Kriwetz als Symptom oder: die Lehrmeinung

Hallo zusammen,

in Anbetracht der neuesten „Mitkenntnis“ und der sich darauf beziehenden Re’s habe ich als Neueinsteiger meine Hausaufgaben gemacht und die intensive Diskussion von Mitte Februar, die in diesem Board stattgefunden hat, nachgelesen. Natürlich kann ich sehr wohl nachvollziehen, dass sich an dieser „Mitkenntnis“ oft schwer Interesse finden lässt, weniger aber, dass kein Interesse daran besteht, diejenigen Fragestellungen zu diskutieren, die darin -gleichsam als unausgesprochene Fragen- mittransportiert werden.

Damit meine ich vor allem die Frage der „Lehrmeinung“, die Mitte Februar aufgetaucht, aber in Teilsträngen von Teilsträngen untergangen, deshalb überstürzt und hyperpolemisch abge(ver)urteilt worden ist: Ohne mich der Kriwetz’schen Haltung zur „Lehrmeinung“ anschließen zu wollen, möchte ich aber doch festhalten, dass die Problematik des „Autodidaktismus“ eine auch und gerade aus philosophischer Sicht ernstzunehmende ist, dass die Frage, ob nicht der Einfluß des staatlichen Bildungsapparates (schulisch und universitär) auf die Produktion von Wissen, also auch von philosophischem Wissen, nicht doch eine „Lehrmeinung“ hervorbringt, die vielleicht nicht in einzelnen Dogmen (wie Kriwetz meint), aber doch eventuell immerhin in einem geschlossenen Raum der Fragestellungen besteht (eine -fast im Sinne Heideggers- durch die Akademisierung der Wissensproduktion entstande "Seins-Vergessenheit), durchaus festzuhalten wäre.

Mein Punkt als Frage formuliert: Sind die Mechanismen der Wissensproduktion (einheitliche, weil staats- und ökonomie-getragene Ausbildungssysteme, bürokratisches Schema der Disziplin-, Fakultäts-, Bibliotheks-, Zeitschriften-Einteilung, etc.) tatsächlich dem Wissen selbst äußerlich? Muss nicht der Autodidakt, also derjenige, der diesem Produktionssystem äußerlich ist, nicht zurecht die „Lehrmeinung“ als Monolithen erleben (Man denke dabei an Rousseau, Marx, Nietzsche, etc.)? Kann es nicht sein, dass deshalb eine (fast im Habermaschen Sinne gemeint) „System“ gewordene Philosophie tatsächlich der „Lebenswelt“, also den gesellschaftlichen Praktiken, überaus unzugänglich geworden ist, und das nicht erst in den Antworten, sondern in den Fragestellungen selbst? Ist also vielleicht nicht Kriwetz ein Symptom genau dieser Fragestellungen und damit -zumindest in dieser Hinsicht- durchaus ernst zu nehmen?

Viele Grüße
franz

Hallo Franz

Kann es nicht sein, dass
deshalb eine (fast im Habermaschen Sinne gemeint) „System“
gewordene Philosophie tatsächlich der „Lebenswelt“, also den
gesellschaftlichen Praktiken, überaus unzugänglich geworden
ist, und das nicht erst in den Antworten, sondern in den
Fragestellungen selbst?

An dieser Stelle möchte ich Dir vorsichtig zustimmen.
Ist also vielleicht nicht Kriwetz ein

Symptom genau dieser Fragestellungen und damit -zumindest in
dieser Hinsicht- durchaus ernst zu nehmen?

Selöbst wenn ich Dir auch zu diesem Satze zustimmte, also A und B richtig wären, sehe ich noch nicht, dass die Verbindung zwischen A und B richtig ist. :wink:
Es ist sonst nicht meine Art, multiple-choice-artig zu denken und zu argumentieren, aber hier schien es mir angebracht.
Gruß,
Branden

Hallo durcheinander,

in Anbetracht der neuesten „Mitkenntnis“ und der sich darauf
beziehenden Re’s habe ich als Neueinsteiger meine Hausaufgaben
gemacht und die intensive Diskussion von Mitte Februar, die in
diesem Board stattgefunden hat, nachgelesen. Natürlich kann
ich sehr wohl nachvollziehen, dass sich an dieser
„Mitkenntnis“ oft schwer Interesse finden lässt, weniger aber,
dass kein Interesse daran besteht, diejenigen Fragestellungen
zu diskutieren, die darin -gleichsam als unausgesprochene
Fragen- mittransportiert werden.

Da es sich hier im Forum als schwierig erwiesen hat, selbst bei einfachen Sätzen, wie sie noch nichtmal in der Bildzeitung zu finden sind, auf einen Nenner zu kommen, habe ich mir eine Beteiligung an der Diskussion über komprimierten Unsinn in kilometerlangen Texten erspart.

Damit meine ich vor allem die Frage der „Lehrmeinung“, die
Mitte Februar aufgetaucht, aber in Teilsträngen von
Teilsträngen untergangen, deshalb überstürzt und
hyperpolemisch abge(ver)urteilt worden ist: Ohne mich der
Kriwetz’schen Haltung zur „Lehrmeinung“ anschließen zu wollen,
möchte ich aber doch festhalten, dass die Problematik des
„Autodidaktismus“ eine auch und gerade aus philosophischer
Sicht ernstzunehmende ist, dass die Frage, ob nicht der
Einfluß des staatlichen Bildungsapparates (schulisch und
universitär) auf die Produktion von Wissen, also auch von
philosophischem Wissen, nicht doch eine „Lehrmeinung“
hervorbringt, die vielleicht nicht in einzelnen Dogmen (wie
Kriwetz meint), aber doch eventuell immerhin in einem
geschlossenen Raum der Fragestellungen besteht (eine -fast im
Sinne Heideggers- durch die Akademisierung der
Wissensproduktion entstande "Seins-Vergessenheit), durchaus
festzuhalten wäre.

Nenne es nicht Lehrmeinung sondern klar Ideologie. Dieses System (Kapitalismus) ist auf Ideologie angewiesen, um seine Bereicherungsökonomie zu rechtfertigen. Resultierend daraus, um Widersprüche zu vermeiden, hat sich eine regelrechte Bereicherungswissenschaft entwickelt, die die Ökonomie damit stützt. In fast jedem Fachgebiet, selbst Mathematik, wird versucht, die Logik zu verdrehen. Irgendein „Fachmann“ wollte mir hier sogar einreden, man könne ein UND oder ODER sogar am EINEM Zahlenstrahl irgendwie anbringen.

Mein Punkt als Frage formuliert: Sind die Mechanismen der
Wissensproduktion (einheitliche, weil staats- und
ökonomie-getragene Ausbildungssysteme, bürokratisches Schema
der Disziplin-, Fakultäts-, Bibliotheks-,
Zeitschriften-Einteilung, etc.) tatsächlich dem Wissen selbst
äußerlich? Muss nicht der Autodidakt, also derjenige, der
diesem Produktionssystem äußerlich ist, nicht zurecht die
„Lehrmeinung“ als Monolithen erleben (Man denke dabei an
Rousseau, Marx, Nietzsche, etc.)?

