Kriwetz als Symptom oder: die Lehrmeinung

Hallo Branden,
immerhin hat dein Beitrag dazu gedient mal meinen Standpunkt
weiter auszubauen.

Wie du siehst will sich anscheinend niemand auf meine
Diskussionsebene drücken lassen. Besser ists im Elfenbeinturm
zu bleiben. :wink: Und in einem halben Jahr, wenn ich mich mal
wieder zu Wort melde bekomme ich dann von Miller mein heutiges
Blabla um die Ohren gehauen und den Hinweis er habe es als
nicht erbaulich in Erinnerung.

Da bist du aber nicht der einzige :o)
Bei mir kommt er über ein „Unsinn“ samt OR ohne irgendwelche Behauptungen nicht darüber hinaus. Eine logische Begründung hab ich noch nie vernommen, nur irgendwelche in die Luft gehangenen Aussagen, die erst gar nicht logisch unterlegt werden.

Gruß
Frank

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Differenzierung und Diskussion
Hallo Branden,

dann müssen wir differenzieren zwischen Marxisten (A) und
Marxisten (B) , wozu ich gerne bereit bin.

Das wäre mir viel zu schubkastenhaft, offen gestanden. Wenn
wir mit A und B-Marxisten anfangen, kommen wir schnell zu C
und D usw.

aber Differenzierungen sind doch kein Schubladendenken!

Das kannst du mit allen großen Ideen-Gebern machen, es hilft
nur niemand. Ich plädiere von Anfang an dafür, weder Marx noch
Hegel noch Freud noch Kant, noch irgendwen orthodox zu
interpretieren.

Es ist auch nicht das Ziel, in irgend einem Sinn „orthodox“ zu interpretieren, es geht nur darum, allzu großes Wischiwaschi zu vermeiden. Und du wirst nicht bestreiten wollen, dass zwischen Georg Klaus und Jürgen Habermas Welten stehen, oder?

Lass uns lieber selber offen bleiben und auch den Kreis
um die großen Denker nicht zu fest schließen.

Die Forderung ist ja ganz berechtigt, nur der Vorwurf, hier würde unter anderem durch mich eine Art Kanalisierung von Wissen im Sinne einer Heiligenverehrung Kants oder ähnliches betrieben, ist schlicht unsinnig, weil es ein Phantom ist. Das kannst du z. B. daran sehen, dass ich mit Franz, dessen Überzeugung ich überhaupt nicht teile (wie er meine ja auch nicht), dennoch ganz ruhig - und aus meiner Sicht interessant - diskutieren kann. Ein gewisses Maß an Methodik muss es geben, und wenn verschiedene Meinungen über Methodik bestehen, dann muss man eben darüber diskutieren.

Die Forderung, einfach mal mittels Brainstorming die Dinge so auf sich zukommen zu lassen, hat ja auch ihren Wert, aber sie kann nicht das letzte Wort sein, weil mit ihr keine gültigen Erkenntnisse zu erreichen bzw. zu sichern sind.

Herzliche Grüße

Thomas

Ethik und Wissenschaft
Hallo Franz,

das Ganze ist etwas unübersichtlich und lang geworden, …

stimmt, das finde ich auch, zudem ist Wochenende und ich kann dann nicht immer online sein. Vielleicht konzentrieren wir uns auf das Wesentliche oder machen irgendwann einen neuen Thread auf. Nur einschlafen lassen möchte ich unsere Diskussion nicht, weil ich sie für sehr interessant halte.

  1. Marx selbst hat immer behauptet, kein „Marxist“ zu sein,
  2. Marx selbst war eindeutig in philosophischer Hinsicht auf der
    Höhe der Zeit;

Beides d’accord!

warum der Marxismus nicht?

Weil sich der Marxismus, der sich vor allem auf den sog. „wissenschaftlichen Sozialismus“ stützt, also Engelsscher Prägung ist, das Wort „wissenschaftlich“ lediglich stolz umhängt, aber die Inhalte, die mit diesem Wort und den entsprechenden hohen Ansprüchen verbunden ist, nicht erfüllt.

  1. Ich betrachte mich als „orthodoxen Marxisten“, gerade weil ich
    nicht an jedem Buchstaben klebe.
    Ist es denn nicht „marxistisch“, die Theorie in Anbetracht der
    ökonomischen und sozialen Entwicklung zu entwickeln?

Ich habe kein Problem damit, dass eine Theorie weiterentwickelt wird, nur würde ich sie dann gerade nicht „orthodox“ nennen (aber das ist nur ein Wortproblem). Die Frage ist vielmehr, ob ökonomische und soziale Theorien Philosophie sind. Denn zwar hast du Recht mit der Aussage, dass Philosophie nicht nur Wissenschaftstheorie ist, aber auf der anderen Seite ist sie das doch zu einem großen Teil.

der Grundsatz, dass die
Positionen innerhalb des gesellschaftlichen Ganzen den auf sie
verteilten Subjekten immer schon vorhergehen.

Im Prinzip kann ich das unterschreiben, nur das „immer schon“ würde ich in dem Sinne für problematisch halten, dass man sich dem schon widersetzen kann (und im Sinne einer Rationalisierung sollte).

dieser Materialismus impliziert die Entfernung des
Subjekt-Begriffs als Fundament und Garant der Erkenntnis (nur
als das!; deshalb stört auch Hegel in diesem Materialismus;
wenngleich Hegel diesen Schritt schon vorbereitet hat, indem
er Subjekt und Substanz zusammenführt);

Nun, ich möchte Hegel an dieser Stelle gar nicht verteidigen. Die entscheidende Leistung Hegels ist die Erfindung der Dialektik. Ich würde nicht jeden Ansatz Hegels übernehmen wollen, wie du vielleicht vermutest. Aber ich meine, dass man Fundament der Erkenntnis und Garant der Erkenntnis auseinanderhalten muss, weil - und das ist eine entscheidende Leistung Kants - das Subjekt beim Erkennen nicht übergangen werden kann. Was nicht heißt, dass die Erkenntnis subjektiv ist, sondern nur, dass das Bewusstsein des subjektiven Einflusses voraussetzung für objektives Erkennen ist. Genau das ist doch der Punkt, den Marx von Kant übernommen hat. Er interpretiert ihn nur in Fichteschem Sinne, und das ist ein Fehler.

Meines Erachtens gibt es gar keine Fundierung; schon gar nicht
eine ethische. Ethik ist im Marxismus entweder überall oder
nirgendwo. „Nirgendwo“, weil Engels zurecht sagt, Freiheit
wäre die Einsicht in die Notwendigkeit.

Das ist aber ein (verstümmelter) Hegel-Satz, nur dass Engels ihn uminterpretiert, indem er diesen Satz anders gewichtet (man könnte fast sagen, im Sinne Heideggers zu wörtlich nimmt *g*).

Wie sollte sich da eine Ethik im herkömmlichen Stil entwickeln?

Ich habe nicht behauptet, dass das ethische Fundament, an das ich dachte, herkömmlich sei. Allerdings sehe ich gerade darin, dass es nicht herkömmlich, sondern universell sein soll, ein Manko (das sehe ich auch bei Kant, aber das wäre ein neues Thema).

Für die Erkenntnis, dass Erkennen immer auch ein Verkennen ist,
benötige ich Marx nicht, denn das wusste man vorher schon,

warum? Hat nicht Hegel das „absolute Wissen“ postuliert, …

Das mag sein, aber ich gebe ihm da nicht Recht, du hast nur den Eindruck, dass - wenn ich sage, dass mir Hegel reicht - ich Hegel verteidigen würde. Das Entscheidende ist für mich, dass jeder Denker immer nur stellenweise, nie zur Gänze Recht hat. Das Systemdenken Hegels ist für mich genauso obsolet wie das von mir an Marx kritisierte.

Differenz wirklich/sklavenhalterisch, wirklich/kapitalistisch,
etc. und nicht wirklich/unwirklich; demzufolge ist etwa
„kapitalistisches Erkennen“ nicht bloßes Verkennen. Diese
Einsicht halte ich für eine enorme Neuerung und ist ein
wichtiger Grund, an Marx auch heute festzuhalten

Bei den genannten Differenzierungen würde ich sagen, dass sie Sacherkenntnis mit Werterkenntnis unrechtmäßig vermischen und den Eindruck erwecken, die Theorie sei unumstößlich.

Im Grunde hast Du schon Recht, aber Philosophie ist keine
bloße Wissenschaftstheorie (das war eine Hauptposition Adornos
im Positivismusstreit).

Das ist alles richtig, aber sie ist es eben auch - und eben zu einem nicht geringen Teil. Der Positivismusstreit ist in meinen Augen völlig überflüssig, weil beide Recht haben, Popper auf empirischer, Adorno auf nichtempirischer Seite.

Zu bestreiten, dass die Wissenschaftsenwicklung der
Sozialentwicklung folgt, scheint mir unmöglich:

Ich bestreite es ja gar nicht, nur die Ausschließlichkeit bestreite ich bzw. die Unüberwindbarkeit.

Materialismus
bezieht sich auf das Objekt (Gegensatz ist Realismus),
Idealismus auf das Subjekt (Gegensatz ist Spiritualismus). So
ist es sinnvoll und richtig, dass man gleichzeitig Materialist
und Idealist ist, je nachdem worauf man sich bezieht.

Genau. „kognitive Aneignung“, also An- (Eindruck des Objekts
auf das Subjekt) -eignung (des Objekts durch das Subjekt;
„kognitiv“ ist redundant). Allerdings ist hier kein „Anfang“
zu sehen, weder in den Merkmalen des Objekts, noch in
irgendeiner transzendentalen Ausstattung des Subjekts, also
ein Ur-an oder eine Ur-eignung.

Ich denke, hier könnten wir uns gut einigen, müssten allerdings diese kybernetische Denkweise jeweils erläutern, was aber sicher zu weit führen würde.

Die Diktatur des Proletariats (das ist es, was auch Gramsci
mit seinem Begriff meint) möchte nicht Elite bilden, sondern
bekämpfen; dies eben auch mit dem Mittel der voübergehenden
„Elitenbildung“; das Ziel des Faschismus ist dessen genaues
Gegenteil; übrigens: eine solche Debatte um die Wahl der
Mittel in der Erreichung der proletarischen Revolution gab es
in den 20ern zwischen Kautsky (keine Gewalt), Trotzky
(notfalls auch mit Gewalt) und Dewey (dann lieber doch keine
Revolution).

