Hallo Matt,
da mein Text etwas länger wird, fange ich mal gleich mit der
Frage an: Würdet Ihr mir Euer siebenjähriges Kind für eine
Geburtstagsfeier anvertrauen, wie ich sie unten beschreibe?
Nein !
Aber zu meiner Geburtstagsfeier. Zu meinem siebten Geburtstag
(also vor 23 Jahren) bekam ich von meinen Eltern (ev. Pfarrer
und Grundschullehrerin) das schönste Geschenk, an das ich mich
überhaupt erinnern kann. Ich durfte meine Freunde zu einer
Gruselnachtwanderung einladen. Die Party fand von Samstag auf
Sonntag statt und alle mussten Taschenlampen mitbringen. Gegen
22 Uhr marschierten wir in den Wald, geführt von meinem Vater
und einem seiner Freunde, der Förster war. Er brachte seine
Büchse mit (die wir natürlich wahnsinnig aufregend fanden) und
zeigte uns Hochsitze im Revier. Außerdem erzählte er die ganze
Zeit von tollwütigen Ebern, was dazu führte, dass wir alle
dichtgedrängt durch den Wald schlichen. Gegen Mitternacht
brachte er uns im Wald an eine alte Bahntrasse, die nachts
nicht befahren wurde und auf der wir dann zu einer Fabrik für
Schwimmbäder wanderten. Mein Vater hatte mit dem Nachtwächter
abgesprochen, dass dieser seine Wachhunde eingesperrt und
stattdessen nur die Lichtschranken eingeschaltet ließ. Als wir
die Fabrik in völliger Finsternis betraten, ging plötzlich
grelles Neonlicht an und vier ausgewachsene Rottweiler
kriegten sich in ihren Käfigen nicht mehr ein, was uns in
ziemliche Panik versetzte.
Und Ihr habt nicht geweint ? Wow, ich bin beeindruckt, Ihr wart ja schon richtige Männer !!!
Abgesehen davon, dass hier Hunde zum Erschrecken missbraucht werden und, wie Maja schon schrieb, regelrechte Hundephobien angelegt werden können - welch ein Schwachsinn !
Das war allerdings erst der Anfang. Wir wanderten weiter die
Gleise entlang, machten einmal Picknick-Pause, und mein Vater
las uns am Gaskocher aus Edgar Allen Poes „Unheimlichen
Geschichten“, eine Novelle über einen bei lebendigem Leibe
verwesenden Mann vor. Dann ging es weiter in einen alten,
einen Kilometer langen Fabriktunnel aus Nazizeiten, in dem im
Zweiten Weltkrieg Handgranaten produziert wurden und in dem
bei einem alliierten Luftangriff wohl ziemlich viele Arbeiter
umgekommen sind (die laut meinem Vater natürlich heute noch
als Zombies durch den Tunnel streiften). Als wir auf halber
Strecke waren, kamen ein paar ehemalige Konfirmanden meines
Vaters aus ihrem Versteck und simulierten mit ihrem
Kassettenrecorder und ein paar Baustellenleuchten für uns
ziemlich echt einen einfahrenden Geisterzug, was uns noch
einmal in helle Aufregung versetze.
Cool *Ironiealarm*!
Anschließend wanderten wir völlig fertig
Aha, völlig fertig, aber glücklich ?
in den frühen
Morgenstunden in das Gemeindehaus des Ortes, wo wir in
Schlafsäcken übernachteten – was für ein Abenteuer!
Mit
einigen meinen damaligen Kameraden habe ich noch heute Kontakt
und alle erzählen, dass diese Wanderung eines der spannendsten
und schönsten Erlebnisse ihrer Jugend war.
Schön vor allem im Rückblick - damals wärst du vielleicht froh gewesen, eine „Übermutter“ hätte Dich davor bewahrt…
Deshlab noch einmal meine Frage: Würde ich Eure Siebenjährigen
für mein Vorhaben bekommen?
Ich halte selbst die Harry-Potter-Filme (FSK 6, ich meine nicht die Bücher, das ist etwas anderes) für ungeeignet für Siebenjährige. Mein Erziehungsziel ist nun wirklich nicht, dass meine Kinder möglichst früh „hart im Nehmen“ werden. Das, was Du von der Party damals beschreibst, finde ich schlicht unverantwortlich. Mag sein, dass Ihr Jungs auch heute noch schenkelklopfend davon erzählt, aber ich sehe keinerlei Vorteil darin, Kinder derart zu erschrecken.
Klares NEIN von mir - sowohl für meine Freilandtöchter als auch für meinen Dreckwühlsohn.
Gruß, Inselchen