Kopftuch versus Ordenstracht?

In der Presse und in aktuellen Diskussionen rund um das an einigen Schulen existierende Verbot für muslimische Lehrerinnen Kopftuch zu tragen, wird häufig aus „liberaler“ oder muslimischer Sicht argumentiert, daß eine Ordenstracht gleichbedeutend mit dem Kopftuch wäre und daher ebenso entweder beides untersagt oder gebilligt werden müsse.

Jedoch scheint mir ein Vergleich oder sogar Gleichstellung Kopftuch versus Ordenstracht nicht nachvollziehbar. Der Träger einer Ordenstracht zeigt damit die Zugehörigkeit zu einem religiösen Orden. Die Entscheidung, eine Ordenstracht zu tragen ist frei und basiert ausschließlich auf religiöse Motive.

Das Kopftuch wird in einigen islamischen Kulturkreisen nicht freiwillig getragen (siehe Iran, Afghanistan etc.) und den Frauen aufgezwungen. Das Kopftuch ist keine religiöse Tradition, sondern eher kulturell oder politisch motiviert. Nach m. W. gab es in der Geschichte nie eine politische Deutung des Ordensgewandes. Deswegen erscheint es nicht angebracht, das Tragen einer Ordenstracht in einer Schule (evtl. noch in einer konfessionellen Schule!) als Argument für die Kopftuchdiskussion zu instrumentalisieren.

Wie seht Ihr das?

Gruß, Kris

Wie seht Ihr das?

Hi,

genauso wie Du, aber ich gehe noch einen Schritt weiter. Zwar muß ein „Kopftuchverbot“ verfassungsmäßig korrekt sein, aber im Prinzip sehe ich nicht mal einen Grund warum wir uns überhaupt auf eine Diskussion Kopftuch vs. Ordenstracht einlassen sollten.

Wenn wir hier der Meinung sind daß Kopftücher - aus welchen Gründen auch immer - nicht in die Schule oder Amtsstuben gehören, dann „ist das so“. Sicherlich muß die Verfassung das begründen können ohne in Konflikt mit irgendwelchen Rechtsprinzipien zu geraten.

Aber wir sind hier im christlich geprägten Abendland, wenn wir kulturell dazu neigen Ordenstrachten als Teil unserer christlichen Vergangenheit und Gegenwart, unserer grundsätzlichen Prägung, zu akzeptieren, Kopftücher aber nicht, ist das schlichtweg eine Mehrheitsmeinung, die nicht unbedingt begründet sein muß. Das Argument, daß dieses unserer Kultur entspricht, reicht.

Umgekehrt wird im Rest der Welt auch überall Anpassung an lokale Gepflogenheiten erwartet, Europäerinnen rennen im nahen/fernen Osten auch nicht unverschleiert oder im Bikini durch die Gegend. Das muß ebenfalls nicht diskutiert werden, weil die Spielregeln dort - zu Recht - einfach so sind.

Das gleiche gilt hier allerdings auch: wenn das Kopftuch hier als Ausdruck einer kulturellen Ausrichtung und Denkweise gilt, die wir so nicht haben möchten, kann sich, platt gesagt, jede® aussuchen dieses zu akzeptieren oder sich nicht in Situationen zu begeben, wo das zu einem Problem führt.

Gruß,

MecFleih

HAllo,

ich sehe das Ganze etwas anders.

Das Problem ist nämlich, wie sich der Staat selber definiert. Denn natürlich dokumentieren auch die Nonnen in Ordenstracht durch das Tragen der Tracht ihren Glauben und vermitteln bewußt oder unbewußt ihre Glaubensinhalte - insofern sehe ich überhaupt keinen Unterschied zu den muslimischen Kopftüchern.

Das ungeklärte Problem ist die absolute nicht geklärte Haltung des Staates, der einerseits glaubensoffen und tolerant sein will, sich aber andererseits eindeutig in christlicher Tradition sieht und daher der chistlichen Kirche Sonderrechte einräumen will.
Natürlich kann er dies tun - nur muß sich dann auch juristisch so definieren. Dann muß halt im grundgesetz oder sonstwo stehen, daß Staat sich in dieser christlichen Tradition steht und das Christentum fördert - andere Relegionen aber nur toleriert.
Ansonsten muß er alle Releigionen gleich behandeln. Frankreich zum Beispiel tut das - dort hat auch die Kirche im Bildungswesen nichts verloren.