Zwingend ja. Nur hat gerade Marx das Dilemma aufgegriffen und diese Isomorphie der Dialektik herausgestellt, sie also wieder auf die Beine gestellt.

Kann es nicht sein, dass
deshalb eine (fast im Habermaschen Sinne gemeint) „System“
gewordene Philosophie tatsächlich der „Lebenswelt“, also den
gesellschaftlichen Praktiken, überaus unzugänglich geworden
ist, und das nicht erst in den Antworten, sondern in den
Fragestellungen selbst? Ist also vielleicht nicht Kriwetz ein
Symptom genau dieser Fragestellungen und damit -zumindest in
dieser Hinsicht- durchaus ernst zu nehmen?

Als Ossi ist mir das besonders auffällig. Als Wessi wird man sich wohl vermutlich schwerer im postulierten Unsinn einer Lehrmeinung zurechtfinden, ihn wohl nur als widersprüchlich empfinden.
In sich konsistent ist nunmal nur eine der beiden Formen der Dialektik und somit wissenschaftlich. Hier kommt es darauf an, diese nicht zu verwechseln.

Gruß
Frank

Hallo Branden

Selbst wenn ich Dir auch zu diesem Satze zustimmte, also A
und B richtig wären, sehe ich noch nicht, dass die Verbindung
zwischen A und B richtig ist. :wink:

ich habe leider nicht verstanden, was Du damit ausdrücken wolltest, wahrscheinlich deshalb, weil ich mir nicht im Klaren bin, welche Art von „Verbindung zwischen A und B“ gemeint ist.

Viele Grüße
franz

Hallo Franz
Ich habe den ersten Teil Deiner Feststellung als A bzeichnet, den zweiten Teil als B.
Ich habe diese beiden Teile von Dir in meiner Antwort stehen lassen bzw. voneinander abgehoben, damit Du leichter sehen kannst, worauf ich mich beziehe.
Mit anderen Worten: Ich stimme Deinem theoretischen (A-) Teil zu (in welchem Du unter anderem Habermas erwähnst, aber ich kann von A noch nicht mit Dir auf B schließen. Das wäre mir „zu hoch gehängt“ für Gert Kriwetz’ Ausführungen. Diese leiden nämlich an ganz anderen, substanziellen Defiziten.
Gruß,
Branden

Hallo Branden,

vielen Dank für die Klarstellung, jetzt habe ich Dich verstanden.

Mit anderen Worten: Ich stimme Deinem theoretischen (A-) Teil
zu (in welchem Du unter anderem Habermas erwähnst, aber ich
kann von A noch nicht mit Dir auf B schließen. Das wäre mir
„zu hoch gehängt“ für Gert Kriwetz’ Ausführungen. Diese leiden
nämlich an ganz anderen, substanziellen Defiziten.

Darin stimme ich Dir vollkommen zu. Ein solcher Schluß von A auf B wäre auch aus meiner Sicht falsch. Ich wollte auch gar nicht zum Ausdruck bringen, man könne Kriwetz’ Ausführungen damit erklären oder rechtfertigen, sondern lediglich darauf hinweisen, dass in der Art, wie er seine Ausführungen präsentiert bzw. rechtfertigt (also nicht in seinen spezifischen Aussagen selbst; wobei diese Ebenen nicht restlos auseinander zu halten sein werden) theoretische Problematiken sich zeigen, die (meinetwegen im Gegensatz zu seinen Aussagen) sehr wohl beträchtliches „philosophisches Potential“ besitzen, nämlich die der akademischen Zurichtung des Wissens, die Position des Philosophen-von-außen (sei es aus London Soho oder aus Sils-Maria) bzw. des Autodidakten. Ein Beispiel: etwa das, was Kriwetz die „Lehrmeinung“ nennt, ist bei Marx der „doktrinäre Sykophant“ (womit er die bürgerliche Wissenschaft meint) oder bei Nietzsche der „Philister“, etc. Nun möchte ich diese drei nicht in eine Reihe stellen (Nietzsche und Kriwetz meinetwegen schon; IoI), aber gemeinsam ist ihnen die strukturelle Position im Verhältnis zur akademischen Philosophie, in der sie sich befinden. Darum, denke ich, übersieht eine psychologistische Interpretation von Kriwetz’ Ausführungen („patholologisch“) das eigentlich Interessante daran, nämlich: von wo er spricht, statt: was er spricht.

Viele Grüße
franz
P.S. ein „zu-hoch-hängen“ ist mir als Denkfigur suspekt; ist denn der Gehängte nicht schlicht dann hoch, wenn er hoch gehängt wurde?

Missverständnisse (Vorsicht: lang!)
Hallo Franz,

dass kein Interesse daran besteht, diejenigen Fragestellungen
zu diskutieren, die darin -gleichsam als unausgesprochene
Fragen- mittransportiert werden.

das scheint mir nicht richtig zu sein, denn der User ist nicht nur von mir mehrfach aufgefordert worden, seine Ideen zu präsentieren. Was er gemacht hat, war, dass er die anfangs noch gemäßigten, ja sogar Interesse zeigenden Einwände gegen seine Darstellungen als Angriffe gegen ihn persönlich wertete. Das ist eine ganz übliche und keineswegs seltene Haltung von fachlichen Laien nicht nur im Bereich der Philosophie und insofern nicht weiter bemerkenswert. Hier wird das Unvermögen, gegen Argumente zu kämpfen damit überdeckt, dass man den anderen unterstellt, SIE hätten den blinden Fleck. Damit wird die Argumentation gegen sie als Abweisung ihrer Person dargestellt, weil damit der vermeintliche (!) Angriff als unmoralisch gebrandmarkt werden soll.

Anders verhält es sich mit der

Frage, ob nicht der
Einfluß des staatlichen Bildungsapparates (schulisch und
universitär) auf die Produktion von Wissen, also auch von
philosophischem Wissen, nicht doch eine „Lehrmeinung“
hervorbringt, die vielleicht nicht in einzelnen Dogmen (wie
Kriwetz meint), aber doch eventuell immerhin in einem
geschlossenen Raum der Fragestellungen besteht (eine -fast im
Sinne Heideggers- durch die Akademisierung der
Wissensproduktion entstande "Seins-Vergessenheit), durchaus
festzuhalten wäre.

, die differenzierter aus meiner Sicht differenzierter beurteilt werden muss, als du es hier so kurz darlegst (bitte, das ist kein Vorwurf, nur eine Feststellung). Zunächst einmal muss das zugrundeliegende berechtigte Ansinnen vom unberechtigten getrennt werden. Unberechtigt ist nämlich z. B. der Einwand, den Frank hier dauernd bringt. Da scheint es denn so, als ob die Vertreter der
„bürgerlichen Lehrmeinung“ (ein Begriff, den ich mit Absicht in Anführungszeichen setze!) einer „ideologischen Lehre“ aufsitzen würden, dem die richtige Lehre gegenübergestellt werden müsse.