Die Diskussion ist mir bekannt (aber die Lektüre lange her). Mein Einwand ist, dass auch vorübergehende Elitebildung eine Elitebildung ist. Einen echten Vergleich mit dem Faschismus italienischer Prägung will ich gar nicht anstrengen, es war nur eine Reaktion wegen G.

Zumindest ist sie nicht Ökonomie sondern politische Ökonomie;
in der Tat steht gewissermaßen die Philosophie zwischen den
Zeilen,

Alles zugegeben, aber vornehmlich ist sie eben politische Philosophie, und die ist nur ein Anwendungsgebiet von Philosophie überhaupt.

Hegel hat die Philosophie seinem Selbstverständnis nach
beendet, in Wissenschaft übergeführt.

Da hat sich Hegel eben geirrt. :smile: Der Wissenschaftsbegriff ist eigentlich ein ganz leerer Begriff (ein Kampfbegriff sogar), der gar nichts aussagt (außer einer Ausgrenzung der Nichtwissenschaft). Wo aber die Grenze verläuft, sehen die jeweiligen Vertreter jeweils anders. Aufgabe der Philosophie wäre es, hier begründet Stellung zu nehmen, was wann wo wie und warum Wissenschaft ist - und das tun viele ja auch, es ist eben nur strittig.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

P. S. Nicht böse sein, dass ich so gekürzt habe, bitte.

Hi D.K.

ich behaupte, dass so ein oller Holzschuhschnitzer wie Kriwetz
oder ich das Potential haben die träge Masse des
festgefahrenen Wissens in Bewegung zu bringen.

Dagegen kann und würde ich grundsätzlich nichts sagen. Es müßte dann nur auch was kommen, was diskutiert werden KANN. Und das fehlte schlicht und ergreifend bei Kriwetz. Er sagte immer mal: Da kömmt noch was - aber da kam nie was. Jedenfalls nichts Substantielles. Auf das wenige Magere (um nicht zu sagen, „der Schatten des Abgemagerten“)haben wir uns gestürzt wie hungrige, aber gutwillige Wölfe (aber nicht im Schafspelz, sondern einfach freundliche Wölfe halt *g*), aber das konnte unseren geistigen Appetit nicht befriedgen und unseren philosophischen Hunger nicht stillen.

Die ganzen Forumsbeiträge hier erinnern mich an Sprüche wie:
„Die Menschheit hat schon alles erfunden was es zu erfinden
gibt“ oder „Das Automobil wird höchstens 100.000 mal verkauft
weil es nicht mehr Ingeneure weltweit gibt“

Nö, ist mir VIEL zu materiell, rational und positivistisch gedacht, mit Verlaub. *g*
Gruß,
Branden

Hi Frank

Eine logische Begründung
hab ich noch nie vernommen, nur irgendwelche in die Luft
gehangenen Aussagen, die erst gar nicht logisch unterlegt
werden.

So sehe ich es leider auch.
Gruß,
Branden

Gekränkt, Gert? owT.
?!

Hallo Thomas,

zudem ist Wochenende und ich kann
dann nicht immer online sein. Vielleicht konzentrieren wir uns
auf das Wesentliche oder machen irgendwann einen neuen Thread
auf. Nur einschlafen lassen möchte ich unsere Diskussion
nicht, weil ich sie für sehr interessant halte.

Dito. Auch ich bin die nächsten Tage nicht im Netz, weil ich nicht zu Hause sein kann.

Weil sich der Marxismus, der sich vor allem auf den sog.
„wissenschaftlichen Sozialismus“ stützt, also Engelsscher
Prägung ist, das Wort „wissenschaftlich“ lediglich stolz
umhängt, aber die Inhalte, die mit diesem Wort und den
entsprechenden hohen Ansprüchen verbunden ist, nicht erfüllt.

  1. Ich bin einverstanden mit Deinem Vorschlag, in den Marxismus von außen Binnendifferenzierungen einzuführen (wohlgemerkt hat er selbst starke Differenzierung hervorgebracht; ein Diskussionspunkt wäre, ob diese Selbst-Differenzierung von uns übernommen werden könnte): also nennen wir diese Leute A-Marxisten und gestehen wir denjenigen, die Philosophie treiben wollen zu, sich auch „Marxisten“ nennen zu dürfen, meinetwegen B-Marxisten. Nebenbei: „A“ und „B“ halte ich für unsere Zwecke für gut, weil sie rein formal sind.
    Die Frage, ob diese A-Marxisten zu Recht oder zu Unrecht „Wissenschaftlichkeit“ behaupten, lässt sich nicht so leicht abtun. Du müsstest Deine „hohen Ansprüche“ vortragen und verteidigen; damit bist Du in der Beweispflicht, nicht die A-Marxisten.
  1. Ich betrachte mich als „orthodoxen Marxisten“, gerade weil ich
    nicht an jedem Buchstaben klebe.
    Ist es denn nicht „marxistisch“, die Theorie in Anbetracht der
    ökonomischen und sozialen Entwicklung zu entwickeln?

Ich habe kein Problem damit, dass eine Theorie
weiterentwickelt wird, nur würde ich sie dann gerade nicht
„orthodox“ nennen (aber das ist nur ein Wortproblem).

Für dich ja, weil Du den Marxismus von außen betrachtest. Für den Marxisten ist es kein bloßes „Wortproblem“. „Orthodox“ ist eine Weiterentwicklung meines Erachtens dann, wenn diese Weiterentwicklung nicht „irgendwie“, sondern auf eine Weise geschieht, die die Theorie selbst propagiert, wenn sie gerade durch die „Weiterentwicklung“ an der Theorie festhält, wenn also die Weiterentwicklung in der Theorie selbst angelegt ist.

Die
Frage ist vielmehr, ob ökonomische und soziale Theorien
Philosophie sind. Denn zwar hast du Recht mit der Aussage,
dass Philosophie nicht nur Wissenschaftstheorie ist, aber auf
der anderen Seite ist sie das doch zu einem großen Teil.

In dieser Frage sind wir meilenweit auseinander. Richtig ist: Philosophie ist f a k t i s c h heute weitgehend Wissenschaftstheorie, muss sie das aber sein? Richtig ist auch, dass ökonomische und soziale Theorien keine Philosophie sind (darum ist ja auch der A-Marxismus keine Philosophie), aber die Reflexion dieser Theorien (und zwar nicht nur in methodologischer Hinsicht) ist Philosophie.

der Grundsatz, dass die
Positionen innerhalb des gesellschaftlichen Ganzen den auf sie
verteilten Subjekten immer schon vorhergehen.

Im Prinzip kann ich das unterschreiben, nur das „immer schon“
würde ich in dem Sinne für problematisch halten, dass man sich
dem schon widersetzen kann (und im Sinne einer
Rationalisierung sollte).

Dann lehnst Du den Materialismus ab, dessen Grundsatz eben ist, dass die „Position“ mehr ist als die „Erkenntnis der Position“. Das „immer schon“ heißt lediglich, dass wir hier nicht von „Entfremdung“ sprechen können, also nicht glauben können, die „Menschen“ hätten in einem Sündenfall ihre Herrschaft über die Positionen verloren. Das ist Humanismus pur und in der Tat die These des frühen Marx und in gewisser Weise auch die Hegels. Das „immer schon“ heißt übrigens nicht, dass wir dies wissen könnten (dies wäre Metaphysik), sondern lediglich, dass wir nicht von der Entfremdung ausgehen dürfen.

Ich würde nicht jeden Ansatz Hegels übernehmen
wollen, wie du vielleicht vermutest. Aber ich meine, dass man
Fundament der Erkenntnis und Garant der Erkenntnis
auseinanderhalten muss, weil - und das ist eine entscheidende
Leistung Kants - das Subjekt beim Erkennen nicht übergangen
werden kann. Was nicht heißt, dass die Erkenntnis subjektiv
ist, sondern nur, dass das Bewusstsein des subjektiven
Einflusses voraussetzung für objektives Erkennen ist

Völlig richtig. Der Marx’sche Materialismus übergeht das Subjekt nicht („kognitive Aneignung“), aber es ist ihm ein historisch Gewordenes, nicht wie für Kant ein Gegebenes. Die Kategorien und Anschauungsformen sind ihm historisch-sozialer Natur, nicht transzendentaler Natur.

Wie sollte sich da eine Ethik im herkömmlichen Stil entwickeln?

Ich habe nicht behauptet, dass das ethische Fundament, an das
ich dachte, herkömmlich sei. Allerdings sehe ich gerade darin,
dass es nicht herkömmlich, sondern universell sein soll, ein
Manko (das sehe ich auch bei Kant, aber das wäre ein neues
Thema).

Genau die Universalität ist der springende Punkt. Es dürfte klar geworden sein, dass sich eine Philosophie damit sehr schwer tut, die der Position das Primat über das Subjekt einräumt, also nicht vom „Menschen“ ausgeht. Dieses „Schwer-Tun“ halte ich nicht für einen Mangel, sondern für einen Vorzug.

Differenz wirklich/sklavenhalterisch, wirklich/kapitalistisch,
etc. und nicht wirklich/unwirklich; demzufolge ist etwa
„kapitalistisches Erkennen“ nicht bloßes Verkennen. Diese
Einsicht halte ich für eine enorme Neuerung und ist ein
wichtiger Grund, an Marx auch heute festzuhalten

Bei den genannten Differenzierungen würde ich sagen, dass sie
Sacherkenntnis mit Werterkenntnis unrechtmäßig vermischen und
den Eindruck erwecken, die Theorie sei unumstößlich.

Nein, diese Differnzierung hat mit Werten definitiv nichts zu tun. Der Kapitalist erkennt ja nicht „kapitalistisch“, weil er entsprechende Werte trägt (dies sicher auch, aber das ist nicht der Punkt), sondern weil er quasi sozio-transzendental gar nicht anders erkennen kann. Marx’ kapitalistisches Subjekt ist genausowenig wertbehaftet wie Kants Transzendentalsubjekt, einzig der „ontologische“ Status der Kategorien und Anschauungsformen ist ein anderer.
Unumstößlichkeit behaupte ich nicht, und Marx auch nur, wenn er als Hegelianer betrachtet wird.

Im Grunde hast Du schon Recht, aber Philosophie ist keine
bloße Wissenschaftstheorie (das war eine Hauptposition Adornos
im Positivismusstreit).

Das ist alles richtig, aber sie ist es eben auch - und
eben zu einem nicht geringen Teil. Der Positivismusstreit ist
in meinen Augen völlig überflüssig, weil beide Recht haben,
Popper auf empirischer, Adorno auf nichtempirischer Seite.