Alle andere Diskussion ist Spiegelfechterei. Denn die Frauen um die es geht, die tragen das Kopftuch freiwillig und bewußt. Und von einer Gleichstellung der geschlechter ist zumindest die katholische Kirche genau so weit weg wie der Islam - jedenfalls habe ich noch nichts davon gehört, daß da neuerdings Frauen Pfarrer oder Papst werden können.

Gernot Geyer

Hi Kris,

die Diskussionen um Kopftuch, Kreuz, roter Stern, blaues oder gelbes Halstuch, rot oder grüngefärbte Lippen, farbiger oder nichtfarbiger Kittel finde ich merkwürdig.

Soll sich doch jeder so zeigen wie er mag. So er seine Mitmenschen nicht in (ihren) Gefühlen extrem belästigt. Mögen doch die Christen ihr Glocken-Gebimmel veranstalten, mögen doch die Muslime oder Zeugen missionieren. Wem schadet das wirklich? Symbole sind nur Dinge.

Religigionen sind/waren nie Beweis für Gott oder Götter. Religionen sind ein Beweis für die Ängste der Menschen. Aber auch ein Beweis für ihre schier unendliche Dummheit, auch ein Beweis für die Unfähigkeit Verantwortung zu übernehmen.

Grüß Gott

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Hi Gernot,

Das Problem ist nämlich, wie sich der Staat selber definiert.

Was hat denn der Staat mit der Ordenstracht zu tun?

Denn natürlich dokumentieren auch die Nonnen in Ordenstracht
durch das Tragen der Tracht ihren Glauben und vermitteln
bewußt oder unbewußt ihre Glaubensinhalte - insofern sehe ich
überhaupt keinen Unterschied zu den muslimischen Kopftüchern.

Na klar. Die Ordenstracht wird ja ausschließlich aus religiösen Gründen getragen. Das Kopftuch jedoch nicht. Das ist meines Erachtens ein großer Unterschied.

Das ungeklärte Problem ist die absolute nicht geklärte Haltung
des Staates, der einerseits glaubensoffen und tolerant sein
will, sich aber andererseits eindeutig in christlicher
Tradition sieht und daher der chistlichen Kirche Sonderrechte
einräumen will.

Was ist an der Beziehung Kirche versus Staat ungeklärt? Es gilt seit 1933 (initiert bereits während der Weimarer Republik) das sogenannte Reichskonkordat zwischen Staat (damals Deutsches Reich) und dem Heiligen Stuhl und umfasst diverse Abkommen im Verhältnis beider Parteien. Siehe auch http://de.wikipedia.org/wiki/Reichskonkordat

Natürlich kann er dies tun - nur muß sich dann auch juristisch
so definieren. Dann muß halt im grundgesetz oder sonstwo
stehen, daß Staat sich in dieser christlichen Tradition steht
und das Christentum fördert - andere Relegionen aber nur
toleriert.

Warum sollte er? Wir haben bereits volle Religionsfreiheit; siehe das Deutsche Grundgesetzt.

Ansonsten muß er alle Releigionen gleich behandeln. Frankreich
zum Beispiel tut das - dort hat auch die Kirche im
Bildungswesen nichts verloren.

Der Staat muß bereits - lt. Grundgesetzt - alle Religionen, sofern sie keinen verfassungsfeindlichen Status haben, gleich behandeln. Das ist nicht neu. Und sollten sich private oder institutionelle Träger (wie die diverse Kirchen) aus der Trägerschaft von Schulen zurückziehen - was glaubst Du, wie es in der Bildungslandschaft in Deutschland aussehen würde??? Der Staat hätte überhaupt keine Möglichkeit, in die dann entstehende Lücke zu springen! Also ist Deine Argumentation nicht wirklich realitätsnah.

Alle andere Diskussion ist Spiegelfechterei. Denn die Frauen
um die es geht, die tragen das Kopftuch freiwillig und bewußt.

Seit wann das denn??? Dann frage mal Frauen im Iran und in Afghanistan! Da scheinst Du die Realität nicht wahrzunehmen. Wenn Du von islamischen Frauen in Deutschland sprichst, sind die Beweggründe für das Kopftuch äußerst umstritten. Laut türkischer Freunde geht hier teilweise ein Graben durch Familien - Eltern forcieren das Kopftuch, jüngere Frauen lehnen das Kopftuch ab. Ich glaube nicht, daß man das so generell sagen kann, daß Frauen grundsätzlich freiwillig dieser Tradition folgen.

Und von einer Gleichstellung der geschlechter ist zumindest
die katholische Kirche genau so weit weg wie der Islam -
jedenfalls habe ich noch nichts davon gehört, daß da
neuerdings Frauen Pfarrer oder Papst werden können.

