wirklich selber etwas bewirkt.

Was das Sprichwort „was du nicht willst…“ (usw.) betrifft, so ist es negativ formuliert, während bei Kant (und vielen anderen) auch die positive Formulierung vorkommt, sinngemäss etwa: Handle so, dass dein Handlungsziel auch das Ziel eines andern sein kann - also vermeide nicht nur, was du nicht selber erleben willst, sondern tu auch das, was du als Tat erleben möchtest.

Aber wie gesagt, das ist im obigen Zitat eher nur Voraussetzung oder Hintergrund, aber nicht klar die Aussage.

In der heutigen Zeit hat eine so hohe Bewertung von Pflicht an Bedeutung eher verloren, immerhin ist sie im Wirtschaftsleben noch da und dort anzutreffen. In solchen Aussagen wird als für Leistung entscheidend angeschaut, wieviel Unlust überwunden werden muss, wenn man die Arbeit vollbringt.

NB. Für mich persönlich hat die Tat Vorrang vor dem Motiv, d. h. wer gut handelt, auch wenn es ihm leichter fällt als einem andern, hat letztlich an sich schon etwas geleistet, und wer glaubt, dass der Zweck die Mittel heiligt, liegt falsch. Das ist aber Ansichtssache und eher mein „Geschmack“. Kant hat aber wohl dieses Problem angesprochen und als konsequenter Betrachter aus der Ich-Perspektive umgekehrt beantwortet.

Dank im Voraus !!!

tina81

Es möge nützen.
Gruss
Mike

Was hierbei richtig ist, daß die Vernunft zwar eine kontrollierende und erkennende Funktion hat, aber bei weitem nicht in der Lage ist, ihre Herrschaft in jedem Fall sicher auszuüben.

Beweise dafür gibt es genug.

Was Kant nicht wußte ist, daß der Mensch nicht allein von der Vernunft geführt wird, sondern auch vom Herzen. Also von den tieferen Emotionen, sowie auch von unbewußten irrationalen Impulsen.

Gehen wir in diese Tiefe, finden wir das, was sich durch Intuition bemerkbar macht. Diese hat glaube ich, auf uns die größte Wirkung beim Handeln. Die Vernunft ist dabei sekundär.

Der Einfluß dieses geheimnisvollen Ursprungs ist auch für unser Handeln verantwortlich und man könnte ihn auf ein Göttliches Element in uns zurückführen. Nennen wir es die Seele.

gruß
rolf

Hallo zusammen,

die einen finden Kant bewundernswert, andere widerum schlagen
eher die Hände überm Kopf zusammen oder schmunzeln vor sich
hin, wenn sie von ihm hören / lesen…

in der Philosophie geht es nicht um Bewunderung, sondern um Argumentation. Das schließt natürlich nicht aus, dass die Bewunderung AUS einer Argumentation heraus FOLGT. Die Abneigung gegen Kant resultiert meistens aus Unverständnis, woran Kant ja aufgrund seiner schwierigen Formulierungen nicht ganz unschuldig ist. Wer Kant allerdings verstanden hat, MUSS ihn bewundern, was wiederum keineswegs ausschließt, dass er seine Argumente für falsch hält. Aber für falsch halten kann man sie freilich erst, wenn man sie verstanden hat.

Den Kategorische Imperativ definiere ihn nochmal kurz, für die
eingefleischten Philosophen, bei denen es lange her ist:
"Der Wille sei durch ein Gesetz bestimmt, das Sittengesetz.
Wir handeln allein aus Pflicht (nicht aus Neigungen oder
Trieben) selbstbestimmend. Die Vernunft hat die Kontrolle über
uns, die uns die Antwort gibt was sittlich ist oder nicht.

Der Kategorische Impertativ sagt - kurz und allgemeinverständlich gefasst -, dass man so handeln soll, wie man meint, dass alle sich (in dieser Situation) verhalten sollen. In diesem Fall verhält man sich nach Kant moralisch. Moralisch sollen wir uns nach Kant nun auch verhalten, wenn es unseren Neigungen widerspricht.

Ein bisschen habe ich in der Formulierung geschummelt, denn die Formulerierung oben in den Klammern „in dieser Situation“ steht bei Kant nicht ausdrücklich. Ich denke aber, dass man diese Formulierung aus anderen Textstellen ableiten kann (das ist allerdings hier in der Kürze leider nicht darstellbar).

Wenn du von „Kontrolle“ sprichst, scheint mir da eine Abneigung schon mitzuschwingen, aber eine solche negative Kontrolle hat Kant nicht gemeint. Wir können ja seiner Meinung nach durchaus frei entscheiden, ob wir so handeln oder anders.

Ist dieses Sittengesetz von Kant vergleichbar oder eher nur
eine „schön philosophisch ummalte“ Aussage die wir im heutigen
Alltag kennen:
„Was du nicht willst, was man dir tu, das füge keinem andern zu.“

Was heißt schon „vergleichbar“? Der Kategorische Imperativ ist wesentlich präziser und umfangreicher als dieser Satz, den man als „Goldene Regel“ kennt. Außerdem ist der Kat. Imp. von Kant in verschiedenen, durchaus voneinander abweichenden Formulierungen vorgetragen worden, die sich nicht so einfach auf einen Nenner bringen lassen, weil sie verschiedene Aspekte des Kat. Imp. darstellen.