Dabei wird gerne übersehen, dass gerade die Vertreter dieser vermeintlich richtigen Lehre die eigentlichen Ideologen (Ideologie im Sinne von „falscher Meinung“) sind, weil nämlich sie - und nicht etwa die Schulphilosophie - sich als Vertreter der einzig richtigen Lehrmeinung darstellen. Da hört man dann immer so Sätze wie Marx (oder gar Engels) habe ein „Dilemma aufgegriffen“, und dann wird dieses „Dilemma“, das vielleicht sogar zu Recht von Marx aufgegriffen wurde, als das Zentralproblem ALLER Philosophie hingestellt.

Es ist aber kein Problem da, wenn man Marx oder andere als diskutierende Personen akzeptiert, die einen vielleicht in ihrer Zeit und möglicherweise sogar darüber hinaus wichtigen Ansatz gemacht zu haben. Dann nämlich kann man darüber diskutieren. Aber genau das wollen die Vertreter dieser eigentlichen Ideologie gar nicht, weil sie ihre Meinung (das ist in der Regel die bei Marx oder entsprechenden Denkern abgelesene oder sogar hineininterpretierte Meinung) für ABSOLUT unanfechtbar halten. Und genau das ist Dogma, das Gegenteil ALLER (berechtigten) Philosophie.

Und damit ist der Übergang zum möglicherweise berechtigten Einwand:

Sind die Mechanismen der
Wissensproduktion (einheitliche, weil staats- und
ökonomie-getragene Ausbildungssysteme, bürokratisches Schema
der Disziplin-, Fakultäts-, Bibliotheks-,
Zeitschriften-Einteilung, etc.) tatsächlich dem Wissen selbst
äußerlich?

Das Entscheidende in der Philosophie ist nicht das Wissen, sondern die Fähigkeit, von eben diesem Wissen als feststehendem abzusehen, es zu reflektieren. Dass innerhalb der Philosophie Schulen existieren, widerspricht diesem Grundsatz nicht, denn es scheint nur so, dass die meisten von ihnen mit den anderen nicht vereinbar wären. Der innerphilosophische Streit wird - und dieser Vorwurf ist zumindest teilweise berechtigt - gerne so geführt, als wenn es so wäre, dass Meinung A gegen Meinung B stünde und damit die Sache eben so sei. Das ist aber nicht der Fall. Richtig ist, dass vielfach so diskutiert wird.

Richtig philosophisch diskutieren aber heißt, dass man eben nicht die Meinungen gegenüberstellt, sondern die jeweiligen Begründungen dieser Meinungen und wenn das nicht reicht, die Begründungen der Begründungen. Diese Vorgehensweise findet man bei allen Philosophen, auch beim frühen und gelegentlich auch beim späten Marx, man findet sie nicht mehr bei Engels (der Anti-Dühring ist vor allem Polemik) und auch nicht in den veröffentlichten Schriften von Lenin (gelegentlich aber in seinen aus dem Nachlass veröffentlichten Schriften).

Wer philosophisch diskutieren will, muss also nach den Gründen für die gemachten Aussagen suchen. Wenn also die Meinung A gegen die Meinung Nicht-A steht, dann muss man sich auf verschiedenen Ebenen nach der Berechtigung (und genau das ist eine Begründung) der einzelnen Aussagen fragen. Das geschieht auf mehreren Ebenen, die ich natürlich nicht alle ansprechen kann, aber nennen möchte ich etwa die Frage nach der Verwendung der richtigen Begriffe. Dann argumentiert man etwa so: Deine Aussage ist falsch, weil du den falschen Begriff B verwendest. Und nun hat sich die Diskussionsbasis verlagert um eine Ebene nach hinten sozusagen. Wir streiten - zunächst! - erstmal nicht um A oder Nicht-A, sondern um die Berechtigung der Formulierungen, die wir verwenden.

Jetzt wird deine zweite berechtigte Frage interessant:

Muss nicht der Autodidakt, also derjenige, der
diesem Produktionssystem äußerlich ist, nicht zurecht die
„Lehrmeinung“ als Monolithen erleben (Man denke dabei an
Rousseau, Marx, Nietzsche, etc.)?

Die beschriebene Vorgehensweise ist dem Autodidakten zunächst fremd. Die drei von dir genannten Namen können da aber nicht so einfach genannt werden, weil sie jeder für sich eine eigene von den anderen abweichende Problematik zeigen. Was der Autodidakt aber meistens nicht lernen will, weil er es für unwichtig erachtet, ist, dass er - wenn er seine Meinung vertreten möchte - die Begründungen für diese Meinung mitliefern muss, jedenfalls sofern er ernst genommen werden möchte. Ich kann auch nicht zu einem Mediziner gehen und ihm vorschlagen, die nächste Blinddarmentzündung einmal versuchsweise mit Tritten gegen das linke Schienbein zu behandeln. Er würde mich zu Recht auslachen. Wenn ich aber nachweisen könnte, dass ich Versuchsreihen gemacht hätte, die die Wirksamkeit belegen, wäre die Sache schon anders. Daher muss auch dem Autodidakten zugemutet werden, ein Mindestmaß an Begründungen zu liefern - und nicht nur implizit.

Die dritte Frage berührt wiederum etwas ganz anderes.

Kann es nicht sein, dass
deshalb eine (fast im Habermaschen Sinne gemeint) „System“
gewordene Philosophie tatsächlich der „Lebenswelt“, also den
gesellschaftlichen Praktiken, überaus unzugänglich geworden
ist, und das nicht erst in den Antworten, sondern in den
Fragestellungen selbst? Ist also vielleicht nicht Kriwetz ein
Symptom genau dieser Fragestellungen und damit -zumindest in
dieser Hinsicht- durchaus ernst zu nehmen?

Kriwetz lasse ich jetzt einmal außen vor, weil das hier nicht einschlägig ist. Was du ansprichst, ist eigentlich die zunehmende Entfernung der akademischen Philosophie von der (nicht nur) gesellschaftlichen Wirklichkeit. Hier muss man sagen, dass es in neuerer Zeit einige Ansätze gibt, die dem entgegenwirken wollen, aber die Besprechung würde hier zu weit führen (und außerdem muss ich gleich weg - aber wir können ja in den nächsten Tagen weiterdiskutieren).

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Hallo,

, die differenzierter aus meiner Sicht differenzierter
beurteilt werden muss, als du es hier so kurz darlegst (bitte,
das ist kein Vorwurf, nur eine Feststellung). Zunächst einmal
muss das zugrundeliegende berechtigte Ansinnen vom
unberechtigten getrennt werden. Unberechtigt ist nämlich z. B.
der Einwand, den Frank hier dauernd bringt. Da scheint es denn
so, als ob die Vertreter der
„bürgerlichen Lehrmeinung“ (ein Begriff, den ich mit Absicht
in Anführungszeichen setze!) einer „ideologischen Lehre“
aufsitzen würden, dem die richtige Lehre gegenübergestellt
werden müsse.