Was hat das mit der Ausgangsfrage zu tun?

Gruß, Kris

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N`Abend,

die Diskussionen um Kopftuch, Kreuz, roter Stern, blaues oder
gelbes Halstuch, rot oder grüngefärbte Lippen, farbiger oder
nichtfarbiger Kittel finde ich merkwürdig.

Einige Auswüchse dieser Diskussion sind in der Tat merkwürdig.

Soll sich doch jeder so zeigen wie er mag. So er seine
Mitmenschen nicht in (ihren) Gefühlen extrem belästigt. Mögen
doch die Christen ihr Glocken-Gebimmel veranstalten, mögen
doch die Muslime oder Zeugen missionieren. Wem schadet das
wirklich? Symbole sind nur Dinge.

Ja - Du hast Recht. Jeder sollte sich so geben können, wie er möchte, solange er die Freiheit des anderen nicht beschneidet. Die Frage, die in diesem Zusammenhang jedoch öffentlich diskutiert wird bezieht sich auf die politische Bedeutung eines pseudo-religiösen Symbols, wie das Kopftuch. Da strittig ist, daß es sich um ein religiöses Symbol handelt und hier möglicherweise eine ambivalente Haltung zu Demokratie, Freiheit und Gleichheit besteht, kann ein Kopftuch im öffentlichen Raum - wie z. B. in einer staatlichen Schule - diskussionwürdig sein.

Religigionen sind/waren nie Beweis für Gott oder Götter.
Religionen sind ein Beweis für die Ängste der Menschen. Aber
auch ein Beweis für ihre schier unendliche Dummheit, auch ein
Beweis für die Unfähigkeit Verantwortung zu übernehmen.

Dieser Kommentar disqualifiziert Dich eigentlich für jegliche Diskussion in diesem Kontext. Spricht nicht unbedingt für Dich. Traurig.

Kris

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Hallo,

Das Kopftuch wird in einigen islamischen Kulturkreisen nicht
freiwillig getragen (siehe Iran, Afghanistan etc.) und den
Frauen aufgezwungen.

Sorry, aber völlig verquere Argumentation. Im dritten Reich wurden den eingekerkerten KZ-Insassen die Köpfe rasiert… unfreiwillig, wie ich annehme. ->also Glatzen verbieten als Symbol des dritten Reiches???

Nein, natürlich nicht. Denn: Man assoziiert sich nicht automatisch durch jede Ähnlichkeit mit irgendwelchen Verbrechern.

Grüße,

Anwar

BS"D

Jedoch scheint mir ein Vergleich oder sogar Gleichstellung
Kopftuch versus Ordenstracht nicht nachvollziehbar. Der Träger
einer Ordenstracht zeigt damit die Zugehörigkeit zu einem
religiösen Orden. Die Entscheidung, eine Ordenstracht zu
tragen ist frei und basiert ausschließlich auf religiöse
Motive.

Kann, muss aber nicht. Ebensolches gilt aber auch für viele Kopftuchträgerinnen hierzulande.

Das Kopftuch wird in einigen islamischen Kulturkreisen nicht
freiwillig getragen (siehe Iran, Afghanistan etc.)

Äh, wo lebst Du, dort oder in Europa?

Das Kopftuch ist keine religiöse
Tradition, sondern eher kulturell oder politisch motiviert.

Das wird eben immer wieder behauptet, aber leider nie begründet. Vielleicht gelingt es aber dir diesmal, diese These zu untermauern?

Wie seht Ihr das?

Ich wundere mich nur, dass in liberalen, aufgeklärten Ländern ewige Diskussionen darüber geführt werden, was LehrerInnen für Kleidung tragen dürfen und was nicht. Vor allem das stört, wenn eine Lehrerin zu viel Kleidung trägt.

Kol tuw,
Eli

PS. Mir ist klar, dass auch manche Muslime ihr Kopftuch instrumentalisieren (lassen). Nur ist mir auch hier unklar, seit wann in unserem System Alle dafür haften müssen, dass einige etwas missbrauchen.

Ich bin dumm
Aber

auch ein Beweis für ihre schier unendliche Dummheit, auch ein
Beweis für die Unfähigkeit Verantwortung zu übernehmen.

So einen Blödsinn hab ich selten gelesen. Leider kann ich nur auf Erfahrungen aus katholischer Umgebung zurück greifen. Aber gerade aus dem Glauben an Gott, der Bestandteil der Religion ist, ziehen viele Gläubige ihre Verantwortung. Das kannst Du bei der Arbeit von Ordensschwestern in Sterbehospizen ebenso sehen wie im Pflegedienst, der tradidionell kirchlich untermauert ist.

