Skizzen für die Zukunft
Hallo Heinrich,
Du überspitzt die Sachverhalte soweit, daß man das Szenario schlecht finden muß. Nur stellen sich die Sachverhalte weder so überspitzt dar, noch will jemand auf dieses Szenario hinaus.
Aus diesem Grunde habe ich nicht geantwortet und nicht, weil ich das genauso sehe wie Du.
Lahmt das Unternehmen, muss der Firmenleitung die Chance
haben, die Wochenarbeitszeit beliebig auszudehnen.
Von beliebig war nie die Rede.
Der
8-Stunden-Tag wird zum 10-, 12- oder 14-Stundentag, aus der
35- oder 37- oder 38,5-Stunden-Woche wird eine 40-, 48- oder
60-Stunden-Woche. Dies natürlich bei unveränderten Gehältern.
Gleiches gilt für die Einbeziehung von Samstag, Sonntagen und
Feiertagen in die normale Arbeitszeit sowie die Nutzung des
gesamten Tages als Arbeitszeit (Schichtmodell).
Will auch niemand. Warum sollte ich bspw. nachts arbeiten? Meine Kollegen aus den börsennahen Abteilungen schieben seit zwei Jahren Spätschichten bis 21 Uhr. Was passiert heute? Die Börsenzeit bei Xetra wird wieder verkürzt und alle anderen Börsenplätze, die sich gezwungen sahen, nachzuziehen aber dies nie wollten, werden über kurz oder lang folgen. Grund für die Verkürzung der Handelszeiten: Fehlende Nachfrage.
Was sagt uns das? Es soll bedarfsgerecht gearbeitet werden und nicht einfach nur lang.
Ansonsten: In dem Augenblick, wo Du Schichtdienst an sich verteufelst, solltest Du Dir überlegen, wie heute morgen Zeitung und Post zu Dir gelangten und wieso heute nacht noch Wasser aus der Leitung kommt.
Gehaltsauszahlungen für Überstunden inklusive Zuschlägen oder
ein Freizeitausgleiche für Überstunden, ebenfalls mit
Zuschlägen, ist nicht möglich, da dies kontraproduktiv wäre
für die aktuelle Finanzsituation des Unternehmens (dem
Unternehmen geht es ja schlecht, und gerade deshalb verlängert
es seine Arbeitszeiten)
Woher hast Du den Blödsinn denn?
Mal was grundsätzliches: In Zeiten schwacher Wirtschaftslage geht es den Unternehmen schlechter, weil die Nachfrage fehlt. Maßnahmen können erst mit Verzögerung umgesetzt werden, so daß meist (und so wird es auch diesmal sein) alle abgebauten Mitarbeiter erst das Haus verlassen haben, wenn die allgemeine Krise dem Ende zugeht. In der Zwischenzeit wurden aufgrund der schlechten Lage des Unternehmens die Kreditlinien reduziert, was auch ganz gut paßte, weil bei geringerem Umsatz auch weniger Liquidität benötigt wurden.
Nun ist die Krise vorbei und was fehlt? Richtig, Mitarbeiter und Geld. Aufträge sind da, können nicht abgearbeitet werden, die Konkurrenz (und die gibt es immer) springt ein. Das Ende vom Lied: Mitten im Aufschwung legt die Pleitewelle noch mal einen Gang zu.
Zurück zu Deiner Aussage: Den Unternehmen geht es nicht schlecht, weil die Leute länger arbeiten sollen, sondern weil sie nicht schnell genug auf Nachfrageänderungen (nach oben oder nach unten) reagieren können. Die Regel ist heute, daß die Leute entlassen und im Gegenzug als Zeitarbeiter eingestellt werden, teilweise sind es sogar die gleichen Personen. Warum dieser Umweg? Ganz einfach: Arbeitsrecht und die Tarifverträge fordern das heraus.
bzw. kann sich das Unternehmen keine
Lohnzahlungen in Zeiten leisten, wo die Produktionszeiten
reduziert werden und die Arbeitnehmer ihre angesammelte
Freizeit nehmen.
Warum soll eine Glättung ein Problem sein? Man muß die schwankende Arbeitszeit ja nicht voll auf die Entlohnung durchschlagen lassen.
Dazu muss es dem Unternehmer freigestellt sein, kurzfristig
Arbeitnehmer einzustellen und wieder zu entlassen. Eine
Regelung, die einen Arbeitgeber mittel- oder langfristig an
Personal bindet, hindert ein Unternehmen, auf Veränderungen
des Marktes zu reagieren. Die Lösung dieses Problems ist also
„Hire And Fire“ auf Monats-, Wochen- oder gar Tagesbasis
(„Tagelöhner“).
Wer will denn die vollständige Aufhebung des Kündigungsschutzes? Es geht vor allem um die Lockerung bei kleineren Unternehmen. Was macht es für einen Sinn, daß ein kleiner Handwerksbetrieb eher pleite sein ist, als sich von einem Mitarbeiter getrennt hat?
Wären damit unsere wirtschaftlichen Probleme gelöst? Ist das
der Zustand, den wir anstreben müssen?
Mal als Beispiel, wie es bei uns läuft: Jeder Mitarbeiter führt eine Excel-Tabelle, in der er seine Arbeitszeit einträgt. Diese Tabelle wird nicht kontrolliert. Jeder Mitarbeiter gestaltet seine Arbeitszeit wie es das Arbeitsaufkommen verlangt. Im Sommer ist bei uns Stoßzeit, da kommen am Tag leicht mal zwei Überstunden zusammen. Von Oktober bis Mai hat jeder die Möglichkeit, diese Überstunden allmählich abzubauen. Die Bezahlung ist über das Jahr gleichmäßig verteilt, mal abgesehen vom Bonus im Frühjahr, der in den letzten beiden Jahren eher mau ausgefallen ist.
Niemand will den entrechteten Lohnsklaven, den Du hier skizzierst, aber es kann auch keinen Sinn machen, an einem starren System festzuhalten, weil es so irgendwie schöner ist. Die Zeit der 16 Stundentage und 7 Tagewochen ist seit 100 Jahren vorbei. In dieser Zeit wurde viel errungen, nun wird es Zeit, auf Basis dieser Errungenschaften neue Wege zu finden, die für alle Beteiligten akzeptabel sind.
Wer wie Du, die Gewerkschaften und einige andere ewig gestrige Extremlinke Schatten an die Wand malt, die mit den Wünschen der Arbeitgeber nichts das geringste zu tun haben, betreibt Stimmungsmache und vergeht sich damit letztlich an unserer Zukunft.
Ich sagte es zuvor und ich sage es erneut: Wir stehen im Wettbewerb und da draußen warten einige hundert Millionen Menschen darauf, unsere Arbeit machen zu dürfen. Und die werden sie bereitwillig auch zehn Stunden am Tag erledigen, mit einer nur rudimentären Sozialabsicherung und ohne gesetzlich geregelte Mittagspausen, weil das immer noch besser ist, als das, was sie jetzt haben.
Wir können entscheiden:
Tun wir uns kurzfristig was gutes und bleiben auf dem derzeitigen sitzen und tun damit mittelfristig anderen was gutes, indem wir ihnen unsere Arbeitsplätze auf dem Silbertablett servieren?
Oder werden wir aber flexibler, rücken von Besitzständen und alten Gewohnheiten ab, zeigen Leistungswille und Motivation und zeigen der Welt die lange Nase?
Welches Schweinderl hättens denn gern?
Gruß,
Christian