Eine schöne leicht verständlich Einführung ist: ISBN: 3423301449 Buch anschauen . Freilich werden auch in diesem Buch die Probleme nur angerissen. Ein wirkliches Verständnis ergibt sich erst nach jahrelanger Lektüre und Neulektüre - das ist leider so.

Aber immerhin bietet das Buch eine seriöse Grundlage, die in so vielen „Diskussionen“ über Kant leider fehlt.

Gruß

Bona

Moin,

Den Kategorische Imperativ definiere ihn nochmal kurz, für die
eingefleischten Philosophen, bei denen es lange her ist:
"Der Wille sei durch ein Gesetz bestimmt, das Sittengesetz.
Wir handeln allein aus Pflicht (nicht aus Neigungen oder
Trieben) selbstbestimmend. Die Vernunft hat die Kontrolle über
uns, die uns die Antwort gibt was sittlich ist oder nicht.

Der Kategorische Impertativ sagt - kurz und
allgemeinverständlich gefasst -, dass man so handeln soll, wie
man meint, dass alle sich (in dieser Situation) verhalten
sollen. In diesem Fall verhält man sich nach Kant moralisch.
Moralisch sollen wir uns nach Kant nun auch verhalten, wenn es
unseren Neigungen widerspricht.

Und hier offenbar sich meiner Meinung nach auch die Schwäche, nämlich der Zwang zur Allgemeingültigkeit. Die Vorstellung, sowohl Situationen, als auch Handelnde könnte in einer Weise ähnlich oder identisch sein, dass sich daraus eine Allgemeingültigkeit ableiten ließe, ist lediglich abstrakt, aber nicht praktikabel :smile:

Gruß
Marion

1 Like

Hallo Marion,

Und hier offenbar sich meiner Meinung nach auch die Schwäche,
nämlich der Zwang zur Allgemeingültigkeit. Die Vorstellung,
sowohl Situationen, als auch Handelnde könnte in einer Weise
ähnlich oder identisch sein, dass sich daraus eine
Allgemeingültigkeit ableiten ließe, ist lediglich abstrakt,
aber nicht praktikabel :smile:

das Gegenteil von Allgemeingültigkeit ist Regellosigkeit. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du einen Relativismus im Sinne einer Anarchie vertrittst, oder?

Mein Rekurs auf die Richtigkeit IN EINER SITUATION hatte ja gerade zur Absicht, den scheinbaren Zwang (der Kant m. E. eben fälchlicherweise vorgeworfen wird) zu relativieren. Dadurch eben lösen sich solche (dem Kat. Imp. unterstellten) Scheinprobleme, nach denen man der Ehrlichkeit wegen einen versteckten Juden, nach dem ein Nazi fragt, verraten müsse, auf. Das ist nämlich keineswegs der Fall, denn in diesem Falle - wiederum vereinfacht formuliert - würde eine andere Formel des Kat. Imp. greifen, nämlich die, dass man Menschen nicht nur als Mittel, sondern AUCH IMMER („auch“ UND „immer“) als Zweck behandeln soll.

Eher schon als Allgemeinheit kann man dem Kat. Imp. Leerheit vorwerfen (wie das Hegel und andere getan haben), weil er ja nicht sagt, was man tun soll, sondern nur, wonach man seine Absichten zu richten hat. DAS nun aber wird ebenso durch die Situationsbeziehung relativiert wie der erste Vorwurf. Und wie ich schon sagte, meine ich, dass man diese Situationsbeziehung (mindestens im Ansatz, aber aus meiner Sicht auch weitergehend) bei Kant an anderen Textstellen nachweisen kann.

Es ist natürlich richtig, dass man dann streng genommen nicht mehr von einem „kategorischen“, sondern von hypothetischen Imperativen sprechen müsste, aber dennoch würden diese hypothetischen Imperative Teile des Kategorischen Imperativs sein (bzw. sie müssten sich ihm untergliedern lassen).

Fachlich korrekter (aber immer noch zu kurz) müsste man sagen:
Die hypothetischen Imperative wären nicht-reine synthetische Urteile apriori (bzw. diese lägen jenen zugrunde), sind mithin also weder analytisch noch empirisch, wohl aber hätten sie als synthetische Urteile einen gewissen Allgemeingültigkeitsstatus. Ich beziehe mich hier vor allem auf die Arbeiten von Konrad Cramer.

Aber das geht eigentlich für dieses Forum schon zu weit und soll dich auch nicht weiter belasten. Mein entscheidendes Argument ist auch ohne den Rekurs verstehbar, denke ich, oder?

Gruß

Bona

1 Like

Moin Moin,

Die Vorstellung, sowohl Situationen, als auch Handelnde
könnte in einer Weise ähnlich oder identisch sein, dass
sich daraus eine Allgemeingültigkeit ableiten ließe,
ist lediglich abstrakt, aber nicht praktikabel :smile:

IMHO richtiger Einwand, wie sich auch aus dem
von Kant hergeleiteten Tugendvorstellungen im
Nationalsozialismus erkennen lässt.

Was eine gleichgeschaltete Gemeinschaft für „gut“
und „richtig“ hält und praktiziert, *muss* demnach
auch als „allgemeines Sittengesetz“ gelten und
auch gegen besseres Wissen oder moralische Bedenken
(Gefühle!) befolgt werden. Forlgerichtig hat auch
Hans Frank (http://en.wikipedia.org/wiki/Hans_Frank)
die allzu lalahafte originale Kantformulierung
expliziert, d.h. massenkonsumierbar gemacht:

 ...
 Handle so, daß der Führer, wenn er von deinem 
 Handeln Kenntnis hätte, dieses Handeln billigen 
 würde
 ...

