Hallo „Schneewittchen“,
als erstes mal. Innehalten und tief durchatmen. Jetzt musst erstmal Du es schaffen, zur Ruhe zu kommen, sonst überträgt sich Deine Nervosität und Hilflosigkeit auch noch.
Sorry, wenn ich gleich so direkt los lege.
Ich riskiere mal, so weiter zu machen, denn Kinder sind – nicht nur, aber auch – unser Spiegel. Das wissen sie nicht, und wir wissen das auch nicht, aber man redet halt nicht nun mit Worten. Und so bleibe ich erst noch ein wenig bei Dir.
Du schreibst, dass Du nur geweint hast, wenn Du alleine warst, und Du findest es „natürlich“, dass man Dich auch heute noch nicht darauf ansprechen darf.
Glaube mir, auch, wenn Du Dir noch so viel Mühe gegeben hast: Die Menschen in Deiner Umgebung spüren, was los ist, auch, wenn Du nichts sagst. Ich bin überzeugt, dass Deine Tochter im Grunde ihr Leben lang spürt, dass Du trauerst – offensichtlich bis zum heutigen Tage.
Aber sie darf darüber nicht reden, denn erschwerend kommt hinzu, dass Deine Tochter instinktiv spürt, dass hier ein Tabu ist, über das nicht geredet wird, ihre Mama aber trotzdem traurig macht.
Und das macht Angst!
Warum kannst Du nicht darüber reden? Oder gilt das nur gegenüber Deiner Tochter? Dann weiß Du sowieso nicht, was sie vielleicht per Zufall schon alles aufgeschnappt hat. Da sie aber „gelernt“ hat, dass sie über das Thema nicht reden darf, weil Mama sonst noch traurigen wird, schweigt sie und versucht, mit all den Sachen, die ihr durch den Kopf geistern, allein fertig zu werden. Denn wie soll sie Dir was sagen, wenn Du das Thema zum Tabu erklärst? Sie will ja nicht, dass Du noch trauriger wirst.
Aus meiner Sicht hilft nur:
Mach Deine Seele auf und laß Deine Tochter hineingucken! Erzähle ihr von Deiner Oma, erzähle ihr, wie es früher war. Erzähle ihr, was ihr gemacht habt, wann sie Dich gelobt hat, wann sie mit Dir geschimpft hast. Hol alte Bilder raus, zeig sie Deiner Tochter, damit sie Deine Oma als einen ganz normalen Menschen erkennen kann und vor allem:
Mach ihr Mut, Fragen zu stellen!!!
Sag ihr ruhig, dass Dich das natürlich traurig macht, weil Du Deine Oma sehr gern gehabt hast. Aber Du hast sie nicht weniger lieb – weder Deine Oma noch deine Tochter – nur, weil Du beim Erzählen weinen musst.
Und, wer weiß, vielleicht hilft das auch Dir, mit dem Verlust klar zu kommen, vielleicht kannst auch Du dadurch Deine Trauer in Würde abschließen. Wir haben einen Menschen nicht weniger lieb, nur, weil im Laufe der Zeit die Erinnerung in den Hintergrund driftet. Das ist normal. Und es ist kein Zeichen von Wertschätzung, nur, weil ich täglich die Erinnerung an ihn wach halte.
Es ist ja auch kein „Trauerbeweis“, wenn einer ständig auf den Friedhof rennt! Im Gegenteil, so was kann man auch als oberflächlich empfinden. Manche Leute rennen nämlich in erster Linie zum Friedhof, um anderen zu „beweisen“, wie sehr sie trauern. Und wer die teuersten Blumen aufs Grab pflanzt, trauert am meisten? Ein Hoch der Illusion!
Also, so, wie Du das schilderst, wirkt es auf mich so, als hätte Deine Tochter im Laufe der Jahre jede Menge Bilder im Kopf, mit denen sie nicht fertig wird. Andererseits kann sie aber nicht darüber reden – also bewältigt sie alles im Traum, nur dass es nicht die Träume sind, die man sich wünscht.
Wenn ich richtig rechnen kann, Tochter wird jetzt 9, und war noch nicht mal 2, als Deine Oma starb . . . . . ich denke, Du ahnst, was ich jetzt schreiben werde:
SIEBEN JAHRE ! ! ! ! ! ! !
Entschuldige bitte, wenn es brutal klingt, aber ich möchte Dich wirklich herzlich bitten, erst einmal Deine Gefühlswelt zu analysieren. Tote darf man gehen lassen, man muß sie sogar ziehen lassen, sonst komen sie auch nicht zur Ruhe. Und es wäre bestimmt nicht im Sinne Deiner Oma, wenn Deine Tochter darunter leidet, dass Du Deine Oma nicht loslassen kannst, wie man so platt sagt – aber darum geht es.
Interessant wäre übrigens, wenn Du BEI DIR mal „nachgraben“ könntest, was DICH eigentlich so festhält. Trauer ist ja in Ordnung, aber dass Du nach sieben Jahren noch immer nicht darüber reden kannst, das könnte auch Dir zu denken geben.
Soweit zu dem Thema, und ich denke, das Tabu, das Du praktizierst, könnte der wesentliche Faktor sein.
Für alle Fälle aber, damit man nichts übersieht, wäre es natürlich gut, mal in der Schule vorbei zu schauen, ob es da vielleicht Ereignisse gibt, mit denen sie nicht fertig wird – oder meint, sie muß jetzt ganz stark sein, weil sie Trauer nicht zeigen darf oder zumindest denkt, sie dürfe Trauer nicht zeigen. Vielleicht ist ja bei einem Klassenkameraden jemand gestorben, oder ein Haustier, und das hat Gedankengänge ausgelöst, die nicht mehr weg gehen, über die sie sich aber nicht traut, mit Dir zu reden, denn Du bist ja schon traurig genug, da muß sie nicht noch zu mehr Trauer beitragen.
So, das mal auf die Schnelle.
Ich wünsche Dir viel Glück –
Gibt es eigentlich jemanden in Deiner Umgebung. Dem sie sich anvertraut oder anvertrauen würde?
Liebe Grüße,
Monika.
direkt über
P.S.
Eines möchte ich übrigens auch gern noch „los“ werden:
Guck’ Dir mal Dein Pseudo an: Schneewittchen . . . . .
Meist müssen wir unsere Probleme selbst anpacken, sie in die Hand nehmen und lösen. Es kommt äußerst selten ein Prinz, der uns rettet . . .