Seltsam, dass die Menschen, die von Religionen und ihren Vertretern immer Toleranz einfordern, diese Toleranz selbst nicht leisten, indem sie Religionsangehörige als Dumm und unfähig bezeichnen. Aber das nur am Rande.

Im übrigen finde ich es schon anmaßend, mich dumm zu nennen.

Gruß

ALex

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BS"D

Wenn wir hier der Meinung sind daß Kopftücher - aus welchen
Gründen auch immer - nicht in die Schule oder Amtsstuben
gehören, dann „ist das so“.

Diese Argumentation erinnert mich nun etwas an Saudi-Arbien oder Afghanistan. Nein, dem ist dann nicht so, sondern wir leben in einer Demokratie, wo auch das ausgehandelt werden muss. Und wir leben in einem Rechtsstaat, wo hoffentlich eben nicht so einfach, die Mehrheit eine Minderheit unterdrücken darf, nur weil sie meint, dass es so zu sein habe.

Aber wir sind hier im christlich geprägten Abendland, wenn wir
kulturell dazu neigen Ordenstrachten als Teil unserer
christlichen Vergangenheit und Gegenwart, unserer
grundsätzlichen Prägung, zu akzeptieren, Kopftücher aber
nicht, ist das schlichtweg eine Mehrheitsmeinung, die nicht
unbedingt begründet sein muß.

Eben es ist eine Meinung und nichts was sich auf Traditionen hierzulande berufen kann, da Kopftücher und allgemeine Kopfbedeckungen bei Frauen vor einigen Jahrzehnten hier noch üblich waren.

Das Argument, daß dieses unserer
Kultur entspricht, reicht.

Welcher Kultur? Und warum werden alle Menschen hierzulande auf eine Kultur verpflichtet, wer legt diese fest und wodurch werden Änderungen bestimmt?

Umgekehrt wird im Rest der Welt auch überall Anpassung an
lokale Gepflogenheiten erwartet, Europäerinnen rennen im
nahen/fernen Osten auch nicht unverschleiert oder im Bikini
durch die Gegend.

Mh, bis eben wusste ich nicht, dass es hier gegen Sitte und Anstand verstösst, heutzutage ein Kopftuch zu tragen oder kommt hier einiges in der Argumentation durcheinander?

Das muß ebenfalls nicht diskutiert werden,
weil die Spielregeln dort - zu Recht - einfach so sind.

Die Frage ist hier auch mehr, was unsere Spielregeln sind und warum du keine(!) Regel benennen kannst, die eben genau das regelt, was du verbieten willst?!

Das gleiche gilt hier allerdings auch: wenn das Kopftuch hier
als Ausdruck einer kulturellen Ausrichtung und Denkweise gilt,
die wir so nicht haben möchten, kann sich, platt gesagt,
jede® aussuchen dieses zu akzeptieren oder sich nicht in
Situationen zu begeben, wo das zu einem Problem führt.

Ja, zu welchem Problem sollte es denn führen?

Bei solchen Beiträgen komme ich als Mann fast dazu, demnächst auch Kopftücher zu tragen.

Für mehr Bundheit in der Welt,
Eli

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Hallo,

Jedoch scheint mir ein Vergleich oder sogar Gleichstellung
Kopftuch versus Ordenstracht nicht nachvollziehbar. Der Träger
einer Ordenstracht zeigt damit die Zugehörigkeit zu einem
religiösen Orden. Die Entscheidung, eine Ordenstracht zu
tragen ist frei und basiert ausschließlich auf religiöse
Motive.

Das Kopftuch wird in einigen islamischen Kulturkreisen nicht
freiwillig getragen (siehe Iran, Afghanistan etc.) und den
Frauen aufgezwungen.

Also im Iran tragen die Frauen das Kopftuch nicht aus Überzeugung? Das ist nicht nur deshalb falsch, da es im Iran Frauen auch ohne Kopftuch gibt, sondern vor allem auch, weil es dazu keine Statistiken gibt.

Weiterhin wird ja auch in Deutschland Menschen aufgezwungen, ein Minimum an Bekleidung zu tragen (Nacktheit ist m.W. strafbar), heisst das, dass eine Hose eventuell eine politische Bedeutung hat??

Das Kopftuch ist keine religiöse
Tradition, sondern eher kulturell oder politisch motiviert.

