Kippa für Nichtjuden?

Hallo,

am 9. November werde ich als Vertreter einer Organisation an einer Feier am Ort einer zerstörten Synagoge teilnehmen und dort nach der Ansprache in Anwesenheit der anderen Besucher einen Kranz niederlegen.

Ich besitze von einem Israelbesuch eine Kippa. Ist es sinnvoll, dass ich die bei der Gelegenheit trage? Oder wird das eher als unpassend gesehen?

Grüße
Carsten

Kippa oder eleganter Hut
Hallo Carsten,

die Kippa ist auf jeden Fall angebracht, wenn sie
einfärbig schwarz ist und keine auffälligen
Verzierungen trägt.
Einen teuren, eleganten schwarzen Herrenhut wirst
Du Dir ja nicht eigens zulegen wollen; vielleicht
ausborgen?

Gruß
J.

Ich besitze von einem Israelbesuch eine Kippa. Ist es
sinnvoll, dass ich die bei der Gelegenheit trage? Oder wird
das eher als unpassend gesehen?

wenn an dem ort die kopfbedeckungsregel herrscht (würde ich mal nachfragen) dann kommt die kipa sicher in frage. ich würde nicht auf schwarz beharren. solange nicht mickimaus und batman drauf sind, ist sie sicher ok.

wenn dir das aber unangenehm ist, kannst du auch einen hut aufsetzen. elegant sollte er sein, schwarz und teuer muß nicht :wink:

gruß
dataf0x

Hallo Carsten,

am 9. November werde ich als Vertreter einer Organisation an
einer Feier am Ort einer zerstörten Synagoge teilnehmen und
dort nach der Ansprache in Anwesenheit der anderen Besucher
einen Kranz niederlegen.

Ich besitze von einem Israelbesuch eine Kippa. Ist es
sinnvoll, dass ich die bei der Gelegenheit trage? Oder wird
das eher als unpassend gesehen?

Es handelt sich vermutlich um eine Gedenkveranstaltung, die von verschiedenen Gruppen organisiert wird.
Wenn Nichtjuden als Veranstalter und Teilnehmer unter sich sind, wäre eine Kippa völlig unangebracht.

Wenn Juden in die Gedenkveranstaltung miteinbezogen sind, würde ich nachfragen, wie die das im konkreten Fall sehen.

Ganz allgemein kann man sagen:
Wenn ein Nichtjude an einen jüdischen Ort geht, wo das Tragen einer Kippa üblich ist (Friedhof, G-ttesdienst in der Synagoge, Einladung zu Pessach in eine jüdische Familie, dann bekommt er vor Ort eine Kippa wenn er keine hat.

Viele Grüße

Iris

Hallo,

ich mache mal einen plumpen Vergleich.

Ich habe ein koreanisches Fußballshirt. Zum Spass an der Freude, die ich damit bei meinen koreanischen Freunden auslöse, ziehe ich das auch gern mal an, wenn z.B. Korea spielt und ich zusammen mit Ihnen zuschaue.

ABER

Wenn Korea gegen Deutschland spielt, dann ist das total unpassend und wird auch auch sehr unpassend von meinen koreanischen Freunden empfunden.

Daraus soll folgen:

Setze die Kippa auf, wenn Du in Israel an einem Fest teilnimmst und damit zu erkennen gibst, dass Du Dich in dem Moment dazugehörig fühlen willst.

Setze die Kippa nicht auf, wenn Du als Vertreter einer nichtjüdischen Gruppe eine Ansprache halten willst. Das ist einfach falsch und Selbstverleumndung.

Besten Gruß
Mathias

Hallo Iris,

Ort geht, wo das Tragen einer Kippa üblich ist

es ist eine Gedächtnisveranstaltung am 9. November vor einem (brachliegenden) Bunker, an dessen Stelle 1938 die dort befindliche Synagoge zerstört wurde. Die Veranstaltung findet jährlich statt, Kopfbedeckung der Männer wird ausdrücklich gewünscht.

Als erstes halten zwei Vertreter jüdischer Gruppen eine Rede, danach der Oberbürgermeister. Und dann legen Vertreter politischer Gruppen und anderer Organisationen Kränze nieder. Dabei bin dann auch ich.

Wenn Juden in die Gedenkveranstaltung miteinbezogen sind,
würde ich nachfragen, wie die das im konkreten Fall sehen.

Ich kenne aus meinen früheren Israelaufenthalten viele Juden dort, aber keinen einzigen hier. Und anstatt bei einem „Würdenträger“ formell anzufragen, hoff(t)e ich, hier eine verbindliche Antwort bekommen zu können.

