Hallo!
mich würde mal interessieren welche kirchlichen Organisationen
den Mitarbeitern eine kirchliche Zugehörigkeit nahelegen bzw.
diese fordern, bzw. fordern dürfen
Alle - jedenfalls dürfen es alle.
UND
ob es religionsfreie Organisationen gibt die ebenso vorgehen,
also religionsfreie Mitarbeiter bevorzugt einstellen.
nein - zumindest dürfen die das nicht.
Irgendwie habe ich im Hinterkopf, dass es sowas bei
kirchlichen Organisationen gibt und woanders nicht.
So ist es - das nennt sich ‚Tendenzschutz‘. Dabei geht es selbstverständlich nicht darum zu verhindern, dass man z.B. einen atheististischen Schlachtergesellen als Pfarrer einstellen müsste - für geistliche Berufe sind schließlich Qualifikationen vorgeschrieben (z.B. abgeschlossenes Theologiestudium und Priesterweihe). Anders sieht es aber z.B. aus, wenn - sagen wir - die hessische Diakonie oder die bayerische Caritas für eines der Krankenhäuser in ihrer Trägerschaft einen Verwaltungsdirektor einstellen möchte und einem qualifizierteren Bewerber einen anderen vorzieht, der dafür aber die richtige Religionszugehörigkeit hat … oder einen Bewerber ablehnt, der zwar der richtigen Kirche angehört, aber geschieden ist …
Im Jahr 2000 wurden zwei EU-Richtlinien erlassen (2000/43/EG und 2000/78/EG), die sich gegen Diskriminierung aus den unterschiedlichsten Gründen wenden - natürlich auch gegen religiöse Diskriminierung. Den Mitgliedsstaaten wurde eine Frist bis 2003 eingeräumt, diese Richtlinien in nationales Recht umzusetzen. In Deutschland ist dies bis heute(!) noch nicht geschehen - nachdem das Anti-Diskriminierungs-Gesetz (ADG, vgl. http://www.antidiskriminierungsgesetz-online.de/pdf/…) am 17.06.2005 endlich in zweiter und dritter Lesung im Deutschen Bundestag mit Mehrheit der rot-grünen Koalition (gegen CDU und FDP) verabschiedet wurde, wurde es am 08.07.2005 im unionsdominierten Bundesrat an den Vermittlungsausschuss verwiesen, wo es zunächst einmal friedlich ruhte. Dann kam glücklicherweise die Bundestagswahl und das ADG fiel der Diskontinuität zum Opfer (Diskontinuität heisst, dass nicht abgeschlossene Gesetzgebungsverfahren bei einem Regierungswechsel erneut in den Deutschen Bundestag eingebracht werden müssen).
Diese erstaunliche Schlafmützigkeit hat nicht zuletzt ihren Grund darin, dass man den Kirchen mit diesem Anti-Diskriminierungs-Gesetz nicht auf Füße treten wollte und daher zunächst einmal den üblichen „intensiven Dialog“ meinte führen zu müssen. Worum es hier geht, nennt sich, wie schon gesagt „Tendenzschutz“ - man kann es auch ein kirchliches Sonderarbeitsrecht nennen. Beispielsweise gilt das Betriebsverfassungsgesetz nicht für Religionsgemeinschaften und ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen (BetrVG § 118 II) und das soll mal auch schön so bleiben - wer braucht bei so frommen Arbeitgebern schon einen Betriebsrat. Auf diese Sonderrechte kirchlicher Arbeitgeber meinte die rot-grüne Bundesregierung, in ihrem Gesetzesentwurf auch weiterhin Rücksicht nehmen zu müssen - auch wenn sie dies nach Ansicht der CDU nicht in ausreichendem Maße tat. So sollen Kirchen und kirchliche Sozialeinrichtungen auch weiterhin ihre Kunden und ihre Mitarbeiter nach weltanschaulichen Kriterien auswählen dürfen. „Ein evangelischer Kindergarten muss darauf bestehen können, dass er nur für Religionsangehörige öffnet und dass die Erzieher und Erzieherinnen auch dazu zählen“ - das meinte jedenfalls die SPD-Bundestagsfraktion in ihrer Presseverlautbarung zum ADG. Da sind wir aber beruhigt … Allerdings fände ich es dann auch in Ordnung, wenn ein solcher Kindergarten dann auch voll von der Kirche finanziert würde und nicht nur zu ca. 15%. Bau und Betrieb von Krankenhäusern wird übrigens zu 100% durch den Staat und die Krankenkassen finanziert, nicht durch die kirchlichen Träger. Und die Löhne und Gehälter der kirchlichen Mitarbeiter werden gerade mal zu einem Viertel von den Kirchen bezahlt - für die restlichen drei Viertel darf der Steuerzahler aufkommen.
Die ca. 1,3 Millionen Beschäftigten in Krankenhäusern, Kindergärten, Altenheimen und Beratungsstellen mit kirchlichen Trägern müssen also auch weiterhin mit Kündigungen oder Änderungskündigungen rechnen, wenn sie aus der Kirche austreten oder wenn sie nach einer Scheidung wieder heiraten, einen geschiedenen Partner heiraten oder als Homosexuelle eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen. Sie sind dann „nicht mehr tragbar“. Auch Arbeitssuchende können den durch das geplante ADG vorgesehenen verbesserten Schutz nicht in Anspruch nehmen, wenn sie sich bei kirchlichen sozialen Einrichtungen bewerben. Dadurch sind insbesondere Nicht-Christen als Arbeitssuchende erheblichen Nachteilen ausgesetzt, weil in manchen Regionen kirchliche soziale Einrichtungen praktisch die einzigen Arbeitgeber für bestimmte Berufe sind.
Ein wahres Ruhmesblatt unseres demokratischen Rechtsstaates …
Freundliche Grüße,
Ralf