Hallo f!ght3r!
Der Fehler der Aufklärung nach H/A war nun, auf einen
defizitären Rationalitätsbegriff zu beruhen. Nach H/A versteht
Aufklärung Rationalität vor allem als Zweckrationalität, als
Verfahren, zu einem bestimmten Ziel die optimalen Mittel zu
dessen Erreichung anzugeben. Dieses Ziel heißt:
Naturbeherrschung. Aufklärung degeneriert so Rationalität auf
Zweckrationalität im Sinne technischer Verfügbarkeit.Das habe ich nicht so richtig vestanden, kannst du mir das
noch einmal erkläre, nur wenn dir es nicht ausmacht…
Ich versuch’s nochmal anders:
Aufklärung wollte die Emanzipation der Menschen. Mittel der Emanzipation war Vernunft bzw. Rationalität letztlich (Natur-) Wissenschaft. Wesentlich ist dieser Emanzipation aber auch, dass sich der Mensch von seiner Gebundenheit an Natur (täglicher Überlebenskampf, Gebundenheit an Triebe, Gefühle, etc.) befreit und zwar mit dem Mittel der Vernunft, was den Menschen vom Rest der Natur unterscheidet.
Nach H/A ist daher der Vernunft-, Rationalitätsbegriff der Aufklärung, vorsichtig ausgedrückt, durchsetzt mit dem Ziel der Naturbeherrschung durch den Menschen. Sie ist eine Rationalität, die die Mittel zum Zweck der menschlichen Selbsterhaltung mit Hilfe von Naturbeherrschung in dem Maße als vernünftig beurteilt, in dem sie diesem Ziel dienen. Sie ist reine Zweckrationalität (mit Horkheimer: subjektive Vernunft).
Der Mensch gerät so in ein Verhältnis zur Welt, sie nur noch
als Mittel zu seinen Zwecken wahrnehmen zu können. Aber auch
der Mensch selbst ist wesentlich Naturwesen. Daher gerät ihm
sein Verhältnis zu sich selbst unter die Knute der
Zweckrationalität und gerät so in den allgemeinen Sog der
Entfremdung von der Welt und von sich selbst, von seinem
Verhältnis zu anderen Menschen ganz zu schweigen (das ist dann
der Zustand den Marcuse eindimensional nennt).was heißt denn Knute ?
philosophisch ausgedrückt: der Mensch wird gleichzeitig Subjekt und Objekt von Naturbeherrschung
In diesem Sinne verstehen H/A z.B. den Faschismus nicht als
anti-aufklärerisch, sondern als rasende, entfesselte
Zweckrationalität (deutlich z.B. in der Ermordung der Juden
mit einer industriellen Maschinerie).Könntest du dieses Beispiel vlt etwas genauer erklären, das
mit der industriellen industrie kenne ich nicht. Sry
Gemeint ist Folgendes: Vielfach wird Faschismus für einen bösartigen Rückfall in der Geschichte der Emanzipierung des Menschen im Sinne der Aufklärung gehalten, für einen Rückfall der eigentlich schon vernünftigen Menschheit auf eine Vorstufe des Barbarischen, Triebhaften und Mythologischen. Nazis waren quasi überwältigt worden von triebhafter Mordlust, dem tierhaften, nicht-vernünftigen Teil von sich selbst. H/A drehen diese Sichtweise um: Faschismus ist vielmehr eine Konsequenz der auf die Spitze getriebenen Naturbeherrschung per Zweckrationalität. Eine Folge dieser Naturbeherrschung durch Zweckrationalität war die Entwicklung der industriellen Gesellschaft. In diesem Sinne ist der Massenmord an Juden und diversen anderen „nicht-arischen“ Menschen ein Symbol für die Perversion totaler Zweckrationalität. Sie wurden nicht „einfach so“ erschossen (keine Ahnung wie man das einigermaßen angemessen ausdrücken soll), sondern wurden mit Hilfe eines immensen Apparates getötet, der alle Merkmale von Naturbeherrschung durch Industrie und Wissenschaft aufwies.
Ich hoffe, das hat Dir weiterhelfen können. Das dargestellte ist aber nur ein Ausschnitt der kritischen Theorie, aber wie ich finde einer der beeindruckensten und eben derjenige, der sich auf Deine Frage nach dem „Rückfall in die Barbarei“ bezieht. Falls Du Originale bzw. Sekundärliteratur lesen willst/musst, wären meine Tipps:
Horkheimer/Adorno: Dialektik der Aufklärung, da das Kapitel: Begriff der Aufklärung.
Horkheimer: Zur Kritik der instrumentellen Vernunft, da das erste Kapitel: Mittel und Zwecke.
Vielleicht kannst Du Dir aber auch in der Bibliothek besorgen: Rolf Wiggershaus, Die Frankfurter Schule. Da gibt es kurze Kapitel über die Dialektik der Aufklärung und die Kritik der instrumentellen Vernunft (in meiner Augabe S. 364-390).
Gute Grüße und gutes Gelingen: Jan (immer noch geduldet von Kerstin)