Aufgrund meiner Efahrungen in Israel setze ich die Kippa gerne auf, habe aber die Befürchtung, das könne bei einer solchen Veranstaltung als Anbiederung oder Vortäuschung einer jüdischen Zugehörigkeit angesehen werden. Die Antwort von Mathias hier drüber geht wohl in die Richtung.

Grüße
Carsten

bs"d

Hallo Carsten

Ist es sinnvoll, dass ich die bei der Gelegenheit trage? Oder wird
das eher als unpassend gesehen?

Ich persönlich würde mich nicht daran stören. Aber es gibt hier und auch gerade bei solchen Veranstaltungen „empfindliche“ Leute, denen du es oft nie recht machen kannst. Wenn Du also willst, dass möglichst wenige dort über dich schlecht reden, dann nehme eine andere angemessene Kopfbedeckung.

Wenn du aber keine andere hast, dich selber damit wohl fühlst, dann ziehe die Kippa an.

Kol tuw,
Eli

Na, Carsten,
du hast ja die Stellungnahmen der jüdischen Mitglieder gelesen.

Meine persönliche Erfahrung: Kippa ist nur dann erforderlich, wenn du keine Kopfbedeckung dabei hast. Selbst in Jerusalem und an der Klagemauer hatte niemand etwas dagegen, wenn ich diese Stätten mit einem Hut oder einer Mütze besuchte.

Natürlich sollte die Kopfbedeckung (und es geht, soviel ich weiß, wirklich nur darum nicht barhäuptig zu erscheinen) der Angelegenheit angemessen sein.
In deinem Fall also Hut.
Gruß
Eckard

Hallo Carsten (mit Tseh),

danke für Deine ausführliche Darstellung. Das ermöglicht es mir besser den Zusammenhang einzuordnen und noch konkreter auf Deine Anfrage einzugehen.

es ist eine Gedächtnisveranstaltung am 9. November vor einem
(brachliegenden) Bunker, an dessen Stelle 1938 die dort
befindliche Synagoge zerstört wurde.

also vom äußeren Raum schon mal ein nicht-jüdischer Kontext

Die Veranstaltung findet
jährlich statt, Kopfbedeckung der Männer wird ausdrücklich
gewünscht.

das ist ja schon mal ein deutlicher Hinweis auf die Kleiderordnung

Als erstes halten zwei Vertreter jüdischer Gruppen eine Rede,

d.h. sie sind genauso wie Du zu einem Beitrag eingeladen. Es passiert also nix jüdisch-religiöses. Nehmen wir mal an, ein jüdischer Kantor wäre da und es heißt: „Kantor Nussbaum singt zum Abschluß das El Male Rachamim“ dann würde da was Religiöses passieren und dann würde man eine Kippa in Erwägung ziehen - eine andere Kopfbedeckung wäre aber auch o.k.

danach der Oberbürgermeister. Und dann legen Vertreter
politischer Gruppen und anderer Organisationen Kränze nieder.
Dabei bin dann auch ich.

… gekürzt

Ich kenne aus meinen früheren Israelaufenthalten viele Juden
dort, aber keinen einzigen hier. Und anstatt bei einem
„Würdenträger“ formell anzufragen, hoff(t)e ich, hier eine
verbindliche Antwort bekommen zu können.

Die ist eben immer situationsbezogen. Wenn nun - was relativ unwahrscheinlich aber denkbar ist - die jüdische Gemeinde zu einer Veranstaltung in die Synagoge XY einladen würde, also Veranstalter wäre und es sich gleichzeitig um einen jüdischen Raum handelt (Synagoge), dann wäre Kopfbedeckung sowieso angesagt.

Aufgrund meiner Efahrungen in Israel setze ich die Kippa gerne
auf, habe aber die Befürchtung, das könne bei einer solchen
Veranstaltung als Anbiederung oder Vortäuschung einer
jüdischen Zugehörigkeit angesehen werden.

Genau das ist der Punkt. Dieser Gedankengang zeigt, dass Du sowieso schon mit Sensibilität an das Thema rangehst. In Deutschland gibt es halt Leute, die Jüdischsein vortäuschen (hatten wir auch schon in diesem Forum) und das teilweise kuriose Formen annimmt. Es gibt an meinem Wohnort einen Nichtjuden, der in seinem Geschäft Kippa trägt, der öffentlich Kippa trägt, aber wenn er zum Lernen kommt - wo es eigentlich üblich wäre das zu tun - hat er keine Kippa auf dem Kopf.