(„Technik des Staates“, Schriftenreihe des
Institutes für die Technik des Staates an der technischen
Hochschule München,Deutscher Rechtsverlag G.m.b.H,
Berlin/Leipzig/Wien 1942
)

Im Gegensatz zu Kants eigener, die nichtbindend,
abstrakt und abgehoben war, war Franks Formulierung
darauf ausgelegt, zwar das Selbe im Grunde auszusagen,
aber ein Bezugssystem explizit vorzugeben und bindend
zu sein.

Grüße

CMБ

Moin,

Und hier offenbar sich meiner Meinung nach auch die Schwäche,
nämlich der Zwang zur Allgemeingültigkeit. Die Vorstellung,
sowohl Situationen, als auch Handelnde könnte in einer Weise
ähnlich oder identisch sein, dass sich daraus eine
Allgemeingültigkeit ableiten ließe, ist lediglich abstrakt,
aber nicht praktikabel :smile:

das Gegenteil von Allgemeingültigkeit ist Regellosigkeit. Ich
kann mir nicht vorstellen, dass du einen Relativismus im Sinne
einer Anarchie vertrittst, oder?

Das bezeichnet ja nur die Form. Bei einer Ethik, die hingegen in der Person selbst begründet ist, z.B. der Motivation, anderen Lebewesen mit Mitgefühl und Hilfsbereitschaft gegenüberzutreten, kann das Resultat zwar in gewisser Weise „anarchistisch“, aber dennoch für die Gesellschaft hochgradig erfreulich sein :smile:

Mein Rekurs auf die Richtigkeit IN EINER SITUATION hatte ja
gerade zur Absicht, den scheinbaren Zwang (der Kant m. E. eben
fälchlicherweise vorgeworfen wird) zu relativieren. Dadurch
eben lösen sich solche (dem Kat. Imp. unterstellten)
Scheinprobleme, nach denen man der Ehrlichkeit wegen einen
versteckten Juden, nach dem ein Nazi fragt, verraten müsse,
auf. Das ist nämlich keineswegs der Fall, denn in diesem Falle

  • wiederum vereinfacht formuliert - würde eine andere Formel
    des Kat. Imp. greifen, nämlich die, dass man Menschen nicht
    nur als Mittel, sondern AUCH IMMER („auch“ UND „immer“) als
    Zweck behandeln soll.

Und genau hier wird es meiner Meinung nach völlig abstrakt. In deinem konkreten Beispiel mag das ja noch hilfreich sein, aber was machst du in Situation, die durch das jeweilige Strafrecht gar nicht gedeckelt sind? Hier gibt es grundsätzlich erstmal maximale Handlungsfreiheit für jeden. Ein konkretes Beispiel: Wenn jemand vor der Entscheidung steht, ein Verhältnis mit einer verheirateten Person einzugehen, wie hilft ihm dann Kant bei der Entscheidung, um sein Handeln nun ethisch verwerflich ist oder nicht? Wie hilft einem Kant bei der Entscheidung, ob es ethisch bedenklich ist, Fleisch von Tieren zu konsumieren, die nicht artgerecht gehalten werden etc.?

Eher schon als Allgemeinheit kann man dem Kat. Imp. Leerheit
vorwerfen (wie das Hegel und andere getan haben), weil er ja
nicht sagt, was man tun soll, sondern nur, wonach man seine
Absichten zu richten hat. DAS nun aber wird ebenso durch die
Situationsbeziehung relativiert wie der erste Vorwurf. Und wie
ich schon sagte, meine ich, dass man diese Situationsbeziehung
(mindestens im Ansatz, aber aus meiner Sicht auch
weitergehend) bei Kant an anderen Textstellen nachweisen kann.

Es ist natürlich richtig, dass man dann streng genommen nicht
mehr von einem „kategorischen“, sondern von hypothetischen
Imperativen sprechen müsste, aber dennoch würden diese
hypothetischen Imperative Teile des Kategorischen Imperativs
sein (bzw. sie müssten sich ihm untergliedern lassen).

Fachlich korrekter (aber immer noch zu kurz) müsste man sagen:
Die hypothetischen Imperative wären nicht-reine synthetische
Urteile apriori (bzw. diese lägen jenen zugrunde), sind mithin
also weder analytisch noch empirisch, wohl aber hätten sie als
synthetische Urteile einen gewissen
Allgemeingültigkeitsstatus. Ich beziehe mich hier vor allem
auf die Arbeiten von Konrad Cramer.

Schon ok. Ich hab ja auch nicht gesagt, dass Kant bullshit ist, ich hab nur gesagt, dass er abstrakt ist und bleibt in seinen Vorstellungen und damit wenig als praktische Handlungsmaxime taugt.

Aber das geht eigentlich für dieses Forum schon zu weit und
soll dich auch nicht weiter belasten. Mein entscheidendes
Argument ist auch ohne den Rekurs verstehbar, denke ich, oder?

Meins auch? (Sofern ich dich mit ein paar rein praktischen Überlegungen „belasten“ darf :smile:)

Lieben Gruß
Marion

Hallo,

IMHO richtiger Einwand, wie sich auch aus dem
von Kant hergeleiteten Tugendvorstellungen im
Nationalsozialismus erkennen lässt.

ein absurdes Argument! Das Besondere an Kants Formulierung ist ja gerade, dass er FORMAL ist. Daraus abzuleiten, man dürfe die Formel INHALTLICH BELIEBIG füllen, ist ein krasser Fehlschluss.

