Kind (13 Jahre) fährt schwarz

Hallo,

die andere Quelle vertritt generell ohne Einschränkungen die Ansicht, dass die EVO und die VO ABB auch unabhängig von Vertragsschlüssen gilt, also auch ohne Vertrag.

Speziell zu Minderjährigen wird nichts gesagt, also anders als in dem Fall des AG Mülheim, das zwar auch die Auffassung vertritt, nach der VO ABB bedürfe es keines Vertrages, doch gleichwohl den Minderjährigenschutz zur Anwendung kommen lässt.

Somit haben wir nach wie vor keine Quelle, vor allem nicht aus der für die Praxis relevanten Rechtsprechung.

VG
EK

Eine mögliche Antwort
Hallo,

weiter unten hatte ich angekündigt, kurz die Ergebnisse von Pohar vorzustellen. Die Fundstelle hatte ich benannt.

Einige Klarstellungen vorab:

  • Ich möchte nur die Schlussfolgerungen aus der Dissertation vorstellen. Es muss nicht unbedingt meine Meinung sein.
  • Wenn jemand mit der Auffassung nicht einverstanden ist oder gar beleidigend werden möchte, möge er sich an den Autor oder an den Doktorvater wenden.
  • Für die Richtigkeit der angeführten Quellen kann ich nicht garantieren.
  • Ich kann hier nicht das ganze Literaturverzeichnis abschreiben. Wer es genau wissen will, möge sich die Dissertation selbst besorgen.
  • Ich beziehe mich auf die Personenbeförderung per Eisenbahn. Die parallelen Regelungen für Verkehrsmittel im Sinne des PBefG dürften ja bekannt sein.
  • Auch wenn es wahrscheinlich nichts bringen wird, so möchte ich doch nochmals eindringlich auf den Titel dieses Beitrags (_ Eine _ mögliche Antwort) verweisen.

Nachfolgend also kurz die für die Eingangsfrage relevanten Ergebnisse der Dissertation.

Zunächst zur Einwilligung durch die gesetzlichen Vertreter:

"Soweit angeführt wird, die Einwilligung der gesetzlichen Vertreter beziehe sich nicht auf Schwarzfahren eines Minderjährigen, hat das Bundesverfassungesgericht dieser Argumentation mit einem Beschluss vom 20.05.1987 [Fn: VRS 80,81] eine deutliche Absage erteilt. […] Im gleichen Atemzug stellt das BVerfG den Grundsatz fest, dass die Verpflichtung, ein erhöhtes Beförderungsentgelt zahlen zu müssen, keine Aushöhlung des im BGB verankerten Minderjährigenschutzes sei [Fn: BVerfG VRS 80, 81 (82)]. […] Nach dieser Argumentation wäre der schwarzfahrende Minderjährige zumindest im alltäglichen Regelfall zur Zahlung des erhöhten Fahrpreises […] verpflichtet.“ (Seite 262)

Damit kommt Pohar zu dem Ergebnis, dass bei Minderjährigen meist ein wirksamer Vertragsabschluss vorliegt. Eine Einschränkung der Zustimmung dahingehend, dass Schwarzfahrten nicht abgedeckt seien, sei treuwidrig.

Zu betonen ist an dieser Stelle aber, dass der Vertragsschluss nicht unbedingt die einzige Grundlage für die Verpflichtung zur Zahlung der 40 Euro darstellt. Es ist damit noch nichts über mögliche andere Grundlagen gesagt. In Frage kommt insbesondere die Rechtspflicht eigener Art (LG Bremen, NJW 1966, 2360), die von Pohar als gesetzlich verankerter zivilrechtlicher Zahlungsanspruch bezeichnet wird (Seite 244). Er setzt sich mit dieser Möglichkeit auseinander und erklärt hierzu grundsätzlich:

„Streitig sind ohnehin nur die Fälle, in denen kein Vertrag zwischen dem Minderjährigen und dem Eisenbahnunternehmen zustande gekommen ist.“ (Seite 263)

Als Quelle dafür, in den Fällen, in denen ein Minderjähriger gegen den Willen der Eltern einen Zug nutzt, § 823 Abs. 3 BGB heranzuziehen, nennt er Dörner/Staudinger [Verbraucherrechte im öffentlichen Personenverkehr, B II 5 a) cc)]. Er erwähnt auch gegenläufige Ansichten, die sich auf §§ 104 ff. BGB berufen.

Im Ergebnis stellt Pohar fest:

„Nur wenn der Minderjährige über sieben Jahre alt ist und die Einsichtsfähigkeit besitzt, um zu erkennen, dass das Fahren ohne Fahrkarte ein Unrecht darstellt, ist er zur Zahlung des erhöhten Fahrpreises verpflichtet.“ (Seite 263)

Das Bestehen des gesetzlich verankerten zivilrechtlichen Zahlungsanspruchs in Bezug auf den erhöhten Fahrpreis begründet er im Übrigen mit dem Beispiel des erwachsenen Schwarzfahrers. Es könne in vielen Fällen feststehen, dass der Schwarzfahrer nicht Vertragspartner eines Beförderungsvertrages werde (Seite 244).

„Somit ist mit […] weiteren Vertretern im Schrifttum [Die hier angebrachte Fußnote enthält acht Quellenangaben] anzunehmen, dass § 12 Abs. 1 lit. a) EVO einen gesetzlich verankerten Zahlungsanspruch statuiert. Die Pflicht, den erhöhten Fahrpreis zu zahlen, stellt nach dieses Ansicht ein spezielles eisenbahnrechtliches Institut, ein besonderes gesetzliches Schuldverhältnis dar [Fn: Czerwenka/Heidersdorf/Schönbeck Nr. 70 (EVO) § 12 Anm. 1 a) aa)].“ (Seite 244)

Auf die Ausgangsfrage bezogen, in der der Sachverhalt folgendermaßen lautete

Ein 13 jähriges Kind wird beim „schwarzfahren“ erwischt und
soll nun die üblichen erhöhten „Beförderungsgebühren“ (40
Euro?) zahlen. Das Kind hat kein Geld dabei, kann sich aber
ausweisen und wird nach der Personalienaufnahme aus der
Kontrolle entlassen. Einige Zeit später kommt die Aufforderung
zur Zahlung per Post nach Hause.

lässt sich also unter Anwendung Pohars Resultate feststellen:

  • Selbst wenn die Eltern ihre Einwilligung zur Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel durch ihr Kind ausdrücklich nicht auf Schwarzfahrten beschränkt haben, kann trotzdem der zur Zahlung der 40 Euro führende Vertragsschluss vorliegen.
  • Daneben ergibt sich ein gesetzlich verankerter zivilrechtlicher Zahlungsanspruch, wenn das Kind mindestens sieben Jahre alt ist und über eine gewisse Einsichtsfähigkeit verfügt.
  • Fehlt diese Einsichtsfähigkeit, etwa wenn ein Achtjähriger einfach mal eine Spazierfahrt mit der Straßenbahn unternehmen will, ergibt sich ein entsprechender Anspruch nicht.