…woraus sich die nächste Ideologie ergibt, sehr richtig. Aber das war noch nirgends meine Aussage. Scon garnicht missioniere ich mit irgendwelchen Lehren sondern drehe nurmal die Logik wieder gerade, die andere zu verbiegen versuchen (wie mit „eingeschlossenem Oder“ im Mathebrett).
Im Gegenteil ist die Wissenschaft mittlerweile so abstrus in vielen Fällen, dass eine Logik schon garnicht mehr anwendbar ist. Zu guterletzt argumentiert man das so aus, dass z.B. Philosophie nichts mehr mit Physik zu tun hätte, da sich letztere vor über hundert Jahren aus ersterer ausgeklammert hat. Bräuchte man demnach zwei verschieden tickende Gehirne, um beide verstehen zu können OR besteht die Möglichkeit, dass es da hoffnungsvoller Weise dennoch einen Bezug gibt?
Ich denke da nur an das typischste Beispiel der „Wirtschaftswissenaschaften“. Von deren führenden Professoren ist kein einziger imstande, die Entwicklung auch nur für 5 Minuten korrekt zu prognostizieren. Alle sehen sie aber ein Licht am Ende des Tunnels. Dass dieses immer kleiner wird, verraten sie aber nicht.
Die „reine Lehre“ ist bislang nur der widerspiegelte Hegel, sprich materialistische Dialektik. Allerdings hat sich auf naturwissenschaftlichem Gebiet seit M/E garnichts mehr getan, philosophisch. Selbst in DDR oder UdSSR nicht damals. Und gerade Physik ist nunmal mit einer inkonsistenten logischen Denkstruktur nicht zu erfassen, ohne dasss laute irre Paradoxien dabei herauskommen.

Gruß + Ende
Frank

Hallo Thomas,

ich will es kurz halten:
abgesehen davon, dass Du mich an den Stellen, an denen Du auf Marx zu sprechen kommst, viel zu sehr mit Franks Posting identifizierst, und abgesehen davon, dass ich mir zum Teil eine andere Interpretation gewünscht hätte (was sich freilich jeder wünscht!), würde ich dir en detail an fast jeder Stelle, ingesamt aber nicht widersprechen. Einzig die Figur des „Autodidakten“ erscheint mir eine andere zu sein, als Du sie vorstellst:

Die beschriebene Vorgehensweise ist dem Autodidakten zunächst
fremd. Die drei von dir genannten Namen können da aber nicht
so einfach genannt werden, weil sie jeder für sich eine eigene
von den anderen abweichende Problematik zeigen. Was der
Autodidakt aber meistens nicht lernen will, weil er es für
unwichtig erachtet, ist, dass er - wenn er seine Meinung
vertreten möchte - die Begründungen für diese Meinung
mitliefern muss, jedenfalls sofern er ernst genommen werden
möchte. Ich kann auch nicht zu einem Mediziner gehen und ihm
vorschlagen, die nächste Blinddarmentzündung einmal
versuchsweise mit Tritten gegen das linke Schienbein zu
behandeln. Er würde mich zu Recht auslachen. Wenn ich aber
nachweisen könnte, dass ich Versuchsreihen gemacht hätte, die
die Wirksamkeit belegen, wäre die Sache schon anders. Daher
muss auch dem Autodidakten zugemutet werden, ein Mindestmaß an
Begründungen zu liefern - und nicht nur implizit.

Aus meiner Sicht ist der „Autodidakt“ eine andere Figur als der „Dilletant“, der Hobby-Philosoph, auf den die obige Beschreibung zutreffend ist. Er ist in gewisser Weise dessen Gegenteil: er beherrscht die methodischen Grundlagen des Philosophierens, kennt die Geschichte der Philosophie, ist auf der Höhe des Aktuellen; einzig unterscheidet er sich darin, Träger eines „unterworfenen“ Wissens („savoir assujeti“; Foucault) zu sein, besser noch eines „verworfenen“ (im Sinne der Lacanianischen Psychoanalyse) Wissens, eines Wissens also, das von der akademischen Philosophie systemisch nicht zur Kenntnis genommen werden kann, weil es ein Produkt bestimmter biografisch-persönlicher und/oder gesellschaftlicher Verhältnisse ist, welches persona non grata in Akademia ist. (Deshalb übrigens lassen sich sehr wohl Rousseau, Marx und Nietzsche als unterschiedliche Verkörperungen diese Typus’ auffassen.)

Diesen „systematischen“ Bias der „Lehrmeinung“ möchte ich in Analogie zum Marx’schen Akkumulationsgesetz darlegen. Dieses Gesetz ist weder politischer noch moralischer Natur, sondern ein Funktionszusammenhang, ein Automatismus: Wer Kapitalist ist, muss akkumulieren! Will er das nicht tun, also will er das Gesetz brechen, bricht das Gesetz ihn; er hört auf Kapitalist zu sein (geht pleite), ein Nachfolger tritt an seine Stelle … Die Essenz daraus: bestimmte Handlungen/Haltung sind nicht innerhalb dieses Funktionszusammenhangs möglich, wohl aber ausßerhalb. Und meine These wäre eben, dass der Autodidakt in Relation zur akademischen Wissenschaft sich in der selben Position befindet, wie der „gerechte Tausch“ gegenüber dem Akkumulationsgesetz. Deshalb ist er noch lange nicht der von Dir dargestellte „ideologische“ Dilletant.

Aus dem eben angeführten ergibt sich meines Erachtens, dass:

Die dritte Frage berührt wiederum etwas ganz anderes.

nicht zutrifft.

Im übrigen war ich mit meinem Posting schlicht der Meinung, es wäre in unser aller Sinne effektiver, über die „Mitkenntnis“ und ihre Gründe zu philosophieren, sie in unseren Bereich zu ziehen, als mehr oder weniger verwundert-verärgert ihr willkommene Aufmerksamkeit zu schenken.

Viele Grüße
franz

Autodidakt vs. Dilletant
Hallo Franz,

dass Du mich an den Stellen, an denen Du auf
Marx zu sprechen kommst, viel zu sehr mit Franks Posting
identifizierst,

nein, das wollte ich nicht, tut mir leid, dass das so wirkt. Dass ich diesen Eindruck nicht erwecken will, siehst du schon daran, dass ich dir antworte. :smile:

Deine Unterscheidung von Autodidakt und Dilletant gefällt mir und ist richtig, ich hatte an der Stelle nicht genügend differentiert. Dass die eigene Person akademisch eine persona non grata ist, ist auch richtig, wenngleich hier - wie ich meine kurz angedeutet zu haben - einiges in Bewegung geraten ist (durch Achenbach und andere).

(Deshalb übrigens lassen sich sehr wohl
Rousseau, Marx und Nietzsche als unterschiedliche
Verkörperungen diese Typus’ auffassen.)

In Ordnung, das kann ich so stehen lassen, obwohl mir diese Typisierung am Wesentlichen (nämlich den Differenzen zwischen denen) vorbeizugehen scheint.