Dass du Kants Formulierung als

nichtbindend

bezeichnest, legt doch mehr als vermutend nahe, dass du ihn nicht verstanden hast, sondern nur deine Abneigung zur Unterstützung deiner eigenen Ansicht benutzt.

Und dass du die Formulierung in der Folge

abstrakt und abgehoben

nennst, stützt diese Vermutung. Die letzten beiden Worte sind solche, die eigentlich nur Ignoranten benutzen, die ihre eigene Unfähigkeit bemänteln wollen. Ich hoffe nicht, dass du bewusst dazugehören möchtest.

Freilich weiß ich nur zu gut, dass wenn dieser Mechanismus wie leider so oft und insbesondere in Internetforen unbewusst funktioniert, so dass ich, falls dieser unbewusste Mechanismus auf dich zutreffen sollte, keine Chance habe, dies zu korrigieren, weshalb ich es auch sofort sein lasse.

Alles Gute (formal und inhaltlich)

Bona

Moin,

Wenn jemand vor der Entscheidung steht, ein Verhältnis mit
einer verheirateten Person einzugehen, wie hilft ihm dann Kant
bei der Entscheidung, um sein Handeln nun ethisch verwerflich
ist oder nicht?

ich habe Kant so verstanden, daß hier auch die Vernunft eingreifen muß.
Ist es vernünftig, diese mein Handlen als allgemein gültiges zu sehen?
Wenn man das zu ende denkt sicher nicht, denn dann kommt wieder Bonas Einwand der Regellosigkeit zum Tragen und auch das Handeln gegen die eingenen Vorlieben.

Wie hilft einem Kant bei der Entscheidung, ob
es ethisch bedenklich ist, Fleisch von Tieren zu konsumieren,
die nicht artgerecht gehalten werden etc.?

Auch hier wieder die Vernunft.
Ist es (langfristig) vernünftig Tiere so zu halten und die Umwelt entsprechend zu belasten?
Sicher nicht --> also sollte man keine Tiere aus nicht artgerechter Haltung konsumieren.

Sicher ist die Vernunft kein Allheilmittel, aber in vielen Fällen hilft sie weiter.

Gandalf

Hallo Marion,

Das bezeichnet ja nur die Form. Bei einer Ethik, die hingegen
in der Person selbst begründet ist, z.B. der Motivation,
anderen Lebewesen mit Mitgefühl und Hilfsbereitschaft
gegenüberzutreten, kann das Resultat zwar in gewisser Weise
„anarchistisch“, aber dennoch für die Gesellschaft hochgradig
erfreulich sein :smile:

das bestreite ich nicht.

Ein konkretes Beispiel:
Wenn jemand vor der Entscheidung steht, ein Verhältnis mit
einer verheirateten Person einzugehen, wie hilft ihm dann Kant
bei der Entscheidung, um sein Handeln nun ethisch verwerflich
ist oder nicht? Wie hilft einem Kant bei der Entscheidung, ob
es ethisch bedenklich ist, Fleisch von Tieren zu konsumieren,
die nicht artgerecht gehalten werden etc.?

Vorweg: Konkretheit ist nicht die erste (die zweite aber durchaus auch) Aufgabe der Philosophie (und es spricht eher für Kant, dass er uns als Menschen nicht so viel vorschreibt wie etwa bestimmte religiöse Standpunkte). In deinen Beispielen kann man aber Kant durchaus unterstützend benuten, denn natürlich möchte man sich im Leben gerne so verhalten, dass man immer wieder so handeln würde, wenn man in derselben Situation sich befindet, wozu Allgemeingültigkeit im Kantischen Sinn ganz nützlich ist. Sonst könnte ich ja einfach sagen, heute entscheide ich mich so, und wenn ich mich später in einer ähnlichen Situation befinde, entscheide ich entgegengesetzt.

Klartext: Entweder ich gehe das Verhältnis ein oder ich gehe es nicht ein, entweder man darf Tiere essen oder man darf es nicht - da gibt es keine Halbheiten. Und der Grund dafür ist genau der, den Kant liefert: Ich muss mich mit Gründen so verhalten, dass ich mich dieser Gründe später nicht schämen muss oder mich ihrer entledigt sehe.

Mitleid als moralisches Prinzip ist ja - wie du weißt - auch schon als moralische Grundlage benutzt worden (Schopenhauer u. a. mit Rückgriff auf buddhistische Ansichten), aber Mitleid ist im Grunde genommen auch ein bloß formales Prinzip, denn es sagt uns auch nicht konkret, wie wir mit Naziverbrechern konkret umgehen sollen.

Und damit ist dieses Argument

ich hab nur gesagt, dass er abstrakt ist und bleibt in seinen
Vorstellungen und damit wenig als praktische Handlungsmaxime taugt.

erledigt, denn außer direkt konkreten Anweisungen, wie sie Religionen oder Mütter :smile: geben (Du sollst … du sollst nicht), gibt es eigentlich keine konkreten Anweisungen, was die Suche nach abstrakten Anweisungen durchaus legitim macht. Und es spricht wiederum für Kant, dass er den Menschen die Urteilskraft zutraut, die Moralität einer konkreten Handlung an der Formalität seines Sittengesetzes selbst zu messen.