Ok, gehe ich mit, aber Recht haben vor welchem Gericht, das heißt in wessen Augen. Das heißt: welche (problematischen) theoretischen Vorannahmen benötigst Du, um beiden Recht geben zu können. Marxistische Augen würden Adorno Recht geben.

Zu bestreiten, dass die Wissenschaftsenwicklung der
Sozialentwicklung folgt, scheint mir unmöglich:

Ich bestreite es ja gar nicht, nur die Ausschließlichkeit
bestreite ich bzw. die Unüberwindbarkeit.

Überwindbar wäre es dann, wenn das Primat der Positionen über die Subjekte fallen würde. Dies ist ja auch die Haltung des frühen Marx.
Mein „immer schon“ heißt hier, das wir dies nicht ausschließen können, dass wir davon aber nicht ausgehen dürfen, sonst würden wir teleologisch denken; mir ist klar, dass Du die Überwindbarkeit anders denkst.

Die Diskussion ist mir bekannt (aber die Lektüre lange her).
Mein Einwand ist, dass auch vorübergehende Elitebildung eine
Elitebildung ist. Einen echten Vergleich mit dem Faschismus
italienischer Prägung will ich gar nicht anstrengen, es war
nur eine Reaktion wegen G.

Ok; der Punkt ist mir nur deshalb wichtig, weil ich behaupte, dass rechter und linker Extremismus/Terrorismus strikt auseinanderzuhalten sind. So betrachte ich etwa Arendts Totalitarismuskonzept für empirisch und theoretisch völlig falsch, und halte es für plumpeste Ideologie.

Zumindest ist sie nicht Ökonomie sondern politische Ökonomie;
in der Tat steht gewissermaßen die Philosophie zwischen den
Zeilen,

Alles zugegeben, aber vornehmlich ist sie eben politische
Philosophie, und die ist nur ein Anwendungsgebiet von
Philosophie überhaupt.

Nein, sie beinhaltet dezidiert erkenntnistheoretische und ontologische Positionen; dass man sie rein ihres „seitenmäßigen“ Umfangs nach in die Bibliotheksrubrik „politische Philosophie“ stellen kann, hat doch für den Philosophen keinen Belang. Reißen wir einfach vier Fünftel der Seiten aus diesen Werken und voila: Philosophie.

Hegel hat die Philosophie seinem Selbstverständnis nach
beendet, in Wissenschaft übergeführt.

Da hat sich Hegel eben geirrt. :smile: Der Wissenschaftsbegriff
ist eigentlich ein ganz leerer Begriff (ein Kampfbegriff
sogar), der gar nichts aussagt (außer einer Ausgrenzung der
Nichtwissenschaft). Wo aber die Grenze verläuft, sehen die
jeweiligen Vertreter jeweils anders. Aufgabe der Philosophie
wäre es, hier begründet Stellung zu nehmen, was wann wo wie
und warum Wissenschaft ist - und das tun viele ja auch, es ist
eben nur strittig.

Stimme ich vollkommen zu, wobei ich darauf verweisen würde, dass es keine „eigentliche“ Theorie gibt, in der der Wissenschaftsbegriff leer wäre, Kampfbegriff ist; freilich gibt es Theorien, in denen er leer ist, diese sind aber nicht „eigentlicher“ als Theorien, in denen der Begriff „voll“ ist, also zum Beispiel der A-Marxismus. Damit bin ich noch lange nicht an einer relativistischen Position angekommen, wie es auf den ersten Blick scheinen möchte. Der Fehler des Relativismus ist seine Sich-Selbst-Setzung als „eigentlich“, was er nicht einlösen kann.

P. S. Nicht böse sein, dass ich so gekürzt habe, bitte.

Ich muss doch selbst kürzen!

Viele Grüße
franz

Hallo mal zwischendurch…

… ne Frage: du siehst dich als orthodoxen Marxisten, richtig? Was versteht man landläufig darunter?
Noch eine:
Mich verwirrt bei den „Wessis“ immer folgendes: irgendwie schafft ihr es, materialistische Dialektik in ontologische Kategorien zu stopfen. Das geht eigentlich garnicht. Daraus werden doch Verhältnisse zwischen diesen Kat., eben durch die Widerspiegelung.

Gruß
Frank

Hallo Frank,

der Beitrag hat´s in sich, der hat Substanz.

Laß´ mir etwas Zeit (ein/zwei Tage) und dann melde ich mich an Deiner email, um dort kurz zu quatschen, bevor ich Dir das Manuskript sende.

Grüße
Gert

Hallo Franz,

da du doch da bist, antworte ich auch kurz, bin aber etwas in Eile und komme auch in dieser Woche nicht so zum Schreiben im Forum.

Die Frage, ob diese A-Marxisten zu Recht oder zu Unrecht
„Wissenschaftlichkeit“ behaupten, lässt sich nicht so leicht
abtun. Du müsstest Deine „hohen Ansprüche“ vortragen und
verteidigen; damit bist Du in der Beweispflicht, nicht die
A-Marxisten.

Ganz allgemein: Wissenschaft ist eine Handlung, die dem Wissenserwerb dient. Der „wissenschaftliche Sozialismus“ ist kein Wissenserwerb, sondern eine politische Praxis, die alle Konkurrenzunternehmen für obsolet erklärt und sich selbst als einzig richtig hinstellt.

In dieser Frage sind wir meilenweit auseinander. Richtig ist:
Philosophie ist f a k t i s c h heute weitgehend
Wissenschaftstheorie, muss sie das aber sein?

Sie muss es a u c h sein - und wie ich meine, zu einem wesentlichen Teil, weil sich Philosophie als Metaphysik (die dann ja historisch zur Erkenntnistheorie wurde) definiert. Soziale Theorien sind in diesem Sinne auch Metaphysik, eigentlich ist alle Theorie, sofern sie relexiv vorgeht zumindest philosophisch. Praxis hingegen - und das ist ja die andere Stütze des „WS“ - ist ein Derivat der Theorie (zumindest sollte es so sein, dass man erst denkt und dann handelt), nicht umgekehrt.

Völlig richtig. Der Marx’sche Materialismus übergeht das
Subjekt nicht („kognitive Aneignung“), aber es ist ihm ein
historisch Gewordenes, nicht wie für Kant ein Gegebenes. Die
Kategorien und Anschauungsformen sind ihm historisch-sozialer
Natur, nicht transzendentaler Natur.

Sofern Marx Kant aufnimmt und weiterentwickelt, habe ich keine Probleme. Sofern er ihn negiert, fällt er m. E. eben hinter Kant zurück. Historisch Gewordenes ALS Transzendental finde ich eine beachtliche Leistung Marxens. Sofern er aber historische (und damit empirische) Daten ANSTELLE des Transzendentalismus stellt, halte ich das für sehr problematisch.

das Primat über das Subjekt

Das ist nur eindimensional gedacht. Falsch ist nur, dem Subjekt (oder dem Objekt) ein Primat in JEDER Hinsicht zuzuordnen.

Marx’ kapitalistisches Subjekt
ist genausowenig wertbehaftet wie Kants Transzendentalsubjekt,

Das sehe ich nicht, das transzendentale Subjekt ist interesselos (wenn man einmal vom Wahrheitsbezug, den die Position mit Marx teilt) absieht.

Marxistische Augen würden Adorno Recht geben.

Er hat ja auch Recht, aber eben nur in einer gewissen Hinsicht. In anderer Hinsicht eben nicht (da hat dann Popper Recht).

dass rechter und linker Extremismus/Terrorismus strikt
auseinanderzuhalten sind.

Das kann ich nicht unterschreiben: extrem ist extrem, Terror ist Terror, egal von welcher Seite.

So betrachte ich etwa Arendts
Totalitarismuskonzept für empirisch und theoretisch völlig
falsch, und halte es für plumpeste Ideologie.

Inwiefern?

Relativismus

Sachlicher Perspektivismus ist kein Relativismus. Damit meine ich jetzt wieder nicht die Interessenfrage, sondern die sich ergänzenden methodischen Konzepte bei der Wissensfindung.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Hallo Thomas,

da du doch da bist, antworte ich auch kurz, bin aber etwas in
Eile und komme auch in dieser Woche nicht so zum Schreiben im
Forum.

geht mir genauso; bin zwar nicht zu Hause, kann aber hier doch ins Netz. Ich antworte einfach nochmal auf Dein Posting und glaube, dass wir auf diesen Thread ja bei mehreren Themen zurückgreifen werden können.

Die Frage, ob diese A-Marxisten zu Recht oder zu Unrecht
„Wissenschaftlichkeit“ behaupten, lässt sich nicht so leicht
abtun. Du müsstest Deine „hohen Ansprüche“ vortragen und
verteidigen; damit bist Du in der Beweispflicht, nicht die
A-Marxisten.

Ganz allgemein: Wissenschaft ist eine Handlung, die dem
Wissenserwerb dient. Der „wissenschaftliche Sozialismus“ ist
kein Wissenserwerb, sondern eine politische Praxis, die alle
Konkurrenzunternehmen für obsolet erklärt und sich selbst als
einzig richtig hinstellt.

Es ist keineswegs selbstverständlich, dass der „Wissenserwerb“ die einzige Funktion der Wissenschaft ist; vielleicht ihr Selbstverständnis, vielleicht eine ihrer Funktionen; andere Funktionen: Herrschaftssicherung, etc. sind aber wohl schwer zu leugnen. Bei weitem nicht nur Marxisten würden dies unterzeichnen. „Wissenschaftlicher Sozialismus“ ist seinem Grundsatz nach absolut nicht auf politische Praxis zu reduzieren; in gewisser Weise gebe ich Dir aber in dieser Frage auch Recht, denn ich würde z.B. Frank genau das vorwerfen, nämlich dass er so sehr an einer vermeintlichen Orthodoxie festhält, dass diese damit zur bloßen politischen Position verkommt; Also: hier müsste man gemäß unserer Nomenklatur den A-Marxismus in AA- und AB-Marxismus unterteilen.

In dieser Frage sind wir meilenweit auseinander. Richtig ist:
Philosophie ist f a k t i s c h heute weitgehend
Wissenschaftstheorie, muss sie das aber sein?

Sie muss es a u c h sein - und wie ich meine, zu einem
wesentlichen Teil, weil sich Philosophie als Metaphysik (die
dann ja historisch zur Erkenntnistheorie wurde) definiert.
Soziale Theorien sind in diesem Sinne auch Metaphysik,
eigentlich ist alle Theorie, sofern sie relexiv vorgeht
zumindest philosophisch. Praxis hingegen - und das ist ja die
andere Stütze des „WS“ - ist ein Derivat der Theorie
(zumindest sollte es so sein, dass man erst denkt und dann
handelt), nicht umgekehrt.

