Kriwetz als Symptom oder: die Lehrmeinung

Hineinspringen
Hallo Franz,

Die Frage ist doch: Woher kann ich wissen, was einfach und was
zusammengesetzt ist?

die Frage finde ich sehr interessant.

Möglichkeit eins: ich entnehme dieses
Wissen meiner Einsicht in die reale Welt, entnehme es also
quasi den Dingen selbst; diese Einsicht aber habe ich nicht,

Gut. Stimmt meiner Ansicht nach.

Möglichkeit zwei:
ich entnehme dieses Wissen dem Sprechen über die Welt, also
dem Diskurs, der immer schon vor mir geführt wurde; auch hier
gibt es kein Einfaches, es sei denn, ich orientiere mich ganz
simpel am Wortbild, was ich für abwegig halte;

Ich orientiere mich am gängigen Gebrauch eines Wortes. Wenn jemand eine andere Definition als die gewöhnliche verwendet, muss er das rechtfertigen. Weil Philosophen dazu neigen, so etwas zu tun, sind sie quasi ständig dabei, sich zu rechtfertigen. Das ist ein Berufsrisiko.

also versuche
ich vom Konkreten auszugehen; dafür nehme ich ich eine Begriff
des bisherigen Diskurses und konkretisiere ihn, zeige, worin
er dabei von Sachverhalten abstrahiert, und deshalb etwas
verzerrt darstellt;

Kann es sein, dass du hier mehr Hegelianer bist, als du selbst annimmst? Hegel hat nämlich die Begriff abstrakt/konkret in ihrer Bedeutung vertauscht. Richtig ist, dass nicht ein konkreter Begriff von Sachverhalten abstrahiert, sondern dass der Begriff eine Abstraktion von Sachverhalten (besser: Tatsachen) ist.

Dann müsstest Du aber mit der
gleichen Begründung auch die Hegelsche Dialektik ablehnen.
Auch dort ist die zwingende Abfolge der Stufen des Geistes zu
bestreiten.

Ja, das ist richtig, aber ich lehne die Dialektik nicht gänzlich ab, sondern ich lehne die Dialektik als zwingende ab.

Die Vergleichbarkeit kommt auf die Perspektive an;

Beim Gewaltbegriff aber nur, wenn ich als (Gewalt erlebendes) Subjekt argumentiere. Das aber will ja der Marxismus (als wissenschaflich-objektiver) gerade nicht.

Mein
Argument war, dass Arendt mit ihrem Kriterium erkennen hätte
müssen, dass das KZ des liberalen Kapitalismus eben solche
Phänomene wie der Hungertod in der dritten Welt ist,

Ich finde, es reicht, wenn man eine Absurdität anprangert.

die Leichen f a b r i k a t i o n

Das hat etwas für sich als Argument, ich denke noch einmal genauer darüber nach.

Ich glaube nur, dass sich eine
Grundsatzdiskussion zwangsläufig immer im Kreis drehen muss,
wenn die Ausgangspositionen zu weit voneinander entfernt sind;
schon generell bin ich der Meinung, dass man sich eine fremde
Position nicht nach und nach aneignen kann; man muss in sie
hineinspringen oder wird ihr nie wirklich näherkommen; das
meint der Marxismus mit „Einnahme der Klassenperspektive“, was
nichts Psychologisches ist.

Dieses „Hineinspringen“ ist aus meiner Sicht etwas völlig Fatales, eine quasi religiöse Forderung („Glaub nur an Jesus, dann wird alles gut.“), die eigentlich sogar hinter den Ursprung der Philosophie bei Sokrates zurückfällt (wo wir schon beim Diskutieren von Rückfällen sind *g*). Die Begründung hat ja gerade die Funktion, Konsens zu schaffen. Wenn ich diese Funktion von vornherein ausblende, kann ich nicht damit rechnen, ernst genommen zu werden. Daher rührt meines Erachtens die Ablehnung von Seiten des - wie du es nennst - „bürgerlichen Lagers“. Und ich halte das auch für eine unberechtigte Immunisierung, weil derjenige, der sich selbst nicht rechtfertigen will, auch nicht von anderen Rechtfertigung verlangen kann. Eine Rechtfertigung aber aus sich selbst heraus gibt es nicht, weil jede Begründung etwas anderes ist als das Begründete.

so stehen eben „Pseudo-“ und
„bürgerliche“ Wissenschaft als Vorwürfe unvermittelbar gegenüber.

Das Wort „Vorwurf“ gefällt mir nicht, weil es zu wertbezogen ist. Ich verkenne nicht, dass marxistische Denkweisen eine Wert haben (wie andere philosophische Positionen, die ich nicht teile, übrigens auch), würde nur meinen, dass man das nicht „Wissenschaft“ nennen sollte.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

P. S. Du hast in deinem Posting an Frank gesagt, dass wir uns auf die Definition AA-Marxismus (oder so ähnlich) geeinigt hätten. Wir haben uns aus meiner Sicht geeinigt darauf, dass man unterscheiden kann zwischen verschiedenen Formen. Was Frank konkret vertritt, ist aus meiner Sicht kein Marxismus, sondern schlichter Unsinn, schlimmer noch, es sind einige Fetzen, die er verstanden hat und dann nach Belieben vemischt - aber ich wollte dazu ja nichts mehr sagen, mir war das nur zur Klärung für dich wichtig.

Hallo Thomas,

Möglichkeit zwei:
ich entnehme dieses Wissen dem Sprechen über die Welt, also
dem Diskurs, der immer schon vor mir geführt wurde; auch hier
gibt es kein Einfaches, es sei denn, ich orientiere mich ganz
simpel am Wortbild, was ich für abwegig halte;

Ich orientiere mich am gängigen Gebrauch eines Wortes. Wenn
jemand eine andere Definition als die gewöhnliche verwendet,
muss er das rechtfertigen. Weil Philosophen dazu neigen, so
etwas zu tun, sind sie quasi ständig dabei, sich zu
rechtfertigen. Das ist ein Berufsrisiko.

Stimmt meines Erachtens durchaus, aber: erstens muss sich doch derjenige, der sich am „gängigen Gebrauch eines Wortes“ orientiert ganz genauso rechtfertigen: natürlich nicht für jeden Gebrauch, aber für das Prinzip; diese Rechtfertigung versucht die ordinary language philosophy ja auch zu leisten. Zweitens kann ich den „gängigen“, ich verstehe darunter den nicht-fachspezifischen, Gebrauch des Wortes nicht so leicht vom fachspezifischen auseinanderhalten. Meines Erachtens ist die Orientierung am gängigen Wort-Gebrauch gar nicht so sehr nur ein Ideal, sondern unumgänglich. Jeder fachspezifische Diskurs ist einerseits in die Umgangssprache eingebettet, andererseits mündet er wieder in sie; ein Nebeneinander von Umgangssprache und fachspezifischer Frage ist undenkbar; diese Überlegungen gelten glaube ich für alle Wissenschaften (wenn auch nicht für alle in gleichem Maße). Auch aus diesem Grund also die Marxistische Prämisse: wissenschaftliche Praxis ist soziale Praxis.

also versuche
ich vom Konkreten auszugehen; dafür nehme ich ich eine Begriff
des bisherigen Diskurses und konkretisiere ihn, zeige, worin
er dabei von Sachverhalten abstrahiert, und deshalb etwas
verzerrt darstellt;

„bisheriger Diskurs“ heißt also durchaus Umgangssprache bzw. in der Umgangssprache gemündeter Fachdiskurs; bei Marx also die Kritik der Begrifflichkeit der bürgerlichen Ökonomie, einer Begrifflichkeit, die natürlich als Umgangssprache zur Selbst-Beschreibung des Kapitalismus geworden ist.

Kann es sein, dass du hier mehr Hegelianer bist, als du selbst
annimmst? Hegel hat nämlich die Begriff abstrakt/konkret in
ihrer Bedeutung vertauscht. Richtig ist, dass nicht ein
konkreter Begriff von Sachverhalten abstrahiert, sondern dass
der Begriff eine Abstraktion von Sachverhalten (besser:
Tatsachen) ist.

In gewisser Weise ist das schon richtig; Hegels Denkprozess ist der einer Konkretisierung (vom Abstraten zum Konkreten); Aber die Marx’sche Konkretisierung ist eine andere; der abstrakte Begriff (also auch die abstrakte Wahrnehmung) wirkt als wissenschaftlicher/umgangssprachlicher in der Realität, sorgt für die Reproduktion des Bestehenden: in ihm ist systematisch von dem abstrahiert, was diese Reproduktion beenden wird; die Kritik des abstrakten Begriffs ist nun nichts weiter als die Kritik der bestehenden Begrifflichkeit in Bezug auf das, was sie durch ihre Abstraktion verdeckt, nämlich die Möglichkeit ihres eigenen Nichts (ich denke wir sind hier noch nicht beim dialektischen Denken Hegels angelangt); Beispiel bei Marx: Der klassisch-ökonomische und gängig-kapitalistische Begriff „Profit“ verdeckt den „Mehrwert“ (weil er behauptet eine Folge des Marktgeschehens, nicht eine Folge der Ausbeutung zu sein), damit aber das, was seine eigene Auslöschung (dialektisch: Aufhebung) einläutet: die Ausbeutung, damit die Klassengesellschaft, damit die Möglichkeit des Endes des Kapitalismus, etc. Diese Abstraktion des Profit-Begriffs konkretisiert Marx, indem er ihn als bloßen Profit-durch-Mehrwert-Realisierung (auf dem Markt) begreift; nun ist aber der P-d-M-R-Begriff keineswegs komplexer als der Profit-Begriff, sondern konkreter in diesem Marx’schen Sinne (der nicht der selbe wie der Hegel’sche ist, aber an diesen natürlich anschließt)

Dann müsstest Du aber mit der
gleichen Begründung auch die Hegelsche Dialektik ablehnen.
Auch dort ist die zwingende Abfolge der Stufen des Geistes zu
bestreiten.

Ja, das ist richtig, aber ich lehne die Dialektik nicht
gänzlich ab, sondern ich lehne die Dialektik als
zwingende
ab.

gehe ich mit!
Du bist leider nicht auf meine beiden Varianten der Dialetik eingegangen, aber ich nehme an, dass Variante 2) dieser „nicht-zwingenden Dialektik“ wohl nahekommt

Mein
Argument war, dass Arendt mit ihrem Kriterium erkennen hätte
müssen, dass das KZ des liberalen Kapitalismus eben solche
Phänomene wie der Hungertod in der dritten Welt ist,

Ich finde, es reicht, wenn man eine Absurdität anprangert.

Verstehe ich nicht!!! Es geht doch hier darum, dass die Totalitarismusthese (nicht nur in der Arendtschen Version) eindeutig die politische Funktion hatte, Kommunismus mit Nationalsozialismus der Gewaltausübung nach gleichzusetzen, u m den liberalistischen Kapitalismus als „das Gewaltlose“, Un-Totalitäre, zu affirmieren; deshalb geht es absolut nicht darum, wessen Anprangerung „reicht“, sondern darum, wer zu Recht dem Kriteriumder Leichen-Fabrikation angeprangert werden muss; und das sind nun mal alle drei Systeme (Arendts Lehrer Heidegger hat es in seine Spätwerken ja auch geschafft, alle drei Systeme als Ausdruck eines Denkens zu sehen!)

Ich glaube nur, dass sich eine
Grundsatzdiskussion zwangsläufig immer im Kreis drehen muss,
wenn die Ausgangspositionen zu weit voneinander entfernt sind;
schon generell bin ich der Meinung, dass man sich eine fremde
Position nicht nach und nach aneignen kann; man muss in sie
hineinspringen oder wird ihr nie wirklich näherkommen; das
meint der Marxismus mit „Einnahme der Klassenperspektive“, was
nichts Psychologisches ist.

Dieses „Hineinspringen“ ist aus meiner Sicht etwas völlig
Fatales, eine quasi religiöse Forderung („Glaub nur an Jesus,
dann wird alles gut.“), die eigentlich sogar hinter den
Ursprung der Philosophie bei Sokrates zurückfällt (wo wir
schon beim Diskutieren von Rückfällen sind *g*). Die
Begründung hat ja gerade die Funktion, Konsens zu schaffen.
Wenn ich diese Funktion von vornherein ausblende, kann ich
nicht damit rechnen, ernst genommen zu werden. Daher rührt
meines Erachtens die Ablehnung von Seiten des - wie du es
nennst - „bürgerlichen Lagers“. Und ich halte das auch für
eine unberechtigte Immunisierung, weil derjenige, der sich
selbst nicht rechtfertigen will, auch nicht von anderen
Rechtfertigung verlangen kann. Eine Rechtfertigung aber aus
sich selbst heraus gibt es nicht, weil jede Begründung etwas
anderes ist als das Begründete.

Deine schroffe Ablehnung werte ich insgeheim als Zustimmung; der „Sprung“ hat nicht mit Ablehnung von Begründung zu tun!!! Es geht prinzipiell darum: Während die „bürgerliche“ Philosophie von einem Erkenntnissubjekt ausgeht, das prinzipiell alles Erkennbare erkennen kann, also voraussetzt (!), dass jeder Mensch grundsätzlich das erkennen kann, was ein anderer Mensch auch erkennen kann, ist das Erkenntnissubjekt des Marxismus ein anderes; was es erkennen kann, hängt von seiner Position im Produktionsprozess ab (dies muss man gar nicht ganz mitgehen; ich würde aber zumindest darauf bestehen, dass es von seiner Position im Verhältnis zum Gesamten der Gesellschaft abhängt); Das ist eine Grunddifferenz, aber doch kein „Rückfall hinter Sokrates“!!! Schon bei Hegel ist das Erkenntnissubjekt historizistisch eingerahmt, kann der alte „Römer“ nicht das selbe erkennen wie der „Preuße“; bei Marx ist diese Rahmung eben nicht diachron, sondern synchron. Darum mein oft erwähnter Grundsatz, dass den Positionen der Subjekte (zueinander) das Primat über die Subjekte selbst zukommt. Nochmal: ich verstehe nicht, inwiefern dies an Religion erinnert; im Gegensatz zur „bürgerlichen“ Wissenschaft versucht der Marxismus zu erklären, warum es hier keinen Konsens geben kann (was ja faktisch stattfindet und damit erklärungsbedürftig ist!), während Du einfach voraussetzt, dass Konsens prinzipiell möglich sein muss; warum kann der Marxismus deshalb nicht als Wissenschaft „ernst genommen werden“?

Viele Grüße
franz

Hallo Franz,

Um das ganz klar zu sagen: Ich mische mich definitiv nicht in
die Querelen zwischen Dir und Thomas ein.

bringt auch nix, ist höchstens lustig :o)

Ich sehe nur eine Frage; was ist die zweite?

was du unter orthodoxem Marxismus verstehst.

eigenartige Lesart: Mein Marxismus-Verständnis ist ein
zutiefst „französisches“. Dort fand in den 60er und 70er
Jahren eine umfangreiche Marx-Interpretation statt, deren
bekannteste Vertreter Louis Althusser und Etienne Balibar sind
(hervorgegangen ist daraus aber auch ein großer Teil des
heutigen US-amerikanischen Marxismus: Postone, Wallerstein,
etc.). Ich kann Dir diese Interpretation natürlich unmöglich
in der her gebotenen Kürze darstellen, nur soviel: sie fand
nicht rein akademisch statt, sondern inmitten des PCF, also
der KP Frankreichs; Ihr Grund war die "Anpassung der Lehre
Marx’ an die Verhältnisse Westeuropas; warum: 1) der

Den Interpretationen eines bürgerlichen Wahlvereins - in diesem Falle der PCF - würde ich immer skeptisch gegenüberstehen. Erläuterung unten.

