Tabus und Sitten
Jetzt zu den Schweinen. Es stimmt gar nicht, daß das Schwein
extra verboten wäre, das ist nur im Koran so.
So ist es. Und das ist, wie vermutete wird, eine Übernahme aus der Torah, die mißverstanden wurde. Denn diese Tabuisierungen sind gar nicht immer so unnachvollziehbar und auch nicht irrational, wie Rolf das gerne konstatieren möchte. Nur sind die Ausgangspunkte der Regeln bereits vor den schriftlichen Überlieferungen verlorengegangen, die nachfolgenden „Schriftgelehrten“ tradieren nur noch die Form, nicht mehr den Inhalt und nun hat die Archäologie und Religionswissenschaft ihre Mühe damit.
Das Tabu „nur Wiederkäuer“ erhellt sich, wenn man weiß, daß Schweine nur von seßhaften Bauern gezüchtet werden konnten. Wiederkäuer sind ein Muß der Nomaden. Bei der abrahamitischen Einwanderung konnte das Tabu also noch Sinn machen, indem es der kulturellen Identität („nicht seßhaft werden“) einiger Stämme diente. Denn die Nordwestsemiten (Kanaanäer, Aramäer, Syrer) gehörten ja zu den ältesten Städtegründern (Ugarit, Jericho).
Bei der zweiten Einwanderung aus Ägypten war aber dieser Inhalt verloren, weil die Stämme ja teilweise seßhaft werden wollten. Es ist denkbar, daß die Stämme unter Joshua das Tabu in memoriam der 500 Jahre älteren Vorfahren bzw des Stammesgründers Abraham beibehielten.
Es diente somit also der Identität des Stammes und seiner Generationen und hat somit - weil das ja dasselbe ist - einen Nutzen für die Abgrenzung.
Dasselbe vermutet man ja auch bei ganz konkreten
Verboten wie kein Kalb in der Milch der Mutter zu braten,
welche ja völlig widersinnig und kontextlos anmuten usw.
Dieses Beispiel macht es, wie ich schon mal sagte, deutlich, weil man in diesem Fall Kenntnis davon hat, daß „Rindfleisch in Milch“ einen Vorzugsplatz auf der Speisekarte der Kanaanäer war.
Wirtschaftliche Schwierigkeiten mußten dagegen garantiert nicht religiös untermauert werden.
Genau. Und das ist eben der Grund, weshalb man die Begriffe „Tabu“ und „Sitten“/„Gewohnheiten“ deutlich auseinanderhalten sollte. Ein Tabu dient der Identität (= Abgrenzung), hat mit der elementaren Topologie des Sakralen und Profanen zu tun, spezifiziert Orte, Zeiten, Handlungstypen, Personen und Sprache.
Aber alles andere mag ökologische, ökonomische, hygienische Gründe haben, wird dadurch aber bestenfalls zu einer Empfehlung oder Gewohnheit.
Beides aber, das Tabu sowohl als auch die Sitte, ist nicht irrational, aber die Herkünfte, ihre Geschichte, ist selten erhalten geblieben und oft schwer rekonstruierbar.
Gruß
Metapher