Wer sagt das? Anders: wer darf das sagen? Tatsächlich ist das Kopftuch ein religiöses Gebot, und zwar das Gebot der Bedeckung, genauso wie die Bedeckung der Beine, der Arme etc… Das ist insofern noch nicht einmal Symbol, sondern eine einfache Bekleidung.

Nach m. W. gab es in der Geschichte nie eine politische
Deutung des Ordensgewandes. Deswegen erscheint es nicht
angebracht, das Tragen einer Ordenstracht in einer Schule
(evtl. noch in einer konfessionellen Schule!) als Argument für
die Kopftuchdiskussion zu instrumentalisieren.

Die rechtliche Frage ist ja eigentlich, wie „neutral“ der Staat religiösen Zeichen (oder Erkennungsmerkmalen) gegenüber stehen sollte. Denn eine Kleiderordnung ist i.A. in Deutschland nicht vorgesehen und auch mit der aktuellen Verfassung nicht machbar. Die Deutung von „neutral“ läuft darauf hinaus, dass Religiöses komplett aus dem öffentlichen Bild verschwinden soll. Das ist aber nicht neutral, denn damit entscheidet sich der Staat offensichtlich für eine Areligiosität! Tatsächlich ist die höchste Neutralität erreicht, wenn Sikhs mit Turban, Juden mit Kippa bzw. Perücke und eben auch Muslima in Kopftuch in allen öffentlichen Stellen mitarbeiten können.

Vehement wehre ich mich dagegen, dass der Staat versucht, eine religiöse Frage (Kopftuchgebot im Islam) selber zu entscheiden. Auch ist das nicht Aufgabe von Islamwissenschaftlern, sondern allein von Muslimen.

Gruss, Omar Abo-Namous

Nachfrage
Moin moin,

aus einem Leserbrief, der heute in meiner Tageszeitung abgedruckt war:

„Der Unterschied zwischen einer Nonne, die in ihrer Tracht Religionsunterricht erteilt, zu der islamischen Lehrerin mit Kopftuch, besteht darin, dass die Nonne nicht im öffentlichen Schuldienst angestellt ist.“

Ist das so? Und wie ist das mit Nonnen, die andere Fächer unterrichten. Ich wurde in meiner Kindheit in Mathe von einer Nonne unterrichtet.

Gruß

ALex

Hallo,

Wenn wir hier der Meinung sind daß Kopftücher - aus welchen
Gründen auch immer - nicht in die Schule oder Amtsstuben
gehören, dann „ist das so“. Sicherlich muß die Verfassung das
begründen können ohne in Konflikt mit irgendwelchen
Rechtsprinzipien zu geraten.

Und wenn wir alle der Meinung sind, dass eine bestimmte Person oder eine Personengruppe nicht den Schutz ihres Lebens verdienen, dann „ist das so“ und mit dieser Mehrheitsentscheidung sollten sich diese Menschen zufriedengeben. Ach und die juristische Seite muss notfalls hingebogen werden. Wenn es bedarf, kann man ein oder zwei Gesetze erlassen, vielleicht ein wenig an der Verfassung feilen, dann passt das schon… Nee, MecFleih, so funktioniert das nicht.

Aber wir sind hier im christlich geprägten Abendland,

Wir sind in Deutschland. Das ist das Land, in dem es immer noch mehr Kirchenaustritte als -eintritte gibt und in dem sich Heiden im Norden und Katholiken im Süden teilweise mehr unterscheiden, als sie es mit Ausländern tun… In der Diskussion wird aber das „christlich(-jüdisch) geprägte Abendland“ oftmals so schwammig benutzt, dass eigentlich nichts vom Christentum daran zurückbleibt.

wenn wir
kulturell dazu neigen Ordenstrachten als Teil unserer
christlichen Vergangenheit und Gegenwart, unserer
grundsätzlichen Prägung, zu akzeptieren, Kopftücher aber
nicht, ist das schlichtweg eine Mehrheitsmeinung, die nicht
unbedingt begründet sein muß. Das Argument, daß dieses unserer
Kultur entspricht, reicht.

‚Leider‘ leben wir in einem Rechtsstaat, ein dezenter Hinweis auf eine „Kultur“ ist nicht ausreichend, um ein Berufs- oder Bekleidungsverbot (also, eine Einschränkung der allgemeinen Menschenrechte) zu rechtfertigen.

Das gleiche gilt hier allerdings auch: wenn das Kopftuch hier
als Ausdruck einer kulturellen Ausrichtung und Denkweise gilt,
die wir so nicht haben möchten, kann sich, platt gesagt,
jede® aussuchen dieses zu akzeptieren oder sich nicht in
Situationen zu begeben, wo das zu einem Problem führt.

