Liebe WWWler,
da mein Text etwas länger wird, fange ich mal gleich mit der Frage an: Würdet Ihr mir Euer siebenjähriges Kind für eine Geburtstagsfeier anvertrauen, wie ich sie unten beschreibe?
Zum Hintergrund: Ich werde im Sommer erstmals Vater. Deshalb fange ich jetzt so langsam an, mich auch für Informationen zu interessieren, wie man sie hier im Brett findet. Eines macht mich beim Lesen vieler Beiträge hier ziemlich nachdenklich: Kindern wird im Vergleich zu meiner Jugend immer weniger zugetraut bzw. zugemutet. Ich habe hier fast das Gefühl, dass Kinder völlig aus Zucker bestehen, sie keinerlei Pflichten mehr haben und man sie ständig behüten muss. Während ich als Vierjähriger (vor 26 Jahren) wirklich noch täglich gut einen Kilometer an einem Bach entlang zum Kindergarten marschierte, gilt es heute schon als Kindesmisshandlung, wenn man seinen Nachwuchs nicht mit Ortungssystem ausgestattet persönlich bis zur Eingangstür des Kindergartens bringt. Jedenfalls scheint es mir so.
Aber zu meiner Geburtstagsfeier. Zu meinem siebten Geburtstag (also vor 23 Jahren) bekam ich von meinen Eltern (ev. Pfarrer und Grundschullehrerin) das schönste Geschenk, an das ich mich überhaupt erinnern kann. Ich durfte meine Freunde zu einer Gruselnachtwanderung einladen. Die Party fand von Samstag auf Sonntag statt und alle mussten Taschenlampen mitbringen. Gegen 22 Uhr marschierten wir in den Wald, geführt von meinem Vater und einem seiner Freunde, der Förster war. Er brachte seine Büchse mit (die wir natürlich wahnsinnig aufregend fanden) und zeigte uns Hochsitze im Revier. Außerdem erzählte er die ganze Zeit von tollwütigen Ebern, was dazu führte, dass wir alle dichtgedrängt durch den Wald schlichen. Gegen Mitternacht brachte er uns im Wald an eine alte Bahntrasse, die nachts nicht befahren wurde und auf der wir dann zu einer Fabrik für Schwimmbäder wanderten. Mein Vater hatte mit dem Nachtwächter abgesprochen, dass dieser seine Wachhunde eingesperrt und stattdessen nur die Lichtschranken eingeschaltet ließ. Als wir die Fabrik in völliger Finsternis betraten, ging plötzlich grelles Neonlicht an und vier ausgewachsene Rottweiler kriegten sich in ihren Käfigen nicht mehr ein, was uns in ziemliche Panik versetzte.
Das war allerdings erst der Anfang. Wir wanderten weiter die Gleise entlang, machten einmal Picknick-Pause, und mein Vater las uns am Gaskocher aus Edgar Allen Poes „Unheimlichen Geschichten“, eine Novelle über einen bei lebendigem Leibe verwesenden Mann vor. Dann ging es weiter in einen alten, einen Kilometer langen Fabriktunnel aus Nazizeiten, in dem im Zweiten Weltkrieg Handgranaten produziert wurden und in dem bei einem alliierten Luftangriff wohl ziemlich viele Arbeiter umgekommen sind (die laut meinem Vater natürlich heute noch als Zombies durch den Tunnel streiften). Als wir auf halber Strecke waren, kamen ein paar ehemalige Konfirmanden meines Vaters aus ihrem Versteck und simulierten mit ihrem Kassettenrecorder und ein paar Baustellenleuchten für uns ziemlich echt einen einfahrenden Geisterzug, was uns noch einmal in helle Aufregung versetze.
Anschließend wanderten wir völlig fertig in den frühen Morgenstunden in das Gemeindehaus des Ortes, wo wir in Schlafsäcken übernachteten – was für ein Abenteuer! Mit einigen meinen damaligen Kameraden habe ich noch heute Kontakt und alle erzählen, dass diese Wanderung eines der spannendsten und schönsten Erlebnisse ihrer Jugend war. Und für mich war immer klar, dass ich eine solche Nachtwanderung gerne auch meinen Kindern einmal schenken möchte. Aus oben genannten Gründen befürchte ich aber, nur empöre Absagen wenn nicht gleich Anzeigen wegen Kindesmisshandlung zu bekommen.
Deshlab noch einmal meine Frage: Würde ich Eure Siebenjährigen für mein Vorhaben bekommen?
Fragt neugierig,
Matt