Gruß

Bona

Auch Hallo,

IMHO richtiger Einwand, wie sich auch aus dem
von Kant hergeleiteten Tugendvorstellungen im
Nationalsozialismus erkennen lässt.

ein absurdes Argument! Das Besondere an Kants Formulierung ist
ja gerade, dass er FORMAL ist. Daraus abzuleiten, man dürfe
die Formel INHALTLICH BELIEBIG füllen, ist ein krasser
Fehlschluss.

So?

Was hat das „formale“ sonst für eine Relevanz? Wie
hängt die „Formalität“ mit dem „Gegenstand“, dem
menschlichen Leben und Verhalten, zusammen?

Dass du Kants Formulierung als

nichtbindend

bezeichnest, legt doch mehr als vermutend nahe, dass du ihn
nicht verstanden hast, sondern nur deine Abneigung zur
Unterstützung deiner eigenen Ansicht benutzt.

Das glaube ich nicht, aber wenn Du das

Und dass du die Formulierung in der Folge

abstrakt und abgehoben

nennst, stützt diese Vermutung. Die letzten beiden Worte sind
solche, die eigentlich nur Ignoranten benutzen, die ihre
eigene Unfähigkeit bemänteln wollen. Ich hoffe nicht, dass du
bewusst dazugehören möchtest.

so sehen möchtest, dann sage ich dazu, wie Du
Dir denken konntest, nicht mehr allzuviel.

Freilich weiß ich nur zu gut, dass wenn dieser Mechanismus wie
leider so oft und insbesondere in Internetforen unbewusst
funktioniert, so dass ich, falls dieser unbewusste Mechanismus
auf dich zutreffen sollte, keine Chance habe, dies zu
korrigieren, weshalb ich es auch sofort sein lasse.

Aha, hier betreibt einer „Philosophische Anthropologie“.

Nur zu!

Grüße

CMБ

Moin,

In deinen
Beispielen kann man aber Kant durchaus unterstützend benuten,
denn natürlich möchte man sich im Leben gerne so verhalten,
dass man immer wieder so handeln würde, wenn man in derselben
Situation sich befindet, wozu Allgemeingültigkeit im
Kantischen Sinn ganz nützlich ist.

Nach außen hin mag die Situation ja sogar identisch sein (verheirateter Partner), aber inhaltlich? Es gibt außereheliche Verhältnisse, die Ehen zerstören, und außereheliche Verhältnisse, die Ehen stabilsieren (nur Überschauen wir die Konsequenz unseres Verhaltens nunmal leider nicht restlos in dem Moment, wo eine Entscheidung von uns gefordert wird) . Was kennzeichnet für dich im Kant’schen Sinne nun eine ähnliche, oder gar „dieselbe“ Situation?.

Sonst könnte ich ja einfach
sagen, heute entscheide ich mich so, und wenn ich mich später
in einer ähnlichen Situation befinde, entscheide ich
entgegengesetzt.

Und was spräche dagegen? Sowohl ich, also auch die Umstände können sich doch von heute auf morgen extrem verändern, auch wenn die konkrete Situation durchaus vergleichbar ist.

Klartext: Entweder ich gehe das Verhältnis ein oder ich gehe
es nicht ein, entweder man darf Tiere essen oder man darf es
nicht - da gibt es keine Halbheiten.

Das ist meiner Meinung nach an der Realität vorbei. Viele Menschen essen z.B. weniger Fleisch als früher oder nur Bio-Fleisch oder was auch immer. Wenn man mal unterwegs ist, darf es aber auch ruhig mal ein Schnitzel aus konventioneller Tierhaltung sein, wenn es gerade nichts anderes gibt. Und was die Aktivitäten Verheirateter angeht, so ist mir die ganze Palette von: Fremd gehen mit Einverständnis des Partners, Fremd gehen wenns nur ein einmaliger Ausrutscher ist, Fremdgehen nur wenn der Partner nichts weiß, Fremd gehen, wenn der Partner mal über längere Zeit keine Lust auf Sex hat usw.usw. bekannt. Die Welt ist voll von Halbheiten :smile:

Und der Grund dafür ist
genau der, den Kant liefert: Ich muss mich mit Gründen so
verhalten, dass ich mich dieser Gründe später nicht schämen
muss oder mich ihrer entledigt sehe.

Auch das finde ich völlig realitätsfremd. Wir haben nunmal keinen Zugriff auf „später“. „Später“ können sich meine Einstellungen ziemlich verändert haben und ich kann mich durchaus dann für etwas schämen, das ich vorher in der Überzeugung gemacht hab, das „Richtige“ zutun. Für diese Veränderung genügt manchmal schon ein bisschen mehr an Informationen, was die Konsequenz einer bestimmten Handlungsweise angeht.

Mitleid als moralisches Prinzip ist ja - wie du weißt - auch
schon als moralische Grundlage benutzt worden (Schopenhauer u.
a. mit Rückgriff auf buddhistische Ansichten), aber Mitleid
ist im Grunde genommen auch ein bloß formales Prinzip, denn es
sagt uns auch nicht konkret, wie wir mit Naziverbrechern
konkret umgehen sollen.

Warum nicht? Auch Naziverbrecher kann man mit Mitgefühl (dieser Begriff ist mir lieber als „Mitleid“) behandeln und dennoch seine Taten ablehnen.

erledigt, denn außer direkt konkreten Anweisungen, wie sie
Religionen oder Mütter :smile: geben (Du sollst … du sollst
nicht), gibt es eigentlich keine konkreten Anweisungen, was
die Suche nach abstrakten Anweisungen durchaus legitim macht.