Mit der nochmaligen Bitte, die eingangs aufgeführten Punkte zu bedenken, wünsch ich allseits einen guten Rutsch ins neue Jahr.

Ultra

Ich habe gestern Abend schon geantwortet, aber etwas unsauber geschrieben. Darum nun noch einmal.

Ausgangspunkt ist die Frage, ob der 13-Jährige in dem Beispielfall das erhöhte Beförderungsentgelt zahlen muss. Das ist, was N.N. von uns willen will.

Einig sind wir uns offenbar darin, dass die herrschende Auffassung diese Frage verneint. Zwischen dir und mir bzw. dir und den anderen ist im Wesentlichen nur streitig, ob es eine Minderansicht gibt, welche diese Frage bejaht. Noch konkreter muss man allerdings sagen, dass die Frage lautet, ob ein vertragsunabhängiges erhöhtes Beförderungsentgelt durch spezialgesetzliche Regelung in Betracht kommt. Denn wenn man auf welchem Wege auch immer eine Einwilligung (§ 107 BGB) der Eltern konstruieren kann, liegt die Sache ganz einfach, und es besteht kein Zweifel daran, dass das erhöhte Beförderungsentgelt bezahlt werden muss. Darauf habe ich schon am zweiten (?) Tag hingewiesen. Ob und wann man so eine Einwilligung konstruieren kann, ist ein Thema für sich, das auch sicher mehr Freiheit in der Auslegung erlaubt und vor allem vom konkreten Einzelfall abhängt.

Du zitierst die Dissertation mit folgenden Worten:

„Soweit angeführt wird, die Einwilligung der gesetzlichen Vertreter beziehe sich nicht auf Schwarzfahren eines Minderjährigen, hat das Bundesverfassungesgericht dieser Argumentation mit einem Beschluss vom 20.05.1987 [Fn: VRS 80,81] eine deutliche Absage erteilt. […] Im gleichen Atemzug stellt das BVerfG den Grundsatz fest, dass die Verpflichtung, ein erhöhtes Beförderungsentgelt zahlen zu müssen, keine Aushöhlung des im BGB verankerten Minderjährigenschutzes sei [Fn: BVerfG VRS 80, 81 (82)]. […] Nach dieser Argumentation wäre der schwarzfahrende Minderjährige zumindest im alltäglichen Regelfall zur Zahlung des erhöhten Fahrpreises […] verpflichtet.“

Ich verspüre wenig Bedürfnis, deiner Empfehlung gemäß mit dem Doktor oder dem Doktorvater Kontakt aufzunehmen. Trotzdem erlaube ich mir den Hinweis, dass das schlicht und ergreifend nicht stimmt. Denn diese „deutliche Absage“ gibt es nicht und kann es ja auch gar nicht geben. Das ist ziemlich eindeutig, wie du sogleich sehen wirst.

Das Bundesverfassunsgericht kann von Menschen (nicht von Staatsorganen) nur in einer einzigen Situation angerufen werden: wenn die Verletzung eines Grundrechts oder grundrechtsgleichen Rechts behauptet wird (Art. 93 GG, § 13 BVerfGG). Zu den ersten Dingen, die ein Jurastudent lernt, gehört der für die meisten zu diesem Zeitpunkt unverständliche Satz, dass das Bundesverfassungsgericht keine Superrevisionsinstanz ist. Superrevision ist die Revision der Revision. Wenn also z.B. der BGH in der Revision etwas entscheidet, kann die Partei, die unterliegt, nun nicht noch einmal in Revision gehen, indem sie das BVerfG anruft. Natürlich ist das BVerfG erst recht keine (normale) Revisions- oder sogar Berufungsinstanz. Seine Aufgabe besteht vielmehr darin und nur darin, das angefochtene Urteil (oder den sonstigen Akt staatlicher Gewalt) auf eine verfassungsspezifische Rechtsverletzung zu untersuchen.

Bevor wir uns die in der Dissertation genannte Entscheidung ansehen, sollten wir betrachten, was ihr überhaupt vorausgegangen ist, nämlich eine Entscheidung des AG Köln v. 09.07.1986, Az. 119 C 68/86, zu finden auch unter NJW 1987, 447, VersR 1987, 1103. Ich füge sie unten als Anhang 1 an. Durch dieses Urteil wurde ein Minderjähriger verurteilt, das erhöhte Beförderungsentgelt von damals nur DM 40,00 zu zahlen. Begründet wird dies aber gerade nicht mit einer gesetzlichen Regelung, sondern wie folgt:

„Die für die Wirksamkeit des Vertrages erforderliche Einwilligung der gesetzlichen Vertreterin der minderjährigen Beklagten liegt vor. Diese ist, wie die Beklagte selbst vorträgt, mit dem Benutzen der Straßenbahn durch ihre Tochter einverstanden. Diese Form des Einverständnisses ist als Generaleinwilligung zu einem Kreis von zunächst noch nicht individualisierten Geschäften zulässig. Soweit die Beklagte erklärt, die Einwilligung ihrer gesetzlichen Vertreterin erstrecke sich nicht auf ein Fahren ohne Fahrausweis ist dies unbeachtlich, da eine entsprechende Einschränkung gegen Treu und Glauben verstößt und insoweit unwirksam ist. Die gesetzliche Vertreterin würde dann das Risiko, ob das Kind zahlt oder nicht auf die Klägerin abwälzen wollen.“ (Rn. 20)

Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung war wegen des geringen Streitwerts nicht gegeben. Darum hat die Verurteilte Verfassungsbeschwerde erhoben. Das BVerfG hat diese nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie - was ja auch richtig ist - ganz offensichtlich unbegründet war und keiner näheren Untersuchung bedurfte. Der Beschluss des BVerfG ist also nun der in der Dissertation genannte. Erfreulicherweise ist er sehr kurz, viel kürzer gar als das Urteil des Amtsgerichts, so dass du ihn in dem Anhang 2 findend schnell lesen kannst. Ich gebe da nur die Entscheidungsgründe wieder. Alles andere ist ja bekannt.

Was nun sagt das BVerfG zusammenfassend?

  1. Wir äußern uns nicht zur einfachgesetzlichen (=nicht-verfassungsrechtlichen) Rechtslage, denn das dürfen wir nicht (und wollen wir auch nicht, denn es würde ja nur Arbeit machen).

  2. Die Entscheidung des Amtsgerichts, ob nun zivilrechtlich richtig oder nicht, ist kein verfassungsspezifischer Rechtsverstoß. Die Beschwerdeführerin wird vielleicht, vielleicht auch nicht in ihren Rechten verletzt, aber nicht in ihren Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten, und alles andere interessiert an dieser Stelle nicht (wir sind schließlich keine Superrevisionsinstanz).

  3. Es ist auch nicht grundgesetzwidrig, dass gegen das Urteil weder Berufung noch Revision eingelegt werden konnte. Im Grundgesetz steht nicht, dass es solche Rechtsmittel geben muss.