Hegelmarxismus hat Schiffbruch erlitten, als in Rußland (die

Was ist „Hegelmarxismus“???
Das gewesene war zumindest in Osteuropa ein von Stalin & Co zusätzlich vebogener Marxismus-Leninismus, der in DE nach Luxemburg vor allem Stalinisten hervorbrachte (Thälmanns Truppen).

schwächste ökonomische Macht) Revolution stattfand, nicht wie
vom Hegelmarxismus vorhergesagt in Deutschland (entwickeltste

Hier beginnt das Mißverständnis. Spätestens aus heutiger Sicht war das weder eine sozialistische noch kommunistische gar soziale Revolution sondern am ehesten vergleichbar mit einer kolonialen Befreiung.
Der Zwang zu einer Veränderung war da, nicht aber das entwickelte und emanzipierte Proletariat. Diese letzte und alles entscheidende Größe erst ist die Grundvoraussetzung für eine soziale Revolution.
Selbst aus der Ökonomie heraus betrachtet steh die Entwicklung Russlands und des Ostblocks keinesfalls in irgendeinem Widerspruch zu Marxens Analysen sondern bestätigt sie eigentlich vortrefflich. Wenn man die Gedanken zur Ökonomie bei Trotzki verfolgt: http://www.marxists.org/deutsch/archiv/trotzki/1928/… liegt da der Schlüssel zur Analyse bei Tony Cliff: http://www.marxists.org/deutsch/archiv/cliff/1955/st…
Eigentum wurde nicht aufgehoben sondern verstaatlicht. Dadurch wurde wieder der Arbeiter von den PM als Eigentümer getrennt, um den Staat über Wasser zu halten. Die Ausbeutung erfolgte über den Weltmarkt: typischst kapitalistisch.

Ökonomie), wo es zum Faschismus kam. 2) stalinistischer
Personenkult, etc. wurde im Zuge der Entstalinisierung selbst
zur „Abweichung“ erklärt; deshalb glaubten Althusser und
andere, der später erst manifest gewordenen „Krise des
Marxismus“ durch eine Rückkehr zu den ursprünglichen
Einsichten Marx’ und Lenins begegnen zu können. Ich halte eine
solche Rückkehr, also eine Neu-Interpretation beider für
unumgänglich, weil ein ganz entscheidender Faktor der Theorie
heute nicht mehr gegeben ist: die Massenbasis; diese wieder zu
erreichen, bedarf es theoretischer Arbeit.

Hier trennt sich Wissenschaft von Ideologie. Marxismus ist Ideologie. Seine Methodik, die Analyse anhand materialistischer Dialektik mit anschliessender Synthese, ist Wissenschaft. Beruhend auf einer in sich geschlossenen, die Welt interpretierbar machenden Logik. Es ist ein Denksystem, welches durch die zugefügte Widerspiegelung isomorph zu Hegel ist, aber weder Transzendenzien noch benötigt noch asuf Antinomien zurückgreifen muß.
Abe dieses Denken ist eine objektive Entwicklung innerhalb der Gesellschaft! Indem ich meine logische Denkstruktur vervollständige, kann ich mir große Mengen an Wissen zuführen und diese auf einfachste Weise im Kopf verwalten. Ich kann anhand der Denkstruktur den Großteil meines Wissens vergessen, da ich ihn unkompliziert wieder herleiten kann. Dieses zu nutzen ist der moderne Industriearbeiter zwingend angewiesen, da er sonst seiner Konkurrenz unterliegt.
Es ist völlig unnötig, sich die Arbeit zu machen, eine wie auch immer geartete Massenbasis auf ideologischer Grundlage zu errichten. Das Volk findet mit der Entwicklung des Kapitalismus die Einsicht in die Notwendigkeiten von selbst. Denn dieser ist es, der sämtliche Grundvoraussetzungen für eine soziale Revolution schafft. Das ist keinesfalls eine politische Revolution sondern ein zwingend erforderlicher dialektischer Sprung, Änderung der Abläufe auf der Welt vom System Hegel aufs System von Marx.

Du schreibst dies
selbst (gegen Thomas gerichtet): „Antwort: Der Kommunismus ist
die Lehre von den Bedingungen der Befreiung des Proletariats.“

Es ist das eigentümliche an den Leuten, die diese Entwicklung
nicht als objektive Notwendigkeit erkennen, wie dir z.B., dass
sie denken, ein Kommunismus könnte von einer KP oder anderen
Weltverbesserern eingeführt werden.
Das ist falsch. Dieser ist die Einsicht in die tatsächliche
Entwicklung durch die große Mehrheit der Bevölkerung, ihrer
größten Klasse. Daher auch der Zwang zur Diktatur dieser
Klasse (nicht deren Vertretern!). Dadurch hebt sich aber diese
Diktatur als Diktatur auf.
Der wissenschaftliche Sozialismus heisst also dahwer so, weil
er keine Utopie sondern eine Lehre darstellt."

Außerdem lasse ich Deine Position des „wissenschaftlichen
Sozialismus“ in diesem Forum durchweg unangetastet,
verteidige sie sogar gegen den Vorwurf der
Pseudo-Wissenschaft; Althusser nannte diesen von mir
vertretenen (und radikalisierten) Ansatz nicht marxistische
Philosophie, sondern „Philosophie für den Marxismus“; Du
selbst behauptest ja zu Recht, nicht Philosophie, sondern
Wissenschaft zu treiben (ich persönlich verstehe nicht,
weshalb Du damit Dich nicht stärker in den anderen Foren des
w-w-w einbringst; warum in der Philosophie, wo es für Dich
nichts zu holen gibt?),

o)

frag mal ganz vorsichtig im Astrobrett oder in den Politikbrettern, ob mich dort zufällig einer kennt :o)
Aber geh in Deckung.

also kannst Du das, was ich hier
schreibe, auch nicht direkt als Angriff auf Deine Position
werten.

So hatte ich das auch nicht verstanden.

Psychoanalyse über Deine Person habe ich definitiv nicht
betrieben!!! Ich habe Dich namentlich nur
einmal hier erwähnt, und das nur als Vertreter des
„wissenschaftlichen Sozialismus“ (Thomas und ich haben uns
geeinigt, diesen in unserer Diskussion AA-Marxismus zu
nennen), niemals aber als Person; will ich auch gar nicht.

Ich hab da immer so meine Problemchen, mich in eine Schublade stecken zu lassen. Manschmal kam es auch schon vor, dass ich als für mich gesichert geltende Positionen um 180° gewechselt habe. Ich versuche, keine toten Pferde zu reiten (obwohl das nie auszuschliessen ist).
Wenn, dann müßtest du das auch Thießismus nennen nicht Marxismus, da ich zu vielen Ansichten aufgrund der Kenntnis der Methodik ohne Marx gekommen bin. Im Gegenteil hab ich eigentlich immer nur bei ihm die eigenen Erkenntnisse verifiziert und war erstaunt, dort eigene Aussagen oft ausführlicher wiederzufinden, gerade wenn man sie von der Masse fast nie hört.

Kategorien passen definitiv nicht in den Diamat; ich habe das
Wort in meiner Diskussion mit Thomas an der Stelle erwähnt,
als es galt Nähen und Fernen des Kantischen und des Marx’schen
Erkenntnissubjekts auszuloten; dass ich da einen Kantischen
Begriff verwenden muss, sagt nicht über den Diamat aus;

Axo, das erklärt es. Ich habe immer den Eindruck, Thomas versucht aus einer kantschen Sicht den Diamat zu erklären. Daher kommt er auch mit diesem Anachronismus nicht weit.
Was hältst du von den Grobzügen meiner Darstellung zum dialektischen Determinismus?: http://physik.kds-nano.com/der%20antagonistische%20W…
Wäre mal ein interessantes neues Thema.

Gruß
Frank

Hallo Frank,

Ich sehe nur eine Frage; was ist die zweite?

was du unter orthodoxem Marxismus verstehst.

ok; das habe ich Dir ja ein wenig mitbeantwortet; „orthodox“ finde ich nicht, am Buchstaben zu kleben, sondern am Sinn bzw. an der Stellung der Theorie in Bezug auf die Praxis (vgl. das, was ich Dir zur Massenbasis gesagt habe). Natürlich könnten wir uns lange über diese Frage streiten, aber ich glaube, das ist relativ müßig

Den Interpretationen eines bürgerlichen Wahlvereins - in
diesem Falle der PCF - würde ich immer skeptisch
gegenüberstehen. Erläuterung unten.

„bürgerlicher Wahlverein“ ist die PCF geworden; Ich habe auch nicht von einer „Interpretation durch die PCF“ gesprochen, sondern betont, dass sie nicht „rein akademisch“ war, nur an den Universitäten statgefunden hat.

Hegelmarxismus hat Schiffbruch erlitten, als in Rußland (die

Was ist „Hegelmarxismus“???

OK, ich meine damit in diesem Zusammenhang vor allem Kautsky, etc.

schwächste ökonomische Macht) Revolution stattfand, nicht wie
vom Hegelmarxismus vorhergesagt in Deutschland (entwickeltste

Hier beginnt das Mißverständnis. Spätestens aus heutiger Sicht
war das weder eine sozialistische noch kommunistische gar
soziale Revolution sondern am ehesten vergleichbar mit einer
kolonialen Befreiung.

Stimme ich Dir absolut zu; aber sie war als proletarische Revolution, welche in Deutschland stattfinden sollte, vom Hegelmarxismus vorhergesagt worden.

Der Zwang zu einer Veränderung war da, nicht aber das
entwickelte und emanzipierte Proletariat. Diese letzte und
alles entscheidende Größe erst ist die Grundvoraussetzung für
eine soziale Revolution.

Damit nimmst Du meines Erachtens eine Position an, die mir zu nahe an der alten Position des Menschewismus steht; Wann wird denn endlich das Proletariat emanzipiert genug sein; Immer nur hinterher zu sagen, dass das Scheitern der Revolution daran lag, dass „das Proletariat nicht emanzipiert genug war“ ist ein bißchen wenig.
In Deutschland war in den 30er Jahren das Proletariat deutlich emanzipierter als in Rußland, der Zwang zur Veränderung war wohl unstrittig auch vorhanden, warum also braun statt rot?

Selbst aus der Ökonomie heraus betrachtet steh die Entwicklung
Russlands und des Ostblocks keinesfalls in irgendeinem
Widerspruch zu Marxens Analysen sondern bestätigt sie
eigentlich vortrefflich. Wenn man die Gedanken zur Ökonomie
bei Trotzki verfolgt:
http://www.marxists.org/deutsch/archiv/trotzki/1928/…
liegt da der Schlüssel zur Analyse bei Tony Cliff:
http://www.marxists.org/deutsch/archiv/cliff/1955/st…
Eigentum wurde nicht aufgehoben sondern verstaatlicht. Dadurch
wurde wieder der Arbeiter von den PM als Eigentümer getrennt,
um den Staat über Wasser zu halten. Die Ausbeutung erfolgte
über den Weltmarkt: typischst kapitalistisch.

Stimme ich Dir vollkommen zu, auch wenn ich mich nicht rein auf Trotzki berufen würde; die Ökonomie des Ostblocks war dem Wertgesetz genauso unterworfen, wie die „kapitalistischen“ Staaten, darum war der Ostblock nur seinem Selbstverständnis nach, seiner „Ideologie“ nach, ein „sozialistischer Staat“, seinem ökonomischen Handeln nach aber eher ein Art von merkantilistischer Kapitalismus. Aus diesem Grund muss die Ausbeutung global beendet werden, oder aber kann nicht beendet werden.

Ökonomie), wo es zum Faschismus kam. 2) stalinistischer
Personenkult, etc. wurde im Zuge der Entstalinisierung selbst
zur „Abweichung“ erklärt; deshalb glaubten Althusser und
andere, der später erst manifest gewordenen „Krise des
Marxismus“ durch eine Rückkehr zu den ursprünglichen
Einsichten Marx’ und Lenins begegnen zu können. Ich halte eine
solche Rückkehr, also eine Neu-Interpretation beider für
unumgänglich, weil ein ganz entscheidender Faktor der Theorie
heute nicht mehr gegeben ist: die Massenbasis; diese wieder zu
erreichen, bedarf es theoretischer Arbeit.

Hier trennt sich Wissenschaft von Ideologie. Marxismus ist
Ideologie. Seine Methodik, die Analyse anhand
materialistischer Dialektik mit anschliessender Synthese, ist
Wissenschaft. Beruhend auf einer in sich geschlossenen, die
Welt interpretierbar machenden Logik. Es ist ein Denksystem,
welches durch die zugefügte Widerspiegelung isomorph zu Hegel
ist, aber weder Transzendenzien noch benötigt noch asuf
Antinomien zurückgreifen muß.

Ok, gerade den letzten Satz finde ich interessant, weil ich ihm duchaus zustimmen würde (wenn ich ihn denn richtig verstehe);
Ich zitiere Dir etwas aus meiner Korrespondenz mit Thomas, weil ich denke, dass dies in die gleiche Richtung geht: „Man muss hier meines Erachtens zwei verschiedene Perspektiven unterscheiden: 1)die hegelmarxistische, die aus der Perspektive Gottes, des reinen Beobachters, so auf Anfang, Ende und damit Sinn (Logik) der Universalgeschichte blickt, als wäre sie nicht mitten in ihr drin; 2) die marxistische, die sich ihres Mitten-Drin-Seins bewusst ist, die die bestehende gesellschaftliche Formation als ein Moment einer größeren geschichtslogischen Einheit auffasst, damit anhand eines zentralen Aspekts der gegenwärtigen Gesellschaftsformation, der Frage, wie der Mehrwert erzeugt wird, ihre „Retentionen“ und „Protentionen“ betrachtet, also (auf der abstrakten Ebene der Dialektik; auf logischer Ebene)zeigt, wo(durch) der Mehrwert in die Welt gekommen ist (durch das Ende des Urkommunismus), welche Stufen sein Form durchlaufen hat (Sklavenhalter-, Feudalgesellschaft, Kapitalismus), und wo(durch) er aus der Welt fallen wird (Kommunismus). Auf dieser logischen Ebene hielt Marx einfach die Wandlungsmöglichkeiten der Form des Mehrwerts für erschöpft, so dass er davon ausgehen musste, dass die nächste Wandlung mit der Vernichtung des Mehrwerts einhergehen müsste. In dieser Variante wird nicht behauptet, dass die erkannte Logik der Sinn der Universalgeschichte, das Absolute, ist, sondern lediglich dass sie eine Rekonstruktion der Genese des Bestehenden darstellt; es dürfte klar geworden sein, dass zwischen 1) und 2) riesige Unterschiede bestehen, und dass 2) durchaus etwas zu bieten hat. An der Differenz zwischen 1) und 2) lasse ich übrigens auch die Differenz zwischen Wissenschaft und Metaphysik (Ideologie) laufen“

Abe dieses Denken ist eine objektive Entwicklung innerhalb der
Gesellschaft!

ja klar!