Wer sagt denn, dass man „konkrete Anweisungen“ braucht? Welche „konkreten Anweisungen“ befolgen den deiner Meinung nach Menschen, die wir allgemein als hilfsbereit und mitfühlend wahrnehmen, wie zum Beispiel Ghandi, Mutter Theresa und viele andere? (Bitte jetzt nicht am einzelnen Beispiel aufhängen). Diese Menschen sind hilfreich und mitfühlend. Es ist eine ihnen innewohnende Eigenschaft. Sie handeln meiner Meinung nach nicht nach irgendwelchen „Anweisungen“.

Und es spricht wiederum für Kant, dass er den Menschen die
Urteilskraft zutraut, die Moralität einer konkreten Handlung
an der Formalität seines Sittengesetzes selbst zu messen.

In dem Moment, wo dieses „Sittengesetz“ jedoch ein persönliches ist, weil die Gesellschaft kein allgemein gültiges Sittengesetzt vorgibt, und jeder im Grund in dem Punkt machen kann was er will, hast du genau die „Anarchie“, der du Kant entgegensetzen wolltest.

Gruß
Marion

Moin,

ich habe Kant so verstanden, daß hier auch die Vernunft
eingreifen muß.
Ist es vernünftig, diese mein Handlen als allgemein gültiges
zu sehen?
Wenn man das zu ende denkt sicher nicht, denn dann kommt
wieder Bonas Einwand der Regellosigkeit zum Tragen und auch
das Handeln gegen die eingenen Vorlieben.

Für mich ist Regellosigkeit kein Einwand, sondern Realität. Für die meisten Entscheidungen, die wir tagtäglich treffen, gibt es keine Regeln, sondern jeder handhabt es so, wie er mag. Wenn du beispielsweise einen größeren Betrag im Lotto gewinnst, kannst du dir endlich den lang gehegten Wunsch einer Weltreise ermöglichen, das Geld für dich und deine Nachkommen gewinnbringend anlegen oder einer Einrichtung spenden, die sich für den Erhalt des Rgenwaldes einsetzt. Was wäre im Sinne von Kant „vernünftig“? Dafür gibt es keine Regeln. Alles wäre irgendwie „o.k.“, je nachdem, wen man fragt.

Wie hilft einem Kant bei der Entscheidung, ob
es ethisch bedenklich ist, Fleisch von Tieren zu konsumieren,
die nicht artgerecht gehalten werden etc.?

Auch hier wieder die Vernunft.
Ist es (langfristig) vernünftig Tiere so zu halten und die
Umwelt entsprechend zu belasten?
Sicher nicht --> also sollte man keine Tiere aus nicht
artgerechter Haltung konsumieren.

Wieso belastet es die Umwelt weniger, wenn ich fünf Hühner im Hünerhof rumrennen lasse, als wenn ich fünf Hühner im sauberen, gut zu reinigenden schuhkartongroßen Boxen mit Gitterfußboden halte, wo die Ausscheidungen direkt umweltfreundlich entsorgt werden können und die Eier auch sauber bleiben?

Gruß
Marion, die jetzt gleich wegfährt und ein paar Tage lang vermutlich nur unregelmäßig ins Internet kann, also kann es mit weitere Antworten etwas dauern.

Hallo,

Nach außen hin mag die Situation ja sogar identisch sein
(verheirateter Partner), aber inhaltlich? Es gibt
außereheliche Verhältnisse, die Ehen zerstören, und
außereheliche Verhältnisse, die Ehen stabilsieren (nur
Überschauen wir die Konsequenz unseres Verhaltens nunmal
leider nicht restlos in dem Moment, wo eine Entscheidung von
uns gefordert wird) .

hier forderst du gerade die Genauigkeit, die du eigentlich nicht willst. Wir brauchen den Vergleichmaßstab ja nicht, um ABSOLUTE Gleichheit zu haben.

Was kennzeichnet für dich im Kant’schen
Sinne nun eine ähnliche, oder gar „dieselbe“ Situation?.

Der konkrete Vergleich ist (auch nach Kant) wieder eine Sache der Urteilskraft, formal kann man nur sagen, dass die bedeutsamen Elemente einer Situation die gleichen sein müssen. Es ist also (in diesem Kontext) nicht sinnvoll, die „Verhältnisse, die eine Ehe zerstören“ mit den „Verhältnissen, die Ehen stabilisieren“ zu vergleichen, denn das einzige, was sie ähnlich sein lässt, ist, dass es „Verhältnisse“ sind. Vielmehr ist zu fragen - und das ist jetzt durchaus formal und nicht inhaltlich - ob wir „Verhältnisse, die Ehen zerstören“ tolerieren, ABGESEHEN von den übrigen Umständen. In diesem Kontext ist also die Frage der möglichen Zerstörung das entscheidende Moment.

Sonst könnte ich ja einfach sagen, heute entscheide ich mich so,
und wenn ich mich später in einer ähnlichen Situation befinde,
entscheide ich entgegengesetzt.

Und was spräche dagegen? Sowohl ich, also auch die Umstände
können sich doch von heute auf morgen extrem verändern, auch
wenn die konkrete Situation durchaus vergleichbar ist.