Das Akkumulationsgesetz ist aus meiner Sicht eine reine Nominaldefinition, die wenig über Realitäten aussagt: „Wer Kapitalist ist, kumuliert; und wer kumuliert, ist Kapitalist.“ oder eben in unserem Zusammenhang: „Ein Autodidakt ist jemand, der sich selbst unterrichtet.“ bzw. „Jemand, der sich selbst unterrichtet, ist Autodidakt.“ Das sind analytische Urteile ohne Realitätsbezug, und - da hast du Recht - deshalb funktionieren sie nur innerhalb eines bestimmten Systemzusammenhangs. Worauf ich hinaus will: Das Akkumulations-„Gesetz“ ist kein Gesetz, sondern eine bloße Beschreibung: „Ich meine mit A das und das …“.

meine These wäre eben, dass der Autodidakt in Relation zur
akademischen Wissenschaft sich in der selben Position
befindet, wie der „gerechte Tausch“ gegenüber dem
Akkumulationsgesetz.

Diese These leuchtet mir noch nicht ein. Wie soll diese Analogie denn genau aussehen?

Aus dem eben angeführten ergibt sich meines Erachtens, dass:

Die dritte Frage berührt wiederum etwas ganz anderes.

nicht zutrifft.

Dass sich die akademische Philosophie dem Individuum wieder zuwendet, ist unverkennbar, meine ich (Volker Gerhardt u. a.). Richtig ist selbstverständlich, dass das nicht die Regel ist - aber eben immerhin vorhanden. Vielleicht ist das aber auch gut so, weil man dann eine Aufgabentrennung von akademischer und außerakademischer Philosophie hätte. Aus meiner Sicht freilich ist außerakademische Philosophie ohne akademische Grundlage immer der Gefahr des Dilletantismus ausgesetzt, wenn auch nicht notwendig verfallen.

Der Autodidakt tritt ja meist - wie auch hier - SOFORT als Gegner der akademischen Philosophie auf, ohne sich zumindest die Mühe zu machen, den gegensätzlichen Standpunkt zu verstehen. Er ist in dieser Hinsicht sozusagen „unhöflich“, indem er die Grundlagen aller Kommunikation von vornherein missachtet, weil er seine Idee für die zentrale und wichtigste Frage überhaupt hält und sie auf unbescheidene Weise präsentiert.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

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Hallo Thomas,

zuerst: Ich denke, es ist vielleicht nicht im Interesse des Boards unsere Diskussion im Teilstrang weiterzuführen, zumal niemand sonst Interesse daran zu haben scheint. Wir sind einfach noch viel zu weit voneinander entfernt, nicht etwa in der Übereinkunft, sondern im gegenseitigen Verstehen.

Das Akkumulationsgesetz ist aus meiner Sicht eine reine
Nominaldefinition, die wenig über Realitäten aussagt: „Wer
Kapitalist ist, kumuliert; und wer kumuliert, ist Kapitalist.“
oder eben in unserem Zusammenhang: „Ein Autodidakt ist jemand,
der sich selbst unterrichtet.“ bzw. „Jemand, der sich selbst
unterrichtet, ist Autodidakt.“ Das sind analytische Urteile
ohne Realitätsbezug,

Das Akkumulationsgesetz ist weder in Marx’ noch in meiner Sicht eine Nominaldefinition, sondern die Beschreibung/Formalisierung eines realen Wirkens, nämlich des automatischen (damit auf politischer, etc. Ebene unangreifbaren) Ausschlusses bestimmter Denk- und Verhaltensweisen aus dem Funktions-, Reproduktionszusammenhang der Ökonomie bzw. stärker Marxistisch formuliert: aus dem der kapitalistischen gesellschaftlichen Formation. Mit Begriffsanalyse hat dies, so verstanden, nichts zu tun.
Der Fall des „Autodidakten“ ist in der gebotenen Kürze unmöglich anders zu präsentieren als in der Form von Analogisierung.

Eine kurze Veranschaulichung (das was ich eigentlich meine, geht weit darüber hinaus bzw. ist auf einer ganz anderen Ebene anzusiedeln, weshalb dieses Beispiel nur seinem Mechanismus nach zur Kenntnis zu nehmen ist):
Wie könnte der Vertreter einer radikalen hedonistischen Ethik (nehmen wir hier kontrafaktisch an, der Hedonismus, wäre das reine Genießen augenblicklicher Impulse) einen Ort innerhalb dessen finden, was Deiner (Argument-Begründungs-)Definition nach die Philosophie ist, ohne dabei seine Meinung als Haltung (nicht als Meinung), also die Praxis seiner Meinung, abzulegen? Ganz schlicht und einfach, weil er ohne Arbeitsmoral (Lernen von Begründungen) nicht Philosoph werden kann. Ganz abgesehen davon, dass der reale philosophische Betrieb Praxis einer Gesellschaft ist, die ohnehin meritokratisch organisiert ist, damit einen solchen Hedonisten von vorneherein ausschließt, gar nicht erst in den Möglichkeitsraum des Philosoph-Werden lässt. Bzw. genauer formuliert: den Hedonismus ausschließt, denn dessen Träger kann selbstverständlich Philosoph werden, aber nicht als-Hedonist-als-Haltung. Meine Voraussetzung: Meinung-als-Meinung ist ungleich Meinung-als-Haltung.

Meine These nun: der Autodidakt ist Vertreter eines Wissens, das nicht in die Philosophie gelangen kann, weil diese ein solches Wissen auf Grund ihrer Eigenstruktur a priori (also vor dessen Kenntnisnahme) ausschließt. Zur Konkretisierung: dieses Ausschlagen rechne ich nicht in letzter Instanz bestimmten „formalen“ Bedingungen, einem „blinden Fleck“ der Philosophie zu, sondern jener gesellschaftlichen Praxis, in die die Praxis der Philosphie (nicht ihr Selbstverständnis als Argument-Begründungs-Zusammenhang!) eingelassen ist. Der Autodidakt ist nun die Position des Ausgeschlossenen, welcher auf Grund der Brechung (im aus der Optik übertragenen Sinn gemeint) durch den Ausschlussmechanismus jede „Philosophie“ als Teil dieses Mechanismus’ betrachten muss und damit die „Lehrmeinung“, das worin alle „Philosophien“ gleich sind, erleben muss.
Dass Kriwetz mehr Dilletant denn Autodidakt sein wird, gestehe ich hier zu, wenngleich ich behaupten würde, dass auf einer basalen Ebene beide Figuren diesselbe Position besetzen (aber das lassen wir besser beiseite).
Ich hoffe, Dir meine Grundthese (bzw. das, was davon noch übrig ist) etwas besser vor Augen geführt zu haben .

Viele Grüße
franz

Hallo Franz,

zuerst: Ich denke, es ist vielleicht nicht im Interesse des
Boards unsere Diskussion im Teilstrang weiterzuführen, zumal
niemand sonst Interesse daran zu haben scheint.

das könnte ja noch kommen :smile: - aber vielleicht diskutieren wir das auch später einmal separat.