Indem ich meine logische Denkstruktur
vervollständige, kann ich mir große Mengen an Wissen zuführen
und diese auf einfachste Weise im Kopf verwalten. Ich kann
anhand der Denkstruktur den Großteil meines Wissens vergessen,
da ich ihn unkompliziert wieder herleiten kann. Dieses zu
nutzen ist der moderne Industriearbeiter zwingend angewiesen,
da er sonst seiner Konkurrenz unterliegt.

Das Argument kenne und verstehe ich; darum die Frage der Reife des Proletariats für die Revolution

Es ist völlig unnötig, sich die Arbeit zu machen, eine wie
auch immer geartete Massenbasis auf ideologischer Grundlage zu
errichten. Das Volk findet mit der Entwicklung des
Kapitalismus die Einsicht in die Notwendigkeiten von selbst.

Hier würde ich Dir auch nicht ganz widersprechen, aber genau wie Marx seine theoretische Arbeit ja nicht als Zeitvertreib geleistet hat, greift auch die theoretische Arbeit der Interpretation in diese Struktur ein, weil ja auch theoretische Arbeit als Arbeit zu betrachten ist; Dass ich nicht glaube, eine Theorie entwickeln zu können, der alle folgen werden, wie die Ratten ihrem Rattenfänger, also ohne Unterstützung durch die Entwicklung des Kapitalismus, kannst Du als gewiß betrachten; Aber: theoretische Arbeit ist unverzichtbar (und war es auch für Marx)

Denn dieser ist es, der sämtliche Grundvoraussetzungen für
eine soziale Revolution schafft. Das ist keinesfalls eine
politische Revolution sondern ein zwingend erforderlicher
dialektischer Sprung,

„Sprung“ stimme ich zu; wenn Du unter „Dialektik“ meine oben zitierte 2)-Variante meinst und nicht die 1)-Variante, dann stimme ich auch zu; dass es keine politische Revolution ist, ist mir klar (siehe oben die Frage zum Kapitalismus des Ostblocks)

Änderung der Abläufe auf der Welt vom
System Hegel aufs System von Marx.

Wenn Du damit die Korrektur Marx’ gegen Hegel, dass der preußische Staat eben nicht das Ende der Geschichte darstellt, meinst, dann ja

frag mal ganz vorsichtig im Astrobrett oder in den
Politikbrettern, ob mich dort zufällig einer kennt :o)
Aber geh in Deckung.

War nicht böse gemeint, ich denke auch grundsätzlich nicht, dass im w-w-w überhaupt was „zu holen ist“, aber in den Brettern wie Politik der Geschichte ist Dein passender Ort. (Versteh mich nicht falsch, ich möchte Dich nicht aus der Philosophie vertreiben)

also kannst Du das, was ich hier
schreibe, auch nicht direkt als Angriff auf Deine Position
werten.

So hatte ich das auch nicht verstanden.

Gut. Eben, weil ich philosophiere. Das meinte ich auch mit dem Hinweis auf die Frage, in welchem Brett man schreibt.

Ich hab da immer so meine Problemchen, mich in eine Schublade
stecken zu lassen. Manschmal kam es auch schon vor, dass ich
als für mich gesichert geltende Positionen um 180° gewechselt
habe. Ich versuche, keine toten Pferde zu reiten (obwohl das
nie auszuschliessen ist).
Wenn, dann müßtest du das auch Thießismus nennen nicht
Marxismus, da ich zu vielen Ansichten aufgrund der Kenntnis
der Methodik ohne Marx gekommen bin. Im Gegenteil hab ich
eigentlich immer nur bei ihm die eigenen Erkenntnisse
verifiziert und war erstaunt, dort eigene Aussagen oft
ausführlicher wiederzufinden, gerade wenn man sie von der
Masse fast nie hört.

Ist klar, aber wie kann man Wasser schöpfen, ohne es in ein Gefäß zu pressen; erst beim Ausgießen kann es wieder fließen

Was hältst du von den Grobzügen meiner Darstellung zum
dialektischen Determinismus?:
http://physik.kds-nano.com/der%20antagonistische%20W…
Wäre mal ein interessantes neues Thema.

Ich werde es mir bestimmt mal durchlesen, bin aber im Moment etwas zeitlich sehr eingespannt. Also es dauert ein wenig.

Viele Grüße
franz

Gebrauch und Reflexion
Hallo Franz,

Stimmt meines Erachtens durchaus, aber: erstens muss sich doch
derjenige, der sich am „gängigen Gebrauch eines Wortes“
orientiert ganz genauso rechtfertigen: natürlich nicht für
jeden Gebrauch, aber für das Prinzip; diese Rechtfertigung
versucht die ordinary language philosophy ja auch zu leisten.

ich sehe mich keineswegs als Vertreter der OLP. Es geht einfach darum, dass man nicht mehr verstanden wird, wenn man sich nicht am normalen Gesprächsgebrauch orientiert (natürlich im jeweiligen Umfeld). Im fachlichen Umfeld ist das natürlich ganz anders als im umgangssprachlichen. Und wenn es keine Einigung gibt, dann diskutiert man eben zuvor über die genaue bzw. dort übliche Verwendung.

ein Nebeneinander von
Umgangssprache und fachspezifischer Frage ist undenkbar

Warum? Es kommt doch auf das Umfeld an. Wenn ich Philosophielaien mit „Kategorien“ oder „Dialektik“ komme, verstehen sie es erst nicht. Wenn ich es aber erklärt habe, verstehen sie es schon. Dabei gibt es natürlich auch wieder verschiedene Ebenen der Unterhaltung. Mit einem Kantexperten redet man anders als mit einem Hegelexperten, sofern man selbst das eine oder andere jeweils ist.

wissenschaftliche Praxis ist soziale Praxis.

Das mag sein, aber sie ist keine (hinreichende) Theorie, und da Theorie Wissenschaft ist, Praxis aber nicht, ist sie keine Wissenschaft.

der abstrakte Begriff (also auch die abstrakte Wahrnehmung) wirkt
als wissenschaftlicher/umgangssprachlicher in der Realität,
sorgt für die Reproduktion des Bestehenden:

Das ist richtig, die Wirkung muss aber vom Gebrauch (also von der Bedeutung) unterschieden werden.

Ja, das ist richtig, aber ich lehne die Dialektik nicht gänzlich
ab, sondern ich lehne die Dialektik als zwingende ab.

gehe ich mit!
Du bist leider nicht auf meine beiden Varianten der Dialetik
eingegangen, aber ich nehme an, dass Variante 2) dieser
„nicht-zwingenden Dialektik“ wohl nahekommt

Meinetwegen, aber wie du würde ich das Ganze auch nicht überbewerten wollen.

Totalitarismusthese (nicht nur in der Arendtschen Version)

Lass uns das mal bitte ausblenden, ich bin im Moment etwas in Zeitdruck, und das wird mir zu viel. Wir können ja später das nochmal aufgreifen.

Deine schroffe Ablehnung werte ich insgeheim als Zustimmung;

Au weia, sie sollte gar nicht schroff sein, ich meine das überhaupt nicht persönlich.

der „Sprung“ hat nicht mit Ablehnung von Begründung zu tun!!!
Es geht prinzipiell darum: Während die „bürgerliche“
Philosophie von einem Erkenntnissubjekt ausgeht, das
prinzipiell alles Erkennbare erkennen kann, also voraussetzt
(!), dass jeder Mensch grundsätzlich das erkennen kann, was
ein anderer Mensch auch erkennen kann, ist das
Erkenntnissubjekt des Marxismus ein anderes;

Wenn das eine eine Grundannahme ist, ist es das andere auch. Wenn man also darüber einen Konsens erreichen möchte, muss man darüber diskutieren, welche von beiden Annahmen die wahrscheinlichere ist. Man muss also begründen, warum man jeweils seine Grundannahme macht. Was also spricht für die These, dass jeder alles erkennen kann? Nun, dafür spricht die Einheitlichkeit der Erklärungsmuster, die universell sind, eben weil sie logisch bzw. begründet sind. Wenn ich hingegen an einer bestimmten Stelle nicht in der Lage bin, etwas zu erkennen, dann kann ich es mir doch sehr wohl durch Begründung erarbeiten. Mit der anderen Herangehensweise bin ich festgelegt und habe keine Chance. Möchtest du das allen Ernstes behaupten?

Auch bei Marx geht es doch um das Selbstdenken nicht anders als bei Sokrates, oder? Das ist doch das, was ein Denken zur Philosophie macht, und gerade insofern ist ja Marx auch Philosoph, eben als „früher Marx“. Als später Marx hat er sich dann eben von der Philosophie entfernt, sie aufgegeben, man könnte auch sagen: axiomatisiert. Und hier sehe ich Land für einen Konsens zwischen uns. Marxens späte Schriften kann ich als politische und damit eben angewandte Philosophie durchaus gelten lassen, ich würde sie aber für verfehlt halten und eigentlich auch nicht für philosophisch und damit nicht für wissenschaftlich, weil sie ihre Axiome nicht kritisieren lassen wollen. Sie gelten eben. Basta. - Und das ist eine zutiefst unphilosophische Haltung. Das ist übrigens auch ein Einwand gegen die Logistik, die du ja auch ablehnst. Sie ist zwar richtig, stellt aber ihre Voraussetzungen nicht zur Disposition bzw. nur in Ausnahmesituationen oder spielerisch. (Das ist jetzt sehr kurz formuliert, aber vielleicht verstehst du mich ja trotzdem.)

ich würde aber zumindest
darauf bestehen, dass es von seiner Position im Verhältnis zum
Gesamten der Gesellschaft abhängt);

Du meinst, dass man nicht Philosophieren kann, wenn man am Fließband stehen muss, um Geld zu verdienen? Das bezweifle ich. Ich kenne einige Menschen, die das sehr wohl können, jedenfalls prinzipiell, sofern sie sich Mühe geben, Begründungsverhalten zu lernen.

Grunddifferenz, aber doch kein „Rückfall hinter Sokrates“!!!
Schon bei Hegel ist das Erkenntnissubjekt historizistisch
eingerahmt, kann der alte „Römer“ nicht das selbe erkennen wie
der „Preuße“;

Aber das gilt nicht prinzipiell, sondern empirisch - und damit zufällig. Geschichte ist kein Gesetz. Das ist bei Hegel genauso falsch wie bei Marx.

ich verstehe nicht,
inwiefern dies an Religion erinnert; im Gegensatz zur
„bürgerlichen“ Wissenschaft versucht der Marxismus zu
erklären, warum es hier keinen Konsens geben kann (was ja
faktisch stattfindet und damit erklärungsbedürftig ist!),

Aus meiner Sicht ist das eben überhaupt keine Erklärung, sondern
Abschottung, eben weil die Prämissen nicht stimmen bzw. nicht reflektiert werden. Ohne diese Reflexion gibt es keine Erklärung, sondern nur eine Pseudo-Erklärung (ist wieder nicht schroff gemeint).
Dass im Marxismus diese Begründung fehle, ist der Begründungsversuch der anderen Seite. Jetzt müsste man eben wieder über die beiden Begründungsversuche diskutieren. Und indem man das macht, ist man schon auf der nichtmarxistischen Seite (in diesem Punkt).

während Du einfach voraussetzt, dass Konsens prinzipiell
möglich sein muss; warum kann der Marxismus deshalb nicht als
Wissenschaft „ernst genommen werden“?

Ich setze es nicht voraus, sondern meine, dass die Begründungsfunktion dadurch besser ist, weil man nicht auf sie verzichten kann, weil sie reflexiv begründet werden kann (Stichworte: Apels Transzendentalpragmatik, Habermas Universalpragmatik).

Herzliche Grüße und mit gespannter Erwartung auf deine Replik

Thomas Miller

Hallo Thomas,

ich sehe mich keineswegs als Vertreter der OLP.

Wollte ich Dir auch nicht unterstellen; habe die OLP nur als hier passendes Beispiel genommen.

Es geht
einfach darum, dass man nicht mehr verstanden wird, wenn man
sich nicht am normalen Gesprächsgebrauch orientiert (natürlich
im jeweiligen Umfeld). Im fachlichen Umfeld ist das natürlich
ganz anders als im umgangssprachlichen. Und wenn es keine
Einigung gibt, dann diskutiert man eben zuvor über die genaue
bzw. dort übliche Verwendung.

richtig, gar keine Frage! Nur gebe ich zu bedenken, dass es weder d i e Fachsprache, noch d i e Umgangssprache gibt, sondern dass dort alle möglichen Begrifflichkeitssysteme nebeneinanderstehen; und außerdem kann sich ein Fachdiskurs niemals ausschließlich an der Umgangssprache orientieren, sondern muss immer zu einem bestimmten Quantum am jeweiligen Fachdiskurs anschließen, einfach weil er die (Begriffs-)Geschichte seines Diskurses kennen muss, um nicht bloß ständig das längst Gesagte zu wiederholen; richtig aber ist, dass die Umgangssprache die Verständigungsbasis darstellt.

ein Nebeneinander von
Umgangssprache und fachspezifischer Frage ist undenkbar

Warum? Es kommt doch auf das Umfeld an. Wenn ich
Philosophielaien mit „Kategorien“ oder „Dialektik“ komme,
verstehen sie es erst nicht. Wenn ich es aber erklärt habe,
verstehen sie es schon. Dabei gibt es natürlich auch wieder
verschiedene Ebenen der Unterhaltung. Mit einem Kantexperten
redet man anders als mit einem Hegelexperten, sofern man
selbst das eine oder andere jeweils ist.

So habe ich es ja gemeint; ein Nebeneinander ist deshalb undenkbar, weil beide „Sprachen“ ständig ineinander verwoben sind, also, wenn Du dem Laien die Dialektik erklären willst, musst Du auf zuerst auf die Umgangssprache zurückgehen, um ihn mit in die Fachsprache nehmen zu können (umgekehrt übrigens genauso: so bekommt ein neu entdecktes Phänomen einen Begriff der Umgangssprache bzw. einen durch den Zeichenvorrat der Umgangssprache verständlichen Neologismus); und Dein Argument mit den „verschiedenen Ebenen“ sehe ich als meinem Argument der „Pluralität von Begrifflichkeitssystemen“ nahe.

wissenschaftliche Praxis ist soziale Praxis.

Das mag sein, aber sie ist keine (hinreichende) Theorie, und
da Theorie Wissenschaft ist, Praxis aber nicht, ist sie keine
Wissenschaft.