Und nun noch einmal, was die von dir zitierte Dissertation daraus macht:

„Soweit angeführt wird, die Einwilligung der gesetzlichen Vertreter beziehe sich nicht auf Schwarzfahren eines Minderjährigen, hat das Bundesverfassungesgericht dieser Argumentation mit einem Beschluss vom 20.05.1987 [Fn: VRS 80,81] eine deutliche Absage erteilt.“

Das ist schlicht und ergreifend nicht das, was das BVerfG sagt. Es äußert sich überhaupt nicht zu der Frage der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters, mit keinem Wort spricht es davon, und das ist ja auch ganz richtig so, denn damit würde das BVerfG, das kein Instanztgericht ist, seine Kompetenzen überschreiten. Das BVerfG ist nicht das „höchste“ deutsche Gericht, es steht außerhalb des Instanzenzuges.

Du zitierst die Dissertation weiter:

„Im gleichen Atemzug stellt das BVerfG den Grundsatz fest, dass die Verpflichtung, ein erhöhtes Beförderungsentgelt zahlen zu müssen, keine Aushöhlung des im BGB verankerten Minderjährigenschutzes sei [Fn: BVerfG VRS 80, 81 (82)]. […] Nach dieser Argumentation wäre der schwarzfahrende Minderjährige zumindest im alltäglichen Regelfall zur Zahlung des erhöhten Fahrpreises […] verpflichtet.“

Hier gilt dasselbe. So etwas schreibt das BVerfG mit keinem Wort. Die Damen und Herren Richter dort sind ausgewiesene Experten, unterstützt von einem Heer wissenschaftlicher Mitarbeiter, die allesamt selbst als Richter geeignet wären. Niemals käme das BVerfG auf die Idee zu sagen, hier werde der Minderjährigenschutz des BGB ausgehebelt oder nicht ausgehebelt, denn diese Beurteilung steht dem BVerfG schlicht und ergreifend nicht zu. Das BVerfG nimmt auf die Minderjährigkeit zwar Bezug, dies aber nur mit Blick auf das Grundgesetz. Die Entscheidungsgründe sind eindeutig. Es gibt drei Möglichkeiten:

  1. Der Minderjährigenschutz wird insgesamt gewahrt --> BVerfG weist Verfassungsbeschwerde zurück

  2. Der Minderjährigenschutz wird nicht im Sinne der Verfassung gewahrt --> BVerfG gibt Verfassungsbeschwerde statt

  3. Der Minderjährigenschutz wird im verfassungsrechtlichen Sinne, nicht aber im Sinne des BGB gewahrt --> BVerfG weist Verfassungsbeschwerde zurück (!)

Ich möchte noch einmal unterstreichen, dass das nicht nur graue Theorie ist, über die sich das BVerfG hinweggesetzt hat, sondern dass das BVerfG diesen seinen eigenen Maßstäben in der genannten Entscheidung treu geblieben ist.

Du schreibst weiter:

„Damit kommt Pohar zu dem Ergebnis, dass bei Minderjährigen meist ein wirksamer Vertragsabschluss vorliegt. Eine Einschränkung der Zustimmung dahingehend, dass Schwarzfahrten nicht abgedeckt seien, sei treuwidrig.“

Das hilft aus zwei Gründen nicht weiter.

Zum einen fehlt hier jede Begründung, denn alles, was du bislang als Begründung aus der Dissertation zitiert hast, ist grotesker Unsinn. Ich würde zwar verstehen, wenn du mir nicht glaubtest, allerdings habe ich dir ja die relevanten Entscheidungen angehängt, in denen du meine Ausführungen bestätigt findest.

Zweitens ist diese Frage zwischen dir und mir gar nicht streitig. Ich bin zu faul, jetzt rauszusuchen, wo genau ich bereits darauf hingewiesen habe, dass, wenn man eine Einwilligung der Eltern konstruiert, alles ganz anders sei, als wenn man dies nicht tue. Insbesondere ist das eine vom Einzelfall abhängige Frage, die man obendrein auch rechtsdogmatisch unterschiedlich beurteilen kann. Mit einem vertragsunabhängigen, nämlich gesetzlichen Anspruch auf ein erhöhtes Beförderungsentgelt hat das nur rein gar nichts zu tun. Und nur hier hatten bzw. haben wir einen Dissens.

Weiter zitierst du die Dissertation wie folgt:

„Zu betonen ist an dieser Stelle aber, dass der Vertragsschluss nicht unbedingt die einzige Grundlage für die Verpflichtung zur Zahlung der 40 Euro darstellt. Es ist damit noch nichts über mögliche andere Grundlagen gesagt. In Frage kommt insbesondere die Rechtspflicht eigener Art (LG Bremen, NJW 1966, 2360), die von Pohar als gesetzlich verankerter zivilrechtlicher Zahlungsanspruch bezeichnet wird (Seite 244).“

Die genannte Entscheidung des LG Bremen, NJW 1966, 2360 beruft sich auf die Lehre vom faktischen Vertrag aus sozialtypischen Verhaltem. Das hilft vorliegend ebenfalls nicht weiter, aus zwei Gründen:

  1. Diese Lehre besagt, dass Ansprüche durch ein sozialtypisches Verhalten entstehen, auch wenn dieses Verhalten keinen Vertrag begründet. Die Argumentation ist also eine andere als die, welche zwischen uns bislang streitig war. Geht man von ihr aus, kommt es auf den Minderjährigenschutz nicht oder vielleicht nicht an, weil der ja in direkter Anwendung zunächst einmal nur für rechtsgeschäftliche Ansprüche gilt. Man kann dann also die Frage aufwerfen, ob man nicht den Minderjährigenschutz als allgemeinen Grundgedanken heranziehen muss, um trotz dieser Lehre den Anspruch gegen den Minderjährigen zu verneinen, man kann aber diese Heranziehung verneinen. Das hat allerdings nix mit dem zu tun, was du mit mir hier diskutierst. Darum geht es nicht, sondern es geht um eine gesetzliche Regel, die sagt, dass ein Anspruch auf erhöhtes Beförderungsentgelt entsteht, ganz gleich ob ein Vertrag vorliegt oder nicht. Du hast dich ausdrücklich darauf berufen, dass Grundlage die einschlägigen Verordnungen sind. Das hat mit der Lehre vom faktischen Vertrag durch sozialtypisches Verhalten nichts zu tun.

  2. Die Entscheidung des LG Bremen feiert in einigen Jahren ihren 50. Geburtstag. Der Grund, dass ausgerechnet sie ihren Weg in die recht junge Dissertation gefunden hat, liegt wohl darin, dass es wesentlich jüngere Entscheidungen dieser Art nicht geben dürfte. Die Lehre vom sozialtypischen Verhalten wird nämlich heute mehr oder weniger einhellig abgelehnt. Ob es noch jemanden gibt, der sie ernsthaft vertritt, weiß ich nicht. Laut Rolf Schmidt, BGB, Allgemeiner Teil, 6. A. 2009, Rn. 483 (m.w.N.) wird diese Lehre nicht mehr vertreten. Wird sie es doch, so hat sie mit der Diskussion zwischen dir und mir nichts zu tun.