Noch immer meilenweite Entfernung in allen Punkten (weshalb es wenig Sinn macht, hier näher einzusteigen). Beispielsweise ist Praxis sehr wohl Derivat der Theorie, aber auch Voraussetzung der Theorie.

Völlig richtig. Der Marx’sche Materialismus übergeht das
Subjekt nicht („kognitive Aneignung“), aber es ist ihm ein
historisch Gewordenes, nicht wie für Kant ein Gegebenes. Die
Kategorien und Anschauungsformen sind ihm historisch-sozialer
Natur, nicht transzendentaler Natur.

Sofern Marx Kant aufnimmt und weiterentwickelt, habe ich keine
Probleme. Sofern er ihn negiert, fällt er m. E. eben hinter
Kant zurück. Historisch Gewordenes ALS Transzendental finde
ich eine beachtliche Leistung Marxens. Sofern er aber
historische (und damit empirische) Daten ANSTELLE des
Transzendentalismus stellt, halte ich das für sehr
problematisch.

Stimme ich zu; dass Marx sehr stark von Kant her denkt, ist unbestritten; zum Transzendentalismus: das historisch Gewordene wirkt ALS ob es transzendental sei (durchaus grosso modo im Sinne Kants), von daher kein ANSTELLE; aber es muss klar sein, dass diese Transzendentalien nicht „ewige Kategorien des menschlichen Geistes“ sind, sondern „historisch gewordene und damit prinzipiell vergängliche Apriori der Erkenntnis“. Es geht hier aber nicht um empirische Daten.
Dass Marx hinter Kant zurückfallen würde, ist ein alter Vorwurf, den ich aber überhaupt nicht akzeptieren würde.

Das ist nur eindimensional gedacht. Falsch ist nur, dem
Subjekt (oder dem Objekt) ein Primat in JEDER Hinsicht
zuzuordnen.

Richtig! Und ganz sicher im Marx’schen Sinne. (Wenn ich Deine Aussage richtig verstanden habe)

Marx’ kapitalistisches Subjekt
ist genausowenig wertbehaftet wie Kants Transzendentalsubjekt,

Das sehe ich nicht, das transzendentale Subjekt ist
interesselos (wenn man einmal vom Wahrheitsbezug, den die
Position mit Marx teilt) absieht.

Ja klar, aber hier ist die Sicht des Subjekt von der Sicht auf das Subjekt zu trennen. Beide: das Transzendentalsubjekt und des kapitalistische Subjekt halten sich -in Bezug auf die Erkenntnis!- gleichermaßen für interesselos. Beide gleichermaßen hält der Marxismus für Interessenträger (das Kantische Transzendentalsubjekt als mystifizierende Verdoppelung des historisch gewordenen bürgerlichen Subjekts). Beiden Subjekten der Erkenntnis ist ein Apriori der Erkenntnis vorgegeben, und bei beiden ist dieses Apriori nicht aus dem Stoff von Werten gewoben.

dass rechter und linker Extremismus/Terrorismus strikt
auseinanderzuhalten sind.

Das kann ich nicht unterschreiben: extrem ist extrem, Terror
ist Terror, egal von welcher Seite.

So betrachte ich etwa Arendts
Totalitarismuskonzept für empirisch und theoretisch völlig
falsch, und halte es für plumpeste Ideologie.

Inwiefern?

War nur eine Fußnote unserer Diskussion und würde den Rahmen sprengen; ganz kurz: 1) aus meiner Sicht vermengt sie inakzeptabel politisch rechte und politisch linke Gewalt, 2) übersieht/verdeckt sie damit die immensen Gewaltwirkungen der Position, die politisch „gemäßigt“ ist, des liberalistischen Kapitalismus, 3) übernimmt sie für ihr Konzept das bestehende politische Rechts-Links-Schema, ohne mitzubedenken, wer der Propagator dieses Schemas ist, 4) überhöht sie mit dem Totalitarismuskonzept einfach den Anti-Kommunismus des Amerikas der 50er Jahre, indem sie den Kommunismus in punkto Totalität mit dem eben erfahrenen Nationalsozialismus identifiziert, 5) hält sie den Kapitalismus damit aus Faschismus wie Kommunismus heraus, entlastet ihn (moralisch) von Auschwitz wie vom Gulag, etc. Meines Erachtens wissenschaftlich völlig wertlos, im cui bono leicht zu durchschauen und „Stammtisch-Niveau“.

Relativismus

Sachlicher Perspektivismus ist kein Relativismus. Damit meine
ich jetzt wieder nicht die Interessenfrage, sondern die sich
ergänzenden methodischen Konzepte bei der Wissensfindung.

Mein „Relativismus“ war nicht auf Dich gemünzt; ich wollte mich in diesem Zusammenhang prophylaktisch damit selbst vor einem solchen Vorwurf verteidigen.

Viele Grüße
franz

Hallo Franz,

da du doch da bist, antworte ich auch kurz, bin aber etwas in
Eile und komme auch in dieser Woche nicht so zum Schreiben im
Forum.

Die Frage, ob diese A-Marxisten zu Recht oder zu Unrecht
„Wissenschaftlichkeit“ behaupten, lässt sich nicht so leicht
abtun. Du müsstest Deine „hohen Ansprüche“ vortragen und
verteidigen; damit bist Du in der Beweispflicht, nicht die
A-Marxisten.

Ganz allgemein: Wissenschaft ist eine Handlung, die dem
Wissenserwerb dient. Der „wissenschaftliche Sozialismus“ ist
kein Wissenserwerb, sondern eine politische Praxis, die alle
Konkurrenzunternehmen für obsolet erklärt und sich selbst als
einzig richtig hinstellt.

Falsch, das Gegenteil ist der Fall:
"Die theoretischen Sätze der Kommunisten beruhen keineswegs auf Ideen, auf Prinzipien, die von diesem oder jenem Weltverbesserer erfunden oder entdeckt sind.

|475| Sie sind nur allgemeine Ausdrücke tatsächlicher Verhältnisse eines existierenden Klassenkampfes, einer unter unseren Augen vor sich gehenden geschichtlichen Bewegung. Die Abschaffung bisheriger Eigentumsverhältnisse ist nichts den {36} Kommunismus eigentümlich Bezeichnendes."

und:

"1. Frage: Was ist der Kommunismus?

Antwort: Der Kommunismus ist die Lehre von den Bedingungen der Befreiung des Proletariats."

Es ist das eigentümliche an den Leuten, die diese Entwicklung nicht als objektive Notwendigkeit erkennen, wie dir z.B., dass sie denken, ein Kommunismus könnte von einer KP oder anderen Weltverbesserern eingeführt werden.
Das ist falsch. Dieser ist die Einsicht in die tatsächliche Entwicklung durch die große Mehrheit der Bevölkerung, ihrer größten Klasse. Daher auch der Zwang zur Diktatur dieser Klasse (nicht deren Vertretern!). Dadurch hebt sich aber diese Diktatur als Diktatur auf.
Der wissenschaftliche Sozialismus heisst also dahwer so, weil er keine Utopie sondern eine Lehre darstellt.

Gruß
Frank

Hallo Franz,

Es ist keineswegs selbstverständlich, dass der „Wissenserwerb“
die einzige Funktion der Wissenschaft ist; vielleicht ihr
Selbstverständnis, vielleicht eine ihrer Funktionen; andere
Funktionen: Herrschaftssicherung, etc. sind aber wohl schwer
zu leugnen. Bei weitem nicht nur Marxisten würden dies
unterzeichnen.

das würde ich auch unterschrieben, ABER Herrschaftssicherung z. B. ist keine Primärfunktion, und um die geht es doch, wenn man einem Begriff eine Bedeutung geben will.

denn ich würde z.B. Frank genau das
vorwerfen, nämlich dass er so sehr an einer vermeintlichen
Orthodoxie festhält, dass diese damit zur bloßen politischen
Position verkommt; Also: hier müsste man gemäß unserer
Nomenklatur den A-Marxismus in AA- und AB-Marxismus unterteilen.

Ich möchte über Frank eigentlich nicht diskutieren, weil ich meine, dass er das, was er vertritt, selbst nicht versteht. (Auf diese Bemerkung wird er vermutlich wieder empört antworten, aber ich antworte darauf dann nicht mehr, weil ich diese ewigen unsinnigen Diskussionen satt habe.)

Noch immer meilenweite Entfernung in allen Punkten (weshalb es
wenig Sinn macht, hier näher einzusteigen). Beispielsweise ist
Praxis sehr wohl Derivat der Theorie, aber auch Voraussetzung
der Theorie.

Natürlich ist Praxis Voraussetzung der Theorie, aber eben nicht die Geltung betreffend, sondern nur die Genesis. Das ist der entscheidende Punkt.

Hannah Arendt

zu 1: Gewalt bleibt Gewalt
zu 2: Dieser Ansatz setzt viel zu viel als existent voraus.
zu 3: Das ist richtig.
zu 4: Nein, denn gerade sie hat ja in den USA für ihr Konzept ordentlich eins auf die Rübe gekriegt.
zu 5: siehe zu 2

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Hallo Thomas,

Es ist keineswegs selbstverständlich, dass der „Wissenserwerb“
die einzige Funktion der Wissenschaft ist; vielleicht ihr
Selbstverständnis, vielleicht eine ihrer Funktionen; andere
Funktionen: Herrschaftssicherung, etc. sind aber wohl schwer
zu leugnen. Bei weitem nicht nur Marxisten würden dies
unterzeichnen.

das würde ich auch unterschrieben, ABER Herrschaftssicherung
z. B. ist keine Primärfunktion, und um die geht es doch, wenn
man einem Begriff eine Bedeutung geben will.

Man kann natürlich per Begriffsanalyse aus der „Wissenschaft“ das „Wissen“ ableiten, aber …; Ich würde mir schwer tun, hier zwischen Primär-, Sekundär-, etc.-funktionen zu differenzieren. Eine solche Differenzierung müsste in jedem Fall anders begründet sein als durch eine Nominaldefinition. Ich halte es hier mit Foucault und denke als die „Funktion“ der Wissenschaft die Produktion eines Wissen-Macht-(Herrschaft)-Lust-Komplexes, der nur in analytischer Hinsicht sich auftrennen lässt. Dass dies auf Voraussetzung beruht, ist klar, nicht mehr aber, als die Position der „Primärfunktion“, eventuell sogar weniger, weil sie sich Annahmen über jede Relationierung der Einzelfunktionen zueinander enthält.

denn ich würde z.B. Frank genau das
vorwerfen, nämlich dass er so sehr an einer vermeintlichen
Orthodoxie festhält, dass diese damit zur bloßen politischen
Position verkommt; Also: hier müsste man gemäß unserer
Nomenklatur den A-Marxismus in AA- und AB-Marxismus unterteilen.

