Das AG Köln ist ja schon bekannt.
Wie kann man nur so ignorant sein? Hast du wirklich nicht zur Kenntnis genommen, dass ich mich zu diesem Urteil bereits geäußert habe? Was nützt es dir, es nun wieder ins Feld zu führen? Kannst oder willst du nicht verstehen?
Hier nun das Urteil. Die für dich interessante Passage hebe ich hervor. Die Aussage lautet: „Ja, ein erhöhtes Beförderungsentgelt ist geschuldet, weil die Eltern ihre Zustimmung zu dem Beförderungsvertrag erteilt haben.“ Das ist exakt das, was ich dir längst geschrieben habe, lies doch bitte einfach mal nach!
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 40,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 07.09.1985 sowie weitere 10,-- DM zu zahlen.
Die Feststellungswiderklage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Die Beklagte benutzte am 30.05.1985 gegen 7.40 Uhr die Straßenbahnlinie 1 der Klägerin.
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Bei der durch die Fahrausweisprüferin hinter der Haltestelle F-straße durchgeführten Kontrolle stellte diese fest, daß sieh die Beklagte keinen gültigen Fahrausweis beschafft hatte. Die Beklagte befand sich auf dem Weg zur Schule. Erst in der Bahn hatte sie bemerkt, daß sie keinen unbenutzten Sammelkartenabschnitt und auch kein Geld zum Kauf eines Einzelfahrscheins bei sich hatte, setzte ihre Fahrt aber gleichwohl fort, um rechtzeitig in der Schule zu erscheinen. Zum damaligen Zeitpunkt war die Beklagte 12 Jahre alt.
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Am 09.09.1985 um 13.15 Uhr auf dem Rückweg von der Schule und am 17.01.1986 um 16.20 Uhr auf einer nicht schulbedingten Fahrt wurde die Beklagte erneut ohne gültigen Fahrausweis angetroffen.
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Die Mutter der Beklagten – als alleinige gesetzliche Vertreterin – ist mit dem Benutzen der Bahn durch ihre Tochter grundsätzlich einverstanden. Ihre Einwilligung erstreckt sich nicht auf ein Fahren ohne Fahrausweis.
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Die Klägerin ist der Ansicht, daß ihr ein erhöhtes Beförderungsentgelt in Höhe von 40,-- DM zustehe, daß die gesetzliche Vertreterin die generelle Genehmigung zu Fahrten dieser Art (Benutzung der Straßenbahn zum Schulbesuch) erteilt habe und folglich auch für die in Frage kommende Fahrt, bei der es sich nach der Schilderung des Beklagtenvertreters um eine solche gehandelt habe, ein Beförderungsvertrag zustandegekommen sei.
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Aber auch wenn die Erteilung der Zustimmung ausdrücklich bestritten wurde, sei dennoch ein gültiger Beförderungsvertrag zustandegekommen, da die Inanspruchnahme von Massenverkehrsmitteln als ein sozialtypisches Verhalten zu betrachten sei, an das sich nach allgemeiner Rechtsüberzeugung die gleichen Rechtsfolgen anknüpften, wie an bewußte Willenserklärungen der vertragsschließenden Parteien. Die Minderjährigkeit sei dabei unerheblich. Allein erforderlich sei, daß die Fähigkeit zur Einsicht in die sozialtypische Bedeutung vorhanden sei, also der Fahrgast wisse, daß er ohne gültigen Ausweise die Straßenbahn nicht berechtigterweise nutze beziehungsweise hierfür das erhöhte Beförderungsentgelt zu entrichten habe. Dies sei hier der Fall gewesen. Der mehr als 12- jährigen Beklagten sei bewußt gewesen, daß sie die Fahrzeuge der Klägerin nicht ohne Fahrausweis habe benutzen dürfen. Ob sie das Unvermögen zur Lösung einer Fahrkarte erst in der Bahn festgestellt habe, sei unerheblich. Sie hätte sich vor Betreten der Bahn vergewissern müssen, ob sie eine Fahrkarte oder Geld bei sich hatte.
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Die in den Beförderungsbedingungen enthaltene Verpflichtung zur Zahlung eines erhöhten Beförderungsentgelts bedeute keine Umgebung des Minderjährigenschutzes. Es handele sich bei dieser Regelung nicht um eine sachlich unangemessene einseitig begünstigende vorgedruckte Vertragsbestimmung, sondern um eine im berechtigten Interesse des Verkehrsunternehmens liegenden Schutzvorschrift zur Erhaltung der vertraglichen Zahlungs- und Fahrausweispflicht des Fahrgastes.
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Die Widerklage sei abzuweisen, da ein Rechtsschutzbedürfnis nicht gegeben sei.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 40,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem Tage der Zustellung dieses Mahnbescheides sowie 10,-- DM vorgerichtliche Kosten zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen und widerklagend festzustellen, daß ohne ausdrückliche Zustimmung der gesetzlichen Vertreterin der minderjährigen Beklagten und Widerklägerin § 9 der Besonderen Beförderungsbedingungen der Verkehrs- und Tarifgemeinschaft Rhein-Sieg (VRS) vom 02. August 1980 („erhöhtes Beförderungsentgelt“) zwischen den Parteien nicht Bestandteil eines Beförderungsvertrages werden konnte und kann.