Das ist schon klar, trifft aber nicht das, was ich damit meine; Ich versuche es anders; gerade wegen der Tatsache, dass Fach- und Umgangssprachen (im Plural) nicht rein nebeneinander laufen können, sind alle Begriffssysteme (nicht: einzelne Begriffe!) grundsätzlich überdeterminiert: ihre semantische Reichweite ist nicht auf auf die Fachsprache als eine gänzlich von der Umgangssprache abgetrennte „künstliche Sprache“ zu beschränken; also wird die Begrifflichkeit eines Fachdiskurses genauso von der Entwicklung der Umgangssprache beeinflußt, wie auch umgekehrt; die Frage von Theorie und Praxis wollte ich hier gar nicht anschneiden.

der abstrakte Begriff (also auch die abstrakte Wahrnehmung) wirkt
als wissenschaftlicher/umgangssprachlicher in der Realität,
sorgt für die Reproduktion des Bestehenden:

Das ist richtig, die Wirkung muss aber vom Gebrauch (also von
der Bedeutung) unterschieden werden.

Ja! (würde gerade auch Marx sagen)

Totalitarismusthese (nicht nur in der Arendtschen Version)

Lass uns das mal bitte ausblenden, ich bin im Moment etwas in
Zeitdruck, und das wird mir zu viel. Wir können ja später das
nochmal aufgreifen.

Lassen wir das ganz weg; es war anfangs ja nur ein beiläufige Bemerkung.

der „Sprung“ hat nicht mit Ablehnung von Begründung zu tun!!!
Es geht prinzipiell darum: Während die „bürgerliche“
Philosophie von einem Erkenntnissubjekt ausgeht, das
prinzipiell alles Erkennbare erkennen kann, also voraussetzt
(!), dass jeder Mensch grundsätzlich das erkennen kann, was
ein anderer Mensch auch erkennen kann, ist das
Erkenntnissubjekt des Marxismus ein anderes;

Wenn das eine eine Grundannahme ist, ist es das andere auch.
Wenn man also darüber einen Konsens erreichen möchte, muss man
darüber diskutieren, welche von beiden Annahmen die
wahrscheinlichere ist.

Richtig, das sind Grundannahmen, die Marx (und Freud; auch Heidegger, etc.) von den „anerkannten“ Positionen trennen. Aber es kann hier nicht um Wahrscheinlichkeit gehen; es geht wohl vielmehr um die Frage, ob man zu Recht voraussetzen kann, dass es so etwas wie den Menschen gibt (jenseits aller biologischen „Spezies“), oder ob man das nicht kann. Diese Voraussetzung zu machen, halte ich für Metaphysik, weil inmitten eines Diskurses vom Diskurs abstrahiert wird und auf den Träger des Diskurses geschlossen wird (den Mensch als Sprecher; darum Heideggers Kritik an der Vorstellung des animal rationale). Marx und die Genannten streiten ja nicht ab, dass unter bestimmten Bedingungen, diese Situation, dass alle Menschen gleich erkennen können, erreicht werden kann, sie setzen sie lediglich nicht von vorneherein spekulativ voraus.
Du hast also mit Deinem Argument der „Wahrscheinlichkeit“ recht, wenn Du darunter verstehst, dass man darüber streiten kann, wie die Verständigung der Menschen empirisch zu beurteilen ist; die Frage, ob man eine solche Voraussetzen setzen kann, ist aber weder mit Empirie noch mit Wahrschienlichkeitsbetrachtungen einzuholen;

Man muss also begründen, warum man
jeweils seine Grundannahme macht. Was also spricht für die
These, dass jeder alles erkennen kann? Nun, dafür spricht die
Einheitlichkeit der Erklärungsmuster, die universell sind,
eben weil sie logisch bzw. begründet sind.

Nein, auf der Basis, dass sich h e u t e in der westlichen Welt außerhalb der geschlossenen Anstalten und oberhalb eines bestimmten Bildungsniveaus universelle Erklärungsmuster und die „Gesetze“ der Logik finden lassen, lässt doch noch lange nicht darauf schließen, dass dies aus der (natürlichen) Ausstattung des Erkenntnissubjekts entstammt; Was machen wir mit dem „Geisteskranken“, dessen Erklärungsmuster alles andere als „logisch sind“? Ist er deshalb schon kein Mensch mehr? Definitiv kann er jedenfalls nicht alles erkennen, anderes aber vielleicht schon, was wir nicht erkennen können.

Wenn ich hingegen
an einer bestimmten Stelle nicht in der Lage bin, etwas zu
erkennen, dann kann ich es mir doch sehr wohl durch Begründung
erarbeiten. Mit der anderen Herangehensweise bin ich
festgelegt und habe keine Chance. Möchtest du das allen
Ernstes behaupten?

Ja allerdings; ich sehe nicht, wie „man sich alles erarbeiten kann“; ich verstehe auch gar nicht, warum man das nicht behaupten könnte; geifen wir als Beispiel nochmal zum „Geisteskranken“: nur derjenige, der eine bestimmte Disposition erworben hat, kann jemals erkennen, was paranoider Verfolgungswahn ist; wir, die wir diese Disposition nicht haben, können lediglich dessen Beschreibung in unsere Wahrnehmungsmuster pressen und dann über die Symptomatiken dieses „Leidens“ sprechen, nicht aber erkennen, wie es der Paranoiker erlebt, also was es für ihn ist; Du wirst nun vielleicht sagen: das ist die normale Problematik des Fremd-Verstehens; das ist es zum Teil auch, aber eben auch viel mehr, weil eben der Paranoiker „Dinge“ erkennen kann, die andere nicht erkennen können, „Dinge“ über deren tatsächliche Realität wir nicht so leicht ein Urteil fällen können; (bitte hänge Dich nicht an diesem Beispiel auf; es ist anschaulich, aber trifft nicht genau meinen Punkt, weil wir teilweise zu Recht dem Geisteskranken Wahn unterstellen können) Und wenn Marx sagt, dass man den Kapitalismus in seiner Gänze, damit in seiner Überwindbarkeit, erst in der Konstellation eines bestimmten „Ausbildungsniveaus“ in Verbindung mit erfahrener Verelendung und Hoffnungslosigkeit erkennen kann, dann würde ich zwar der von ihm bestimmten Konstellation (die natürlich mehr umfasst, als das was ich gerade genannt habe) widersprechen, aber sein Grundargument, dass die Erkenntnisleistung nicht „angeboren“ ist, dem Erkennen als Transzendental vorausgeht, halte ich nicht für „unwissenschaftlich“. Und mit Religion hat das Ganze schon deshalb nichts zu tun, weil diese entweder der Meinung ist, prinzipiell könne jeder Mensch glauben/Gott erkennen, oder aber im anderen Extrem von „Auserwählung“ ausgeht. Beides greift also eher zu der Position einer „Grundausstattung“ des Erkenntnissubjekts.

Auch bei Marx geht es doch um das Selbstdenken nicht anders
als bei Sokrates, oder? Das ist doch das, was ein Denken zur
Philosophie macht, und gerade insofern ist ja Marx auch
Philosoph, eben als „früher Marx“.

Der frühe Marx geht von der Position des „Erkenntissubjekts“, das prinzipiell alles erkennen kann, aus; Wenn es faktisch heute dies nicht kann, ist dies seiner Entfremdung geschuldet; im Kommunismus wird es dies wieder können. Das ist für mich zutiefst religiös: Paradies -> Sündenfall -> Erlösung; (bei Hegel das gleiche Muster) erst der späte Marx, der sich von Feuerbach und Hegel gelöst hat, nimmt die von mir gezeigte Position an, das heißt, er setzt nicht mehr voraus, dass das Faktische ein Mangel ist, der sich einem Sündenfall verdankt, und wieder behoben werden kann. Das finde ich einen unglaublichen Fortschritt, weshalb meines Erachtens diese Marx’sche Entdeckung (auch: Freudsche, Heideggersche, poststrukturalistische, etc. Entdeckung) unhintergehbar ist, einfach weil sie nicht ein Dogma errichtet, sondern im Gegenteil eines bricht.

Als später Marx hat er sich
dann eben von der Philosophie entfernt, sie aufgegeben, man
könnte auch sagen: axiomatisiert.

siehe oben. Wenn für dich Philosophie notwendig an die genannte Voraussetzung gebunden ist, dann ja. Und das würde ja auch der Meinung Marx’ entsprechen (der die Philosophie seinem Selbstverständnis nach beendet hat). Für mich ist Philosophie aber etwas mehr, nämlich die Reflektion der Wissenschaften bzw. der Begrifflichkeitssysteme; dass sie dabei an Begründungen gebunden ist, bestreite ich überhaupt nicht, lediglich, dass es Begründungen gibt, die zum Konsens führen m ü s s e n, wohl aber führen können. Übrigens. Den Vorwurf der Axiomatisierung teile ich nicht, eher sehe dessen genaues Gegenteil.

Und hier sehe ich Land für
einen Konsens zwischen uns. Marxens späte Schriften kann ich
als politische und damit eben angewandte Philosophie durchaus
gelten lassen, ich würde sie aber für verfehlt halten und
eigentlich auch nicht für philosophisch und damit nicht für
wissenschaftlich, weil sie ihre Axiome nicht kritisieren
lassen wollen.

Das sehe ich wie gesagt ganz anders. Natürlich können diese „Axiome“ kritisiert und diskutiert werden, aber eben nicht einfach durch ein anderes „Axiom“ (Ich würde es lieber „Voraussetzung“ nennen) ersetzt werden, aber das ich doch keine Eigenheit des Marxismus.

Sie gelten eben. Basta. - Und das ist eine
zutiefst unphilosophische Haltung.

Man kann natürlich Marx so interpretieren! Von daher gebe ich Dir ja durchaus Recht; dass er auch so interpretiert worden ist und wird ist auch richtig; dass er möglicherweise (da bin ich gar nicht sicher) sogar damit als Staats-„Religion“ dienen musste, stimmt auch, aber hat nicht etwa für Aristoteles im Mittelalter nicht das ganz Gleiche gegolten? Warum also reden wir über Aristoteles noch heute? Weil wir ihn so interpretieren, dass er philosophisch zu verstehen ist. Warum bei Marx nicht? Und Du wirst nicht behaupten können, dass ich eine Basta-Haltung an den Tag lege; dennoch stehe ich auf dem Boden des späten Marx.

Das ist übrigens auch ein
Einwand gegen die Logistik, die du ja auch ablehnst. Sie ist
zwar richtig, stellt aber ihre Voraussetzungen nicht zur
Disposition bzw. nur in Ausnahmesituationen oder spielerisch.
(Das ist jetzt sehr kurz formuliert, aber vielleicht verstehst
du mich ja trotzdem.)

Verstehe ich. Und teile ich. Darum meine Kritik an dem Marx-Verständnis, das so vorgeht. Für dieses Verständnis trifft Deine Kritik vollkommen zu. Ich glaube hier haben wir einen ersten Konsens erreicht!

ich würde aber zumindest
darauf bestehen, dass es von seiner Position im Verhältnis zum
Gesamten der Gesellschaft abhängt);

Du meinst, dass man nicht Philosophieren kann, wenn man am
Fließband stehen muss, um Geld zu verdienen? Das bezweifle
ich. Ich kenne einige Menschen, die das sehr wohl können,
jedenfalls prinzipiell, sofern sie sich Mühe geben,
Begründungsverhalten zu lernen.

Nein, das trifft nicht die Sache. Es geht eher darum, dass man seiner Position gemäß bestimmte Erfahrungen macht, bestimmte Haltungen annimmt, ein bestimmtes Seblbtverständnis erwirbt, ein bestimmtes Verhältnis zu seiner eigenen Zukunft (gute/schlechte Aussichten, etc.) erlangt, etc. Diese „Dinge“ wirken quasi als „Kategorien“ der Wahrnehmung. Ungefähr so könnte man das Erkenntnissubjekt bei Marx verstehen (feilich nicht so „psychologistisch“, wie mein Beispiel)
Nun ist es heute in Westeuropa nicht mehr der Fall, dass die großen Scheidelinien entlang der Berufsarbeit verlaufen, von daher ist Dein Beispiel nicht mehr zutreffend. Übrigens: selbstverständlich kann jeder Philosophieren als Technik lernen, aber das was er philosophiert, kann nicht an seinen „Kategorien“, damit an seiner gesellschaftlichen Position, vorbeilaufen.

Grunddifferenz, aber doch kein „Rückfall hinter Sokrates“!!!
Schon bei Hegel ist das Erkenntnissubjekt historizistisch
eingerahmt, kann der alte „Römer“ nicht das selbe erkennen wie
der „Preuße“;

Aber das gilt nicht prinzipiell, sondern empirisch - und damit
zufällig. Geschichte ist kein Gesetz. Das ist bei Hegel
genauso falsch wie bei Marx.

Richtig; bei Hegel völlig falsch; bei Marx falsch, wenn man ihn hegelianisch interpretiert; darum meine Unterscheidung der Dialektik in zwei Varianten! Geschichte ist immer gesetzlos („zufällig“ wäre mir zu stark): sie kann auf keinem Gesetz ruhen; Gesetze und damit Notwendigkeiten können immer nur in der Geschichte und von der Geschichte hervorgebracht werden. Die Variante 2) der Dialektik, die ich für genuin Marxistisch halte, erkennt dies an. Wer Geschichte als Gesetz begreift, betreibt Theologie, nicht Philosophie, weil er das Gesetz in der Geschichte aus der Geschichte herausnimmt und zu ihrem Fundament macht

ich verstehe nicht,
inwiefern dies an Religion erinnert; im Gegensatz zur
„bürgerlichen“ Wissenschaft versucht der Marxismus zu
erklären, warum es hier keinen Konsens geben kann (was ja
faktisch stattfindet und damit erklärungsbedürftig ist!),

Aus meiner Sicht ist das eben überhaupt keine Erklärung,
sondern
Abschottung, eben weil die Prämissen nicht stimmen bzw. nicht
reflektiert werden. Ohne diese Reflexion gibt es keine
Erklärung, sondern nur eine Pseudo-Erklärung (ist wieder nicht
schroff gemeint).

Dass es Abschottung sein kann, gebe ich zu; das es aber nicht nur Abschottung ist, habe ich wohl in diesem Posting ausführlich gezeigt.

während Du einfach voraussetzt, dass Konsens prinzipiell
möglich sein muss; warum kann der Marxismus deshalb nicht als
Wissenschaft „ernst genommen werden“?

Ich setze es nicht voraus, sondern meine, dass die
Begründungsfunktion dadurch besser ist, weil man nicht auf sie
verzichten kann, weil sie reflexiv begründet werden kann
(Stichworte: Apels Transzendentalpragmatik, Habermas
Universalpragmatik).

Also Du meinst, man bräuchte sie als „kontrafaktische Unterstellung“? Meine Kritik an Apel und Habermas wäre aber, dass diese „k.U. einer idealen Sprechsituation“ keineswegs alles Sprechen begleiten m u s s; mit der Setzung diese „Muss“ wird meines Erachtens nur die genannte Voraussetzung eines Erkenntnisobjekts, das prinzipiell alles erkennen könnte, auf eine „höhere Stufe“ gelegt, nicht aber mit ihm gebrochen

Viele Grüße
franz

Konsense :smile:
Hallo Franz,

Das ist richtig, die Wirkung muss aber vom Gebrauch (also von
der Bedeutung) unterschieden werden.

Ja! (würde gerade auch Marx sagen)

hier vermute ich jetzt einmal, dass das die Anhänger des Anti-Dühring anders sehen. Denn die Polemik, die man darin finden kann, funktioniert gerade auf dieser Basis.