Ich möchte über Frank eigentlich nicht diskutieren, weil ich
meine, dass er das, was er vertritt, selbst nicht versteht.
(Auf diese Bemerkung wird er vermutlich wieder empört
antworten, aber ich antworte darauf dann nicht mehr, weil ich
diese ewigen unsinnigen Diskussionen satt habe.)

Dazu erlaube ich mir kein Urteil; ich stehe Frank sicherlich von meiner theoretischen Haltung her sehr viel näher als Du, weshalb ich mich mit einigen seiner Aussagen gut anfreunden kann, mit anderen weniger.
Ich habe ihn hier aber nur als Personifizierung dessen genommen, was ich AA-Marxismus genannt habe.

Noch immer meilenweite Entfernung in allen Punkten (weshalb es
wenig Sinn macht, hier näher einzusteigen). Beispielsweise ist
Praxis sehr wohl Derivat der Theorie, aber auch Voraussetzung
der Theorie.

Natürlich ist Praxis Voraussetzung der Theorie, aber eben
nicht die Geltung betreffend, sondern nur die Genesis. Das ist
der entscheidende Punkt.

Die Abstraktion der Geltung einer Theorie von ihrer Genese kann ich nicht mitgehen, weil ich wissenschaftliche Praxis als soziale Praxis verstehe. Du wirst diesen Satz sicher vehement zurückweisen, aber bedenke, dass ich Wissen als inextrikabel mit Macht, Herrschaft und Lust verknüpft denke (siehe oben!). Unser Dissens setzt also viel viel tiefer an.

Hannah Arendt

zu 1: Gewalt bleibt Gewalt
zu 2: Dieser Ansatz setzt viel zu viel als existent voraus.
zu 3: Das ist richtig.
zu 4: Nein, denn gerade sie hat ja in den USA für ihr Konzept
ordentlich eins auf die Rübe gekriegt.
zu 5: siehe zu 2

Darauf antworte ich etwas eingehender, weil ich hier in der Begründungspflicht bin; das heißt nicht, dass ich unsere Diskussion unbedingt in diese Frage treiben möchte!!!

  1. Ist Arendts eigenes Kriterium; aber: was zählt zum Gewaltbegriff: nur körperliche Gewalt? Oder auch die unscheinbare Gewalt von Polizei und Militär, welche als Sicherungsinstanzen der bestehenden Ordnung deren Funktionieren sichern; ein Funktionieren, das weltweit täglich 50000 Menschen den Hungertod beschert? die Gewalt des letztlich immer erzwungenen Arbeitsvertrags des Lohnarbeiters? etc. Wenn man, wie ich, den „rein-körperlichen“ Gewalt-Begriff nicht akzeptiert, wird man entlang der anderen Gewalt-Begriffe die politischen Positionen in Hinsicht zur Gewaltanwendung auseinanderhalten müssen. (Um vorwegzunehmen: die Beschränkung des Gewalt-Begriffs auf „körperliche G.“ ist nicht weniger begründungspflichtig als andere Gewalt-Begriffe; faktisch ist die Entscheidung für einen Gewalt-Begriff in jeder Theorie immer die Folge primärerer Theorieentscheidungen; so gesehen, haben diejenigen vielleicht Recht, die dazu aufrufen, ganz auf den Gewalt-Begriff zu verzichten)

  2. Nein, Arendt selbst hat sich (in einem bei Agamben gefunden Interview mit Günther Gauss) darauf berufen, Gewalt im Sinne der Leichen-Fabrikation zu konzipieren. Also: Faschismus (zentral): KZ; Stalinismus (zentral): Gulag; hier m u s s man ihrer Logik folgend ergänzen: liberalistischer Kapitalismus: gemäß seiner Grundstruktur dezentral: Slums, Penner unter den Brücken, dritte Welt, etc. Oder aber man differenziert das Kriterium der Leichenfabrikation, dann kann man aber nicht mehr ohne weiteres KZ und Gulag identifizieren, wie Arendt dies tut.

  3. Kann ich wenig dazu sagen, aber der Grundansatz der Identifizierung des Kommunismus mit dem gerade beendeten Nationalsozialismus, war sicherlich common sense der McCarthy-Ära.

  4. Ja klar müsste man zeigen, wie der Faschismus und der Stalinismus ein Phänomen des Kapitalismus sind. Dies hat gerade Immanuel Wallerstein sehr überzeugend gemacht. Und dass dies auf „Voraussetzungen“ beruht ist klar, gilt aber genaus umgekehrt für den Arendtschen Schritt, darin drei (oder eben nur zwei!!!) separate Phänomene zu sehen.

Viele Grüße
franz

Synthesen
Hallo Franz,

meine wesentliche Ablehnung deines Ansatzes beruht darauf, dass du gleich mit Synthesen an die Sache herangehst, was ich für falsch halte. Mir scheint es richtig, erst das Vorhandene zu analysieren, weil ich dann weniger in der Gefahr bin, Vorurteile in das Urteil hineinzuschleppen.

So versuche ich den Wissenschaftsbegriff als Begriff zu analysieren, während du gleich ein ganzes Konglomerat von Kennzeichen an ihn heranträgst (ja, wie Foucault das auch gerne tut, weswegen ich seine Vorgehensweise oft für falsch halte). Komplexe, egal welcher Natur, muss man auseinandernehmen und darf nicht mit ihnen ohnehinschon bestehende Komplexe noch weiter komplizieren. Das heißt, man darf das natürlich tun, aber hat dann eben mehr Probleme als vorher, denke ich. Oder man macht es spielerisch, wie es m. E. in der assoziierenden Psychoanalyse der Fall ist bzw. in der analytischen Psychologie C. G. Jungs, die ihre Bezeichnung aus meiner Sicht nicht zu Recht trägt.

Die Abstraktion der Geltung einer Theorie von ihrer Genese
kann ich nicht mitgehen, weil ich wissenschaftliche Praxis als
soziale Praxis verstehe. Du wirst diesen Satz sicher vehement
zurückweisen, aber bedenke, dass ich Wissen als inextrikabel
mit Macht, Herrschaft und Lust verknüpft denke (siehe oben!).
Unser Dissens setzt also viel viel tiefer an.

Du hast natürlich Recht: Ich kann da nicht mitgehen. Warum? Weil du mit der Verbindung von Genesis und Geltung beide Begriffe synthetisierst (genau wie oben) und sie dann nicht mehr zu unterscheiden vermagst und gezwungen bist, zu „inextrikabel“ zu sehen. Genauso übrigens bei deiner scheinbaren Unterscheidung von Gewalt in körperliche und subtilere. Diese Unterscheidung ist ja nicht falsch, aber warum du dich dann dagegen wehrst, Gewalt (egal welcher Art) als Gewalt zu bezeichnen, und statt dessen eine Unterscheidung der Anwender von Gewalt vornimmst, begreife ich nicht.
Natürlich ist auch nichtkörperliche Gewalt Gewalt, aber es ist dabei auch egal, woher sie kommt. Das Entscheidende bei Gewalt ist die Wirkung (primär), nicht die Herkunft (sekundär). Die Herkunft ist also schon wichtig, aber erst, nachdem man die Wirkung extrahiert hat.

hier m u s s … man ergänzen: liberalistischer
Kapitalismus: gemäß seiner Grundstruktur dezentral: Slums,
Penner unter den Brücken, dritte Welt, etc. Oder aber man
differenziert das Kriterium der Leichenfabrikation, dann kann
man aber nicht mehr ohne weiteres KZ und Gulag identifizieren,
wie Arendt dies tut.

Das ist insofern richtig, als die Wirkung als Primärursache vorhanden ist. Gleichwohl ist die Auswirkung nicht so immens, denn Penner verfügen über mehr Selbstbestimmung als KZ-Insassen. Der Grund für die Abstufung ist also nicht, dass im einen Fall keine Gewalt vorläge, sondern dass die Auswirkungen anders sind. Die Herkunft der Gewalt ist nicht entscheidend.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

P. S. Mit Frank habe ich wahrscheinlich mehrere hundert Postings ausgetauscht, die alle ergebnislos waren. Ich hoffe, du akzeptierst, dass ich deshalb dazu nichts mehr sagen möchte. Nur soviel: Was er im Moment so von sich gibt, ist noch gemäßigt. Aber wenn ich darauf eingehen würde, käme es über kurz oder lang wieder zu Beschimpfungen gegen mich, was ich mir nicht antun möchte. Dass ich auch mit Marxisten gesittet diskutiere, siehst du ja. An mir liegt es also nicht. So, und nun ist das Thema Frank für mich wieder zu Ende, mein Puls geht schon wieder hoch … :smile: Wenn du wissen möchtest, wie du die Threads zwischen Frank und mir im Archiv finden und nachlesen kannst, schicke ich dir ein paar Hinweise (wenn ich mehr Zeit habe) per Mail. Ich bin sicher, dass du nach der Lektüre anders darüber denkst.

Hallo Thomas,

meine wesentliche Ablehnung deines Ansatzes beruht darauf,
dass du gleich mit Synthesen an die Sache herangehst, was ich
für falsch halte. Mir scheint es richtig, erst das Vorhandene
zu analysieren, weil ich dann weniger in der Gefahr bin,
Vorurteile in das Urteil hineinzuschleppen.

So versuche ich den Wissenschaftsbegriff als Begriff zu
analysieren, während du gleich ein ganzes Konglomerat von
Kennzeichen an ihn heranträgst (ja, wie Foucault das auch
gerne tut, weswegen ich seine Vorgehensweise oft für falsch
halte). Komplexe, egal welcher Natur, muss man
auseinandernehmen und darf nicht mit ihnen ohnehinschon
bestehende Komplexe noch weiter komplizieren.