Das Buch von Rolf Schmidt gibt es übrigens kostenlos im Internet, du kannst also nachlesen:

http://download.jurawelt.com/download/studentenwelt/…

Weiter schreibst du:

„Als Quelle dafür, in den Fällen, in denen ein Minderjähriger gegen den Willen der Eltern einen Zug nutzt, § 823 Abs. 3 BGB heranzuziehen, nennt er Dörner/Staudinger [Verbraucherrechte im öffentlichen Personenverkehr, B II 5 a) cc)]. Er erwähnt auch gegenläufige Ansichten, die sich auf §§ 104 ff. BGB berufen.“

Hieran sieht man die unsaubere Arbeit. Einen § 823 Abs. 3 BGB gibt es nämlich nicht und hat es auch, soweit ich weiß, nie gegeben.

Im Übrigen ist dieses Zitat für sich genommen nicht sehr aussagekräftig. Wenn man aus § 823 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB einen Schadensersatzanspruch herleiten will, muss man sich ja mit der Frage auseinandersetzen, worin eigentlich der Schaden liegt. Nun ist das deutsche Schadensrecht zwar sehr komplex und vielgestaltig, aber bei einer kursorischen Betrachtung wird es schwer fallen, einen Anspruch auf das erhöhte (!) Beförderungsentgelt zu begründen. Grundsatz ist Naturralrestitution (§ 249 BGB). Ausgeglichen werden soll der Schaden, der durch das schädigende Ereignis entstanden ist. Der Geschädigte soll so stehen, wie er ohne das schädigende Ereignis gestanden haben würde. Dann hätte er aber nicht das erhöhte Beförderungsentgelt kassiert. Die Rechtsgutverletzung liegt ja nicht in der Minderjährigkeit, sondern im Schwarzfahren.

Abgesehen davon ist vermutlich kein Rechtsgut aus § 823 Abs. 1 BGB betroffen, so dass man nur noch mit § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. einem Strafbestand weiterkäme. Das wäre grundsätzlich denkbar, weil die Rechtsprechung in § 265 a StGB ja eine einschlägige Regelung für Schwarzfahren sieht. (Zumindest wäre mir nicht bekannt, dass, wie kürzlich hier behauptet, diese Rechtsprechung sich überholt hätte.)

Weiter zitierst du die Dissertation wie folgt:

„Somit ist mit […] weiteren Vertretern im Schrifttum [Die hier angebrachte Fußnote enthält acht Quellenangaben] anzunehmen, dass § 12 Abs. 1 lit. a) EVO einen gesetzlich verankerten Zahlungsanspruch statuiert. Die Pflicht, den erhöhten Fahrpreis zu zahlen, stellt nach dieses Ansicht ein spezielles eisenbahnrechtliches Institut, ein besonderes gesetzliches Schuldverhältnis dar [Fn: Czerwenka/Heidersdorf/Schönbeck Nr. 70 (EVO) § 12 Anm. 1 a) aa)].“ (Seite 244)“

Hier komme ich dir entgegen. Wenn du möchtest, dass doch der Verfasser dieser Dissertation von einem gesetzlichen Anspruch ausgeht, der keines Vertrages bedarf, und dass es somit eine Minderungmeinung gibt, so sei dies. Dann gibt es eben eine Mindermeinung, und du hattest insofern die ganze Zeit Recht.

Wenn aber die Begründung, die du zitierst, alles ist, was der Autor dazu zu sagen hat, halte ich das für mehr als unwissenschaftlich, und ich würde nicht protestieren, wenn jemand sagte, dass das nicht einmal für eine Mindermeinung reicht. Juristen sprechen in seltenen Fällen von einer „allgemeinen Ansicht“. Damit ist dann natürlich nicht gemeint, dass kein Volljurist je etwas anderes behauptet hat. Ganz vereinzelte Stimmen bleiben außer Betracht. So könnte der Fall hier liegen. Die acht Quellen, von denen du sprichst, kenne ich nicht. Sie könnten die Annahme, es liege hier eine Mindermeinung vor, stützen. Vielleicht. Man weiß es nicht. Die von mir geprüfte Quelle (die Entscheidung des BVerfG) sagt nun wirklich etwas ganz anderes - geradezu das Gegenteil! - dessen, was der Autor der Dissertation behauptet. q.e.d.

Schließen wir also mit meinem Kommentar zu deinem letzten Zitat:

"- Selbst wenn die Eltern ihre Einwilligung zur Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel durch ihr Kind ausdrücklich nicht auf Schwarzfahrten beschränkt haben, kann trotzdem der zur Zahlung der 40 Euro führende Vertragsschluss vorliegen.

  • Daneben ergibt sich ein gesetzlich verankerter zivilrechtlicher Zahlungsanspruch, wenn das Kind mindestens sieben Jahre alt ist und über eine gewisse Einsichtsfähigkeit verfügt.
  • Fehlt diese Einsichtsfähigkeit, etwa wenn ein Achtjähriger einfach mal eine Spazierfahrt mit der Straßenbahn unternehmen will, ergibt sich ein entsprechender Anspruch nicht."

Der erste Punkt war nie streitig (wobei ich unterstelle, dass du dich hier verschrieben hast, denn eine Beschränkung der Einwilligung auf Schwarzfahrten wäre ja schon eigenartig…).

Der zweite Punkt ist nach wie vor unbelegt. Man kann nur zur Kenntnis nehmen, dass der Autor der Dissertation das denkt, aber du hast uns noch keine akzeptable Begründung zitiert.


ANHANG 1:

Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 40,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 07.09.1985 sowie weitere 10,-- DM zu zahlen.

Die Feststellungswiderklage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand
1
Die Beklagte benutzte am 30.05.1985 gegen 7.40 Uhr die Straßenbahnlinie 1 der Klägerin.

2
Bei der durch die Fahrausweisprüferin hinter der Haltestelle F-straße durchgeführten Kontrolle stellte diese fest, daß sieh die Beklagte keinen gültigen Fahrausweis beschafft hatte. Die Beklagte befand sich auf dem Weg zur Schule. Erst in der Bahn hatte sie bemerkt, daß sie keinen unbenutzten Sammelkartenabschnitt und auch kein Geld zum Kauf eines Einzelfahrscheins bei sich hatte, setzte ihre Fahrt aber gleichwohl fort, um rechtzeitig in der Schule zu erscheinen. Zum damaligen Zeitpunkt war die Beklagte 12 Jahre alt.

3
Am 09.09.1985 um 13.15 Uhr auf dem Rückweg von der Schule und am 17.01.1986 um 16.20 Uhr auf einer nicht schulbedingten Fahrt wurde die Beklagte erneut ohne gültigen Fahrausweis angetroffen.