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Die Klägerin beantragt,
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Abweisung der Widerklage.
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Die Beklagte ist der Ansicht, daß die Klägerin keinen Anspruch auf das erhöhte Fahrgeld nach § 9 der Besonderen Beförderungsbedingungen der Verkehrs- und Tarifgemeinschaft Rhein-Sieg vom 02.08.1980 habe, da diese Vorschrift mangels Zustimmung der gesetzlichen Vertreterin der Beklagten nicht Bestandteil des Beförderungsvertrags geworden sei.
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Ihre Mutter sei zwar mit dem Benutzen der Straßenbahn durch sie grundsätzlich einverstanden, ihre Einwilligung erstrecke sich aber nicht auf ein Fahren ohne Fahrausweis. Die Klägerin könne die Beförderung der Beklagten nicht davon abhängig machen, daß die gesetzliche Vertreterin § 9 der Besonderen Beförderungsbedingungen akzeptiere. Diese Vorschrift regele den Fall minderjähriger Fahrgäste nicht ausdrücklich, somit sei davon auszugehen, daß die im übrigen auch ranghöheren Vorschriften der §§ 104 ff. BGB über den Minderjährigenschutz unangetastet bleiben sollte. Die Vorschriften zugunsten des Minderjährigenschutzes dienten nicht zuletzt auch dem finanziellen Schutz der Unterhaltsverpflichteten. Diesen sei eben deshalb auch vorbehalten, rechtsgeschäftliche Verpflichtungen ihrer Kinder nach freier Entscheidung zu billigen oder abzulehnen. Jedenfalls aber ergebe sich aus § 9 des Gesetzes zur Regelung des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen, daß ein vertraglich erhöhtes Beförderungsentgelt für nicht vollgeschäftsfähige vom Grundgedanken des Minderjährigenschutzes abweiche und damit gemäß § 9 Abs. 2. Nr. 1 AGB-Gesetz eine unangemessene Benachteiligung der Vertragspartner der Klägerin darstelle. Im übrigen spreche auch der Umstand, daß nur ein einheitlicher Betrag als erhöhtes Beförderungsentgelt vorgesehen sei, dafür, daß diese Vorschrift auf Minderjährige nicht anwendbar sein soll; andernfalls hätte es der Tarifstruktur entsprochen, eine Kinderermäßigung auch im Rahmen des erhöhten Fahrgelds vorzusehen. Im Ergebnis wäre sonst das erhöhte Fahrgeld für Kinder bis zu 14 Jahren relativ höher als das für ohne Fahrausweis fahrende Erwachsene.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist begründet.
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Die Beklagte ist gemäß § 9 der Verordnung über die allgemeinen Beförderungsbedingungen für den Straßenbahn- und Omnibusverkehr sowie den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen vom 27.02.1970 in der Fassung der Verordnung zur Änderung personenbeförderungsrechtlicher Vorschriften vom 13.05.1981 in Verbindung mit den vom Regierungspräsidenten Köln genehmigten „Besonderen Beförderungsbedingungen der Verkehrs- und Tarifgemeinschaft Rhein-Sieg vom 02.08.1980“ verpflichtet, ein erhöhtes Beförderungsentgelt in Höhe von 40,-- DM zu zahlen.
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Zwischen der Klägerin und der Beklagten ist ein wirksamer Beförderungsvertrag zustandegekommen.
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Die für die Wirksamkeit des Vertrages erforderliche Einwilligung der gesetzlichen Vertreterin der minderjährigen Beklagten liegt vor. Diese ist, wie die Beklagte selbst vorträgt, mit dem Benutzen der Straßenbahn durch ihre Tochter einverstanden. Diese Form des Einverständnisses ist als Generaleinwilligung zu einem Kreis von zunächst noch nicht individualisierten Geschäften zulässig. Soweit die Beklagte erklärt, die Einwilligung ihrer gesetzlichen Vertreterin erstrecke sich nicht auf ein Fahren ohne Fahrausweis ist dies unbeachtlich, da eine entsprechende Einschränkung gegen Treu und Glauben verstößt und insoweit unwirksam ist. Die gesetzliche Vertreterin würde dann das Risiko, ob das Kind zahlt oder nicht auf die Klägerin abwälzen wollen.