Ein ganz entschiedener Einspruch! Ich glaube, wir haben hier eine grundsätzliche Problematik getroffen. Mein W-M-H-L-Begriff ist keineswegs ein Konglomerat von unterschiedlichen Aspekten, sondern e i n Aspekt, der nicht auseinandergerissen werden kann, ohne eben (in deinen Worten)„Vorurteile in das Urteil hineinzuschleppen“, um es im Jargon des Marxismus auszudrücken: zu abstrahieren. Dies ist bekanntlich auch der Vorwurf, den Marx gegen die klassische Ökonomie richtet. Und mir ist nun klar geworden,weshalb Du in früheren Postings die Haltung vertreten hast, das „Soziale“ das Marxismus wäre ein bloßer Zusatz.
Natürlich lässt sich analytisch die Funktion der Wissenschaft rein auf die Produktion von Wissen begrenzen; dagegen habe ich doch gar nichts eingewendet; wohl aber lässt sich diese Funktion nicht als Primärfunktion kennzeichnen, nur weil sie aus der Begriffsanalyse gewonnen ist.
Insgesamt aber sehe ich überhaupt keinen Weg, wie man vom Begriff der Wissenschaft zu ihrer Funktion gelangen könnte.

Die Abstraktion der Geltung einer Theorie von ihrer Genese
kann ich nicht mitgehen, weil ich wissenschaftliche Praxis als
soziale Praxis verstehe. Du wirst diesen Satz sicher vehement
zurückweisen, aber bedenke, dass ich Wissen als inextrikabel
mit Macht, Herrschaft und Lust verknüpft denke (siehe oben!).
Unser Dissens setzt also viel viel tiefer an.

Du hast natürlich Recht: Ich kann da nicht mitgehen. Warum?
Weil du mit der Verbindung von Genesis und Geltung beide
Begriffe synthetisierst (genau wie oben) und sie dann nicht
mehr zu unterscheiden vermagst und gezwungen bist, zu
„inextrikabel“ zu sehen.

siehe oben; aber: ich verstehe nicht, inwiefern „Genesis“ und „Geltung“ das Vorhandene (wie Du oben gesagt hast) sein sollen, deren Verbindung aber eine Synthese von Vorhandenheiten. Wenn ich davon ausgehe, dass wissenschaftliche Praxis soziale Praxis ist, dann ist Geltung-Genesis vorhanden, und ihre separate Betrachtung eine Abstraktion von ihrer Inextrikabilität. Ich sehe natürlich nicht, inwiefern diese sein m u s s, um den Erkenntnisprozess voranzuführen.
Im übrigen gestehe ich natürlich gerne zu, dass wir hier die Verbindung von Wissenschaft und Gesellschaft auf Grund unserer Ausgangspositionen völlig unterschiedlich denken; aber wenn Du forderst, ich sollte meine „Synthesen“ weglassen und an den Vorhandenheiten ansetzen, dann gibst Du mir nicht eine „methodische“ Anweisung, sondern zwingst mich, meine Position zu verlassen.

Genauso übrigens bei deiner
scheinbaren Unterscheidung von Gewalt in körperliche und
subtilere. Diese Unterscheidung ist ja nicht falsch, aber
warum du dich dann dagegen wehrst, Gewalt (egal welcher Art)
als Gewalt zu bezeichnen, und statt dessen eine Unterscheidung
der Anwender von Gewalt vornimmst, begreife ich nicht.

Sorry, Missverständnis: Diese Weigerung habe ich nicht wirklich begangen (ich habe nur darauf hingewiesen, dass einige Autoren der Meinung sind, auf den Begriff Gewalt verzichten zu können, eben weil seine Verwendung so umstritten ist). Die Unterscheidung von Anwendern von Gewalt will ich an Hand der verschiedenen Dimension des Gewalt-Begiffs vornehmen. So übt beispielsweise derjenige, der andere mit der „Mitleidsmasche“ zu Handlungen zwingt, selbstverständlich eine andere Art von Gewalt aus, als derjenige, der diese Handlungen mit Waffengewalt erzwingt. Was ich einzig einfordern wollte, ist die Anerkennung der „Mitleidsmasche“, also jener subtileren Formen von Gewalt als Gewalt (anders, aber auf gleicher Ebene mit der körperlichen Gewalt stehend).

Natürlich ist auch nichtkörperliche Gewalt Gewalt, aber es ist
dabei auch egal, woher sie kommt. Das Entscheidende bei Gewalt
ist die Wirkung (primär), nicht die Herkunft (sekundär). Die
Herkunft ist also schon wichtig, aber erst, nachdem man die
Wirkung extrahiert hat.

Natürlich muss Gewalt erst festgestellt werden, bevor nach ihrer Herkunft gefragt werden kann.

hier m u s s … man ergänzen: liberalistischer
Kapitalismus: gemäß seiner Grundstruktur dezentral: Slums,
Penner unter den Brücken, dritte Welt, etc. Oder aber man
differenziert das Kriterium der Leichenfabrikation, dann kann
man aber nicht mehr ohne weiteres KZ und Gulag identifizieren,
wie Arendt dies tut.

Das ist insofern richtig, als die Wirkung als Primärursache
vorhanden ist. Gleichwohl ist die Auswirkung nicht so immens,
denn Penner verfügen über mehr Selbstbestimmung als
KZ-Insassen. Der Grund für die Abstufung ist also nicht, dass
im einen Fall keine Gewalt vorläge, sondern dass die
Auswirkungen anders sind. Die Herkunft der Gewalt ist nicht
entscheidend.

Genau der letzte Satz war mein Argument. Für die Totalitarismusthese aber ist die Herkunft der Gewalt das entscheidende, was ich nicht für unrichtig, aber für deren eigenem Kriterium der Leichenfabrikation widersprechend halte. Ürigens tut die Frage von „mehr Selbstbestimmung“, etc. hier nichts zur Sache; es geht um den body count, und als fabrizierte Leiche ist der „Penner“ nicht vom KZ-Häftling zu unterscheiden. (rein quantitativ besteht natürlich ein Unterschied)

P. S. Mit Frank habe ich wahrscheinlich mehrere hundert
Postings ausgetauscht, die alle ergebnislos waren. Ich hoffe,
du akzeptierst, dass ich deshalb dazu nichts mehr sagen
möchte. Nur soviel: Was er im Moment so von sich gibt, ist
noch gemäßigt. Aber wenn ich darauf eingehen würde, käme es
über kurz oder lang wieder zu Beschimpfungen gegen mich, was
ich mir nicht antun möchte. Dass ich auch mit Marxisten
gesittet diskutiere, siehst du ja. An mir liegt es also nicht.
So, und nun ist das Thema Frank für mich wieder zu Ende, mein
Puls geht schon wieder hoch … :smile: Wenn du wissen möchtest,
wie du die Threads zwischen Frank und mir im Archiv finden und
nachlesen kannst, schicke ich dir ein paar Hinweise (wenn ich
mehr Zeit habe) per Mail. Ich bin sicher, dass du nach der
Lektüre anders darüber denkst.

Was Du und Frank miteinander habt, geht mich überhaupt nichts an. Und ich mische mich da auch gar nicht rein. Ich habe, wie gesagt, Frank nur als Repräsentanten des AA-Marxismus genannt. Auf der anderen Seite ist es aber nicht verwunderlich, dass ihr beide nie zum gegenseitigen Verständnis gelangen konntet, weil Eure beiden Positionen einfach viel zu weit auseinander liegen. Du siehst das ja auch an unserer Diskussion. Wir konnten uns zum Thema Popper und auch zu anderen Themen relativ schnell verständigen (wenn auch nicht einigen, was völlig normal in der Philosophie ist), haben aber in dieser grundsätzlicheren Debatte massive Problem. Und das liegt weiß Gott nicht an unserer Persönlichkeitsstruktur, sondern an den Haltungen, die wir verteidigen. Auch außerhalb von wer-weiss-was findet ja zwischen diesen Positionen keine vernünftige Kommunikation statt; und ich denke, keine der beiden Seiten kann dies damit begründen, dass auf der jeweils anderen Seite „Ignoranten“, „Pseudo-Wissenschaftler“, etc. sitzen (ich behaupte nicht, dass Du das tust, aber das bestimmte andere Diskutanten dieses Boards das machen und im Grunde ja auch die „Mainstream“-Philosophie, die den Marxismus auch in meiner ganz bestimmt nicht dogmatischen Variante unverstanden zur Pseudo-Wissenschaft erklärt), sondern muss die Gründe dieses systematische Scheiterns von Kommunikation mitreflektieren (der Marxismus macht dies traditionellerweise, indem er diese Kommunikationssperre der Differenz der Klassenpositionen zurechnet; was sicherlich krude ist, aber immerhin)

Ich glaube, wir sollten diese Diskussion vielleicht mit dem gemeinsamen Eingeständis gegenseitigen Unverständnisses beenden und später in einem anderen Kontext wieder aufnehmen, in dem vielleicht die Auseinandersetzung nicht ganz so grundsätzlich geführt werden muss. Oder nicht?

Viele Grüße
franz

Hallo Franz,

P. S. Mit Frank habe ich wahrscheinlich mehrere hundert
Postings ausgetauscht, die alle ergebnislos waren. Ich hoffe,
du akzeptierst, dass ich deshalb dazu nichts mehr sagen
möchte. Nur soviel: Was er im Moment so von sich gibt, ist
noch gemäßigt. Aber wenn ich darauf eingehen würde, käme es
über kurz oder lang wieder zu Beschimpfungen gegen mich, was
ich mir nicht antun möchte. Dass ich auch mit Marxisten
gesittet diskutiere, siehst du ja. An mir liegt es also nicht.
So, und nun ist das Thema Frank für mich wieder zu Ende, mein
Puls geht schon wieder hoch … :smile: Wenn du wissen möchtest,
wie du die Threads zwischen Frank und mir im Archiv finden und
nachlesen kannst, schicke ich dir ein paar Hinweise (wenn ich
mehr Zeit habe) per Mail. Ich bin sicher, dass du nach der
Lektüre anders darüber denkst.

um das gleich mal zu unterlegen:
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…

Ansonsten siehe meine Bemerkung weiter oben und Brandens Zustimmung.
BTW: es wäre nett, wenn du mir die beiden Fragen hier unten beantworten könntest. Denn mit deiner eigenartigen Lesart Marxens nebst der Psychoanalyse über meine Person samt Marxismusunterstellung bekomme ich wiedermal Bauchschmerzen.
Wie passen Kategorien in materialistische Dialektik?

Gruß
Frank

Fortsetzung der Debatte
Hallo Franz,

Mein W-M-H-L-Begriff ist keineswegs ein Konglomerat von
unterschiedlichen Aspekten, sondern e i n Aspekt, der nicht
auseinandergerissen werden kann, ohne eben (in deinen
Worten)„Vorurteile in das Urteil hineinzuschleppen“, um es im
Jargon des Marxismus auszudrücken: zu abstrahieren.

wie kann denn ein Zusammengesetztes ein Einfaches sein, ohne dass man es aus Einfachem zusammensetzt?

