Hallo Ralf,
ich habe nicht sofort Zeit gefunden auf deinen Beitrag zu antworten. Ich habe auch ein wenig gezögert es überhaupt zu tun.
Wieso bitteschön soll das off topic sein? Gefragt war zunächst
nach dem Grund der Kirchensteuer und dann hatte Merit folgende
Zusatzfrage gestellt:
Jetzt bin ich aber über diese Seite
http://www.flegel-g.de/kirche.html
gestolpert. Stimmt es, was da geschrieben steht?
Zur Erinnerung: auf der genannten Seite steht gleich als
Überschrift:
_Wussten Sie schon, …
Dass der Staat jährlich die Kirche mit Milliarden aus
Steuergeldern finanziert, z. B.:
Jährlich staatliche Subventionen an die Kirche: 14,5
Milliarden € !!! (z. B. Bischofsgehälter, Ausbildung von
Theologen, konfessioneller Religionsunterricht,
Militärseelsorge usw., selbst Weihrauch wird vom Staat
bezahlt!!!)_
Genau dies hast Du vehement bestritten - insbesondere in
Beziehung auf den Religionsunterricht. O.K.?
Nein. Ich habe bestritten, dass ein Großteil dieser Zahlen überhaupt als Subventionen zu verstehen ist, **auch was den RU angeht.
Mittlerweile wissen wir:
- der Hauptteil der Jugendarbeit der christlichen Kirchen
besteht in der religiösen Erziehung.
Diese wird fast ausschließlich durch den konfessionellen Religionsunterricht
in den Schulen geleistet.
Das ist kompletter Unsinn. Hast du dir mal die Programme der kirchlichen Jugendarbeit angesehen? Was verstehst du eigentlich unter Jugendarbeit? Kirchliche Jugendarbeit schon ist per Definition etwas außerhalb der Schule, das die Gemeinden durchführen. Es gibt in der Regel keine Verbindung von Unterricht und Gemeinden. Das ist eine Begriffliche Irreführung.
Außerdem gibt es sogar Untersuchungen, die aufzeigen, dass ein Großteil der Religionslehrer als kirchenfern zu bezeichnen ist. Und die sollen dann Kirchliche Jugendarbeit leisten?!
- der Religionsunterricht wird erteilt durch Lehrer, die von
den Kirchen ausgewählt, autorisiert und überwacht werden. Ggf.
wird ihnen ihre Autorisierung von den Kirchen auch wieder
entzogen.
Wieder Unsinn. Die Lehrer werden nicht von den Kirchen ausgewält. Die Kirchenn geben den Lehramtsstudenten nach ganz formalen Kriterien, wie Kirchenzugehörigkeit und erfolgreiches Examen, nach Abschluss des Studiums die Lehererlaubnis und damit bewerben sich diese auf ausgeschriebene Stellen.
Dann werden diese von der Schulverwaltung entsprechend der Ausschreibungen nach den Noten ausgewählt. Eine Überwachung findet ebenso nur Formal statt. Die Kirche kontrolliert keinen Unterricht.
Richtig ist, dass bei offensichtlichen Verstößen gegen das, wozu der Lehrer verpflichtet ist, die Lehrerlaubnis der Kirche entzogen werden kann (er bleibt aber trotzdem Lehrer wenn auch nicht für Religion).
Das ist sicher anders als in anderen Fächern, aber keine effektive inhaltliche kirchliche Kontrolle. Ein Entzug der Lehrerlaubnis erfolgt (soweit ich das aus den Medien erkennen kann, denn im wirklichen Leben ist mir so was nie begegnet) aufgrund erkennbarer Abweichungen im Lebenswandel von zentralen Lehren der Konfession (eigentlich nur bei Katholiken) oder wenn jemand die Konfession wechselt.
Der Punkt für moralische Entrüstung entgeht mir hier allerdings. Im Grunde geböte es die Redlichkeit, in solchen Fällen seine Tätigkeit als Religionslehrer aus eigenem Entschluss aufzugeben.
- diese Religionslehrer unterrichten nach Lehrplänen, die von
den Kultusministerien in enger Abstimmung mit den Kirchen
erarbeitet werden müssen - wenn deren Erstellung nicht gleich
einfach an die Kirchen delegiert wird. Darüber hinaus haben
die Kirchen vor Erlass der Lehrpläne ein Anhörungs- und
Widerspruchsrecht.
Stimmt, schließlich soll in diesem Unterricht auch die Lehre der jeweiligen Konfession für ihre Mitglieder dargestellt werden. Da scheint es mir selbstverständlich, dass diese darüber auch ein kontrollrecht hat.