4
Die Mutter der Beklagten – als alleinige gesetzliche Vertreterin – ist mit dem Benutzen der Bahn durch ihre Tochter grundsätzlich einverstanden. Ihre Einwilligung erstreckt sich nicht auf ein Fahren ohne Fahrausweis.

5
Die Klägerin ist der Ansicht, daß ihr ein erhöhtes Beförderungsentgelt in Höhe von 40,-- DM zustehe, daß die gesetzliche Vertreterin die generelle Genehmigung zu Fahrten dieser Art (Benutzung der Straßenbahn zum Schulbesuch) erteilt habe und folglich auch für die in Frage kommende Fahrt, bei der es sich nach der Schilderung des Beklagtenvertreters um eine solche gehandelt habe, ein Beförderungsvertrag zustandegekommen sei.

6
Aber auch wenn die Erteilung der Zustimmung ausdrücklich bestritten wurde, sei dennoch ein gültiger Beförderungsvertrag zustandegekommen, da die Inanspruchnahme von Massenverkehrsmitteln als ein sozialtypisches Verhalten zu betrachten sei, an das sich nach allgemeiner Rechtsüberzeugung die gleichen Rechtsfolgen anknüpften, wie an bewußte Willenserklärungen der vertragsschließenden Parteien. Die Minderjährigkeit sei dabei unerheblich. Allein erforderlich sei, daß die Fähigkeit zur Einsicht in die sozialtypische Bedeutung vorhanden sei, also der Fahrgast wisse, daß er ohne gültigen Ausweise die Straßenbahn nicht berechtigterweise nutze beziehungsweise hierfür das erhöhte Beförderungsentgelt zu entrichten habe. Dies sei hier der Fall gewesen. Der mehr als 12- jährigen Beklagten sei bewußt gewesen, daß sie die Fahrzeuge der Klägerin nicht ohne Fahrausweis habe benutzen dürfen. Ob sie das Unvermögen zur Lösung einer Fahrkarte erst in der Bahn festgestellt habe, sei unerheblich. Sie hätte sich vor Betreten der Bahn vergewissern müssen, ob sie eine Fahrkarte oder Geld bei sich hatte.

7
Die in den Beförderungsbedingungen enthaltene Verpflichtung zur Zahlung eines erhöhten Beförderungsentgelts bedeute keine Umgebung des Minderjährigenschutzes. Es handele sich bei dieser Regelung nicht um eine sachlich unangemessene einseitig begünstigende vorgedruckte Vertragsbestimmung, sondern um eine im berechtigten Interesse des Verkehrsunternehmens liegenden Schutzvorschrift zur Erhaltung der vertraglichen Zahlungs- und Fahrausweispflicht des Fahrgastes.

8
Die Widerklage sei abzuweisen, da ein Rechtsschutzbedürfnis nicht gegeben sei.

9
Die Klägerin beantragt,

10
die Beklagte zu verurteilen, an sie 40,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem Tage der Zustellung dieses Mahnbescheides sowie 10,-- DM vorgerichtliche Kosten zu zahlen.

11
Die Beklagte beantragt,

12
die Klage abzuweisen und widerklagend festzustellen, daß ohne ausdrückliche Zustimmung der gesetzlichen Vertreterin der minderjährigen Beklagten und Widerklägerin § 9 der Besonderen Beförderungsbedingungen der Verkehrs- und Tarifgemeinschaft Rhein-Sieg (VRS) vom 02. August 1980 („erhöhtes Beförderungsentgelt“) zwischen den Parteien nicht Bestandteil eines Beförderungsvertrages werden konnte und kann.

13
Die Klägerin beantragt,

14
Abweisung der Widerklage.

15
Die Beklagte ist der Ansicht, daß die Klägerin keinen Anspruch auf das erhöhte Fahrgeld nach § 9 der Besonderen Beförderungsbedingungen der Verkehrs- und Tarifgemeinschaft Rhein-Sieg vom 02.08.1980 habe, da diese Vorschrift mangels Zustimmung der gesetzlichen Vertreterin der Beklagten nicht Bestandteil des Beförderungsvertrags geworden sei.

16
Ihre Mutter sei zwar mit dem Benutzen der Straßenbahn durch sie grundsätzlich einverstanden, ihre Einwilligung erstrecke sich aber nicht auf ein Fahren ohne Fahrausweis. Die Klägerin könne die Beförderung der Beklagten nicht davon abhängig machen, daß die gesetzliche Vertreterin § 9 der Besonderen Beförderungsbedingungen akzeptiere. Diese Vorschrift regele den Fall minderjähriger Fahrgäste nicht ausdrücklich, somit sei davon auszugehen, daß die im übrigen auch ranghöheren Vorschriften der §§ 104 ff. BGB über den Minderjährigenschutz unangetastet bleiben sollte. Die Vorschriften zugunsten des Minderjährigenschutzes dienten nicht zuletzt auch dem finanziellen Schutz der Unterhaltsverpflichteten. Diesen sei eben deshalb auch vorbehalten, rechtsgeschäftliche Verpflichtungen ihrer Kinder nach freier Entscheidung zu billigen oder abzulehnen. Jedenfalls aber ergebe sich aus § 9 des Gesetzes zur Regelung des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen, daß ein vertraglich erhöhtes Beförderungsentgelt für nicht vollgeschäftsfähige vom Grundgedanken des Minderjährigenschutzes abweiche und damit gemäß § 9 Abs. 2. Nr. 1 AGB-Gesetz eine unangemessene Benachteiligung der Vertragspartner der Klägerin darstelle. Im übrigen spreche auch der Umstand, daß nur ein einheitlicher Betrag als erhöhtes Beförderungsentgelt vorgesehen sei, dafür, daß diese Vorschrift auf Minderjährige nicht anwendbar sein soll; andernfalls hätte es der Tarifstruktur entsprochen, eine Kinderermäßigung auch im Rahmen des erhöhten Fahrgelds vorzusehen. Im Ergebnis wäre sonst das erhöhte Fahrgeld für Kinder bis zu 14 Jahren relativ höher als das für ohne Fahrausweis fahrende Erwachsene.

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Entscheidungsgründe
17
Die Klage ist begründet.

18
Die Beklagte ist gemäß § 9 der Verordnung über die allgemeinen Beförderungsbedingungen für den Straßenbahn- und Omnibusverkehr sowie den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen vom 27.02.1970 in der Fassung der Verordnung zur Änderung personenbeförderungsrechtlicher Vorschriften vom 13.05.1981 in Verbindung mit den vom Regierungspräsidenten Köln genehmigten „Besonderen Beförderungsbedingungen der Verkehrs- und Tarifgemeinschaft Rhein-Sieg vom 02.08.1980“ verpflichtet, ein erhöhtes Beförderungsentgelt in Höhe von 40,-- DM zu zahlen.