Insgesamt aber sehe ich überhaupt keinen Weg, wie man vom
Begriff der Wissenschaft zu ihrer Funktion gelangen könnte.

Nein, den sehe ich auch nicht, weil es eben zwei Aspekte sind, die getrennt behandelt werden müssen. Der eine ist eine Begriffsfrage, der andere eine Funktionsfrage.

ich verstehe nicht, inwiefern „Genesis“ und
„Geltung“ das Vorhandene (wie Du oben gesagt hast) sein
sollen, deren Verbindung aber eine Synthese von Vorhandenheiten.

Ich versuche es einmal mit Marx zu erklären, was ich meine, auch wenn es natürlich ein bisschen holpert :smile: . Wenn die Gesellschaft die Bedingung der Möglichkeit für die Erkenntnis ist/wäre, dann ist/wäre, dann ist/wäre sie für den Erkenntnis gültig (Geltung). Wäre hingegen die Gesellschaft nur einfach entstanden (Genesis), dann hätte sie keine zwingende Bedeutung und alles könnte auch anders sein. In diesem Sinne bekommt also ein Fakt (die Gesellschaft als entstandene = Genesis) eine Bedeutung (= Geltung). Diese zwingende Bedingung der Gesellschaft bzw. die zwingende historische Abfolge der Gesellschaftsträger bestreite ich, weil sie nicht begründet ist bzw. in die Zukunft extrapoliert.

Im übrigen gestehe ich natürlich gerne zu, dass wir hier die
Verbindung von Wissenschaft und Gesellschaft auf Grund unserer
Ausgangspositionen völlig unterschiedlich denken; aber wenn Du
forderst, ich sollte meine „Synthesen“ weglassen und an den
Vorhandenheiten ansetzen, dann gibst Du mir nicht eine
„methodische“ Anweisung, sondern zwingst mich, meine Position
zu verlassen.

Oh, mir liegt es fern, dir etwas aufzuzwingen oder dich zu überreden. Ich möchte dich schon überzeugen, und das kann ich natürlich nur, wenn ich die Vorteile präsentiere, die ich sehe. Wenn du meinst, dieselben Vorteile oder andere mit deiner Methode zu gewinnen, kannst du ja mir deine Sichtweise präsentieren. Und dann diskutieren wir über die Angemessenheit der jeweiligen Standpunkte. Ich sehe da kein Problem.

einige Autoren der Meinung sind, auf den Begriff Gewalt
verzichten zu können, eben weil seine Verwendung so umstritten
ist)

Ich kenne diese Meinung, vermisse aber bei denen, die sie äußern, eine angemessene Alternative. Wenn sie einen Begriff vorlegen, der besser ist, wäre es ja in Ordnung.

Was ich einzig einfordern wollte,
ist die Anerkennung der „Mitleidsmasche“, also jener
subtileren Formen von Gewalt als Gewalt (anders, aber auf
gleicher Ebene mit der körperlichen Gewalt stehend).

Ja, das habe ich durchaus verstanden, halte diese beiden Formen von Gewalt aber nicht für vergleichbar, denn bei der Mitleidmasche habe ich ja noch eine Chance, mich zu entscheiden (mit einem schlechten Gewissen vielleicht); diese Chance fehlt bei körperlicher Gewalt bzw. sind bei Waffengewalt z. B. die Alternativen keine echten.

Natürlich muss Gewalt erst festgestellt werden, bevor nach
ihrer Herkunft gefragt werden kann.

Das halte ich für wichtig, weil ich den Eindruck hatte, du würdest das nicht meinen. Und ich würde nun argumentieren, dass wenn man Gewalt erst (= primär) festgestellt hat, dann in einem zweiten Schritt (sekundär) die Herkunft fraglich wird. Insofern ist also die Primärklärung wichtiger, wenn auch nicht die einzig mögliche.

und als fabrizierte Leiche ist der „Penner“ nicht vom KZ-Häftling zu
unterscheiden. (rein quantitativ besteht natürlich ein Unterschied)

Wenn du so unterscheidest, kannst du eigentlich gar nichts mehr unterscheiden, weil wir ja alle sterben, der eine früher, der andere später, der eine mit, der andere ohne zusätzlichen Grund etc.

Was Du und Frank miteinander habt, geht mich überhaupt nichts
an. Und ich mische mich da auch gar nicht rein.

Das wollte ich auch nicht erreichen.

Auf der anderen Seite ist es aber nicht verwunderlich, dass
ihr beide nie zum gegenseitigen Verständnis gelangen konntet,
weil Eure beiden Positionen einfach viel zu weit auseinander
liegen.

Deine und meine Position liegen auch weit auseinander, und trotzdem können wir reden. Auseinanderliegende Standpunkte sind nicht das Problem.

haben aber in dieser
grundsätzlicheren Debatte massive Problem.

Nein, ich finde überhaupt nicht, dass wir Probleme haben. Wir diskutieren, wie man sinnvoll diskutieren sollte.

Und das liegt weiß
Gott nicht an unserer Persönlichkeitsstruktur, sondern an den
Haltungen, die wir verteidigen.

Genau. Deshalb können wir diskutieren, auch wenn die Standpunkte differieren.

Auch außerhalb von
wer-weiss-was findet ja zwischen diesen Positionen keine
vernünftige Kommunikation statt;

Wieso auch? Wir diskutieren doch.

Grunde ja auch die „Mainstream“-Philosophie, die den Marxismus
auch in meiner ganz bestimmt nicht dogmatischen Variante
unverstanden zur Pseudo-Wissenschaft erklärt),

Ich begründe ja, warum ich das behaupte. Genau darüber muss man reden.

Ich glaube, wir sollten diese Diskussion vielleicht mit dem
gemeinsamen Eingeständis gegenseitigen Unverständnisses
beenden und später in einem anderen Kontext wieder aufnehmen,
in dem vielleicht die Auseinandersetzung nicht ganz so
grundsätzlich geführt werden muss. Oder nicht?

Ich finde gerade diese Grundsatzdiskussion interessant und lehrreich und möchte ungern darauf verzichten, gerade weil du sie so intelligent, kenntnisreich und angenehm führst.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Hallo Frank,

um das gleich mal zu unterlegen:
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…

Um das ganz klar zu sagen: Ich mische mich definitiv nicht in die Querelen zwischen Dir und Thomas ein.

BTW: es wäre nett, wenn du mir die beiden Fragen hier unten
beantworten könntest. Denn mit deiner eigenartigen Lesart
Marxens nebst der Psychoanalyse über meine Person samt
Marxismusunterstellung bekomme ich wiedermal Bauchschmerzen.
Wie passen Kategorien in materialistische Dialektik?

Ich sehe nur eine Frage; was ist die zweite?

eigenartige Lesart: Mein Marxismus-Verständnis ist ein zutiefst „französisches“. Dort fand in den 60er und 70er Jahren eine umfangreiche Marx-Interpretation statt, deren bekannteste Vertreter Louis Althusser und Etienne Balibar sind (hervorgegangen ist daraus aber auch ein großer Teil des heutigen US-amerikanischen Marxismus: Postone, Wallerstein, etc.). Ich kann Dir diese Interpretation natürlich unmöglich in der her gebotenen Kürze darstellen, nur soviel: sie fand nicht rein akademisch statt, sondern inmitten des PCF, also der KP Frankreichs; Ihr Grund war die "Anpassung der Lehre Marx’ an die Verhältnisse Westeuropas; warum: 1) der Hegelmarxismus hat Schiffbruch erlitten, als in Rußland (die schwächste ökonomische Macht) Revolution stattfand, nicht wie vom Hegelmarxismus vorhergesagt in Deutschland (entwickeltste Ökonomie), wo es zum Faschismus kam. 2) stalinistischer Personenkult, etc. wurde im Zuge der Entstalinisierung selbst zur „Abweichung“ erklärt; deshalb glaubten Althusser und andere, der später erst manifest gewordenen „Krise des Marxismus“ durch eine Rückkehr zu den ursprünglichen Einsichten Marx’ und Lenins begegnen zu können. Ich halte eine solche Rückkehr, also eine Neu-Interpretation beider für unumgänglich, weil ein ganz entscheidender Faktor der Theorie heute nicht mehr gegeben ist: die Massenbasis; diese wieder zu erreichen, bedarf es theoretischer Arbeit. Du schreibst dies selbst (gegen Thomas gerichtet): „Antwort: Der Kommunismus ist die Lehre von den Bedingungen der Befreiung des Proletariats.“

Es ist das eigentümliche an den Leuten, die diese Entwicklung nicht als objektive Notwendigkeit erkennen, wie dir z.B., dass sie denken, ein Kommunismus könnte von einer KP oder anderen Weltverbesserern eingeführt werden.
Das ist falsch. Dieser ist die Einsicht in die tatsächliche Entwicklung durch die große Mehrheit der Bevölkerung, ihrer größten Klasse. Daher auch der Zwang zur Diktatur dieser Klasse (nicht deren Vertretern!). Dadurch hebt sich aber diese Diktatur als Diktatur auf.
Der wissenschaftliche Sozialismus heisst also dahwer so, weil er keine Utopie sondern eine Lehre darstellt."

Außerdem lasse ich Deine Position des „wissenschaftlichen Sozialismus“ in diesem Forum durchweg unangetastet, verteidige sie sogar gegen den Vorwurf der Pseudo-Wissenschaft; Althusser nannte diesen von mir vertretenen (und radikalisierten) Ansatz nicht marxistische Philosophie, sondern „Philosophie für den Marxismus“; Du selbst behauptest ja zu Recht, nicht Philosophie, sondern Wissenschaft zu treiben (ich persönlich verstehe nicht, weshalb Du damit Dich nicht stärker in den anderen Foren des w-w-w einbringst; warum in der Philosophie, wo es für Dich nichts zu holen gibt?), also kannst Du das, was ich hier schreibe, auch nicht direkt als Angriff auf Deine Position werten.

Psychoanalyse über Deine Person habe ich definitiv nicht betrieben!!! Ich habe Dich namentlich nur einmal hier erwähnt, und das nur als Vertreter des „wissenschaftlichen Sozialismus“ (Thomas und ich haben uns geeinigt, diesen in unserer Diskussion AA-Marxismus zu nennen), niemals aber als Person; will ich auch gar nicht.

Kategorien passen definitiv nicht in den Diamat; ich habe das Wort in meiner Diskussion mit Thomas an der Stelle erwähnt, als es galt Nähen und Fernen des Kantischen und des Marx’schen Erkenntnissubjekts auszuloten; dass ich da einen Kantischen Begriff verwenden muss, sagt nicht über den Diamat aus;

Viele Grüße
franz

Hallo Thomas,

wie kann denn ein Zusammengesetztes ein Einfaches sein, ohne
dass man es aus Einfachem zusammensetzt?