Wenn das eine eine Grundannahme ist, ist es das andere auch.
Wenn man also darüber einen Konsens erreichen möchte, muss man
darüber diskutieren, welche von beiden Annahmen die
wahrscheinlichere ist.

Richtig, das sind Grundannahmen, die Marx (und Freud; auch
Heidegger, etc.) von den „anerkannten“ Positionen trennen.

Ich wollte eigentlich nicht darauf hinaus, dass es Grundannahmen sind, sondern ich wollte darauf hinaus, wie man differierende Grundannahmen konsensfähig machen kann.

die Frage, ob man zu Recht voraussetzen kann,
dass es so etwas wie den Menschen gibt

Die Unmöglichkeit allumfassender Anthropologie setzt ja nicht zwingend das Ergebnis fest, dass man gar nicht mehr vom „Menschen“ sprechen kann.

Diese Voraussetzung zu machen, halte ich für Metaphysik, weil
inmitten eines Diskurses vom Diskurs abstrahiert wird und auf
den Träger des Diskurses geschlossen wird (den Mensch als
Sprecher; darum Heideggers Kritik an der Vorstellung des
animal rationale).

Ich verstehe dein Argument nicht ganz. Dass es Metaphysik ist, würde ich auch so sehen, aber ich würde dem keinen pejorativen Charakter beimessen, sondern es eher als Versuch verstehen. Außerdem ist ja die Vorstellung, dass alles Metaphysische falsch ist, weil eben nur Physisches existiere (in welcher Formulierung auch immer) genau so ein Vorurteil. Heideggers Kritik an der genannten Vorstellung hängt aus meiner Sicht damit nicht zusammen. Die findet sich vielmehr in der durch Prauss wie mir scheint richtig als verfehlt nachgewiesenen Einheit von Erkennen und Handeln.

Marx und die Genannten streiten ja nicht
ab, dass unter bestimmten Bedingungen, diese Situation, dass
alle Menschen gleich erkennen können, erreicht werden kann,
sie setzen sie lediglich nicht von vorneherein spekulativ voraus.

Man muss aber ergänzen, dass sie es durch eine andere Spekulation ersetzen, und die Aufgabe der Philosophie wäre hier eine Konsensbildung durch Begründung bzw. Rückgriff auf die zugrundegelegten Voraussetzungen.

die Frage, ob man eine solche Voraussetzen
setzen kann, ist aber weder mit Empirie noch mit
Wahrschienlichkeitsbetrachtungen einzuholen;

Ganz einverstanden.

Nein, auf der Basis, dass sich h e u t e in der westlichen
Welt außerhalb der geschlossenen Anstalten und oberhalb eines
bestimmten Bildungsniveaus universelle Erklärungsmuster und
die „Gesetze“ der Logik finden lassen, lässt doch noch lange
nicht darauf schließen, dass dies aus der (natürlichen)
Ausstattung des Erkenntnissubjekts entstammt; Was machen wir
mit dem „Geisteskranken“ , dessen Erklärungsmuster alles andere
als „logisch sind“? Ist er deshalb schon kein Mensch mehr?

Die Antwort hast du selbst formuliert, ich habe die entscheidenden Passagen in deinem Absatz hervorgehoben. Wir schließen den Geisteskranken als pathologisch für die Bestimmung aus, weil wir bevor wir versuchen, das Anormale zu katalogisieren, das Normale einordnen müssen. Ob sich dann im Nachhinein Anormales doch noch integrieren lässt, ist wieder eine andere Frage.

geifen wir als Beispiel nochmal zum „Geisteskranken“: …

Das ist der falsche Ansatz. Wir müssen zunächst einen Konsens auf kleinstmöglichem Territorium erarbeiten.

weil eben der Paranoiker „Dinge“ erkennen kann, die
andere nicht erkennen können,

Dein Begriff des Erkennens scheint mir unangemessen. Wenn ich Halluzinationen erlebe, erkenne ich doch nicht, sondern erlebe eben. Und dieses Erlebnis unterscheidet sich von der Erkenntnis ganz wesentlich durch seine Punktualität einerseits und im Falle des regelmäßigen Auftretens im pathologischen Fall durch die Objektivierbarkeit.

sein Grundargument, dass die Erkenntnisleistung nicht „angeboren“
ist, dem Erkennen als Transzendental vorausgeht, halte ich nicht für
„unwissenschaftlich“.

Das würde ich auch nicht behaupten, die Erkenntnisleistung ist nicht angeboren, sondern wird erworben.

Und mit Religion hat das Ganze schon deshalb nichts zu tun,

Meine Kennzeichnung als Religion bezog sich darauf, dass man laut Diamat Grundpositionen nicht kritisieren darf, wie das eben in Religionen auch der Fall ist.

Der frühe Marx geht von der Position des „Erkenntissubjekts“,
das prinzipiell alles erkennen kann, aus; Wenn es faktisch
heute dies nicht kann, ist dies seiner Entfremdung geschuldet;
im Kommunismus wird es dies wieder können. Das ist für mich
zutiefst religiös: Paradies -> Sündenfall -> Erlösung;

Dass Marx das so sieht, meine ich auch, nur ich meine es nicht.

Das finde ich einen
unglaublichen Fortschritt, weshalb meines Erachtens diese
Marx’sche Entdeckung (auch: Freudsche, Heideggersche,
poststrukturalistische, etc. Entdeckung) unhintergehbar ist,
einfach weil sie nicht ein Dogma errichtet, sondern im
Gegenteil eines bricht.

Der Fortschritt liegt - wenn überhaupt - darin, dass man seine Voraussetzungen befragt. Das wussten freilich andere auch schon früher, nur dass sie eben nicht die Gesellschaft als die wesentliche Komponente annahmen.

Und das würde ja
auch der Meinung Marx’ entsprechen (der die Philosophie seinem
Selbstverständnis nach beendet hat).

Das haben schon viele behauptet, ich denke an Hegel und Wittgenstein, ok da liegt Marx mittendrin im Trend. Aber Philosophie kann man eben nicht beenden, sondern nur vermeiden (wenn man möchte). Allerdings verlässt man dann nur die Philosophie zugunsten von wesentlich unsichereren Kandidaten (um mich vorsichtig auszudrücken).

Für mich ist Philosophie aber etwas mehr, nämlich die Reflektion der
Wissenschaften bzw. der Begrifflichkeitssysteme;

Das würde ich in die Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie, also in die Philosophie einschließen, auch ohne Marx. Und wenn du die genannte Position nicht teilst, dann habe ich wieder ein Problem damit, warum du dich als Marxist verstehen möchtest.

dass es Begründungen gibt, die zum Konsens führen
m ü s s e n, wohl aber führen können.

Von Müssen habe ich nicht gesprochen, sondern von einem Konsensversuch. Wenn es nicht geht, ist es auch ok, aber man muss es doch zumindest versuchen. Und das - das war meine Position - geht nur auf der Grundlage von Reflexion der Grundlagen, also im nichtmarxistischen Umfeld (wenn man eben den späten Marx als philosophischen Dissidenten sehen will).

Übrigens. Den Vorwurf der Axiomatisierung teile ich nicht, eher sehe
dessen genaues Gegenteil.

Zufall?

Das sehe ich wie gesagt ganz anders. Natürlich können diese
„Axiome“ kritisiert und diskutiert werden, aber eben nicht
einfach durch ein anderes „Axiom“ (Ich würde es lieber
„Voraussetzung“ nennen) ersetzt werden, aber das ich doch
keine Eigenheit des Marxismus.

Also: Kritisieren wir - wie in meinem letzten Posting angefangen - die jeweiligen Voraussetzungen.

Sie gelten eben. Basta. - Und das ist eine
zutiefst unphilosophische Haltung.

Man kann natürlich Marx so interpretieren! Von daher gebe ich
Dir ja durchaus Recht; dass er auch so interpretiert worden
ist und wird ist auch richtig; dass er möglicherweise (da bin
ich gar nicht sicher) sogar damit als Staats-„Religion“ dienen
musste, stimmt auch,

Halten wir das bitte als Konsens fest.

aber hat nicht etwa für Aristoteles im
Mittelalter nicht das ganz Gleiche gegolten? Warum also reden
wir über Aristoteles noch heute? Weil wir ihn so
interpretieren, dass er philosophisch zu verstehen ist. Warum
bei Marx nicht?

Das liegt daran, dass für die meisten - für mich gar nicht - Marx gefühlsmäßig zu sehr mit dem DDR-System verbunden ist, dass der Schock über den Zusammenbruch noch nicht überwunden ist. Es gibt aber sehr wohl inzwischen (nach einem gewissen Einbruch) wieder genügend Publikationen, die hier Versuche starten. Ich bin überhaupt nicht der Meinung, dass man Marx nicht interpretieren sollte. Aber ich bin der Meinung, dass der Anti-Dühring und „Materialismus und Empiriokritizismus“ in der Philosophie keinen Platz haben sollten, eben weil sie unphilosophisch sind, sich also nur als Philosophie ausgeben.

Und Du wirst nicht behaupten können, dass ich
eine Basta-Haltung an den Tag lege;

Ich sagte doch, dass ich deine Art mag. :smile:

dennoch stehe ich auf dem Boden des späten Marx.

Auf welche Marxtexte würdest du dich positiv beziehen wollen?

Nein, das trifft nicht die Sache. Es geht eher darum, dass man
seiner Position gemäß bestimmte Erfahrungen macht, bestimmte
Haltungen annimmt, ein bestimmtes Seblbtverständnis erwirbt,
ein bestimmtes Verhältnis zu seiner eigenen Zukunft
(gute/schlechte Aussichten, etc.) erlangt, etc. Diese „Dinge“
wirken quasi als „Kategorien“ der Wahrnehmung. Ungefähr so
könnte man das Erkenntnissubjekt bei Marx verstehen (feilich
nicht so „psychologistisch“, wie mein Beispiel)

Das wäre jetzt in der Tat mein Einwand gewesen.

Geschichte ist immer gesetzlos
(„zufällig“ wäre mir zu stark)

Sehr gut.

Wer Geschichte als Gesetz begreift,
betreibt Theologie, nicht Philosophie, weil er das Gesetz in
der Geschichte aus der Geschichte herausnimmt und zu ihrem
Fundament macht

Nochmal: Sehr gut! Die Konsense :smile: häufen sich.

Meine Kritik an Apel und Habermas wäre aber,
dass diese „k.U. einer idealen Sprechsituation“ keineswegs
alles Sprechen begleiten m u s s;

Das sehe ich auch so: Nur wenn man einen vernunftmäßigen Konsens anstrebt.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Hallo Thomas,

vorab: Ich habe es hier leider wieder nicht geschafft, ausgiebig zu kürzen; allmählich aber sollten wir uns auf einige wenige Kernpunkte beschränken, weil sonst die Übersicht verloren geht; außerdem natürlich die Zeitfrage

Richtig, das sind Grundannahmen, die Marx (und Freud; auch
Heidegger, etc.) von den „anerkannten“ Positionen trennen.

Ich wollte eigentlich nicht darauf hinaus, dass es
Grundannahmen sind, sondern ich wollte darauf hinaus,
wie man differierende Grundannahmen konsensfähig machen
kann.

Eine Konsensmöglichkeit sehe ich nur darin, solche Grundannahmen auf ihren Grund zurückzuführen ad infinitum; das heißt: es geht ja in der Philosophie auch gar nicht darum, einen allgemeinen Konsens erreichen zu können, sondern darum, miteinander im Gespräch bleiben zu können, was natürlich viele kleine „Konsense“ voraussetzt; aber diese sind völlig jenseits der „Grundannahmen“; es geht aus meiner Sicht also nicht darum, dass man sich auf eine gemeinsame Grundannahme einigen muss, sondern darum, die Grundannahmen der jeweils anderen Position reflektieren zu können.

die Frage, ob man zu Recht voraussetzen kann,
dass es so etwas wie den Menschen gibt

Die Unmöglichkeit allumfassender Anthropologie setzt ja nicht
zwingend das Ergebnis fest, dass man gar nicht mehr vom
„Menschen“ sprechen kann.

Selbstverständlich kann man noch vom „Menschen“ sprechen, man kann ihn aber nicht dem Diskurs als Fundament bzw. als Träger voraus-setzen (z.B. als Kantisches Erkenntnissubjekt), weil man ihm immer nur als Effekt eines Diskurses habhaft werden kann, der schon im Gange ist; das heißt: der Diskurs kann nicht als „Expression“ des „Menschen“ begriffen werden, will man nicht das Ausgesagte zum Aussagenden machen; es geht hier also nicht um die Frage, ob die Anthropologie „allumfassend“ ist, sondern darum, ob sie als Fundament zu gebrauchen ist.

Diese Voraussetzung zu machen, halte ich für Metaphysik, weil
inmitten eines Diskurses vom Diskurs abstrahiert wird und auf
den Träger des Diskurses geschlossen wird (den Mensch als
Sprecher; darum Heideggers Kritik an der Vorstellung des
animal rationale).

Ich verstehe dein Argument nicht ganz. Dass es Metaphysik ist,
würde ich auch so sehen, aber ich würde dem keinen pejorativen
Charakter beimessen, sondern es eher als Versuch verstehen.

Ja, Metaphysik ist der Versuch, dem Diskurs Grenzen zu setzen, indem es ihn auf eine Substanz (wie etwa den „Menschen“)legt, ihm damit einen Sinn verleiht, der ihn so „im Zaum“ hält. Es geht mir nicht unbedingt darum, ob dies „schlecht“ ist. Aber das führt uns jetzt zu weit weg vom Thema.

Außerdem ist ja die Vorstellung, dass alles Metaphysische
falsch ist, weil eben nur Physisches existiere (in welcher
Formulierung auch immer) genau so ein Vorurteil.

Mein Metaphysik-Begriff ist nicht metaphysisch/physisch, sondern metaphysisch/X; ich kann mich hier auf kein einzelnes Wort für X festlegen, aber während die Metaphysik der Geschichte und damit all dem, was in ihr stattfindet, durch die beschriebene Transpositionierung des DiskursEffektes an die Stelle des DiskursTrägers Anfang, Ende, Sinn, etc. gibt, unterlässt dies das X. Hier geht es nicht um Wahr und Falsch, sondern um dessen Grundlegung)

Heideggers
Kritik an der genannten Vorstellung hängt aus meiner Sicht
damit nicht zusammen. Die findet sich vielmehr in der durch
Prauss wie mir scheint richtig als verfehlt nachgewiesenen
Einheit von Erkennen und Handeln.

Heidegger habe ich im Zusammenhang mit dem animal rationale eingeführt. Diese Denkfigur steht für ihn am Beginn des Humanismus, weil sie das „Wesen“ des Menschen als Selbstverständlichkeit festlegt, ihm unreflektiert Animalitas wie auch Ratio zuspricht. Prauss habe ich nicht gelesen, aber es geht Heidegger in dieser Kritik nicht um die Einheit von Erkennen und Handeln

Marx und die Genannten streiten ja nicht
ab, dass unter bestimmten Bedingungen, diese Situation, dass
alle Menschen gleich erkennen können, erreicht werden kann,
sie setzen sie lediglich nicht von vorneherein spekulativ voraus.