…oder als Bürger 1. Klasse seine Rechte auf persönliche Entfaltung geniessen. Komisch, wie die klassischen (sic!) Menschenrechte bei solchen Fragen schnell relativiert werden…

In Kürze: Demokratie ist ein System, das der Mehrheit die Entscheidungsgewalt zuspricht. Ohne gesicherte Minderheitenrechte allerdings, entspricht das nur einem etwas besseren Mob…

Gruss, Omar Abo-Namous

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Heuchelei
Hallo Kris,

Zu meiner Schulzeit lief die Hälfte aller Lehrer mit Vollbart und längerem Haar rum. Damit entsprachen sie nicht dem Durchschnitt der bevölkerung und brachten zum Ausdruck, dass sie eine liberale eher links angesiedelte Weltanschauung hatte. Mir ist nicht bekannt, dass es damals nur ansatzweise Versuche gegeben hat, ein Bartverbot für Lehrer durchzusetzen (falls ja, sind diese nicht weit gediehen).

Das ein Lehrer die Kinder in einer säkulären Schule nicht weltanschaulich indoktrinieren soll, es sei denn gemäß freiheitlichen demokratischen Grundordnung dieses Staates (ich spreche gerade von Deutschland) ist absolut verständlich.

Das Verfassungsgericht hat nun den Ländern nun einen breiten Spilraum gegeben, wie restriktiv sie vorgehen können. Somit können die Länder nun ihren Lehrer verbieten jegliche religöse Symbole zu tragen, sei es Kopftücher, Kruzifixe, orangefarbene Gewänder… und auch Ordenstrachten.

Wenn nun aber das kleine Kopftuch verboten werden soll, während die umfangreiche Ordentracht erlaubt sein soll, ist das Heuchelei im höchsten Maß.
Dahinter steckt folgende Denkweise:
Kopftuch = böses Symbol einer bösen Religion
Ordentracht = gutes Symbol einer guten Religion
Die Kämpfer gegen das Kopftuch lehnen den Islam ab und wollen letztendlich nicht, dass ihre Kinder von moslemischen LehrerInnen unterrichtet werden. Eigentlich wollen sie noch nicht mal, dass in diesem Land Muslime leben, aber sowas sagt man ja nicht.

Jetzt hat man eine gesetzliche Handhabe, eine von wenigen Waffen, die man gegen Muslime einsetzen kann, und nun hat man Kollateralschaden. Natürlich wurde von den Initiatoren mit dem Gesetz auf Muslime gezielt, aber man trifft damit auch Nonnen, die unterrichten. Das war natürlich nicht gewollt. Nun muss winkeladvokatenmäßig argumentiert werden, warum das Gesetz nur auf Muslime anzuwenden ist aber nicht auf Christen.

Wenn Schulen wirklich rein säkulär sein sollen und das religiöse Bekenntnis der Lehrer nicht sichtbar sein darf, dann gehören Kruzifix, Religionsunterricht und Ordenstrachten nicht an die Schulen.

Gruß
Carlos

Hallo Alex,

„Der Unterschied zwischen einer Nonne, die in ihrer Tracht
Religionsunterricht erteilt, zu der islamischen Lehrerin mit
Kopftuch, besteht darin, dass die Nonne nicht im öffentlichen
Schuldienst angestellt ist.“

Ist das so? Und wie ist das mit Nonnen, die andere Fächer
unterrichten. Ich wurde in meiner Kindheit in Mathe von einer
Nonne unterrichtet.

Das ist richtig. Ordensangehörige werden nicht angestellt. Ein solches Beschäftigungsverhältnis unterliegt einem Gestellungsvertrag zwischen Land oder Stadt (also dem Träger einer ggf. staatlichen Schule) und der Ordensgemeinschaft. Der unterrichtende Ordensangehörige spielt hierbei quasi keine Rolle und kann theoretisch jederzeit ausgetauscht werden durch die Ordensgemeinschaft.

Auch bei konfessionellen Schulen liegt das ähnlich. Der Ordensangehörige unterliegt in keinem Falle einem herkömmlichen Beschäftigungsverhältnis, dem öffentlichen Schuldienst, aber auch nicht dem bundesdeutschen Arbeitsrecht.

Gruß, Kris

Hallo Carlos,

Dahinter steckt folgende Denkweise:
Kopftuch = böses Symbol einer bösen Religion
Ordentracht = gutes Symbol einer guten Religion

Nein. Kopftuch = politisch zweifelhaftes Symbol mit strittigem religiösen Bezug (sogar innerhalb des Islam höchst umstritten!). Ordenstracht = Ausdruck religiösen Lebens in einer christlichen Tradition. Zwei völlig unterschiedliche Dinge. Das was Du da hineininterpretierst, ist eher subjektiv.