Wir sind einfach noch viel zu weit voneinander entfernt, nicht etwa
in der Übereinkunft, sondern im gegenseitigen Verstehen.

Das wäre ja eher ein Grund, es zu diskutieren.

Das Akkumulationsgesetz ist … die
Beschreibung/Formalisierung eines realen Wirkens …

Ich weiß, dass Marxisten das so sehen, aber ich halte das für einen Irrtum.

Meinung-als-Meinung ist ungleich Meinung-als-Haltung.

Diese Unterscheidung ist aus meiner Sicht prinzipiell richtig (s. auch die Unterscheidungen, die Metapher in seinem Posting „Was ist Philosophie“ auf der Startseite des Brettes beschreibt und der ich zustimme), aber sie hat nichts zu tun mit dem, was man im Marxismus „Interessegebundenheit“ nennt. Diese nämlich ist ein Konstrukt, das von vornherein so konzipiert ist, dass Objektivität unmöglich ist, was im Übrigen auch der mit Objektivitätsanspruch vorgetragenen Lehre widerspricht - aber das nur als meine Sicht der Dinge nebenbei. Der von dir genannte Hedonist muss ja nicht eine einheitliche Philosophie in dem Sinne haben, dass er seine „Meinung-als-Meinung“ mit seiner „Meinung-als-Haltung“ zu verbinden sucht. Er kann doch beide Stränge verfolgen und bei günstiger Gelegenheit sozusagen dann eine Vereinheitlichung versuchen.

der Autodidakt ist Vertreter eines Wissens,
das nicht in die Philosophie gelangen kann, weil diese ein
solches Wissen auf Grund ihrer Eigenstruktur a priori
(also vor dessen Kenntnisnahme) ausschließt.

Dies würde ich bestreiten.

Der Autodidakt ist nun die Position des Ausgeschlossenen, welcher …
die „Lehrmeinung“, das worin alle „Philosophien“ gleich sind,
erleben muss.

Es ist richtig, dass ein Autodidakt das immer wieder so erlebt - das sieht man ja immer wieder. Aber ich meine, dass das nicht zwingend so sein muss. Denn auc der Autodidakt hat - wie ich bereits andeutete - eigentlich nur einer allgemeinen Höflichkeitsregel entsprechend sich zuerst zu informieren, worüber er urteilt, um dann in einem zweiten Schritt durchaus Kritik äußern zu dürfen. Leider ist in der Mehrzahl der Fälle diese Bereitschaft nicht erkennbar - jedenfalls ist das meine Erfahrung.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

1 Like

Hallo Franz,

Das Akkumulationsgesetz ist weder in Marx’ noch in meiner
Sicht eine Nominaldefinition, sondern die
Beschreibung/Formalisierung eines realen Wirkens, nämlich des
automatischen (damit auf politischer, etc. Ebene
unangreifbaren) Ausschlusses bestimmter Denk- und
Verhaltensweisen aus dem Funktions-, Reproduktionszusammenhang
der Ökonomie bzw. stärker Marxistisch formuliert: aus dem der
kapitalistischen gesellschaftlichen Formation.

könntest du das irgendwie anders umschreiben? DEN Zusammenhang verstehe ich beim besten Willen nicht.
Meinst du damit, dass dieses Akkumulationsgesetz auf dem Willen der Kapitalisten beruht?

fragt mal undilettantisch:
Frank

Hallo,

Der Autodidakt ist nun die Position des Ausgeschlossenen, welcher …
die „Lehrmeinung“, das worin alle „Philosophien“ gleich sind,
erleben muss.

Es ist richtig, dass ein Autodidakt das immer wieder so erlebt

  • das sieht man ja immer wieder. Aber ich meine, dass das
    nicht zwingend so sein muss. Denn auc der Autodidakt hat - wie
    ich bereits andeutete - eigentlich nur einer allgemeinen
    Höflichkeitsregel entsprechend sich zuerst zu informieren,
    worüber er urteilt, um dann in einem zweiten Schritt durchaus
    Kritik äußern zu dürfen. Leider ist in der Mehrzahl der Fälle
    diese Bereitschaft nicht erkennbar - jedenfalls ist das meine
    Erfahrung.

Ist es nicht so, dass der Autodidakt in die Position des Ausgeschlossenen gedrängt wird mit dem Argument „Deine Frage ist nicht nach unseren Maßstäben formuliert“?
Ist es nicht auch eine Höflichkeitsregel, dass der „Wissende“ eben zunächst nicht die Form kritisiert sondern den Inhalt?
Ein ganz ähnliches Gefühl hat wohl schon der eine oder andere erlebt, wenn man eine Beratung in einem Unterhaltungselektronikmarkt einfordert und zufällig auf einen arroganten Verkäufer trifft der einen auf ganz ähnliche Weise an Begrifflichkeiten abkanzelt. Immerhin wollt ihr im Gegensatz zu dem Verkäufer hier keine Dienstleistung anbieten, deshalb regt man sich aber nicht weniger darüber auf.

Dazu kommt, dass man sehr oft den Eindruck gewinnt, dass man bewusst einfache Zusammenhänge äusserst verkompliziert, weil manche sich selbst gerne reden hören.
Wenn also ein Herr Kriwitz den Fehler begeht sich überhaupt auf diese Diskussionsebene zu begeben ist es doch ein leichtes ihn auf dieser ebene zu zerpflücken. Allerdings bedeutet das noch lange nicht, dass deshalb die derzeit State-of-the-art-philosophie der Weisheit letzter Schluss ist, sondern im Gegenteil, dass auch diese Geisteswissenschaft geradezu darauf warten kann bis einer daher kommt der den Inhalt erneuert, gegen alle Mainstream-Mitläufer.

Just my 2 cents

D.K.

Hallo Frank,

das Zitat ist im Zusammenhang meiner Diskussion mit Thomas zu verstehen und hier nur Veranschaulichung einer anderen Problematik:

Das Akkumulationsgesetz ist weder in Marx’ noch in meiner
Sicht eine Nominaldefinition, sondern die
Beschreibung/Formalisierung eines realen Wirkens, nämlich des
automatischen (damit auf politischer, etc. Ebene
unangreifbaren) Ausschlusses bestimmter Denk- und
Verhaltensweisen aus dem Funktions-, Reproduktionszusammenhang
der Ökonomie bzw. stärker Marxistisch formuliert: aus dem der
kapitalistischen gesellschaftlichen Formation.

könntest du das irgendwie anders umschreiben? DEN Zusammenhang
verstehe ich beim besten Willen nicht.
Meinst du damit, dass dieses Akkumulationsgesetz auf dem
Willen der Kapitalisten beruht?