Man muss aber ergänzen, dass sie es durch eine andere
Spekulation ersetzen

Sehe ich nicht so; sie enthalten sich der Spekulation! Sie sagen also nicht, wie es eigentlich ist und deshalb sein muss; welche Spekulation soll das sein?

, und die Aufgabe der Philosophie wäre
hier eine Konsensbildung durch Begründung bzw. Rückgriff auf
die zugrundegelegten Voraussetzungen.

siehe oben; keine Konsensbildung, aber ein im-Gespräch-bleiben, also keine Abschließung der Positionen

Die Antwort hast du selbst formuliert, ich habe die
entscheidenden Passagen in deinem Absatz hervorgehoben. Wir
schließen den Geisteskranken als pathologisch für die
Bestimmung aus, weil wir bevor wir versuchen, das Anormale zu
katalogisieren, das Normale einordnen müssen. Ob sich dann im
Nachhinein Anormales doch noch integrieren lässt, ist wieder
eine andere Frage.

Akzeptiere ich überhaupt nicht; dies setzt ein Kriterium voraus, was „pathologisch“ ist, damit von vorneherein ausgeschlossen werden kann. Außerdem zeigt es genau das, was ich die Transposition genannt habe: mittels eines im Diskurs historisch erzeugten Kriteriums des Pathologischen wird der Träger des Diskurses bestimmt; dies ist akzeptabel, wenn man sich darauf beschränkt, zu sagen, dass die „Geisteskranken“ heute faktisch von der Teilnahme am öffentlichen Diskurs ausgeschlossen sind, völlig inakzeptabel aber, wenn man qua Metaphysik die „Gesunden“ zum Menschen macht, der den Diskurs zu tragen hat. Bekannteste Ausschlussopfer einer solchen Strategie waren lange Zeit die Frauen, sind heute noch die Menschen eines nicht-westlichen Kulturkreises, die Geisteskranken, auch die Kinder (weil sie ja erst Menschen-im-Werden) sind. Und dies ist eine erkenntnistheoretische Problematik, nicht etwa ein bloß soziale oder ethische!

geifen wir als Beispiel nochmal zum „Geisteskranken“: …

Das ist der falsche Ansatz. Wir müssen zunächst einen Konsens
auf kleinstmöglichem Territorium erarbeiten.

Geht doch nicht, weil ich obiges schon nicht mitgehen kann.

weil eben der Paranoiker „Dinge“ erkennen kann, die
andere nicht erkennen können,

Dein Begriff des Erkennens scheint mir unangemessen. Wenn ich
Halluzinationen erlebe, erkenne ich doch nicht, sondern erlebe
eben.
Und dieses Erlebnis unterscheidet sich von der
Erkenntnis ganz wesentlich durch seine Punktualität einerseits
und im Falle des regelmäßigen Auftretens im pathologischen
Fall durch die Objektivierbarkeit.

Ist grundsätzlich ok, aber was ich behaupte ist ja, dass diese „Objektivierbarkeit“ nicht „den Dingen selbst“ einwohnt, sondern in der Stellung des „Dinges“ zu dem Diskurs wohnt, in dem es objektiviert wird; wenn Du von vorneherein den „Geisteskranken“ aus dem Diskurs ausschließt, dann muss seinen Erkenntnissen ja die Objektivierbarkeit fehlen. Ich glaube, wir sind hier an der Stelle eines profunden Disenses angelangt, was uns „Erkenntnis“ bedeutet.

Das wussten freilich andere auch
schon früher, nur dass sie eben nicht die Gesellschaft als die
wesentliche Komponente annahmen.

Auch bei Marx geht es nicht um „Gesellschaft“ (so wie etwa die Soziologie sie thematisiert), eher um die Kritik des solitären Erkenntnissubjekts Kantscher Provenienz, damit um die Zurückweisung der Metaphysik in dem oben angeführten Sinn. Freud und Heidegger kritisieren ja ebenfalls dieses solitäre Erkenntnissubjekt, aber eben ganz sicher nicht, indem sie „Gesellschaft“ einführen. Also von daher triffst Du nicht den Punkt; (ingesamt habe ich den Eindruck, du siehst Marx wenn schon als Philosophen dann lediglich als Sozialphilosophen oder als politischen Philosophen; das halte ich für ein grundlegendes Missverständnis) das was Marx machte, halte ich für absolut originär und auch für unverzichtbar wenn man bestimmte philosophische Positionen einnimmt (nicht nur die marxistische)

Und das würde ja
auch der Meinung Marx’ entsprechen (der die Philosophie seinem
Selbstverständnis nach beendet hat).

Das haben schon viele behauptet, ich denke an Hegel und
Wittgenstein, ok da liegt Marx mittendrin im Trend. Aber
Philosophie kann man eben nicht beenden, sondern nur vermeiden
(wenn man möchte). Allerdings verlässt man dann nur die
Philosophie zugunsten von wesentlich unsichereren Kandidaten
(um mich vorsichtig auszudrücken).

OK, stimme ich vollkommen zu; wobei ich die „unsicheren Kandidaten“ auch nicht pejorativ aussprechen würde. Aber das wäre eine eigene Diskussion wert.

Für mich ist Philosophie aber etwas mehr, nämlich die Reflektion der
Wissenschaften bzw. der Begrifflichkeitssysteme;

Das würde ich in die Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie,
also in die Philosophie einschließen, auch ohne Marx. Und wenn
du die genannte Position nicht teilst, dann habe ich wieder
ein Problem damit, warum du dich als Marxist verstehen
möchtest.

Tut mir leid, das habe ich nicht verstanden (welche Position?); Ich würde behaupten, dass auch die anderen „Abteilungen“ nichts anderes sein können, als Reflektion von Begrifflichkeitssystemen; denn die Dinge selbst lassen sich ja nicht reflektieren

dass es Begründungen gibt, die zum Konsens führen
m ü s s e n, wohl aber führen können.

Von Müssen habe ich nicht gesprochen, sondern von einem
Konsensversuch. Wenn es nicht geht, ist es auch ok, aber man
muss es doch zumindest versuchen.

In Deinem fünftletzten Wort taucht das „Muss“ wieder auf, eine Ebene herunter verlagert (von der Ebene des Konsenses auf die Ebene des Konsensversuches); es geht hier nicht um meine Privatmeinung, ob wir beide zu einem Konsens kommen sollten, sondern um die philosophische Frage, inwieweit der Konsens eine Grundstruktur des Diskurses ist à la Apel und Konsorten

Das sehe ich wie gesagt ganz anders. Natürlich können diese
„Axiome“ kritisiert und diskutiert werden, aber eben nicht
einfach durch ein anderes „Axiom“ (Ich würde es lieber
„Voraussetzung“ nennen) ersetzt werden, aber das ich doch
keine Eigenheit des Marxismus.

Also: Kritisieren wir - wie in meinem letzten Posting
angefangen - die jeweiligen Voraussetzungen.

Ja das machen wir doch schon mit dem Erkenntnissubjekt bzw. dem Träger des Diskurses. Nenn mir doch, was Du für meine Grundvoraussetzungen hältst!

Sie gelten eben. Basta. - Und das ist eine
zutiefst unphilosophische Haltung.

Man kann natürlich Marx so interpretieren! Von daher gebe ich
Dir ja durchaus Recht; dass er auch so interpretiert worden
ist und wird ist auch richtig; dass er möglicherweise (da bin
ich gar nicht sicher) sogar damit als Staats-„Religion“ dienen
musste, stimmt auch,

Halten wir das bitte als Konsens fest.

Das war von vorneherein meine Haltung; mit dem anderen Marx im Gepäck könnte ich ja nicht philosophieren; ich will Dir hier ja genau zeigen, dass man mit Marx sehr wohl Philosophie (und Wissenschaft) treiben kann. Und die Wissenschaft dabei wichtige Einsichten gewinnt.

aber hat nicht etwa für Aristoteles im
Mittelalter nicht das ganz Gleiche gegolten? Warum also reden
wir über Aristoteles noch heute? Weil wir ihn so
interpretieren, dass er philosophisch zu verstehen ist. Warum
bei Marx nicht?

Das liegt daran, dass für die meisten - für mich gar nicht -
Marx gefühlsmäßig zu sehr mit dem DDR-System verbunden ist,
dass der Schock über den Zusammenbruch noch nicht überwunden
ist. Es gibt aber sehr wohl inzwischen (nach einem gewissen
Einbruch) wieder genügend Publikationen, die hier Versuche
starten. Ich bin überhaupt nicht der Meinung, dass man Marx
nicht interpretieren sollte. Aber ich bin der Meinung, dass
der Anti-Dühring und „Materialismus und Empiriokritizismus“ in
der Philosophie keinen Platz haben sollten, eben weil sie
unphilosophisch sind, sich also nur als Philosophie ausgeben.

Stimme zu, wobei ich ja gesagt habe, dass sich die Philosophie des späten Marx (auch die bei Engels oder Lenin) zwischen den Zeilen bzw. durch eine entsprechende Interpretationsbewegung finden lässt.

dennoch stehe ich auf dem Boden des späten Marx.

Auf welche Marxtexte würdest du dich positiv beziehen wollen?

Auf die Frühschriften, aber nur als Negativfolie, sicherlich auf die Feuerbachthesen; sicher auf die Bände des Kapitals (ganz besonders auf den dritten, der meines Erachtens der „philosophischste“ ist); aber insgesamt lassen sich mein „guter“ Marx und mein „schlechter“ Marx nicht anhand der einzelnen Werke auseinanderdividieren, sondern anhand der Interpetationen und da bietet mir halt etwa Kapital, Bd III, mehr als die „Grundrisse“, etc.

Nein, das trifft nicht die Sache. Es geht eher darum, dass man
seiner Position gemäß bestimmte Erfahrungen macht, bestimmte
Haltungen annimmt, ein bestimmtes Seblbtverständnis erwirbt,
ein bestimmtes Verhältnis zu seiner eigenen Zukunft
(gute/schlechte Aussichten, etc.) erlangt, etc. Diese „Dinge“
wirken quasi als „Kategorien“ der Wahrnehmung. Ungefähr so
könnte man das Erkenntnissubjekt bei Marx verstehen (feilich
nicht so „psychologistisch“, wie mein Beispiel)

Das wäre jetzt in der Tat mein Einwand gewesen.

Das hat nichts mit der Psyche des einzelnen zu tun (dies ist eine ganz andere Sache), genauso wie der Existentialismus kein Psychologismus ist, obwohl er mit Begriffen wie „Angst“, „Sorge“, etc. operiert. (Habe damit nicht behauptet, Marxismus hätte etwas mit Existentialismus zu tun)

Meine Kritik an Apel und Habermas wäre aber,
dass diese „k.U. einer idealen Sprechsituation“ keineswegs
alles Sprechen begleiten m u s s;

Das sehe ich auch so: Nur wenn man einen vernunftmäßigen
Konsens anstrebt.

Stimmt in gewisser Weise, aber gerade der Vernunft misstraue ich so sehr (damit meine ich z.B. den Ausschluss des „Geisteskranken“ aus dem Diskurs, wie ich es oben angeführt habe; denn der geschieht dezidiert im Namen der Vernunft)

Viele Grüße
franz

Anthropologie, Gründe, Texte
Hallo Franz,

Ich habe es hier leider wieder nicht geschafft,
ausgiebig zu kürzen;

es ist eben interessant …

allmählich aber sollten wir uns auf
einige wenige Kernpunkte beschränken, weil sonst die Übersicht
verloren geht; außerdem natürlich die Zeitfrage

Ich bemühe mich …

Eine Konsensmöglichkeit sehe ich nur darin, solche
Grundannahmen auf ihren Grund zurückzuführen ad infinitum;

Das ad infinitum gilt ja nur prinzipiell, ich denke, dass ein Konsens auch vorher möglich ist.

darum, die Grundannahmen der jeweils anderen
Position reflektieren zu können.

Reflektieren heißt ja „auf den Grund gehen“. Mein Argument war nun, dass man, indem man das macht, schon den von dir geforderten Sprung vermieden hat, was ich richtig finde.

also nicht um die Frage, ob die Anthropologie „allumfassend“
ist, sondern darum, ob sie als Fundament zu gebrauchen ist.

Wenn sie Fundament wäre, wäre sie prinzipiell umfassend, jedenfalls der Anlage nach, aber ich will nicht darauf bestehen, die Anthropologie zugrundezulegen, weil ich nicht der Meinung bin, dass das in jedem Fall richtig ist.

Marx und die Genannten streiten ja nicht
ab, dass unter bestimmten Bedingungen, diese Situation, dass
alle Menschen gleich erkennen können, erreicht werden kann,
sie setzen sie lediglich nicht von vorneherein spekulativ voraus.

Man muss aber ergänzen, dass sie es durch eine andere
Spekulation ersetzen

Sehe ich nicht so; sie enthalten sich der Spekulation! Sie
sagen also nicht, wie es eigentlich ist und deshalb
sein muss; welche Spekulation soll das sein?

Der Historismus und die Dialektik (als notwendige (!) Vorgehensweisen).

Die Antwort hast du selbst formuliert, ich habe die
entscheidenden Passagen in deinem Absatz hervorgehoben. Wir
schließen den Geisteskranken als pathologisch für die
Bestimmung aus, weil wir bevor wir versuchen, das Anormale zu
katalogisieren, das Normale einordnen müssen. Ob sich dann im
Nachhinein Anormales doch noch integrieren lässt, ist wieder
eine andere Frage.

Akzeptiere ich überhaupt nicht; dies setzt ein Kriterium
voraus, was „pathologisch“ ist, damit von vorneherein
ausgeschlossen werden kann.

Nein, nicht von vornherein, sondern vorläufig , damit man überhaupt erst einmal eine Basis bekommt. Wenn man dann auf dieser Grundlage etwa Foucault integrieren kann, wäre das ja nichts Schlechtes, aber es bleibt eine andere Frage.

Bekannteste Ausschlussopfer einer solchen
Strategie waren lange Zeit die Frauen, sind heute noch die
Menschen eines nicht-westlichen Kulturkreises, die
Geisteskranken, auch die Kinder (weil sie ja erst
Menschen-im-Werden) sind. Und dies ist eine
erkenntnistheoretische Problematik, nicht etwa ein bloß
soziale oder ethische!

Ganz einverstanden, aber man kann nicht alles gleichzeitig erledigen, sondern man muss irgendwo anfangen. Und diesen Anfang macht man dann eben bei schon akzeptiertem Normalen.

Ist grundsätzlich ok, aber was ich behaupte ist ja, dass diese
„Objektivierbarkeit“ nicht „den Dingen selbst“ einwohnt,
sondern in der Stellung des „Dinges“ zu dem Diskurs wohnt, in
dem es objektiviert wird; wenn Du von vorneherein den
„Geisteskranken“ aus dem Diskurs ausschließt, dann muss
seinen Erkenntnissen ja die Objektivierbarkeit fehlen. Ich
glaube, wir sind hier an der Stelle eines profunden Disenses
angelangt, was uns „Erkenntnis“ bedeutet.