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Dies ist im Hinblick darauf, daß sie das Kind die Straßenbahn in Anspruch nehmen läßt eine unzulässige Belastung der Klägerin, daß sie dieser in diesem Fall jede Möglichkeit nehmen würde über den Weg der Vertragsstrafe Einfluß auf ein positives Verhalten des Kindes zu nehmen. Dem steht auch nicht entgegen, daß die Klägerin diesen Einfluß auch bei Wiedereinführung von Straßenbahnschaffnern ausüben könnte, da gerade die Einführung des weitgehend automatisierten Betriebs kostengünstige Auswirkung für die Allgemeinheit und damit auch die Beklagte hat. Mit der Wirksamkeit des Beförderungsvertrags hat die Beklagte auch die sich daraus für sie ergebenden Verpflichtungen zu erfüllen. Einer ausdrücklichen Zustimmung zu einer einzelnen Vertragsbestimmung bedarf es daher nicht mehr. Sie hat auch insoweit die Bestimmung der Beförderungsbedingungen bezüglich des erhöhten Beförderungsentgeltes gegen sich gelten zu lassen, da auch ein Gesetzesverstoß nicht gegeben ist.
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Eine Aushöhlung des im Bürgerlichen Gesetzbuch verankerten Minderjährigenschutzes liegt nicht vor.
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Auch bei anderen Rechtsgeschäften Minderjähriger, die zu ihrer Wirksamkeit der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters bedürfen, wird der Minderjährige bei Einwilligung zum Vertragsabschluß nicht vor den Folgen – etwa einer positiven Vertragsverletzung – geschützt. Es ist auch nicht unbillig, daß die Beförderung dadurch im Ergebnis davon abhängig gemacht wird, daß die Bestimmung des erhöhten Beförderungsentgelts akzeptiert wird.
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Der Vorzug der Inanspruchnahme des Verkehrsmittels steht in angemessenem Verhältnis zur Belastung bei unentgeltlicher vertragswidriger Benutzung auch im Hinblick darauf, daß zur Erhaltung der vertraglichen Zahlungs- und Fahrausweispflicht des Fahrgastes die Vereinbarung der Vertragsstrafe unbedingt erforderlich ist wie die Vielzahl der Schwarzfahrer trotz der bestehenden Bestimmung der Verpflichtung zur Zahlung des erhöhten Beförderungsentgeltes beweist. Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, daß dem gesetzlichen Vertreter die wirtschaftlichen Folgen der Ungehorsamkeit des Kindes auferlegt würden, da andernfalls die Abwälzung auf die Allgemeinheit die unausbleibliche Folge wäre sei es durch Abstandnahme vom weitgehend automatisierten Betrieb des Unternehmens der Klägerin und damit verbundener höherer Kosten für die Klägerin, die letztlich wieder die Allgemeinheit treffen, sei es durch die von der Beklagten geforderten erzieherischen Maßnahmen, die ebenfalls besonderer mit Kosten verbundener Einrichtungen beziehungsweise Erweiterungen bestehender Einrichtungen bedürften.
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Im Übrigen reicht auch soweit das Minderjährigenrecht den gesetzlichen Vertreter indirekt von wirtschaftlichen Nachteilen schützen will, dieser Schutz nur so weit als Entscheidungsfreiheit, ob Einwilligung beziehungsweise Genehmigung erteilt wird, gewährt wird. Dies ist auch hier der Fall, da der gesetzlichen Vertreterin die Entscheidung verbleibt, ob sie der Beklagten jegliche Benutzung der Bahn erlaubt oder verbietet.
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Auch soweit die Beklagten ausführt, daß mangels Ermäßigung für Kinder im Rahmen des erhöhten Beförderungsentgelts dieses für Kinder relativ höher wäre als für Erwachsene, liegt darin keine unangemessene Benachteiligung, da es sich bei der Ermäßigung des Beförderungsentgeltes für Kinder um eine Vergünstigung handelt, die nicht dazu zwingt, auch auf vertragswidriges Verhalten gleiche Vergünstigung zu gewähren. Da wie oben ausgeführt mit der Bestimmung bezüglich eines erhöhten Beförderungsentgeltes von den wesentlichen Grundgedanken des Minderjährigenschutzes nicht abgewichen wird, ist auch in § 9 der Besonderen Beförderungsbedingungen der Verkehrs- und Tarifgemeinschaft kein Verstoß gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG enthalten.
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Nach § 9 der vom Regierungspräsidenten Köln genehmigten Besonderen Beförderungsbedingungen in Verbindung mit Abschnitt IX/h der Tarifbestimmungen und Entgelte der VRS vom 01.05.1982 hat die Beklagte ein Bearbeitungsentgelt in Höhe von 10,-- DM zu zahlen.
28
Die Klägerin hat nach Wochenfrist die Beklagte zur Zahlung gemahnt.
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Die Feststellungswiderklage war abzuweisen. Sie ist unzulässig. Für das Feststellungsbegehren besteht kein Rechtsschutzbedürfnis, da die Frage ob § 9 der Besonderen Beförderungsbedingungen ohne ausdrückliche Zustimmung des gesetzlichen Vertreters wirksamer Bestandteil eines Beförderungsvertrages werden kann mit der Klage entschieden werden mußte und wurde.
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Die Kostenentscheidung erfolgt nach § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach den §§ 708 Ziff. 11, 713 ZPO.