19
Zwischen der Klägerin und der Beklagten ist ein wirksamer Beförderungsvertrag zustandegekommen.

20
Die für die Wirksamkeit des Vertrages erforderliche Einwilligung der gesetzlichen Vertreterin der minderjährigen Beklagten liegt vor. Diese ist, wie die Beklagte selbst vorträgt, mit dem Benutzen der Straßenbahn durch ihre Tochter einverstanden. Diese Form des Einverständnisses ist als Generaleinwilligung zu einem Kreis von zunächst noch nicht individualisierten Geschäften zulässig. Soweit die Beklagte erklärt, die Einwilligung ihrer gesetzlichen Vertreterin erstrecke sich nicht auf ein Fahren ohne Fahrausweis ist dies unbeachtlich, da eine entsprechende Einschränkung gegen Treu und Glauben verstößt und insoweit unwirksam ist. Die gesetzliche Vertreterin würde dann das Risiko, ob das Kind zahlt oder nicht auf die Klägerin abwälzen wollen.

21
Dies ist im Hinblick darauf, daß sie das Kind die Straßenbahn in Anspruch nehmen läßt eine unzulässige Belastung der Klägerin, daß sie dieser in diesem Fall jede Möglichkeit nehmen würde über den Weg der Vertragsstrafe Einfluß auf ein positives Verhalten des Kindes zu nehmen. Dem steht auch nicht entgegen, daß die Klägerin diesen Einfluß auch bei Wiedereinführung von Straßenbahnschaffnern ausüben könnte, da gerade die Einführung des weitgehend automatisierten Betriebs kostengünstige Auswirkung für die Allgemeinheit und damit auch die Beklagte hat. Mit der Wirksamkeit des Beförderungsvertrags hat die Beklagte auch die sich daraus für sie ergebenden Verpflichtungen zu erfüllen. Einer ausdrücklichen Zustimmung zu einer einzelnen Vertragsbestimmung bedarf es daher nicht mehr. Sie hat auch insoweit die Bestimmung der Beförderungsbedingungen bezüglich des erhöhten Beförderungsentgeltes gegen sich gelten zu lassen, da auch ein Gesetzesverstoß nicht gegeben ist.

22
Eine Aushöhlung des im Bürgerlichen Gesetzbuch verankerten Minderjährigenschutzes liegt nicht vor.

23
Auch bei anderen Rechtsgeschäften Minderjähriger, die zu ihrer Wirksamkeit der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters bedürfen, wird der Minderjährige bei Einwilligung zum Vertragsabschluß nicht vor den Folgen – etwa einer positiven Vertragsverletzung – geschützt. Es ist auch nicht unbillig, daß die Beförderung dadurch im Ergebnis davon abhängig gemacht wird, daß die Bestimmung des erhöhten Beförderungsentgelts akzeptiert wird.

24
Der Vorzug der Inanspruchnahme des Verkehrsmittels steht in angemessenem Verhältnis zur Belastung bei unentgeltlicher vertragswidriger Benutzung auch im Hinblick darauf, daß zur Erhaltung der vertraglichen Zahlungs- und Fahrausweispflicht des Fahrgastes die Vereinbarung der Vertragsstrafe unbedingt erforderlich ist wie die Vielzahl der Schwarzfahrer trotz der bestehenden Bestimmung der Verpflichtung zur Zahlung des erhöhten Beförderungsentgeltes beweist. Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, daß dem gesetzlichen Vertreter die wirtschaftlichen Folgen der Ungehorsamkeit des Kindes auferlegt würden, da andernfalls die Abwälzung auf die Allgemeinheit die unausbleibliche Folge wäre sei es durch Abstandnahme vom weitgehend automatisierten Betrieb des Unternehmens der Klägerin und damit verbundener höherer Kosten für die Klägerin, die letztlich wieder die Allgemeinheit treffen, sei es durch die von der Beklagten geforderten erzieherischen Maßnahmen, die ebenfalls besonderer mit Kosten verbundener Einrichtungen beziehungsweise Erweiterungen bestehender Einrichtungen bedürften.

25
Im Übrigen reicht auch soweit das Minderjährigenrecht den gesetzlichen Vertreter indirekt von wirtschaftlichen Nachteilen schützen will, dieser Schutz nur so weit als Entscheidungsfreiheit, ob Einwilligung beziehungsweise Genehmigung erteilt wird, gewährt wird. Dies ist auch hier der Fall, da der gesetzlichen Vertreterin die Entscheidung verbleibt, ob sie der Beklagten jegliche Benutzung der Bahn erlaubt oder verbietet.

26
Auch soweit die Beklagten ausführt, daß mangels Ermäßigung für Kinder im Rahmen des erhöhten Beförderungsentgelts dieses für Kinder relativ höher wäre als für Erwachsene, liegt darin keine unangemessene Benachteiligung, da es sich bei der Ermäßigung des Beförderungsentgeltes für Kinder um eine Vergünstigung handelt, die nicht dazu zwingt, auch auf vertragswidriges Verhalten gleiche Vergünstigung zu gewähren. Da wie oben ausgeführt mit der Bestimmung bezüglich eines erhöhten Beförderungsentgeltes von den wesentlichen Grundgedanken des Minderjährigenschutzes nicht abgewichen wird, ist auch in § 9 der Besonderen Beförderungsbedingungen der Verkehrs- und Tarifgemeinschaft kein Verstoß gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG enthalten.

27
Nach § 9 der vom Regierungspräsidenten Köln genehmigten Besonderen Beförderungsbedingungen in Verbindung mit Abschnitt IX/h der Tarifbestimmungen und Entgelte der VRS vom 01.05.1982 hat die Beklagte ein Bearbeitungsentgelt in Höhe von 10,-- DM zu zahlen.

28
Die Klägerin hat nach Wochenfrist die Beklagte zur Zahlung gemahnt.

29
Die Feststellungswiderklage war abzuweisen. Sie ist unzulässig. Für das Feststellungsbegehren besteht kein Rechtsschutzbedürfnis, da die Frage ob § 9 der Besonderen Beförderungsbedingungen ohne ausdrückliche Zustimmung des gesetzlichen Vertreters wirksamer Bestandteil eines Beförderungsvertrages werden kann mit der Klage entschieden werden mußte und wurde.

30
Die Kostenentscheidung erfolgt nach § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach den §§ 708 Ziff. 11, 713 ZPO.


ANHANG 2:

1
Das angegriffene Urteil ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es beruht auf der Anwendung bürgerlich-rechtlicher Vorschriften; diese ist jedoch Aufgabe der Fachgerichte und einer Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich entzogen (BVerfGE 18, 85 ; st. Rspr.). Die angegriffene Entscheidung bietet keinen Anhalt dafür, daß das Amtsgericht die Bedeutung von Grundrechten der Beschwerdeführerin verkannt hat.