Gruß, Kris

Hallo Omar,

Weiterhin wird ja auch in Deutschland Menschen aufgezwungen,
ein Minimum an Bekleidung zu tragen (Nacktheit ist m.W.
strafbar), heisst das, dass eine Hose eventuell eine
politische Bedeutung hat??

Der Zusammenhang finde ich ein wenig an den (Bein-)Haaren herbeigeholt… :o)

Das Kopftuch ist keine religiöse
Tradition, sondern eher kulturell oder politisch motiviert.

Wer sagt das? Anders: wer darf das sagen? Tatsächlich ist das
Kopftuch ein religiöses Gebot, und zwar das Gebot der
Bedeckung, genauso wie die Bedeckung der Beine, der Arme etc…
Das ist insofern noch nicht einmal Symbol, sondern eine
einfache Bekleidung.

Meine türkischen Kollegen verneinen dies vehement! Nach ihrer Aussage gibt es kein Gebot im Koran, welches den Frauen ein Kopftuch gebietet. Hast Du anderslautende Quellen?

Vehement wehre ich mich dagegen, dass der Staat versucht, eine
religiöse Frage (Kopftuchgebot im Islam) selber zu
entscheiden. Auch ist das nicht Aufgabe von
Islamwissenschaftlern, sondern allein von Muslimen.

Nein. Nicht in staatlichen Räumen. Das ist Aufgabe des Staates. Hier hat politisches Auftreten nichts verloren. Ob von Christen, Juden, Buddhisten oder Muslimen.

Allerdings halte ich die Verbindung Kopftuch - Islam für höchst zweifelhaft. Immerhin wird das u. a. von Muslimen bestritten. Warum wohl?

Gleichbedeutend wird ein Christ niemals bestreiten, daß es sich bei einem Ordensgewand um ein religiöses bzw. ganz eindeutig christliches Symbol handelt. Da scheint es also eine unterschiedliche Wahrnehmung zu geben!

Gruß, Kris

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BS"D

…was auch immer Schönes Du mir da sagen magst.

Die Entscheidung, eine Ordenstracht zu
tragen ist frei und basiert ausschließlich auf religiöse
Motive.

Kann, muss aber nicht.

Seit wann ist das nicht mehr so? Wäre mir neu.

Ebensolches gilt aber auch für viele
Kopftuchträgerinnen hierzulande.

Fällt mir schwer, dies nachzuvollziehen. Meine muslimischen Kollegen sehen das komplett anders. Deshalb meine Verwunderung.

Das Kopftuch ist keine religiöse
Tradition, sondern eher kulturell oder politisch motiviert.

Das wird eben immer wieder behauptet, aber leider nie
begründet. Vielleicht gelingt es aber dir diesmal, diese These
zu untermauern?

Google einfach mal unter „Kopftuch“ und „Islam“ und Du wirst unterschiedlichste Argumentationsketten dazu finden. Ich habe diese These hier zur Diskussion gestellt, da mich die Aussagen von eben erwähnten muslimischen Kollegen verwunderten, die genau dies untermauern, daß das Kopftuch kein aus dem Koran vorgegebenes Gebot sei. Warum wird dies sogar von Muslimen so gesehen?

Ich wundere mich nur, dass in liberalen, aufgeklärten Ländern
ewige Diskussionen darüber geführt werden, was LehrerInnen für
Kleidung tragen dürfen und was nicht. Vor allem das stört,
wenn eine Lehrerin zu viel Kleidung trägt.

Heißt das, Du sähest lieber leichtbekleidete Lehrerinnen?? ;o)))

Spaß beiseite - es ist durchaus eine interessante Diskussion, da es eben (leider) nicht um ein bloßes Kopftuch geht, sondern um die Haltung dahinter. Ist es eine Haltung, die im Falle einer im Staatsdienst beschäftige Lehrerin, gegen Gleichheit zielt oder ist es wirklich ausschließlich religiösen Ursprungs?!

Kol tuw,

bitte?

Gruß, Kris

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Hallo,

nun, ich glaube nicht, daß der Staat seinen Bildungsauftrag nicht allein wahrnehmen könnte. Er zahhlt ja sowieso dafür - oder denkst Du, kirchliche Schulen und kindergärten bekommen kein Geld vom Staat?
Davon könnten genau so gut freie Träger finanziert werden.