Ich habe vor ein paar Jahren mal zum 9. November einen Gedenkrundgang zur Pogromnacht angeboten. Da kam dann tatsächlich jemand, der sich einen gelben Stern gebastelt hatte und den an seinem Mantel angebracht hatte.

Gerade zu diesem Anlaß (9. November) reagieren viele Juden sehr allergisch auf alles, was darauf hindeuten könnte, daß jemand sich - da ja die wenigeren nicht-jüdischen Deutschen im Widerstand waren - sich von der Seite der Mitläufer und Täter auf die der Opfer schlagen möchte.

Laß uns doch wissen, wie es gelaufen ist.

Viele Grüße

Iris

Hallo Carsten (mit Tseh),

Hallo Iris (mit ess) :smile:,

Laß uns doch wissen, wie es gelaufen ist.

na, bis dahin sind wir hier wohl im Archiv verschwunden. In früheren Jahren waren meist so etwa hundert Gäste dabei, einige davon mit Kippa. Da ich aber keinen Juden persönlich kenne, kann ich nicht beurteilen, ob da Möchte-gern-Kippa-Träger zwischen waren.

Vielen Dank aber für deine ausführliche Antwort, auch zu meiner anderen Frage. Der der Thora nachfolgende folgende viermal so umfangreiche Teil des Alten Testaments heißen bei euch also Newiim und Khetuwim (habe ich soeben von dir bei Hagalil gelesen). Warum hört man diese Worte in der Öffentlichkeit nie, aber immer Thora und Talmud?

Grüße
Carsten

PS

Eigentlich wollte ich meine beiden Fragen bei Hagalil stellen, fand das Forum aber sehr unübersichtlich. Wo hätten sie denn deiner Meinung nach hingehört?

Doch noch mal: Hut oder Mütze statt Kippa
Hallo,

vielen Dank für alle Antworten. Jetzt fällt mir aber doch noch etwas ein:

Da ich normalerweise, selbst bei Kälte, nie eine Kopfbedeckung trage, besitze ich außer der erwähnten Kippa nur eine, hmh, ich glaube man nennt das Hamburger Seemannsmütze. So was wie Bundeskanzler Schmidt früher oft trug. Aber nicht in Schwarz, was die ja meistens sind, sondern aus mittelbraunem Wildleder.

Ich habe die früher schon bei vergleichbaren Anlässen getragen. Mir hat deswegen niemand den Kopf abgerissen und das wird sicher auch diesmal nicht geschehen.

Aber, das hier drunter immer wieder von „schwarz“ die Rede ist: Sollte ich mir doch eine zweite Mütze zulegen, eine schwarze? Oder gar einen Hut?

Grüße
Carsten

Hallo Carsten,

Da ich normalerweise, selbst bei Kälte, nie eine Kopfbedeckung
trage, besitze ich außer der erwähnten Kippa nur eine, hmh,
ich glaube man nennt das Hamburger Seemannsmütze. So was wie
Bundeskanzler Schmidt früher oft trug. Aber nicht in Schwarz,
was die ja meistens sind, sondern aus mittelbraunem Wildleder.

so etwas sieht seriös aus, es sollte also reichen. Bei meinen Besuchen auf jüdischen Friedhöfen hies es immer, was auf den Kopf muss sein. Auch Pudelmützen etc. wurden aktzeptiert.

Ciao m,axet.

Hallo Carsten,

Laß uns doch wissen, wie es gelaufen ist.

na, bis dahin sind wir hier wohl im Archiv verschwunden.

das hab ich jetzt mal verhindert :wink:

Will nämlich auch wissen, wie es gelaufen ist.

Eigentlich wollte ich meine beiden Fragen bei Hagalil stellen,
fand das Forum aber sehr unübersichtlich. Wo hätten sie denn
deiner Meinung nach hingehört?

Hier bist Du auf alle Fälle richtig.

Gruss Harald

Hallo nochmal,

Aber, das hier drunter immer wieder von „schwarz“ die Rede
ist: Sollte ich mir doch eine zweite Mütze zulegen, eine
schwarze? Oder gar einen Hut?

Du machst Dir richtig viel Mühe. Falls Du Dir noch mehr Mühe machen möchtest, was ich zu schätzen wissen würde, dann schreibe doch eine kurze Notiz an den Veranstalter, dass Du gedenkst ohne Kopfbedeckung zu erscheinen.