2
Die Verpflichtung zur Zahlung des erhöhten Beförderungsentgelts verletzt die Beschwerdeführerin insbesondere nicht in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Das Bundesverfassungsgericht hat zwar in seinem Beschluß vom 13. Mai 1986 ausgesprochen, daß durch die Auferlegung finanzieller Verpflichtungen in erheblichem Maße die Grundbedingungen freier Entfaltung und Entwicklung und damit nicht nur einzelne Ausformungen allgemeiner Handlungsfreiheit, sondern die engere persönliche Lebenssphäre junger Menschen betroffen würde (BVerfGE 72, 155 ). Eine Grundrechtsverletzung kommt danach erst in Betracht, wenn dem Minderjährigen kein Raum bleibt, sein weiteres Leben ohne unzumutbare Belastungen zu gestalten, die er nicht zu verantworten hat (BVerfGE, a.a.O. . Davon kann vorliegend schon in Anbetracht der Höhe des zu entrichtenden Beförderungsentgelts keine Rede sein.

3
Im übrigen ist verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden, daß das angegriffene Urteil im Rechtswege nicht weiter angefochten werden kann. Weder Art. 103 Abs. 1 GG noch das verfassungsrechtliche Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 33 GG) gewährleisten einen Instanzenzug (vgl. BVerfGE 11, 232 ; 65, 76 ; st. Rspr.).

4
Die Kostenentscheidung beruht auf § 34 Abs. 2 BVerfGG. Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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Anmerkung
Eine Anmerkung noch: Jeder Rückgriff auf die Figur des faktischen Vertrages/sozialtypischen Verhaltens sowie jeder Rückgriff auf eine tatsächliche oder konstruierte Einwilligung der Eltern spricht dagegen, dass in den genannten Verordnungen unmittelbare gesetzliche Anspruchsgrundlagen enthalten sind. Wenn es eine solche Grundlage im Gesetz gibt - wozu dann noch der Rückgriff auf einen Vertrag durch Einwilligung oder sozialtypisches Verhalten?

Ich habe noch zwei Anmerkungen. Zum einen handelt es sich um § 82 8 Abs. 3 BGB, nicht um § 823 Abs. 3 BGB. Für diesen Schreibfehler bitte ich um Entschuldigung. Allerdings war auf diese Rechtsnorm bereits in zwei Links von mir Bezug genommen worden, auf die du weiter unten auch eingegangen warst.

Zum anderen steht der Verweis auf das ältere Urteil aus Bremen nicht in der Dissertation selbst, sondern in meiner Einleitung. Ich hatte es nur deswegen angeführt, weil es in dem Link von [EK] als eine Quelle für die gegenläufige Ansicht genannt ist. Vermutlich wird man darauf auch verzichten können. Ich hatte aber das, was ich aus der Dissertation übernommen habe, durch Anführungsstriche gekennzeichnet.

Du wirst mit kein unsauberes Arbeiten vorwerfen können, da ich hier nicht wissenschaftlich tätig werde sondern mich hier nur aus Interesse beteilige. Die Tatsache, dass du anderen „unsauberes Arbeiten“ vorwirfst, zeigt neben deinen anderen Beiträgen hier, dass dir Zurückhaltung in deiner Wortwahl fremd ist und dass dir Respekt im Umgang mit anderen offensichtlich nicht wichtig ist.

Ein Beispiel: Ja, in der Tat habe ich (Ultra) aus Versehen § 823 Abs. 3 BGB geschrieben, obwohl es § 828 Abs. 3 BGB hätte heißen müssen. Du erkennst, dass es diese Rechtsnorm gar nicht gibt. Aber anstatt nachzufragen, ob es sich womöglich um einen Fehler handeln könnte und welche Rechtsvorschrift denn gemeint sein könnte (dass du auch selbst hättest drauf kommen können, möchte ich dir als „Verantwortlicher“ für den Fehler jetzt mal nicht vorwerfen), machst du daraus schwerwiegende Vorwürfe.

Du hast mir das Fehlen sämtlicher fachlicher Grundkenntnisse vorgeworfen, um mich an der Diskussion beteiligen zu können. Ehrlich gesagt scheint dir die notwendige Gelassenheit und Diskussionskultur zu fehlen.

Dann zitierst du irgendeinen Verband oder so, aber kein einziges
Urteil und nichts aus der Rechtswissenschaft. Ja, mir ist schon
klar, dass du das deswegen nicht zitierst, weil du da nichts hast.
Aber das ist doch genau der Punkt! Du hast nichts, weil es das nicht
gibt, und das gibt es nicht, weil deine Auffassung schlicht falsch
ist!

Glanzleistung.

Nun bin ich es mit dir wirklich und endgültig Leid. Niemand hier hat sich die Mühe gemacht, sich so intensiv mit dir auseinanderzusetzen, wie ich. Dafür erwarte ich keinen Dank und keinen Orden, nicht einmal überobligatorische Anerkennung oder überdurchschnittlichen Respekt. Aber dieses ständige Polemik- und Beleidigungsfeuerwerk tue ich mir auch nicht mehr an. Was mich angeht, kannst du dir künftig andere Leute suchen, die du belästigen magst, ich stehe dafür nicht mehr zur Verfügung. Dass ich dir heute ein oder zwei Stunden lang haarklein alles Mögliche erklärt habe, bereue ich nun. Jede andere Beschäftigung wäre wohl sinnvoller gewesen, selbst das saudämliche TV-Programm der Privatsender. Es ist im Grunde völlig egal, was ich sage oder schreibe, du wirst immer nur auf das schielen, was du persönlich an mir persönlich nicht leiden kannst, und das wirst du dann breittreten. In deiner wenig selbstreflektierten Sicht scheinst du dich ja für das arme Opfer des bösen Benvolio zu halten.

Das aber ganz zu Unrecht. Als du diesem Thread beigetreten bist, nämlich mit

http://www.wer-weiss-was.de/article/6721995

habe ich im ersten Moment nicht gewusst, wer du bist, und wieso du dich veranlasst sahst, so etwas zu schreiben. Den Ton, der dann die Melodie spielte, hast du damit vorgegeben. Du, nicht ich. Und das war in der Diskussion, die sich nun im Archiv befindet, nicht wesentlich anders.

Da du mich nicht sehr gut kennst, weißt du nicht und kannst nicht wissen, dass ich einen überdurchschnittlichen Respekt vor allen (!) Menschen habe. Ich würde z.B. niemals das schreiben, was du mir geschrieben hast:

"Tja, du bist ja eigentlich derjenige, der persönlich wird, was ich ja ablehne. Langsam kommen mir aber ernsthafte Zweifel bei dir. Der MOD mag es löschen, aber ich muss dann doch entgegen meinem Vorsatz annehmen, dass du […]*

* im letzten Moment doch lieber gelassen. Solche Leute wie du sind es einfach nicht wert, dass man hier dann noch mit den MODs Diskussionen über die Netikette anfangen muss."

http://www.wer-weiss-was.de/article/6722283

Es ist dir vielleicht entgangen, aber auf eine so offenkundige Beleidigung habe ich mit keiner Form von Beleidigung reagiert. Nicht nur, weil ich das albern finde, sondern auch, weil mein Respekt vor dir als Mensch ungleich höher ist als deiner von mir, der sich wohl nur aus deiner persönlichen Antipathie speist. Nebenbei bemerkt: kein häufiges Erlebnis für mich hier im Brett. Könnte auch irgendwie mit deiner Art und dir zu tun haben…

Aber ist ja auch egal. Es ist ja nicht einmal, dass ich dich so unsympathisch finde wie du mich, es ist nur so, dass ich nun doch ziemlich genervt bin und es vorziehen würde, wenn du mich fortan einfach nur in Ruhe lassen könntest. Es gibt ja keinen zwingenden Grund, in eine Diskussion einzusteigen, an der ich beteiligt bin. Ich weiß, ich weiß, verbieten kann ich es dir nicht.