Es beruht eben genau nicht auf dem Willen der Kapitalisten, sondern formt den Willen der Kapitalisten; also in gewisser Weise beruht der Wille der Kapitalisten auf dem Akkumulationsgesetz. Also durchaus: Sein bestimmt Bewusstsein (wenn auch dieses Bestimmungsverhältnis aus meiner Sicht genauso problematisch wie der Begriff von Sein und der von Bewusstsein ist)

Viele Grüße
franz

Hallo Thomas,

Das Akkumulationsgesetz ist … die
Beschreibung/Formalisierung eines realen Wirkens …

Ich weiß, dass Marxisten das so sehen, aber ich halte das für
einen Irrtum.

Ist ok, dass Du es für einen Irrtum hältst, das betrifft aber nicht meine Argumentation, weil diese nicht die „Gültigkeit“ dieses Mechanismus außerhalb des Marxistischen Theoriegebäudes voraussetzt, sondern lediglich eine Analogie aufzeigen möchte, welche als „Irrtum“ genauso wirkt. Freilich wäre es interessant, die Frage des „Irrtums“ zu klären, etwa welche Konzeption von „Irrtum“ Dir vorschwebt: Ideologie, empirisch falsifiziert, was auch immer (also welche theoretischen Voraussetzung die Diagnose des „Irrtums“ stützen) genauso, wie die Frage, was „der“ Marxismus unter „real“ versteht. Aber das nur en passant.

Meinung-als-Meinung ist ungleich Meinung-als-Haltung.

Diese Unterscheidung ist aus meiner Sicht prinzipiell richtig
(s. auch die Unterscheidungen, die Metapher in seinem Posting
„Was ist Philosophie“ auf der Startseite des Brettes
beschreibt und der ich zustimme), aber sie hat nichts zu tun
mit dem, was man im Marxismus „Interessegebundenheit“ nennt.

Stimmt. Sie ist bei weitem nicht dasselbe; ich würde aber nicht sagen, dass sie damit gar nichts zu tun hätte.

Diese nämlich ist ein Konstrukt, das von vornherein so
konzipiert ist, dass Objektivität unmöglich ist, was im
Übrigen auch der mit Objektivitätsanspruch vorgetragenen Lehre
widerspricht - aber das nur als meine Sicht der Dinge
nebenbei.

Auch nebenbei: Die „Interessengebundenheit“ ist bekanntlich kein kruder Perspektivismus. Der Objektivitätsanspruch bei Marx ist problematisch; versteht man ihn strikt hegelianisierend als „vom Kopf auf die Füße gestelltes“ Zu-sich-selbst-Kommen des Geistes, bzw. gemäß dem frühen Marx feuerbachianisierend als simple Aufhebung von Entfremdung, dann ist er klar abzulehnen; bedenkt man aber, dass Marx in seinen Spätschriften nicht wirklich/unwirklich unterscheidet, sondern wirklich/kapitalistisch, wirklich/sklavenhalterisch, etc., also im Grunde auch: wirklich/sozialistisch, dann ist „Wirklichkeit“ und damit der Objektivitätsanspruch nicht einfach „Einsicht in die an-sich-Struktur der Welt“

Der von dir genannte Hedonist muss ja nicht eine
einheitliche Philosophie in dem Sinne haben, dass er seine
„Meinung-als-Meinung“ mit seiner „Meinung-als-Haltung“ zu
verbinden sucht. Er kann doch beide Stränge verfolgen und bei
günstiger Gelegenheit sozusagen dann eine Vereinheitlichung
versuchen.

Das soll ja genau die Crux meiner Argumentation sein: Jede Meinung (jedes Wissen) ist, in (neo-)materialistischer Sicht, nicht von seiner Realisierung in der Haltung zu abstrahieren, besteht nicht außerhalb seiner Praktizierung.
Als Veranschaulichung (nicht Beleg) ein Zitat Pascals: „Geht auf die Knie, imitiert die Lippenbewegungen des Priesters, und ihr werdet glauben“ (meine Übersetzung; das „und“ als Implikation verstanden!)
Der Hedonist kann die beiden Stränge nicht separat verfolgen, er kann nur Hedonist sein, wenn er Hedonist ist, wenn er entsprechen Praktiken betreibt. Anders gewendet: Der Hedonismus besteht nicht als abstrakte Lehre, sondern als Produkt entsprechender Praktiken; da diese Praktiken vom „Philosophen“ nicht praktiziert werden können -was wohl unstrittig ist- kann der Hedonismus nicht „Philosophie“ sein, und zwar aus dem Grund eines systematischen Bias, den die Praktik Philosophie hat.
Notabene: „Hedonismus“ ist hier ein Platzhalter!
Um vorweg zu greifen: Diesen Sätzen kann sicherlich widersprochen werden, nicht aber mit dem Argument eines „empirischen Irrtums“, weil ein solches einen nie einholbaren Vorgriff auf eingene theoretische Voraussetzung vornimmt (wie Du mir wohl zustimmen wirst)

der Autodidakt ist Vertreter eines Wissens,
das nicht in die Philosophie gelangen kann, weil diese ein
solches Wissen auf Grund ihrer Eigenstruktur a priori
(also vor dessen Kenntnisnahme) ausschließt.

Dies würde ich bestreiten.

Ich behaupte es, gestützt auf das eben Dargelegte.

Der Autodidakt ist nun die Position des Ausgeschlossenen, welcher …
die „Lehrmeinung“, das worin alle „Philosophien“ gleich sind,
erleben muss.

Es ist richtig, dass ein Autodidakt das immer wieder so erlebt

  • das sieht man ja immer wieder. Aber ich meine, dass das
    nicht zwingend so sein muss. Denn auc der Autodidakt hat - wie
    ich bereits andeutete - eigentlich nur einer allgemeinen
    Höflichkeitsregel entsprechend sich zuerst zu informieren,
    worüber er urteilt, um dann in einem zweiten Schritt durchaus
    Kritik äußern zu dürfen.

„Höflichkeitsregel“ akzeptiere ich überhaupt nicht. Natürlich sehr wohl im zwischenmenschlichen Umgang (daran halte ich mich ja auch), aber: Klar soll sich der Autodidakt informieren, diese „Informationspflicht“ ist aber nicht als „Höflichkeit“ aus dem Bereich der „Philosophie“ zu externalisieren, sondern als deren eigene Voraussetzung von ihr zu reflektieren, beispielsweise als unhinterfragte Konzeption des Wissens als akkumulierbares, forschreitendes, das heißt als das apriori des „Wissenschaftsfortschritt“-Dogmas (ich behaupte nicht, dass dies so ist, verwende es nur als Beispiel). Wie sollte hier eine „repetitistische“ Haltung Zugang zur „Philosophie“ finden? Müsste er nicht von außen die „Philosophie“ als (gerade durch ihren ewigen Fortschritt bedingt) „undurchdringbare Lehrmeinung“ begreifen? (Die Absurdität dieser Frage ist der Tatsache geschuldet, dass ich auf die schnelle kein besseres Beispiel gefunden habe, ist also nicht unmittelbar als Absurdität der These zu werten)

Viele Grüße
franz

Hallo Franz,

Es beruht eben genau nicht auf dem Willen der Kapitalisten,
sondern formt den Willen der Kapitalisten; also in gewisser
Weise beruht der Wille der Kapitalisten auf dem
Akkumulationsgesetz.