Denn Kopfbedeckungen zu offiziellen Anlässen, jedweder Art sind in Deutschland nicht mehr üblich. Kopfbedeckungen werden lediglich als Schutzkleidung vor widrigem Wetter oder auf der Baustelle benutzt.

Wenn der Veranstalter z.B. um keine Kopfbedeckung bitten würde, würde er damit gezielt z.B. Sikh oder Muslima ausgrenzen. Denn wer geht schon gern „nackt“ zu einer Veranstaltung.

Ist also diese Form der Einladung in Deutschland wirklich noch zeitgemäß?

Besten Gruß
Mathias

PS: So richtig viel Zeit habe ich mir jetzt nicht genommen eine ausgewogene Argumentation zu erstellen, aber ich hoffe der Grundgedanke wird deutlich.

bs"d

Hallo Carsten.

Aber, das hier drunter immer wieder von „schwarz“ die Rede
ist: Sollte ich mir doch eine zweite Mütze zulegen, eine
schwarze? Oder gar einen Hut?

Das „schwarz“ scheint mir hier mehr das Klischee zu sein, da ja auch nur ein Bruchteil der Juden schwarze Kippot und Hüte tragen. Somit ist es erst einmal alleine dein Empfinden, was du für dich hier am angemessensten empfindest und ob es dir eine weitere Mütze wert ist.

Kol tuw,
Eli

bs"d

Hallo Mathias.

Ist also diese Form der Einladung in Deutschland wirklich noch
zeitgemäß?

Im jüdischen Kontext ist diese Form immer noch zeitgemäß und diese Art der Veranstaltungen verschieben sich immer in diesen Kontext, warum auch immer. Das müsste dann aber wahrscheinlich hier im Psychoanalyse-Forum besprochen werden.

Kol tuw,
Eli

bs"d

Hallo Carsten.

Warum hört man diese Worte in der
Öffentlichkeit nie, aber immer Thora und Talmud?

Das ergibt sich schon alleine aus der Bedeutung der einzelnen Teile im Judentum.

So gibt es auch (fast) keine Bücher, welche die Newiim oder Ketuwim gesondern (in dieser Form) beinhalten. Du begegnest ihnen entweder im Tanach oder dann aufgeteilt in die einzelneb Bücher mit Kommentar wie die Tehilim (Psalmen), Isaja, Megilat Ester usw. Dadurch werden diese Begriffe nur selten verwendet und auch Tanach ist ja nicht so häufig anzutreffen.

Kol tuw,
Eli

In Form erstarrt ?
Moin Carsten,

was genau ist eigentlich der Sinn dieser Veranstaltung und warum bist du der Meinung, dass die Art und das Vorhanden sein oder nicht einer Kopfbedeckung bezogen auf diesen Sinn so eine exorbitante Bedeutung hat ?

Gruß
Marion

Hallo,

eine kurze Notiz an den Veranstalter, dass Du gedenkst ohne Kopfbedeckung zu erscheinen.

Falls du im Winter zu einer Beerdigung eingeladen wirst: Wirst du dann statt im schwarzen Anzug im Skidress erscheinen? Oder im Sommer in Bermudas-Shorts und mit Hawaii-Hemd?

Ist also diese Form der Einladung in Deutschland wirklich noch zeitgemäß?

Absolut. Gewisse Kleidungsregelen gibt es immer noch, und relgiöse Gewohnheiten anderer toleriert man halt, soweit es zumutbar ist.

Die obigen Beispiele sind sicher etwas extrem. Aber man nimmt als Mann, falls man einen Hut trägt, diesen beim Betreten einer Kirche ab. Bei Juden ist es umgekehrt: Da setzt ein Mann einen Hut beim Betreten der Synagoge auf, notfalls legt er sich ein Taschentuch oder ein Buch auf den Kopf.

Vielleicht liest du mal weiter unten, wo ich die Art der Feier genauer beschrieben habe. Iris fragte mich, ob auch jemand singt: Ja, das habe ich zu erwähnen vergessen: Da tritt am Ende ein Kantor auf und singt auf hebräisch. Damit hat die Veranstaltung eindeutig lithurgischen Charakter, der Platz vor der Gedenktafel, wo sie stattfindet, gilt als religiöser Raum.

Grüße
Carsten

Hallo Marion,

eigentlich dachte ich, die Sache sei klar, wenn ich sage, dass es sich um eine jüdische Gedenkfeier handelt. Aber lies mal meinen Beitrag von gestern, 1.11., um 14:14 Uhr, und den von heute, 2.11., 14:14 Uhr .

Grüße
Carsten