Zum einen handelt es sich um §
82 8 Abs. 3 BGB, nicht um § 823 Abs. 3 BGB. Für diesen
Schreibfehler bitte ich um Entschuldigung.

Verlangt ja keiner, war im Übrigen klar, dass es sich um einen Schreibfehler handelte, was denn auch sonst? Unklar war nur, wer denn nun Fehler begangen hat (der Autor? du?), und was wirklich gemeint war. Ich ging dann von § 823 Abs. 2 BGB (i.V.m. § 265 a StGB) aus, davon habe ich ja auch geschrieben. Es ist also nicht so, dass ich nicht versucht hätte, diesen Fehler aufzufangen, aber es wäre wohl naiv, sollte ich dabei gedacht haben, du würdest das würdigen oder auch nur bemerken.

Zum anderen steht der Verweis auf das ältere Urteil aus Bremen
nicht in der Dissertation selbst, sondern in meiner
Einleitung. Ich hatte es nur deswegen angeführt, weil es in
dem Link von [EK] als eine Quelle für die gegenläufige Ansicht
genannt ist.

Ja und? Dann ist es doch trotzdem gut und richtig, dir, der das inhaltlich nicht kennt, zu verstehen, worum es da überhaupt geht, oder nicht? Mein Gott, ich habe dir sogar einen Link zu Rolf Schmidt rausgesucht, ich präsentierte dir das alles ja geradezu auf dem Silbertablett! Und wie reagierst du? Mecker, mecker, mecker! Guck dir mal in meinen Beiträgen im Archiv der letzten Monate an, wie selten ich Ausrufezeichen benutze und wie oft bei dir. Zufall? Zufall?!

Du wirst mit kein unsauberes Arbeiten vorwerfen können, da ich
hier nicht wissenschaftlich tätig werde sondern mich hier nur
aus Interesse beteilige. Die Tatsache, dass du anderen
„unsauberes Arbeiten“ vorwirfst, zeigt neben deinen anderen
Beiträgen hier, dass dir Zurückhaltung in deiner Wortwahl
fremd ist

Das kommt aber sehr auf das Gegenüber an. Du übersiehst bei deiner Dich-selbst-Viktimisierung, dass du hier nicht als Friedensengel aufzutreten pflegst. Es stimmt schon, dass ich bei dir harte Formulierungen verwendet habe, es stimmt aber auch, dass das in den letzten Jahren rapide nachgelassen hat und nun ausgerechnet bei dir wieder stärker geworden ist. Da könntest du dir, wenn du doch ein wenig selbstreflektieren willst, drüber nachdenken. Ich an deiner Stelle würde es tun und werde es, wie immer, auch selbst an meiner Stelle tun.

und dass dir Respekt im Umgang mit anderen
offensichtlich nicht wichtig ist.

Das weise ich entschieden zurück. Du kannst nicht deinen respektlosen Ton anschlagen und dich dann beschweren, wenn es aus dem Wald schallt, wie du hereingerufen hast. Du hast meine Geduld sehr strapaziert mit deinen ewig bösen Formulierungen, Unterstellungen, Verdrehungen und Rechthabereien. Ja, ich weiß, dass du das umgekehrt genauso siehst, und umso mehr schlage ich vor, dass du meinen Versuch, dich fortan zu ignorieren, entsprechend beantwortest, indem du dasselbe mit mir tust.

Ein Beispiel: Ja, in der Tat habe ich (Ultra) aus Versehen §
823 Abs. 3 BGB geschrieben, obwohl es § 828 Abs. 3 BGB hätte
heißen müssen. Du erkennst, dass es diese Rechtsnorm gar nicht
gibt. Aber anstatt nachzufragen, ob es sich womöglich um einen
Fehler handeln könnte und welche Rechtsvorschrift denn gemeint
sein könnte (dass du auch selbst hättest drauf kommen können,
möchte ich dir als „Verantwortlicher“ für den Fehler jetzt mal
nicht vorwerfen), machst du daraus schwerwiegende Vorwürfe.

Blödes Beispiel. Ich habe ja interpretiert, was gemeint ist, und ich habe gedacht, du meinst eben § 823 Abs. 2 BGB. Dass ich auf die richtige Norm hätte kommen müssen, ist wohl so, aber ich bin es eben nicht.

Du hast mir das Fehlen sämtlicher fachlicher Grundkenntnisse
vorgeworfen, um mich an der Diskussion beteiligen zu können.

Weiß ich nicht, kann sein. Bislang hast du auch nicht bewiesen, dass du über die grundlegenden Begriffe Bescheid weißt, von denen du sprichst. Man darf ja nicht vergessen, dass deine Behauptung trotz Teilnahme mehrerer Diskutanten nach wie vor sehr zweifelhaft erscheint. Mein Vorschlag, diese Dissertation als Minderansicht zu begreifen, war wahrlich das Angebot einer Friedenspfeife. Ich halte das eher für einen Witz als eine wissenschaftliche Arbeit, wenn denn das alles so da steht, wie ich es durch dich jetzt verstanden habe.

Ehrlich gesagt scheint dir die notwendige Gelassenheit und
Diskussionskultur zu fehlen.

Ach, gut, dass du mir da so viel beigebracht hast. Wie gesagt: vgl. es mit anderen Beiträgen, und du wirst feststellen, dass ich jedenfalls so, wie ich mit dir bin, selten bin. Zieh deine eigenen Schlüsse daraus!

Dann zitierst du irgendeinen Verband oder so, aber kein einziges
Urteil und nichts aus der Rechtswissenschaft. Ja, mir ist schon
klar, dass du das deswegen nicht zitierst, weil du da nichts hast.
Aber das ist doch genau der Punkt! Du hast nichts, weil es das nicht
gibt, und das gibt es nicht, weil deine Auffassung schlicht falsch
ist!

Glanzleistung.

…mit einer Vorgeschichte. Isoliertes Herausgreifen ermöglicht keine gerechte Beurteilung.

Aber damit ärgern sich ab sofort andere rum.

Tschüs!

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Keine Sorge
Ich verstehe deine Reaktion. Wenn du mich ab sofort ignorieren willst, habe ich damit keine Probleme. Guter Vorschlag von dir. Das meine ich nicht polemisch, sondern wirklich so.

Wenn du jetzt schreibst

Mein Vorschlag, diese Dissertation als Minderansicht zu
begreifen…

kann ich damit leben.