Da bin ich erstmal beruhigt :o)

Also durchaus: Sein bestimmt Bewusstsein
(wenn auch dieses Bestimmungsverhältnis aus meiner Sicht
genauso problematisch wie der Begriff von Sein und der von
Bewusstsein ist)

Damit hab ich etwas Bauchschmerzen.
Hier meine Bitte: beim formulieren solche bedeutungsschwangerer Formulierungen sollte man sehr vorsichtig sein. Das ergoibt Vermischungen der beiden sich isomorph gegenüberstehenden Formen der Dialektik.
Von Marx kommt beispielsweise nicht die Aussage, dass dass Bewusstsein das Sein bestimme zur Lösung des Henne-Ei-Problems. Das ist die Aussage einer Ideologie zu ihm, dem Marxismus.
Bei Marx selbst findet sich die Bewegung als Daseinsweise der Materie, darauf aufbaund sein Materialismus. Ebenso darauf bauend, dasss das gesellschaftliche Sein das Bewusstsein bestimmt.

Klingt für Laien recht ähnlich, ist aber grundlegend verschieden.

Das nur mal als Hinweis.

Gruß
Frank

Erinnerung an einen früheren Thread
Hallo,

Ist es nicht so, dass der Autodidakt in die Position des
Ausgeschlossenen gedrängt wird mit dem Argument „Deine Frage
ist nicht nach unseren Maßstäben formuliert“?

du beziehst dich sicher auf den Thread vom 04.06.2004, in dem ein Gedicht gepostet wurde, worauf dann zweimal geantwortet wurde (einmal von Frank, der die Userin ins Psychobrett schicken wollte, dann von jemandem, der deren Talent in Frage stellte, wonach sie gefragt hatte), bevor du dann mit den Worten

„hier sehen einige den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr!!!
Mal ehrlich, wenn ihr Philosophie nicht mehr erkennt, nur weil nicht alle 5 Zeilen einer der antiken oder klassischen Philosophen erwähnt wird, dann tuts mir leid.
Ich sehe hier eher einen erfrischenden Versuch uralte Gedanken in aktuelle Kleider zu packen, der Philosophie ein Heute zu geben.“

Stellung bezogen hast. Dazu ist zu sagen, dass die beiden Poster vor dir kaum als Experten bezeichnet werden können, du aber gleich einen Rundumschlag gestartet hattest, in dem du auf alle

„Lehrer, Psychologen und Philosophen“

geschimpft hast, denen du prinzipiell unterstelltest, dass

„nirgendwo anders so eine Ansammlung an Inkompetenz wie in diesen drei Genres“

zu finden sei. Und dann schriebst du noch:

„Das Schlimmste dabei ist, dass eben diese Inkompetenz versucht jeden genialen Gedanken sofort im Keim zu ersticken.“

Nun frage ich dich, ob es deiner Meinung nach zu den Aufgaben dieses Forums gehört, vermeintlich geniale Gedanken zu formulieren oder zuzulassen, oder ob dieses Forum nicht eigentlich ein Expertenforum ist, in dem man Fragen stellen kann, wenn man möchte. Die Userin des Ausgangsposting stellte aber keine Frage in den Raum und bat auch nicht darum, dass man ihren Text irgendwie beurteilen möge, sondern sie schrieb ein Gedicht hin, mit dem sie ihre Betroffenheit artikulieren wollte (wie auch schon in zwei vorausgehenden Threads).

Der erste war Lyrik, der zweite ein Angriff auf das Forum und der dritte wieder ein Angriff. Ist das die Höflichkeit, von der du sprichst? Wenn die Form nicht angemessen ist, weil man z. B. noch nicht einmal eine Frage erkennen kann, dann ist von hier aus gesehen doch schon fraglich, ob die Gedanken überhaupt sinnvoll kritisierbar sind bzw. ob so eine Kritik überhaupt erwünscht ist oder ob es nicht vielmehr darum geht, einfach mal seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Ich denke, dass es hierfür im Netz genügend Foren gibt, dazu braucht man aber wer-weiss-was nicht.

Dazu kommt, dass man sehr oft den Eindruck gewinnt, dass man
bewusst einfache Zusammenhänge äusserst verkompliziert, weil
manche sich selbst gerne reden hören.

Manche Dinge sind eben nicht einfach.

Wenn also ein Herr Kriwitz den Fehler begeht sich überhaupt
auf diese Diskussionsebene zu begeben ist es doch ein leichtes
ihn auf dieser ebene zu zerpflücken.

Wenn jemand Gegenargumente nicht hören möchte, dann kann man soviel reden, wie man will, es kommt nicht an. Statements aber, die keine Frage beinhalten, sondern lediglich eine Theorie darstellen wollen, sind nicht im Sinne dieses Forums, schon gar nicht, wenn die Experten hier sich wie im Fall Kriwetz durchaus die Mühe machen, die Gedanken zu verstehen, an den Antworten aber ersichtlich ist, dass eine Antwort gar nicht erwünscht ist, sondern nur Bestätigung der eigenen These.

Allerdings bedeutet das noch lange nicht, dass deshalb die derzeit
State-of-the-art-philosophie der Weisheit letzter Schluss ist,
sondern im Gegenteil, dass auch diese Geisteswissenschaft
geradezu darauf warten kann bis einer daher kommt der den
Inhalt erneuert, gegen alle Mainstream-Mitläufer.

Deine Mainstream-Deutung ist unzutreffend. Es gibt hier genügend Vertreter, die dem nicht entsprechen würden. Außerdem zeigst du mit deiner Einschätzung dessen, was du „Mainstream“ nennst, eben genau dies erneut, dass es dir nicht um eine Diskussion geht, sondern darum, dass jeder mal so einfach vor sich hin „philosophieren“ soll. Das aber eben ist nicht der Sinn eines Expertenforums. Wenn man die Experten nicht hören will, dann soll man sie gar nicht erst fragen.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Just my 2 cents

D.K.

1 Like

Hallo Frank,

stimme Dir vollkommen zu. Trage das aus Bequemlichkeit weggelassene „gesellschaftliche“ nach. In der Tat ist dieser Unterschied zwischen Sein und „gesellschaftlichem Sein“ die Differenz zwischen Dialektischem Materialismus und Pseudo-Marxismus. mea culpa! Übrigens auch die Differenz zwischen Marx’ Materialismus und anderen philosophischen Formen des Materialismus

Viele Grüße
franz

Hallo D.K.,

wer die Philosophie als Ganze kritisieren möchte, kann dies nicht anders als in der Form der Philosophie. Unabhängig davon, ob er von dieser Form etwas hält oder nicht. Alles, was der Philosophie in anderer Form gesagt wird, kann sie nicht verstehen, das heißt: hat keinen Einfluss auf sie. Genausowenig wie das Rauschen eines Flusses die Philosophie beeinflussen kann.
Genau darum geht es in unserer Diskussion!

Viele Grüße
franz