Hallo und Willkommen
Dein Problem loesen, das kann ich auch nicht. Aber ein paar Gedanken
dazu habe ich schon.
Wir Menschen sehen Dinge aufeinanderfolgen. Geschieht soetwas in
einem fuer uns offensichtlichen Zusammenhang oder geschieht es immer
gleich, dann denken wir, das eine sei die Ursache des anderen.
Wenn wir etwas als Ursache ausgemacht haben, dann nehmen wir auch
wahr, dass diese Ursache der Wirkung immer vorausgeht.
Wir nehmen auch soetwas wie Dauer wahr.
Das alles sind aber zunaechst erstmal keine Aussagen ueber die Welt,
sondern Feststellungen, die unser Welt bild betreffen, also
Feststellungen ueber unsere Art, die Welt wahrzunehmen.
Wir sortieren unsere Wahrnehmungen nach Ursache und Wirkung und wir
haben ein Konzept von Zeit. Ob diese Dinge real sind, das wissen wir
nicht. Mag sein, dass es weder kausale Zusammenhaenge noch Zeit gibt.
Wir koennen sogar gar nichts ueber die Welt an sich erfahren.
Pragmatisch sollte man sich auf den Standpunkt stellen, dass unser
Weltbild auch tatsaechlich die Welt ist, denn, wie gesagt, die
objektive Realitaet ist uns nicht zugaenglich.
Unser Wunsch ist es nun, dass unser Weltbild (von nun an nur noch
Welt genannt) widerspruchsfrei sei.
Das von dir benannte Paradoxon, steht dem Wunsch entgegen. Es
frustriert uns. Jetzt gibt es verschiedene Moeglichkeiten, mit dieser
Frustration fertig zu werden. Eine dieser besteht darin, die ganze
Sache zu ignorieren. Das ist das, was die meisten Menschen tun. Eine
andere besteht darin, sich um Aufloesung des Widerspruchs zu
bemuehen. Der Umgang mit der Frustration ist eine psychologische
Frage.
Aber wenn du den Widerspruch lieber loesen als ignorieren willst,
dann gebe ich noch folgende Hinweise:
-
Weiter unten wurden Heisenberg und Quantentheorie erwaehnt. Diese
Andeutungen moechte ich noch ein wenig praezisieren: Nehmen wir den
radioaktiven Zerfall eines Atomkerns. Wir koennen genau sagen, wann
ein Stein auf den Boden auftreffen wird, wenn wir die Hoehe kennen
und wir koennen sehr genaue Uhren bauen. Im Makroskopischen
funktioniert unsere Vorstellung von Ursache und Wirkung sehr gut und
wir koennen auf dieser Basis Geraete bauen. Aber wann ein Atomkern
zerfallen wird, das koennen wir beim besten Willen nicht sagen. Wir
kennen nur die Wahrscheinlichkeit dafuer, dass er innerhalb einer
bestimmten Zeit zerfallen wird. Da wir keine genaue Vorhersage
treffen koennen, muessen wir gestehen, dass wir die Ursache fuer den
Zerfall nicht kennen. Zwar wissen wir, dass bestimmte
Wechselwirkungen den Zerfall herbeifuehren, aber wir wissen eben
nicht, warum sie es just in dem Augenblick tun, in dem sie es tun.
Nun liegt es nahe, zu sagen, dass der Zerfall eines Atomkerns
durchaus klar determiniert sei, unsere menschliche Unkenntnis es uns
aber nicht erlaube, genaue Vorhersagen zu treffen. Es koennte doch
sein, dass es versteckte Parameter gebe. Dies zu widerlegen gelang
einem Physiker namens J.S. Bell und den Experimentatoren, die Bells
Voraussagen experimentell bestaetigen konnten
(http://de.wikipedia.org/wiki/Bellsche_Ungleichung).
Eine Konsequenz dieser Ueberlegungen und Experimente ist, dass die
Welt auf mikroskopischer Ebene inhaerent (d.h. nicht anders sein
koennend, von Natur aus) statistisch ist. Mehr als
Wahrscheinlichkeitsaussagen sind prinzipiell nicht moeglich, m.a.W.
der strenge Determinismus unserer Alltagswelt weicht im
Mikroskopischen einem Determinismus von Wahrscheinlichkeiten (d.h.
die Wahrscheinlichkeiten gehorchen deterministischen Gleichungen,
nicht aber die Koerper). Kurz: In der Quantenwelt gibt es echten
Zufall.
Unter Umstaenden wirken die Mikroobjekte auch auf die makroskopische
Welt. Wenn du versuchst einen Bleistift auf seine Spitze zu stellen,
dann wird der Bleistift umkippen. In welche Richtung er kippt, laesst
sich prinzipiell nicht vorhersagen, denn Zusammenstoesse mit
Luftmolekuelen und oder das thermische Zittern der Atome an der
Beruehrungsstelle Spitze-Tisch fliessen in die Fallrichtung mit ein.
Mit einem Satz: Den Laplaceschen Daemon
(http://de.wikipedia.org/wiki/Laplacescher_Dämon) kann es nicht geben
und damit ist deine Annahme einer zufallsfreien Kausalitaet falsch.
-
Spielen wir aber dennoch durch, dass alles eine Ursache habe und
dass alles, was nicht ist, einer Ursache wegen nicht ist, dann kommt
man zwangslaeufig auf die Frage, ob die Welt einen Anfang hatte oder
nicht. Beides koennen wir uns nicht vorstellen und einen
unverursachten Gott zu postulieren, ist meiner Meinung nach nicht im
Mindesten hilfreich.
Man gelangt uebrigens gleichmassen in Schwierigkeiten, die Herkunft
der Welt zu erklaeren, wenn es keine Kausalitaet gaebe. Denn auch
eine vom Zufall regierte Welt muss entweder ewig oder entstanden
sein.
Der Urknall erklaert in dieser Hinsicht auch nichts, denn trotz
seiner koennen wir fragen, was vorher gewesen sei oder warum er
stattgefunden habe. Die Aussage, die Zeit selbst sei mit dem Urknall
entstanden, und deshalb gebe es kein Vorher, ist auch nicht
vorstellbar.
Wir kommen also darauf zurueck, dass wir, um des Seelenfriedens
willen, die Sache ignorieren sollten 
Gruss, Tychi