Hallo Oliver
einem, der in seiner Jugend einmal mit seiner Freundin Schluss gemacht hat um ungestört Marcuse lesen zu können, sei es verziehen, wenn er sich hier einschaltet:
ein Kritikpunkt ist, daß die Kritische Theorie als ihre
methodische Grundlage objektives Sinnverstehen propagiert hat.
da muss ich wohl einen entscheidenden Begriff überlesen haben;
darum: was wird darunter verstanden?
Hegelsche Dialektik? oder „objektive Hermeneutik“ wie einer (von mehreren) Anschlüssen an Adorno bei Ulrich Oevermann sich nennt?
Das setzt voraus, daß sie bereits über gesicherte (wahre)
Erkenntnisse gesellschaftlicher Zusammenhänge verfügt.
Inwiefern? was ist dieses Wahre? wofür wird dieses gesicherte Wahre im Denksystem benötigt?
Ob ihre
Erkenntnisse wirklich gesichert (wahr) sind, ist fraglich.
Das ist natürlich erst mal korrekt!
Zurückgegriffen wird auf Marx,
da bin ich anderer Meinung; selbstverständlich ist die Kritische Theorie von Marx inspiriert, deshalb sind sie aber aus meiner Sicht noch immer Hegelianer (diese Sicht ist übrigens nicht eine rein-private, sondern wird von vielen Marxisten so vertreten).
weitere Erkenntnisse werden als
notwendig erkannt. Welche das aber genau sind, bleibt im
Dunkeln. Woher kommt dann aber die Gewißheit?
mir bleibt noch immer völlig im Dunkeln, was Du damit meinst;
„notwendig“ inwiefern? im Rahmen einer universalgeschichtlichen Logik nach Hegel und Marx?
Wie würde aber in eine solche Logik eine „Dialektik der Aufklärung“ und, mehr noch, eine „Negative Dialektik“ sich einfügen?
Wie würde sich ein Adornitischer Zentralsatz wie: „Das Ganze ist das Unwahre“ dort einfügen? (Hegel hielt das Ganze noch für das Wahre!)
Ein damit zusammenhängender Punkt ist: Die Vertreter der
Kritischen Theorie halten die Menschen für unemanzipiert und
postulieren als anzustrebendes Ziel die Emanzipation.
Das ist soweit richtig, dabei darf aber dieses „Anstreben“ keinesfalls
rein axiologisch verstanden sein.
Neben
der Frage, woher die Vertreter der Kritischen Theorie die
Gewißheit nehmen, daß ihre Analyse richtig ist,
das ist selbstverständliche eine sehr berechtigte Frage.
stellt sich
unmittelbar die Frage, wie Emanzipation genau aussieht und wie
sie erreicht werden soll.
Stellt sich diese Frage wirklich „unmittelbar“?
Ist sie eine logische Folgerung?
Meines Erachtens keineswegs, denn:
Adorno hat eine " Negative Dialektik" geschrieben, nicht eine Positive Dialektik;
oder um es sinngemäß in den Worten Horkheimers zu sagen:
„Ich weiß nicht, wie das Mädchen aussehen muss, welches mir gefällt, aber ich kann sagen, welche mir nicht gefallen.“
ich würde daher sagen: diese Frage bzw., a fortiori die Unmittelbarkeit, mit der sich eine solche Frage stellen soll, wird von einem Leser in den Text hineingetragen, welcher in seiner Lesung die Folie eines weiteren Textes verwendet.
Direkter gesagt: Diese Frage findet im Rahmen der Adornitischen Philosophie wenig Sinn.
Konkrete Antworten bleibt die
Kritische Theorie schuldig, u.a. mit dem Hinweis darauf, daß
der Zustand der Emanzipation ja erst dann genau bekannt ist,
wenn er erreicht ist.
Was ist die Kritik daran, nach der flighter gefragt hatte?
Weshalb meiner Meinung nach eher das Gegenteil dessen zu kritisieren wäre, habe ich einige Zeilen weiter oben ja bereits angedeutet.
Viele Grüße
franz