Kürzester Abstand zwischen zwei Punkten?

Hallo zusammen!

Dieses Problem beschäftigt mich jeden Tag beim Radeln. Würde mich über eine für Laien verständliche Antwort freuen!

Der kürzeste Abstand zwischen zwei Punkten ist bekanntlich eine Gerade. Im alltäglichen Leben (sprich: beim Radeln) ist es natürlich nicht immer möglich, eine direkte Linie zwischen Start- und Zielpunkt zu fahren.
Angenommen man bewegt sich in einer Stadt mit lauter rechtwinklig angeordneten Strassen und muss eine Strecke radeln, die mehr oder weniger im 45 Grad-Winkel zu diesem Strassennetz liegt. Man kann nun entweder erst ganz lange in die eine Richtung fahren, dann eine einzige 90 Grad-Kurve fahren und dann ganz lange in die zweite Richtung.
Oder man fährt so viele Kurven wie möglich, um sich möglichst nahe an diese 45 Grad-Gerade anzunähern, die ja als „Luftlinie“ die kürzeste Strecke wäre. Vom Gefühl her ist diese zweite Option deutlich kürzer…
Wenn wir aber annehmen, dass das Kurvenfahren selber keine Zeit und Strecke kostet, sind aber beide Wege exakt gleich lang, weil es ja alles rechte Winkel sind. Egal, wie viele - immer kleinere - 90 Grad-Kurven ich fahre, die Strecke bleibt immer genauso lang, als wenn ich nur diese eine einzige Kurve mache.

Aber wenn ich nun doch durch alle Häuser durchfahren könnte, wäre meine Strecke ein ganzes Stück kürzer und zwar auf einen Schlag!!!

Wie kann das sein? Kann man diesen „Umschlagpunkt“ irgendwie berechnen? Und wieso hat man das Gefühl, durch die vielen kleinen Kurven die Strecke doch zu verkürzen? Haben wir den Pythagoras (damit hat das doch zu tun, oder???) irgendwie in unserem Instinkt?

Würd mich riesig über Antworden jeder Art freuen.
Vielen Dank schonmal!

hi pro
also wenn ich es richtig verstanden habe meinst du ein idealisiertes strassensystem, bei alle strassen parallel oder rechtwinklig zueinander laufen(also so wie ein häusschenpapier)
und man kann sich nur in zwei richtungen bewegen(zb punkt A ist südwestlich, b nordöstlich, nun kann man nur richtig norden oder westen fahren)
dan ist es egal, wie man die fahrt aufteilt, haupsache man kommt bei b an:wink:
zähle alle horizontalen abschnitte zusammen, und alle vertikalen: du wirst immer aufs gleiche resultat kommen.(ich hoffe, ich habe dir gehofen)
lg niemand
ps: vesuchs doch mal, auf einem häusschenblatt verschiedene varianten aufzuzeichnen

Moin, Prolin,

Haben wir den Pythagoras (damit hat das doch zu tun, oder???) irgendwie in
unserem Instinkt?

weder noch. Allerdings wird uns bald langweilig, wenn eine kilometerlange Strecke schnurgerade vor uns liegt. Die Abwechslung macht’s!

Gruß Ralf

Hallo,

Glückwunsch, Du hast gerade entdeckt, dass punktförmige Konvergenz noch keine gleichmäßige Konvergenz bedeuten muss – so würden jedenfalls Mathematiker den von Dir erradelten :wink: Sachverhalt in Ihrer Fachsprache ausdrücken.

Eine Skizze: http://img147.imageshack.us/img147/5899/konvergenz.jpg

Die schwarzen Punkte darin sind natürlich der Start- und Endpunkt der Reise. Ihre „luftlinienmäßige“ Entfernung sei d, z. B. d = 5 km. Die Linien dazwischen geben die Fahrtroute an.

Folgende Aussagen treffen dann zu: (1) Wenn die Anzahl der Abknickpunkte steigt (1, 2, 4, 8…), nähert sich die rote Linie der schwarzen Linie an. (2) Die grüne Linie tut das auch, sowie sie immer flacher wird. (3) Die rote Linie ist immer gleich lang (!), nämlich √2 d. (4) Die grüne Linie wird immer kürzer, je flacher sie verläuft. Ihre Länge nähert sich d an.

Sowohl „rot“ als auch „grün“ konvergieren unbestreitbar gegen „schwarz“, aber offensichtlich gibt es einen prinzipiellen Unterschied in der Art, wie sie das tun. Dieser Unterschied existiert tatsächlich, und in der Analysis, der mathematischen Disziplin, die für solche Fragen zuständig ist, ist er sogar von enormer Relevanz. Wie genau man sich dort damit technisch auseinandersetzt, ist aber eher uninteressant. Zum Vorschein kommen zwei Begriffe, die man für die beiden Annäherungsarten ersonnen hat: Die „primitiv-urtümliche“ Konvergenz nennt man punktweise. Sowohl rot als auch grün konvergieren also punktweise gegen schwarz. Darüberhinaus gibt es jedoch noch gewissermaßen eine „Edel-Konvergenz“, die in diesem Beispiel nur grün erfüllt. Man nennt sie gleichmäßig. Grün konvergiert also zusätzlich auch noch gleichmäßig gegen schwarz, aber rot tut das nicht.

Die große theoretische Bedeutung gleichmäßig konvergenter Funktionenfolgen liegt darin, dass man aus einfachen Funktionen komplizierte Funktionen aufbauen kann (das Beispiel schlechthin: Potenzreihenentwicklung), und dabei muss geklärt werden, unter welcher Voraussetzung sich gewisse fundamentale Eigenschaften wie Stetigkeit, Differenzierbarkeit und Integrierbarkeit von den einfachen auf die daraus erzeugten komplizierten Funktionen übertragen. Diese Voraussetzung ist die gleichmäßige Konvergenz.

Wie kann das sein? Kann man diesen „Umschlagpunkt“ irgendwie
berechnen?

Es gibt keinen „Umschlagpunkt“. Die rote Linie behält ihre Länge bei, auch wenn Tausend, eine Million oder noch viel mehr Knicks drin sind. Nur mit einem Fahrrad abfahren kann man so eine filigran gezackte Linie nicht mehr – aber das ist ein anderes Problem.

Und wieso hat man das Gefühl, durch die vielen
kleinen Kurven die Strecke doch zu verkürzen? Haben wir den
Pythagoras (damit hat das doch zu tun, oder???) irgendwie in
unserem Instinkt?

Eine durchaus interessante Frage, finde ich, aber ich glaube, das Psychologiebrett wäre dafür besser geeignet. Vermutlich liegt es daran, dass wir immer vorschnell gleichmäßige Konvergenz unterstellen – auch wenn wir damit manchmal falsch liegen.

Gruß
Martin