Es gibt situationsbestimmende und situationsmarginale Eigenschaften. Sollten im Falle des späteren Andershandelns die situationsbestimmenden Eigenschaften der Situation dieselben sein (oder hinreichend ähnlich, was wieder die Urteilskraft zu bestimmen hätte), dann müsste man sich zum späteren Zeitpunkt vorwerfen, zum früheren Zeitpunkt die falsche Entscheidung getroffen zu haben. Das ist verzeihlich, aber trotzdem nicht angenehm. Man kann natürlich der Adenauerschen Doktrin folgend sagen, dass das eigene Geschwätz von gestern mich nichts mehr angeht (was auch Herr A. natürlich nicht ganz so streng, sondern eher witzig gemeint hat), aber dann gibt es gar keinen Maßstab des Handelns. Das ist vertretbar, aber unbefriedigend.

Klartext: Entweder ich gehe das Verhältnis ein oder ich gehe
es nicht ein, entweder man darf Tiere essen oder man darf es
nicht - da gibt es keine Halbheiten.

Das ist meiner Meinung nach an der Realität vorbei. Viele
Menschen essen z.B. weniger Fleisch als früher oder nur
Bio-Fleisch oder was auch immer. …

Du argumentierst auf der Ebene dessen, was ist , was geschieht, die Kantische Ethik und die philosophische Ethik allgemein zielt aber auch das, was sein soll. Beides darf man nicht verwechseln.

Und der Grund dafür ist genau der, den Kant liefert: Ich muss mich
mit Gründen so verhalten, dass ich mich dieser Gründe später nicht
schämen muss oder mich ihrer entledigt sehe.

Auch das finde ich völlig realitätsfremd. … Für diese
Veränderung genügt manchmal schon ein bisschen mehr an
Informationen, was die Konsequenz einer bestimmten
Handlungsweise angeht.

Das ist richtig, trifft aber Kant nicht. Denn Kants Ansicht nach geht es nicht darum, sich richtig zu verhalten, sondern darum, die richtige ABSICHT zu haben. Wer also nach Kant falsch handelt, aber in guter Absicht, handelt trotzdem moralisch. Nur muss sich eben diese Absicht nach dem Kategorischen Imperativ richten und allgemeingültig gedacht sein. Das ist z. B. beim Nationalsozialismus nicht der Fall, weil er interessebezogen, also perspektivisch denkt. Und genau diese Interessebezogenheit diskreditiert auch den Marxismus und das Denken Nietzsches. Denn deren Aussagen, dass Philosophie perspektivisch ist und auch sein muss, verwechselt genauso wie du oben die Ebenen von Sein und Sollen.

aber Mitleid ist im Grunde genommen auch ein bloß formales Prinzip,
denn es sagt uns auch nicht konkret, wie wir mit Naziverbrechern
konkret umgehen sollen.

Warum nicht? Auch Naziverbrecher kann man mit Mitgefühl
(dieser Begriff ist mir lieber als „Mitleid“) behandeln und
dennoch seine Taten ablehnen.

Natürlich kann man Mitgefühl haben, aber das schreibt - wie Kant auch - immer noch keine konkreten Handlungen vor. Beim Buddhismus akzeptierst du das, bei Kant gilt es dir als Manko. Möchtest du das Vermeiden von Handeln, also das Nichthandeln als Handeln auffassen? Aus kantischer Sicht wäre das nicht zulässig, weil Handeln sich von Nichthandeln durch die absichtlich erreichte Veränderung unterscheidet.

Wer sagt denn, dass man „konkrete Anweisungen“ braucht? …

Das sagst du selbst, indem du die fehlenden „konkreten Anweisungen“ bei Kant als mangelnde Praxisbezogenheit geißelst. Ich stimme deinen Ausführen zum Mitfühlen durchaus zu und auch deine Personenbeispiele sind richtig. Aber du misst mit zweierlei Maß.

In dem Moment, wo dieses „Sittengesetz“ jedoch ein
persönliches ist, weil die Gesellschaft kein allgemein
gültiges Sittengesetzt vorgibt, und jeder im Grund in dem
Punkt machen kann was er will, hast du genau die „Anarchie“,
der du Kant entgegensetzen wolltest.

Das ist ein Missverständnis. Es geht Kant weder um ein persönliches, noch um ein gesellschaftliches Sittengesetz. Kant arbeitet das allen, den persönlichen wie den gesellschaftlichen Sittengesetzen zugrundeliegende Sittengesetz heraus, nicht das, das allen zugrunde liegt, sondern das, was allen zugrunde liegen SOLLTE. Und dieses besteht eben darin, dass man bestrebt ist, seinem eigenen Streben Allgemeingültigkeit zu verleihen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Die übrigen Formulierungen des Kat. Imp. (es sind insgesamt vier bzw. fünf) bei Kant gehen eine Ebene tiefer und wenden das auf verschiedene Aspekte an. Erst auf der nächstunteren Ebene folgt dann die Anwendung auf die konkrete Erlebnissituation.

Gruß

Bona

Moin Marion,

Wieso belastet es die Umwelt weniger, wenn ich fünf Hühner im
Hünerhof rumrennen lasse, als wenn ich fünf Hühner im
sauberen, gut zu reinigenden schuhkartongroßen Boxen mit
Gitterfußboden halte, wo die Ausscheidungen direkt
umweltfreundlich entsorgt werden können und die Eier auch
sauber bleiben?