- besoldet werden die katholischen und evangelischen
Religionslehrer vom Staat - aus Steuermitteln, die alle Bürger
aufbringen, nicht etwa von der Kirchensteuer. Also darf ich
als Buddhist genau wie ein Moslem oder ein Agnostiker mit den
von mir gezahlten Steuern die Jugendarbeit der katholischen
und evangelischen Kirchen subventionieren. So, wenn Du es nun
genau wissen willst, dann rechne zusammen, wieviel Stunden
Religionsunterricht in Deutschland gegeben werden, wieviel
Planstellen man dafür braucht, multipliziere dies mit den
mittleren Bezügen eines Lehrers und Du weisst ziemlich genau,
wieviel der Luxus einer vom Staat bezahlten religiösen
Erziehung des katholischen und evangelischen Nachwuchses den
Steuerzahler kostet.
Sehr schön polemisch ausgedrückt. Hier wird also katholischer und evangelischer „Nachwuchs“ religiös erzogen (ich höre fast wie es dich schüttelt).
Tatsächlich könnte man das auch alles anders organisieren, aber so wie es nun mal in D ist, ist die Mehrheit der Steuerzahler noch Mitglied christlicher Kirchen. Darum kann ich die Rechung auch genau umgekehrt aufmachen. Die Mehrzahl der christlichen Steuerzahler zahlt für den Ethikunterricht der nicht RU-Teilnehmer mit.
Und selbst wenn dies nicht so wäre, dann steht die Religionsausübung immer noch unter einem besonderen Schutz des Staates. Da könnte man auch fragen welches Recht der Staat hat eine weltanschauliche Werteorientierung abseits der von den Eltern gewünschten vorzunehmen.
q.e.d. - was zum Teufel soll nun daran off topic sein? Ich
denke, jeder der diesen Thread bis hierher verfolgt hat,
konnte dieser Argumentation problemlos folgen - außer Dir.
Ich denke wir haben hier über weite Strecken darüber diskutiert, inwieweit der RU missionarisch ist und die religiöse Neutralitätspflicht des Staates in Frage stellt. Da hast du einen sehr weiten Missionsbegriff, der im Grunde das Auftreten eines jeden Christen in jedwedem Zusammenhang zur Mission macht und außerdem anscheinend keine Ahnung was in den Lehrplänen steht. Das hatte m. E. mit der Frage der angeblichen Subventionen nur noch sehr indirekt etwas zu tun.
Für wie naiv hältst Du mich eigentlich? Ebenfalls am Rande -
an eben diese ‚Fiktion‘ glaube ich gerade nicht.
Weltanschauliche Neutralität ist etwas, auf das der Bürger
gegenüber unserem Staat einen Rechtsanspruch hat. Dass unser
Staat diesem Anspruch - obwohl durch Grundgesetz dazu
verpflichtet - häufig nicht gerecht wird, liegt am Widerstand
der Begünstigten und Privilegierten. Also der Kirchen und
derjenigen ihrer Mitglieder, die in Parteien, in Verwaltung,
Justiz und Medien die Interessen der Kirchen wahrnehmen. Eben
die dürften auch so ziemlich die Einzigen sein, die z.B. den
vom Staat bezahlten konfessionellen Religionsunterricht an
unseren Schulen für eine sinnvolle Einrichtung halten.
Da hast du mich wohl missverstanden. Ich meinte mit der Fiktion, die Annahme unser Staat könne auch unter optimalen Bedingungen weltanschaulich neutral sein. Unser Staat ist das Produkt einer bestimmten weltanschaulich geprägten Kultur und er ist im Kern selbst der Ausdruck einer bestimmten Weltanschauung. Wenn er weltanschaulich neutral würde, hörte er auf zu existieren.
Abschließend nur noch einmal das Bekenntnis, das die christlichen Kirchen in D Privilegien genießen (das habe ich ganz am Anfang schon gesagt). Diese sind zum Teil historisch gewachsen und zum Teil sachlich begründet (man könnte auch sagen die Kirchen haben sie sich verdient).
Dass manches auch anders organisierbar wäre sehe ich auch. Nur gehe ich in vielen Fällen nicht davon aus, dass dadurch etwas besser würde (wie beim RU).
Das was mich in diese Diskussion geführt hat, waren die völlig überzogenen Behauptungen und manipulativen Darstellungen über die finanzielle Ausbeutung unseres Staates durch die Kirchen.
Grüße
Werner**