Natgürlich ist das Ganze eine Frage der Difinition. Haben wir laut Grundgesetz Glaubensfreiheit - dann sind alle Relegionen gleich zu behandeln. Dann kannst Du nicht Nonnen erlauben und Leherinnen mit Kopftuch verbieten - das gibt dann die Gesetzeslage einfach nicht her. Alles andere wiederspräche dem Gleichheitsgebot.
Daran ändert auch ein Konkordat von 1933 nichts - das steht nicht über dem Grundgesetz (interessant, daß hier ausgerechnet eine vereinbarung aus Hitlers Zeiten gilt - wer scheut da wohl eine zeitgemäße Anpassung?)
Und im Übrigen geht es haklt genau nicht um Frauen in Afghanistan oder dem iran - es geht um Frauen in Deutschland. Und zumindest die, die da als Lehrer tätig sein wollen, die tragen das Ding freiwillig. Du kannst nämlich nicht eine religion einfach mit einem globalen Bann belegen, weil das so einfach nicht ist. Weil dahinter immer wieder verschiedene Menschen stehen mit verschiedenen Ansichten.

Natürlich ist der Islam nicht gerade frauenfreundlich - das weiß ich selber. Aber auch die christliche Kirche hat bitteschön jahrhundertelang die Frau nur als zum Mann gehörig betrachtet, noch vor gut 100 Jahren hatten frauen in Deutschland Probleme damit, z.B: ohne Genehmigung des Mannes ein Konto zu eröffnen und der Herr Ehegatte konnte entscheiden, ob seine Frau arbeiten gehen darf oder nicht. So weit weg ist das alles gar nicht.
Und so paradox es klingt: Wenn eine frau als zeichen ihres Glaubens das Kopftuch tragen WILL - dann ist auch das ihre freie Entscheidung und die habe ich zu respektieren. Denn wenn ich ihr hier das Ding verbieten will - dann bin ich nicht besser als die, die es ihr im Iran aufzwingen wollen.

Gernot Geyer

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Hallo Omar,

Wenn wir hier der Meinung sind daß Kopftücher - aus welchen
Gründen auch immer - nicht in die Schule oder Amtsstuben
gehören, dann „ist das so“. Sicherlich muß die Verfassung das
begründen können ohne in Konflikt mit irgendwelchen
Rechtsprinzipien zu geraten.

Und wenn wir alle der Meinung sind, dass eine bestimmte Person
oder eine Personengruppe nicht den Schutz ihres Lebens
verdienen, dann „ist das so“ und mit dieser
Mehrheitsentscheidung sollten sich diese Menschen
zufriedengeben. Ach und die juristische Seite muss notfalls
hingebogen werden. Wenn es bedarf, kann man ein oder zwei
Gesetze erlassen, vielleicht ein wenig an der Verfassung
feilen, dann passt das schon… Nee, MecFleih, so funktioniert
das nicht.

Omar, da muß ich Dich enttäuschen. Doch - genauso funktioniert Demokratie. Gottseidank mit der Einschränkung, daß i. d. R. Minderheiten in der Mehrheitsgesellschaft Schutz genießen, diese sich aber letztendlich dem Mehrheitsgefüge unterwerfen müssen, wenn das eine mit dem anderen kollidiert.

Aber wir sind hier im christlich geprägten Abendland,

Wir sind in Deutschland. Das ist das Land, in dem es immer
noch mehr Kirchenaustritte als -eintritte gibt und in dem sich
Heiden im Norden und Katholiken im Süden teilweise mehr
unterscheiden, als sie es mit Ausländern tun… In der
Diskussion wird aber das „christlich(-jüdisch) geprägte
Abendland“ oftmals so schwammig benutzt, dass eigentlich
nichts vom Christentum daran zurückbleibt.

Unsere gesamte Kultur, Kunst, Musik, Werte, Moral, Tradition bis hin zur Gesetzesgebung basiert auf christliche Werte und Traditionen. Ob das gut oder schlecht ist, steht auf einem anderen Blatt und ist diskussionswürdig. Fakt bleibt es.

‚Leider‘ leben wir in einem Rechtsstaat, ein dezenter Hinweis
auf eine „Kultur“ ist nicht ausreichend, um ein Berufs- oder
Bekleidungsverbot (also, eine Einschränkung der allgemeinen
Menschenrechte) zu rechtfertigen.

Ich würde eher eine Einschränkung der Menschenrechte da sehen, wo Frauen gezwungen werden, sich zu verschleiern… und nicht umgekehrt einen Schuh daraus machen.

Gruß, Kris