Tiere, die artgerecht gehalten werden, bzw. nach Öko-Standards alá Demeter haben eine bessere Ökobilanz als intensiv gehaltene Tiere.
Angefangen beim Energieverbrauch für das Futter bis zur Entsorgung der Fäkalien (Stichwort Kreislaufwirtschaft).
Details wie Bodenbelastunglasseich jetzt malaußen vor.

Gandalf

P.S.
Viel Spaß in der Freizeit

Dank, daß wenigstens du an das Unbewußte erinnerst
Hi.

Was hierbei richtig ist, daß die Vernunft zwar eine
kontrollierende und erkennende Funktion hat, aber bei weitem
nicht in der Lage ist, ihre Herrschaft in jedem Fall sicher
auszuüben.

Ich glaube, was du meinst, betrifft eher den Verstand, der, wenn man so will (muß man aber nicht), eine Sache des Bewußtseins ist. Die Vernunft dagegen ist eine Sache des Unbewußten. Dein Hinweis ist aber wichtig, insofern du von Intuition sprichst, die aus der Tiefe des Geistes kommt.

Vernunft ist kein durch das Bewußtsein bewirkter Faktor, weil Bewußtsein überhaupt nur eine Oberfläche ist, deren Bewegungen aus der Tiefe des Unbewußten entstehen. Auch die Vernunft kommt aus dieser Dimension - daß wir bewußt auf sie reflektieren, heißt noch längst nicht, daß wir sie bewußt hervorbringen. Da meine Hinweise darauf schon vor einem halben Jahr (generell) ignoriert oder nicht verstanden wurden, will ich hier nicht weiter ins Detail gehen. Ich nenne nur nochmal die Theorien von Jacques Lacan (ein wichtiger Name, der in diesem Forum außer von mir noch nie genannt wurde) und, ganz woanders situiert, Jürgen Habermas. Ersterer verortet die Vernunft im Unbewußten (in der Symbolischen Ordnung), letzterer in den Prozessen der Kommunikation, die unabhängig von den Hervorbringungen des Ich anzusehen sind.

Der Faktor Unbewußtes wird in diesem Forum einfach VIEL ZU SEHR vernachlässigt. Es ist, als hätten Freud, Lacan und Habermas nie existiert. So kommt man aber bei Diskussionen nie hinter die Oberfläche. Leute, wir sind im 21. Jhd. angekommen - sollte man meinen.

Sorry übrigens, Pendragon, für das von mir gewohnte Namedropping - kann nix dafür, daß du mit besagten Namen Schwierigkeiten hast.

Gruß

„Was du nicht willst, was man dir tu, das füge keinem andern
zu.“

Liebe tina81
Ich kenne den KI so:
„Handle so, als ob die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Grundlage einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.“
Ebenso kann ich dem KI eine „übersetzte“ griffige Botschaft zuordnen:
„Global denken – Vor Ort handeln“.
Jeder sollte nach Kant so handeln, als ob von seinem Handeln das Wohl und Wehe der ganzen Gesellschaft abhinge und sich überlegen, was passieren würde, wenn alle das täten, was er vorhat zu tun. In einigen Fällen ist dies eindeutig, wie z. B.:
Ich spiele mit dem Gedanken, ein Stück Papier achtlos auf die Straße zu werfen. Da ich aber nicht will, dass andere meinem Beispiel folgen, lasse ich es lieber; die Straße würde sonst die reinste Müllhalde werden. In solchen Fällen kann man von einem Funktionieren des KI reden.
Schwieriger wird es in moralischen Fragen:
„Soll ich meinem sterbenskrankem, schwer leidendem Vater ein Mittel verabreichen, um sein Leiden zu beenden?“ Individuell mag dies eine richtige Lösung sein, aber generell…
Es gibt nichts Perfektes auf der Welt. Auch nicht von einem der intelligentesten Menschen, die je auf dieser Welt gelebt haben.
Viele Grüße
Voltaire

„Handle so, als ob die Maxime deines Willens jederzeit
zugleich als Grundlage einer allgemeinen Gesetzgebung gelten
könne.“

Alles nun, was ihr wollt, daß euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch! (MT 7,12)

„Soll ich meinem sterbenskrankem, schwer leidendem Vater ein
Mittel verabreichen, um sein Leiden zu beenden?“ Individuell
mag dies eine richtige Lösung sein

was zu bezweifeln ist

Es gibt nichts Perfektes auf der Welt.

Aber einiges ist und bleibt jederzeit wahr.
Gruss
Mike

Lieber Dahinden

„Handle so, als ob die Maxime deines Willens jederzeit
zugleich als Grundlage einer allgemeinen Gesetzgebung gelten
könne.“

Alles nun, was ihr wollt, daß euch die Leute tun sollen, das
tut ihnen auch! (MT 7,12)

Das bezieht sich darauf, wie Menschen miteinander umgehen sollen. Du hast recht; hier gibt es viele Überschneidungen mit dem KI.

„Soll ich meinem sterbenskrankem, schwer leidendem Vater ein
Mittel verabreichen, um sein Leiden zu beenden?“ Individuell
mag dies eine richtige Lösung sein

was zu bezweifeln ist

Ich bin mir sicher, dass es Fälle gibt, in denen ein solches Handeln die einzig richtige Lösung ist. Aber man darf solche Fälle eben nicht verallgemeinern.

Es gibt nichts Perfektes auf der Welt.

Aber einiges ist und bleibt jederzeit wahr.

Völlig richtig. Bloß was?

Viele Grüße
Voltaire

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