Das ist grundsätzlich richtig, überstrapaziert aber den Begriff der Objektivität, der ja nicht Absolutheit bedeutet.

(ingesamt habe ich den Eindruck, du siehst Marx wenn
schon als Philosophen dann lediglich als Sozialphilosophen
oder als politischen Philosophen; das halte ich für ein
grundlegendes Missverständnis)

Nur den späten Marx.

In Deinem fünftletzten Wort taucht das „Muss“ wieder auf,

Das ist nur eine stilistische Eigenheit, vielleicht eine schlechte Marotte von mir. In diesem Zusammenhang benutze ich das Wort „müssen“ im Sinne von „es sollte meiner Ansicht nach so sein“. Zugegeben, nicht ganz korrekt.

Ja das machen wir doch schon mit dem Erkenntnissubjekt bzw.
dem Träger des Diskurses. Nenn mir doch, was Du für meine
Grundvoraussetzungen hältst!

Allumfassendheit, Totalität. Ich habe den Eindruck, du möchtest SOFORT alles gleichzeitig in den Griff bekommen. Deshalb neigst du aus meiner Sicht dazu, alle möglichen Ausnahmen als Widerlegungen und nicht als mögliche Erweiterungskandidaten anzusehen.

ich will Dir hier
ja genau zeigen, dass man mit Marx sehr wohl Philosophie (und
Wissenschaft) treiben kann. Und die Wissenschaft dabei
wichtige Einsichten gewinnt.

Das bestreite ich nicht. Ich bestreite den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit beim Diamat, insbesondere die Zulässigkeit des Begriffes eines „wissenschaftlichen Sozialismus“.

Auf welche Marxtexte würdest du dich positiv beziehen wollen?

Auf die Frühschriften, aber nur als Negativfolie, sicherlich
auf die Feuerbachthesen;

Wie stehst du zum Unterschied der Fassungen von 1845 und 1888?

Herzliche Grüße

Thomas Miller

P. S. Die Kürzungen waren vielleicht wieder radikal, aber wir wollten uns ja beschränken.

Hallo Thomas,

Eine Konsensmöglichkeit sehe ich nur darin, solche
Grundannahmen auf ihren Grund zurückzuführen ad infinitum;

Das ad infinitum gilt ja nur prinzipiell, ich denke, dass ein
Konsens auch vorher möglich ist.

Ein Konsens zwischen Redenden sicherlich, ein Konsens zwischen Positionen aber nicht; mit dem „ad infinitum“ meine ich die Struktur der Begründungskette, welche prinzipiell unabschließbar ist, weil sie bei jeder Position zirkulär aufgebaut ist, letztlich im Begründungsgang immer wieder auf bereits Begründetes zurückgreifen muss; Grund dafür: es ist einfach bei keiner Position ein Fundament zu sehen, das der Begründungskette vorangehen könnte, weil es „den Dingen selbst“ entspringt; allgemein halte ich die Begründungskette weder für einen „Abstieg“ oder einen „Aufstieg“, sondern prinzipiell für ein Herumsteigen; ich führe dies breiter aus, weil ich so nochmal mein „Sprung“-Argument klar machen kann: der Redende kann nicht per Begründungszwang von einer Grundposition zur anderern Grundposition gelangen, sondern muss dahin „springen“, muss also aus Gründen sein Begrifflichkeitssystem wechseln, welche diesem System nicht selbst entstammen; dass es sich hier nicht um einen religiösen „Sprung in den Glauben“ handelt, sollte klar geworden sein; sehr verkürzt: darum finde ich es richtig, Wissenschaft als soziale Praxis zu verstehen, weil der springende Redende nun mal ein soziales Wesen ist; im übrigen auch ein begehrendes Wesen; darum halte ich es eben für unverzichtbar, Wissenschaft als Produktion von Wissen-Macht-Lust zu verstehen; (dies nur, um nochmal eine Begründung nachzuliefern)

darum, die Grundannahmen der jeweils anderen
Position reflektieren zu können.

Reflektieren heißt ja „auf den Grund gehen“. Mein Argument war
nun, dass man, indem man das macht, schon den von dir
geforderten Sprung vermieden hat, was ich richtig finde.

OK, aber reflektieren enthält auch „re-flektere“, heißt also auch, dass man die Grundannahmen der anderen Position auf sich selbst „zurück-biegt“, sie also immer auf der Grundlage der eingenen Grundannahmen verstehen muss, oder aber sie nicht verstehen kann; der Graben, der den „Sprung“ einfordert, bleibt also bestehen

Der Historismus und die Dialektik (als notwendige (!)
Vorgehensweisen).

Meine Variante von Dialektik habe ich skizziert; sie enthält, ruht aber nicht auf Notwendigkeit, enstammt auch nicht ihrem Objekt selbst, sondern ermöglicht eine formale Rekonstruktion des Bestehenden; ich halte sie für a) unabschließbar (sage also nicht, dass die Geschichte an einem bestimmten Punkt zu Ende ist, weil die logischen Möglichkeiten der Dialektik erschöpft sind; das heißt: mir ist klar, dass die Geschichte die Dialektik sprengen kann) und b) nicht für das getreue Abbild eines Urbildes (mir ist also klar, dass ich mit dieser Methode nicht alles erfassen kann, die Rekonstruktion das Zu-Konstruierende zurichtet, damit vieles verdeckt); eine solche Variante von Dialektik finde ich unmöglich bei Hegel, weshalb ich ihn ablehne, bei Marx aber kann ich sie verteidigen; Im Gegensatz zu Hegel, halte ich Marx absolut nicht für einen Historisten;
Deine beiden Einwände waren sehr richtig und sind auch zwei der wichtigsten Gründe für die Althussersche Ent-Hegelianisierung Marx’.

Nein, nicht von vornherein, sondern vorläufig , damit
man überhaupt erst einmal eine Basis bekommt. Wenn man dann
auf dieser Grundlage etwa Foucault integrieren kann, wäre das
ja nichts Schlechtes, aber es bleibt eine andere Frage.

Wie kann ein Diskurs, der bestimmte Träger vorläufig ausschließt, damit nicht am Diskurs teilnehmen lässt, diese im nachhinein „integrieren“; das halte ich für undenkbar; soweit meine theoretische Position zu den Ausschließungsmechanismen des Diskurses; in einem Gespräch wie unserem ist es natürlich klar, dass wir von einer Basis gemeinsamen (zumindest unterstelltem!) Verstehen ausgehen müssen.

Ganz einverstanden, aber man kann nicht alles gleichzeitig
erledigen, sondern man muss irgendwo anfangen. Und diesen
Anfang macht man dann eben bei schon akzeptiertem Normalen.

Ok, Verstehensbasis, Re-Flektion im oben genannten Sinne (die haben wir ja die ganze Zeit schon)

Ist grundsätzlich ok, aber was ich behaupte ist ja, dass diese
„Objektivierbarkeit“ nicht „den Dingen selbst“ einwohnt,
sondern in der Stellung des „Dinges“ zu dem Diskurs wohnt, in
dem es objektiviert wird; wenn Du von vorneherein den
„Geisteskranken“ aus dem Diskurs ausschließt, dann muss
seinen Erkenntnissen ja die Objektivierbarkeit fehlen. Ich
glaube, wir sind hier an der Stelle eines profunden Disenses
angelangt, was uns „Erkenntnis“ bedeutet.

Das ist grundsätzlich richtig, überstrapaziert aber den
Begriff der Objektivität, der ja nicht Absolutheit bedeutet.

„Objektivität“ heißt für mich ganz und gar nicht „Absolutheit“, sondern eine bestimmte Stellung in Begrifflichkeitssystemen, wie aus meiner Sicht „Absolutheit“ auch.

(ingesamt habe ich den Eindruck, du siehst Marx wenn
schon als Philosophen dann lediglich als Sozialphilosophen
oder als politischen Philosophen; das halte ich für ein
grundlegendes Missverständnis)

Nur den späten Marx.

Den meine ich ausschließlich, wenn ich „Marx“ schreibe. Das müsstest Du mir aber einmal erklären; ich habe so oft versucht zu zeigen, wie „das Soziale“ oder „das Politische“ kein bloßer Zusatz zu einer schon bestehenden Erkenntnistheorie und Ontologie ist.

Ja das machen wir doch schon mit dem Erkenntnissubjekt bzw.
dem Träger des Diskurses. Nenn mir doch, was Du für meine
Grundvoraussetzungen hältst!

Allumfassendheit, Totalität. Ich habe den Eindruck, du
möchtest SOFORT alles gleichzeitig in den Griff bekommen.
Deshalb neigst du aus meiner Sicht dazu, alle möglichen
Ausnahmen als Widerlegungen und nicht als mögliche
Erweiterungskandidaten anzusehen.

Ja und Nein; Ja, weil ich in der Tat voraussetze, dass Philosophie nichts mehr sein kann, als begründende Arbeit an Begriffen verbunden mit der Voraussetzung, dass ein Begriff nicht Bedeutung in sich selbst hat bzw. durch seinen Gebrauch bekommt, sondern in Relation zu anderen Begriffen; deshalb kann ich in dieser Diskussion bestimmte Begriffe nicht ohne weiteres ablegen bzw. bestimmte Begrifffe nicht ohne weiteres aufnehmen (auf dieser Ebene geht es noch lange nicht um „Widerlegungen“ oder „Erweiterungen“); Nein, 1) weil ich ja ohnehin einen sehr „erweiterten“ Marx denke, ihn Dir damit überhaupt erst philosophisch zugänglich mache; 2) mache ich sehr wohl „Ausnahmen“, z.B. indem ich das Marx’sche Erkenntnissubjekt in Kantischer Begrifflichkeit dargestellt habe, was der Sache sicher nicht gerecht werden kann; 3) geht es meiner Meinung ja hier nicht darum, dass wir beide zu einem „persönlichen Konsens“ kommen, sondern darum, dass wir die Annäherungsmöglichkeiten unserer beiden philosophischen Positionen ergründen;

ich will Dir hier
ja genau zeigen, dass man mit Marx sehr wohl Philosophie (und
Wissenschaft) treiben kann. Und die Wissenschaft dabei
wichtige Einsichten gewinnt.

Das bestreite ich nicht. Ich bestreite den Anspruch auf
Wissenschaftlichkeit beim Diamat, insbesondere die
Zulässigkeit des Begriffes eines „wissenschaftlichen
Sozialismus“.

Ich glaube, dass können wir so stehen lassen; wobei ich sicherlich eine gänzlich andere Vorstellung von Wissenschaftlichkeit habe als Du sie hast

Auf welche Marxtexte würdest du dich positiv beziehen wollen?

Auf die Frühschriften, aber nur als Negativfolie, sicherlich
auf die Feuerbachthesen;

Wie stehst du zum Unterschied der Fassungen von 1845 und 1888?

der „späte“ Marx beginnt mit den Feuerbachthesen; also halte ich mich natürlich an die Fassung von 1845; das, was Engels 1888 macht, sehe ich eher als einen Rückfall zum „frühen“ Marx, z.B. wenn er in FT I „sinnlich-menschliche Tätigkeit“ durch „menschliche sinnliche Tätigkeit“ ersetzt; oder in FT X den Standpunkt des neuen Materialismus nicht mehr als „gesellschaftliche Menschheit“, sondern als „vergesellschaftete Menschheit“ darlegt; in beiden Fällen, fällt er zum „Menschen“ zurück, von dem auch Feuerbach und der frühe Marx ausgingen.

Viele Grüße
franz

Münchhausentrilemma und Feuerbachthesen
Hallo Franz,

allgemein halte ich die
Begründungskette weder für einen „Abstieg“ oder einen
„Aufstieg“, sondern prinzipiell für ein Herumsteigen;

du vertrittst so etwas ähnliches wie das Münchhausentrilemma, ja? Ich denke, dass das Münchhausentrilemma richtig ist, ABER: An einer Stelle ist das Münchhausentrilemma falsch, und das ist der transzendentalpragmatische Ansatz von Apel. Dieses eine positive Beispiel ist zwar herzlich wenig als Ergebnis, aber es ist ein wesentliches Ergebnis. Ansonsten bin ich überhaupt kein Freund von Letztbegründungen, gerade weil - wie du richtig ausführst - die Begründungskette nie abreißt. Nur an dieser einzigen Stelle (Apel) ist die Begründung eine Letztbegründung, weil ich dadurch dass ich begründe, die Begründung schon immer voraussetze. Gerade an dieser Stelle ist - wenn du sonst auch nicht ganz Unrecht hast mit deinem Einwand - der Sprung unnötig. In den übrigen Fällen kann man es Sprung nennen, ich würde es eine pragmatische Begrenzung nennen.

Können wir uns auf so ein Modell einigen? Vermutlich nicht, oder?

Im Gegensatz zu Hegel, halte ich
Marx absolut nicht für einen Historisten;

Darüber könnten wir seperat diskutieren. Wenn du hingegen Engels als Historisten gelten lassen würdest, wäre ich zufrieden. Denn mir ist schon klar, dass Marx sich nicht auf Schlagworte reduzieren lässt. Von Engels hingegen kann man das m. E. ohne Bedenken sagen.

Wie kann ein Diskurs, der bestimmte Träger vorläufig
ausschließt, damit nicht am Diskurs teilnehmen lässt, diese im
nachhinein „integrieren“; das halte ich für undenkbar;

Ich kann z. B. als Mediziner bestimmte Therapiepraktiken für die Definition zunächst ausschließen, z. B. Akkupunktur, weil sie umstritten ist. Nachdem ich mich dann darauf geeinigt habe, dass unter gewissen Umständen z. B. Akkupunktur wirkt, kann ich die Technik integrieren. Das ist jetzt alles unabhängig von der Frage der tatsächlichen Wirkung von Akkupunktur gemeint, worüber ich gar nicht streiten will. Genauso aber geht man eigentlich immer vor, nur die Anhänger Foucaults meinen, gleich mit dem Absonderlichen, soll heißen dem Umstrittenen, anfangen zu müssen.

Den meine ich ausschließlich, wenn ich „Marx“ schreibe. Das
müsstest Du mir aber einmal erklären; ich habe so oft versucht
zu zeigen, wie „das Soziale“ oder „das Politische“ kein bloßer
Zusatz zu einer schon bestehenden Erkenntnistheorie und
Ontologie ist.

Marx wendet sich spätestens ab 1845 von der Philosophie als wirkungslos ab. Natürlich bleiben gewisse Reste der Frühphilosophie auch später sichtbar, aber im Ganzen geht es seit den Feuerbachthesen und insbesondere seit „Misère de la philosophie“ und dem Manifest in Richtung Ökonomie und Klassenkampf. Beides ist nicht mehr sinnvoll als Philosophie zu bezeichnen.

das, was Engels
1888 macht, sehe ich eher als einen Rückfall zum „frühen“
Marx, z.B. wenn er in FT I „sinnlich-menschliche Tätigkeit“
durch „menschliche sinnliche Tätigkeit“ ersetzt; oder in FT X
den Standpunkt des neuen Materialismus nicht mehr als
„gesellschaftliche Menschheit“, sondern als
„vergesellschaftete Menschheit“ darlegt; in beiden Fällen,
fällt er zum „Menschen“ zurück, von dem auch Feuerbach und der
frühe Marx ausgingen.