Die Frage ist doch: Woher kann ich wissen, was einfach und was zusammengesetzt ist? Möglichkeit eins: ich entnehme dieses Wissen meiner Einsicht in die reale Welt, entnehme es also quasi den Dingen selbst; diese Einsicht aber habe ich nicht, zumal ich auch gar nicht davon ausgehen kann, dass es in der realen Welt etwas „Einfaches“ geben kann; Möglichkeit zwei: ich entnehme dieses Wissen dem Sprechen über die Welt, also dem Diskurs, der immer schon vor mir geführt wurde; auch hier gibt es kein Einfaches, es sei denn, ich orientiere mich ganz simpel am Wortbild, was ich für abwegig halte; also versuche ich vom Konkreten auszugehen; dafür nehme ich ich eine Begriff des bisherigen Diskurses und konkretisiere ihn, zeige, worin er dabei von Sachverhalten abstrahiert, und deshalb etwas verzerrt darstellt; so würde ich auch die Kritik Marx’ an der klassischen Ökonomie sehen. Diese Vorgehensweise ist sich bewusst: a) dass sie niemals auf etwas anderes rekurrieren kann als auf die Begrifflichkeit des Diskurses, den sie aufnimmt, und b) dass sie niemals engültig zum Konkreten vordringen wird können, weil auch ihre Begrifflichkeit einmal als Abstraktion durchschaut worden sein wird; mein W-M-L-Begriff ist aus dieser Sicht konkreter als der Wissens-Begriff in Bezug auf die Funktion der Wissenschaft, weil er zeigt, dass Macht und Lust untrennbar mit Wissen verbunden sind; davon muss ich ausgehen, wenn ich nicht hinter die Einsichten Marx’ (Macht) und Freuds (Lust) zurückfallen will; und inwiefern dieser Begriff komplexer wäre als der Begriff des Wissens, sehe ich nicht ein, weil auf einer semantischen Ebene, also nicht auf bloßer Wortbild-Ebene, „Wissen“ ja ganz genauso überaus komplex ist, und keineswegs einfach. Und wie gesagt, die Wortbild Ebene halte ich für irrelevant, weil ich meine W-M-L-Begriff ja auch per Neologismus zum „einfachen Begriff“ machen könnte, etwa: Wimalu

Diese zwingende Bedingung der
Gesellschaft bzw. die zwingende historische Abfolge der
Gesellschaftsträger bestreite ich, weil sie nicht begründet
ist bzw. in die Zukunft extrapoliert.

OK, das verstehe ich jetzt (Ich habe bisher mit Geltung/Genesis etwas missverstanden!). Das ist natürlich ein überaus schwieriger Sachverhalt. Dann müsstest Du aber mit der gleichen Begründung auch die Hegelsche Dialektik ablehnen. Auch dort ist die zwingende Abfolge der Stufen des Geistes zu bestreiten.
Man muss hier meines Erachtens zwei verschiedene Perspektiven unterscheiden: 1)die hegelmarxistische, die aus der Perspektive Gottes, des reinen Beobachters, so auf Anfang, Ende und damit Sinn (Logik) der Universalgeschichte blickt, als wäre sie nicht mitten in ihr drin; 2) die marxistische, die sich ihres Mitten-Drin-Seins bewusst ist, die die bestehende gesellschaftliche Formation als ein Moment einer größeren geschichtslogischen Einheit auffasst, damit anhand eines zentralen Aspekts der gegenwärtigen Gesellschaftsformation, der Frage, wie der Mehrwert erzeugt wird, ihre „Retentionen“ und „Protentionen“ betrachtet, also (auf der abstrakten Ebene der Dialektik; auf logischer Ebene)zeigt, wo(durch) der Mehrwert in die Welt gekommen ist (durch das Ende des Urkommunismus), welche Stufen sein Form durchlaufen hat (Sklavenhalter-, Feudalgesellschaft, Kapitalismus), und wo(durch) er aus der Welt fallen wird (Kommunismus). Auf dieser logischen Ebene hielt Marx einfach die Wandlungsmöglichkeiten der Form des Mehrwerts für erschöpft, so dass er davon ausgehen musste, dass die nächste Wandlung mit der Vernichtung des Mehrwerts einhergehen müsste. In dieser Variante wird nicht behauptet, dass die erkannte Logik der Sinn der Universalgeschichte, das Absolute, ist, sondern lediglich dass sie eine Rekonstruktion der Genese des Bestehenden darstellt;
Auch diese 2. Variante der Geschichtsbetrachtung lehne ich teilweise ab, weil ich sie für zu logizistisch halte, aber es dürfte klar geworden sein, dass zwischen 1) und 2) riesige Unterschiede bestehen, und dass 2) durchaus etwas zu bieten hat. An der Differenz zwischen 1) und 2) lasse ich übrigens auch die Differenz zwischen Wissenschaft und Metaphysik laufen (darüber haben wir ja früher mal geredet!).

einige Autoren der Meinung sind, auf den Begriff Gewalt
verzichten zu können, eben weil seine Verwendung so umstritten
ist)

Ich kenne diese Meinung, vermisse aber bei denen, die sie
äußern, eine angemessene Alternative. Wenn sie einen Begriff
vorlegen, der besser ist, wäre es ja in Ordnung.

genau meine Meinung!

Was ich einzig einfordern wollte,
ist die Anerkennung der „Mitleidsmasche“, also jener
subtileren Formen von Gewalt als Gewalt (anders, aber auf
gleicher Ebene mit der körperlichen Gewalt stehend).

Ja, das habe ich durchaus verstanden, halte diese beiden
Formen von Gewalt aber nicht für vergleichbar, denn bei der
Mitleidmasche habe ich ja noch eine Chance, mich zu
entscheiden (mit einem schlechten Gewissen vielleicht); diese
Chance fehlt bei körperlicher Gewalt bzw. sind bei
Waffengewalt z. B. die Alternativen keine echten.

Die Vergleichbarkeit kommt auf die Perspektive an; wenn ich von Gewalt rede, dann habe ich ja deren Wirkung immer schon vor mir (darüber haben wir uns geeinigt); diejenige Handlung, die mit der „Mitleidsmasche“ erzwungen worden ist, war -retrospektiv- genauso „ausweglos“, weil sie sonst ja gar nicht zustande gekommen wäre.
Ansonsten: die von mir als Beispiel genannte „Mitleidsmasche“ ist natürlich eine sehr schwache Form von Gewalt, das ist mir klar; aber andere „subtile“ Gewaltformen lassen auch prospektiv genausowenig Ausweg wie Waffengewalt, sind also durchaus vergleichbar, wenn auch schwerer auf den Gewalttäter zurechenbar.

Natürlich muss Gewalt erst festgestellt werden, bevor nach
ihrer Herkunft gefragt werden kann.

Das halte ich für wichtig, weil ich den Eindruck hatte, du
würdest das nicht meinen. Und ich würde nun argumentieren,
dass wenn man Gewalt erst (= primär) festgestellt hat, dann in
einem zweiten Schritt (sekundär) die Herkunft fraglich wird.
Insofern ist also die Primärklärung wichtiger, wenn auch nicht
die einzig mögliche.

Völlige Zustimmung, aber die sekundäre Frage der Herkunft entscheidet zum Beispiel darüber ob das, was man primär festgestellt hat, Aktion oder Reaktion ist, ob es temporär oder anhaltend ist, etc. Von daher würde ich eher eine ständige Pendelbewegung zwischen Primär- und Sekundärbewegung sehen. Und meine Behauptung war ja nur, dass man im Lauf dieser Pendelbewegung die Gewalt des Rechts- von der des Linksextremismus unterscheiden können wird (und muss).

und als fabrizierte Leiche ist der „Penner“ nicht vom KZ-Häftling zu
unterscheiden. (rein quantitativ besteht natürlich ein Unterschied)

Wenn du so unterscheidest, kannst du eigentlich gar nichts
mehr unterscheiden, weil wir ja alle sterben, der eine früher,
der andere später, der eine mit, der andere ohne zusätzlichen
Grund etc.

Es ist nicht meine Unterscheidung, sondern die von Arendt; Aber wir haben uns vom Ausgang zu weit entfernt, weil Du nur das schwache Beispiel des Penners aufgenommen hast. Mein Argument war, dass Arendt mit ihrem Kriterium erkennen hätte müssen, dass das KZ des liberalen Kapitalismus eben solche Phänomene wie der Hungertod in der dritten Welt ist, weil sie berücksichtigen muss, dass die Leichen f a b r i k a t i o n (soviel zu Deinem Argument, man könne hier nichts unterscheiden; der gewöhnliche Tod, den wir alle erleiden, ist nicht fabriziert) zwar im Nationalsozialismus leicht erkennbar, weil zentralisiert, ist, im liberalistischen Kapitalismus aber genauso leicht erkennbar ist, wenn man dessen Grundstruktur der Dezentralisiertheit berücksichtigt;

Ich glaube, wir sollten diese Diskussion vielleicht mit dem
gemeinsamen Eingeständis gegenseitigen Unverständnisses
beenden und später in einem anderen Kontext wieder aufnehmen,
in dem vielleicht die Auseinandersetzung nicht ganz so
grundsätzlich geführt werden muss. Oder nicht?

Ich finde gerade diese Grundsatzdiskussion interessant und
lehrreich und möchte ungern darauf verzichten, gerade weil du
sie so intelligent, kenntnisreich und angenehm führst.

Erstmal danke und dito! Ich glaube nur, dass sich eine Grundsatzdiskussion zwangsläufig immer im Kreis drehen muss, wenn die Ausgangspositionen zu weit voneinander entfernt sind; schon generell bin ich der Meinung, dass man sich eine fremde Position nicht nach und nach aneignen kann; man muss in sie hineinspringen oder wird ihr nie wirklich näherkommen; das meint der Marxismus mit „Einnahme der Klassenperspektive“, was nichts Psychologisches ist. Gerade eine solche Erklärung aber wird von der akademischen Wissenschaft als „Immunisierungsstrategie“ bezeichnet (was ich absurd finde!) und dient gerade als Beleg dafür, dass der Marxismus eine Pseudo-Wissenschaft ist. Und so stehen eben „Pseudo-“ und „bürgerliche“ Wissenschaft als Vorwürfe unvermittelbar gegenüber.

Viele Grüße
franz