Ich sehe es auch so, dass die Fassung von 1845 von Engels verfälscht wird, aber ich würde nicht von Rückfall sprechen, sondern von systematischer Missdeutung, in der Absicht, das, was den späten Marx ausmachte, zu verstärken (also an den Stellen, wo Marx mit sich selbst noch diskutierte, eine definitive Dogmatisierung vorzunehmen).

Ich habe wieder ohne Ende gekürzt.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Hallo Thomas,

allgemein halte ich die
Begründungskette weder für einen „Abstieg“ oder einen
„Aufstieg“, sondern prinzipiell für ein Herumsteigen;

du vertrittst so etwas ähnliches wie das Münchhausentrilemma,
ja? Ich denke, dass das Münchhausentrilemma richtig ist, ABER:
An einer Stelle ist das Münchhausentrilemma falsch, und das
ist der transzendentalpragmatische Ansatz von Apel. Dieses
eine positive Beispiel ist zwar herzlich wenig als Ergebnis,
aber es ist ein wesentliches Ergebnis. Ansonsten bin ich
überhaupt kein Freund von Letztbegründungen, gerade weil - wie
du richtig ausführst - die Begründungskette nie abreißt. Nur
an dieser einzigen Stelle (Apel) ist die Begründung eine
Letztbegründung, weil ich dadurch dass ich begründe, die
Begründung schon immer voraussetze.

Diese „… Letztbegründung, weil ich dadurch dass ich begründe, die Begründung schon immer voraussetze“ kann ich nicht als Letzbegründung sehen, weil sie selbst auf Voraussetzungen beruht, die sie wiederum voraussetzen möchte: die Geltung der Logik („weil“-Schluss) und eine bestimmte Art zu denken, die diesen Satz erst ermöglicht, ihm Sinn gibt, und selbst erst im 20. Jahrhundert entstanden ist: Transzendentalpragmatik, etc. Apel entspricht ganz genauso dem, was ich mit der Transpositionierung des DiskursEffektes zum DiskursTräger gemeint habe. Ja, ein fundamentloses Denken würde ich akzeptieren, also ein Denken, das radikal ist gerade dadurch, dass es sich nicht in den „Dingen selbst“ verwuzelt (radix) sieht.

Gerade an dieser Stelle
ist - wenn du sonst auch nicht ganz Unrecht hast mit deinem
Einwand - der Sprung unnötig. In den übrigen Fällen kann man
es Sprung nennen, ich würde es eine pragmatische Begrenzung
nennen.

Mein „Sprung“ ist für mich nicht „pragmatische Begrenzung“, sondern die Bennenung dessen, dass die Wissenschaft eine Praxis ist, die eben nicht gänzlich von gesellschaftlicher Praxis abgetrennt ist; Um den Sprung annäherungsweise zu exemplifizieren: Ein Philosoph, der Kantisch dachte, denkt plötzlich Spinozistisch, weil er plötzlich verliebt ist. Könnte doch sein, oder? Der „Sprung“ meint nun, dass er durch keinerlei Begründungsweg vom Kantianismus zum Spinozismus kommen konnte (es sei denn als nachträgliche Rationalisierung), sondern nur durch die Liebe; diese Erklärung ist nicht psychologistisch!, weil „Liebe“ hier nur als ein Beispiel für alles mögliche steht, z.B. auch „Arbeitsplatzverlust“, etc., und sie ist auch nicht existentialistisch, weil sie den „Sprung“ nur als Erklärungsschema verwendet, nicht als Fundament der Erklärung; der „Sprung“ ist also etwa das, was ein Psychologe „Trauma“ nennen würde, aber er ist eben nichts Psychologisches.

Können wir uns auf so ein Modell einigen? Vermutlich nicht,
oder?

Tut mir leid, aber auf Apel könnte ich mich nie einigen; unsere Differenz liegt halt noch etwas tiefer. Übrigens: diesen Weg der Einigung ist Habermas ja tatsächlich gegangen; auch er hat ja einmal als Marxist angefangen; aber ich mag halt Habermas nicht

Im Gegensatz zu Hegel, halte ich
Marx absolut nicht für einen Historisten;

Darüber könnten wir seperat diskutieren. Wenn du hingegen
Engels als Historisten gelten lassen würdest, wäre ich
zufrieden. Denn mir ist schon klar, dass Marx sich nicht auf
Schlagworte reduzieren lässt. Von Engels hingegen kann man das
m. E. ohne Bedenken sagen.

Ok, man kann es auch von Marx sagen, wenn man ihn anders interpretiert als ich. Ganz richtig. Aber ein nicht-historizistischer Marx ist problemlos zu denken.

Wie kann ein Diskurs, der bestimmte Träger vorläufig
ausschließt, damit nicht am Diskurs teilnehmen lässt, diese im
nachhinein „integrieren“; das halte ich für undenkbar;

Ich kann z. B. als Mediziner bestimmte Therapiepraktiken für
die Definition zunächst ausschließen, z. B. Akkupunktur, weil
sie umstritten ist. Nachdem ich mich dann darauf geeinigt
habe, dass unter gewissen Umständen z. B. Akkupunktur wirkt,
kann ich die Technik integrieren. Das ist jetzt alles
unabhängig von der Frage der tatsächlichen Wirkung von
Akkupunktur gemeint, worüber ich gar nicht streiten will.
Genauso aber geht man eigentlich immer vor, nur die Anhänger
Foucaults meinen, gleich mit dem Absonderlichen, soll heißen
dem Umstrittenen, anfangen zu müssen.

Die Foucaultianer fangen eigentlich gar nichts an. Sie beschreiben lediglich die faktischen Ausschließungs- bzw. Einschließungsmechanismen der Diskurse, und manche von ihnen prangern dies zusätzlich moralisch und politisch an. Ich finde die Arbeit Foucaults ungeheuer wertvoll. Aber ich glaube, es geht hier gar nicht um diese Frage, das ist uns eher zufällig, miss-verständlich ins Thema gerutscht.

Den meine ich ausschließlich, wenn ich „Marx“ schreibe. Das
müsstest Du mir aber einmal erklären; ich habe so oft versucht
zu zeigen, wie „das Soziale“ oder „das Politische“ kein bloßer
Zusatz zu einer schon bestehenden Erkenntnistheorie und
Ontologie ist.

Marx wendet sich spätestens ab 1845 von der Philosophie als
wirkungslos ab. Natürlich bleiben gewisse Reste der
Frühphilosophie auch später sichtbar, aber im Ganzen geht es
seit den Feuerbachthesen und insbesondere seit „Misère de la
philosophie“ und dem Manifest in Richtung Ökonomie und
Klassenkampf. Beides ist nicht mehr sinnvoll als Philosophie
zu bezeichnen.

Das stimmt, aber ich habe ja gesagt, die Philosophie des späten Marx findet sich zwischen den Zeilen bzw. in Nebenbemerkungen, Fußnoten, etc., wenn man diese Werke auf der Negativfolie der Frühwerke liest. Wenn Du also zustimmst, dass der frühe Marx Philosoph ist, dann sind wir schon am Konsens, weil der späte, so wie ich ihn lese, dann ja auch einer sein muss, so wie Du ihn liest tatsächlich auch für mich keiner ist.

das, was Engels
1888 macht, sehe ich eher als einen Rückfall zum „frühen“
Marx, z.B. wenn er in FT I „sinnlich-menschliche Tätigkeit“
durch „menschliche sinnliche Tätigkeit“ ersetzt; oder in FT X
den Standpunkt des neuen Materialismus nicht mehr als
„gesellschaftliche Menschheit“, sondern als
„vergesellschaftete Menschheit“ darlegt; in beiden Fällen,
fällt er zum „Menschen“ zurück, von dem auch Feuerbach und der
frühe Marx ausgingen.

Ich sehe es auch so, dass die Fassung von 1845 von Engels
verfälscht wird, aber ich würde nicht von Rückfall sprechen,
sondern von systematischer Missdeutung, in der Absicht, das,
was den späten Marx ausmachte, zu verstärken (also an den
Stellen, wo Marx mit sich selbst noch diskutierte, eine
definitive Dogmatisierung vorzunehmen).

Ja, darauf lasse ich mich ein; von „Rückfall“ kann ich natürlich nur im dem Rahmen sprechen, den ich mit meiner eigenen Epochenbildung der Marx’schen Philosophie aufgetan habe. Ich würde auch sagen: „systematische Missdeutung“, weil Engels tatsächlich das, was das wirklich originäre an der Marx’schen Philosophie ausmacht (was Marx ja selbst schon nicht voll begreift), kaum erkennt; darum „dogmatisiert“ er, zerstört er das Philosophische bei Marx.

Ich habe wieder ohne Ende gekürzt.

Gut, und ich glaube auch, wir kommen inzwischen ganz schön voran.

Viele Grüße
franz

P.S. Warum ist die Problematik bei Münchhausen eigentlich ein „Trilemma“?

Weitgehender privater Konsens und Abschluss?
Hallo Franz,

Diese „… Letztbegründung, weil ich dadurch dass ich
begründe, die Begründung schon immer voraussetze“ kann ich
nicht als Letzbegründung sehen, weil sie selbst auf
Voraussetzungen beruht, die sie wiederum voraussetzen möchte:

das ist gerade das Transzendentale an diesem Ansatz. Aber man kann das natürlich auch ablehnen, das ist mir schon klar, so wie auch Habermas es ablehnt und durch seine Wahrheitstheorie ersetzt, die dann freilich recht beliebig wird aus meiner Sicht. Aber lassen wir das ruhig so stehen:

ein fundamentloses Denken
würde ich akzeptieren, also ein Denken, das radikal ist gerade
dadurch, dass es sich nicht in den „Dingen selbst“ verwuzelt
(radix) sieht.

Das reicht, um eine Privatkonsens auf philosophischer Basis zu haben.
Ich betone aber die Begründungsfunktion der Radix, die ich für sinnvoll nicht hintergehbar halte.

der „Sprung“ ist also etwa das, was ein Psychologe „Trauma“
nennen würde, aber er ist eben nichts Psychologisches.

Das ist aus meiner Sicht ein Widerspruch.

diesen Weg der Einigung ist Habermas ja tatsächlich gegangen;
auch er hat ja einmal als Marxist angefangen; aber ich mag
halt Habermas nicht

Ich finde den Ansatz der Wahrheitstheorien bei Habermas nicht richtig, aber interessant und schätze einiges Wenige vom späten Habermas, der frühe ist mir nicht sympathisch (um jetzt auch einmal einen nicht psychologisch gemeinten psychologischen Begriff zu verwenden).

Wenn Du also zustimmst, dass
der frühe Marx Philosoph ist, dann sind wir schon am Konsens,

Wunderbar. Vielleicht sollten wir hier abbrechen, weil wir fertig sind - jedenfalls mit diesem Thread. Dann kann man sich auch einmal wieder anderen Dingen mehr zuwenden. :smile:

P.S. Warum ist die Problematik bei Münchhausen eigentlich ein
„Trilemma“?

Weil es drei vermeintliche Lösungen gibt:
http://www.dittmar-online.net/religion/zirkel/trilem…

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Hallo Thomas,

Diese „… Letztbegründung, weil ich dadurch dass ich
begründe, die Begründung schon immer voraussetze“ kann ich
nicht als Letzbegründung sehen, weil sie selbst auf
Voraussetzungen beruht, die sie wiederum voraussetzen möchte:

das ist gerade das Transzendentale an diesem Ansatz. Aber man
kann das natürlich auch ablehnen, das ist mir schon klar, so
wie auch Habermas es ablehnt und durch seine Wahrheitstheorie
ersetzt, die dann freilich recht beliebig wird aus meiner
Sicht. Aber lassen wir das ruhig so stehen:

ok, Konsens!

ein fundamentloses Denken
würde ich akzeptieren, also ein Denken, das radikal ist gerade
dadurch, dass es sich nicht in den „Dingen selbst“ verwuzelt
(radix) sieht.

Das reicht, um eine Privatkonsens auf philosophischer Basis zu
haben.
Ich betone aber die Begründungsfunktion der Radix, die ich für
sinnvoll nicht hintergehbar halte.

ok, auch Konsens! Die Begründungsfunktion der Radix muss immer im Raum bleiben, kann aber dennoch nicht ohne Widerspruch mit Inhalt gefüllt werden.

der „Sprung“ ist also etwa das, was ein Psychologe „Trauma“
nennen würde, aber er ist eben nichts Psychologisches.

Das ist aus meiner Sicht ein Widerspruch.

Nein, wir haben uns missverstanden: „Trauma“ ist schon psychologisch, aber der „Sprung“ nicht. Es ging um Analogisierung

diesen Weg der Einigung ist Habermas ja tatsächlich gegangen;
auch er hat ja einmal als Marxist angefangen; aber ich mag
halt Habermas nicht

Ich finde den Ansatz der Wahrheitstheorien bei Habermas nicht
richtig, aber interessant und schätze einiges Wenige vom
späten Habermas, der frühe ist mir nicht sympathisch (um jetzt
auch einmal einen nicht psychologisch gemeinten
psychologischen Begriff zu verwenden).

ich mochte den frühen noch ein klein wenig, den jetzigen gar nicht mehr, aber das ist ja kein Streitpunkt gewesen.

Wenn Du also zustimmst, dass
der frühe Marx Philosoph ist, dann sind wir schon am Konsens,

Wunderbar. Vielleicht sollten wir hier abbrechen, weil wir
fertig sind - jedenfalls mit diesem Thread. Dann kann man sich
auch einmal wieder anderen Dingen mehr zuwenden. :smile:

Denke ich auch!

P.S. Warum ist die Problematik bei Münchhausen eigentlich ein
„Trilemma“?

Weil es drei vermeintliche Lösungen gibt:
http://www.dittmar-online.net/religion/zirkel/trilem…

Danke für die Info

Viele Grüße
franz

P.S. Die Diskussion hat mir Spaß gemacht und meinen Horizont erweitert.
P.P.S. Ich möchte nicht über Dritte reden, aber mich würde interessieren, was Oliver im Psychologie-Forum da vorhat. Eine one-man-show? Er geht ja echt auf alle los, und akzeptiert gar nichts. Das hat nicht nur mit Persönlichkeit zu tun, sondern ist auch eine Frage fachlicher Kompetenz. Ich stelle Dir die Frage in Deiner Funktion als Moderator.

Danke sehr für den anregenden Austausch, Franz!
Hallo Franz,

P.S. Die Diskussion hat mir Spaß gemacht und meinen Horizont
erweitert.

dto.

P.P.S. Ich möchte nicht über Dritte reden, aber mich würde
interessieren, was Oliver im Psychologie-Forum da vorhat. Eine
one-man-show? Er geht ja echt auf alle los, und akzeptiert gar
nichts. Das hat nicht nur mit Persönlichkeit zu tun, sondern
ist auch eine Frage fachlicher Kompetenz. Ich stelle Dir die
Frage in Deiner Funktion als Moderator.

Deshalb beantworte ich dir diese Frage auch nicht im Forum, sondern per Mail.

Herzliche Grüße

Thomas