Hallo Chistian,
ich ziehe mal die Zusammenfassung vor.
Bis auf wenige unwesentliche Details und eine Grundsatzfrage sind wir uns vollständig einig.
nur mal so: 1960 war der Arbeitsmarkt unregulierter, die
Wirtschaft lief besser und die Arbeitslosigkeit war niedriger
als heute. Über Ursache und Wirkung werden wir im Zweifel
nicht streiten müssen,
nein, müssen wir nicht. Die Ursachen sind bekannt.
ich bin jetzt unsicher, ob wir wirklich das gleiche meinen.
Ich fasse deshalb nur noch einmal kurz zusammen: Am Anfang
ging es in der Bundesrepublik darum, die Wirtschaft irgendwie
auf die Füße zu bekommen. Die Menschen waren froh um jede
Arbeit, die sie bekommen konnten und die Politik hatte
wichtigeres zu tun als sich um Mindestlohn, gesetzlich
zugesicherten Bildungsurlaub und 35 Stunden-Woche zu kümmern.
Mit steigendem Wohlstand, sinkender Arbeitslosigkeit und
steigendem Organisationsgrad wurden die Arbeitnehmerrechte
gestärkt, die Arbeitszeit reduziert, die Bezahlung erhöht und
andere Vergünstigungen für Arbeitnehmer eingeführt.
Da fehlt mir nur die Erwähnung der anfänglich kaum vorhandenen Automatisierung. Erst mal Verbrauchsgüter ohne Automaten zu produzieren war wichtiger und wegen der teilweise noch fehlenden Technologie anders auch nicht möglich oder deutlich günstiger.
Das war damals durchaus richtig und angesichts der
wirtschaftlichen Situation auch möglich. Diese Tendenz hat
sich aber auch in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten
fortgesetzt, nicht zuletzt, weil es auch um Wählerstimmen
ging.
Um Wählerstimmen ging es bei Zugeständnissen an Arbeitnehmer schon immer. Das hat schon in der Kaiserzeit angefangen. Schon die erste Rentenversicherung sollte die Sozialisten überflüssig erscheinen lassen. Ohne den Druck von links hätte Bismarck diese Gesetze nicht erlassen.
Jetzt fehlt noch eine Alternative zur derzeitigen Regulierung.
Unzufrieden sind wir mit dem aktuellen Zustand ja Beide.
Mir geht es vor allem darum, daß die heutige Situation nicht
mit der vor 20, 30 oder 50 Jahren vergleichbar ist.
Gut. Mir auch.
Wir haben
eine 50 Jahre lange Phase der fast stetig zunehmenden
Regulierung und der Stärkung der Arbeitnehmerrechte hinter
uns. Das Ergebnis - unabhängig davon, ob man nur den
Höchststand heute oder vor zehn Jahren sehen will - ist, daß
wir einen langfristigen Trend steigender Arbeitslosigkeit
haben.
Die beiden Tatsachen sind richtig, der Zusammenhang aber nicht.
Die Arbeitslosigkeit hat andere Ursachen.
Kleiner Einschub: 2007 war das erste mal überhaupt, daß wir in
einer konjunkturellen Hochphase einen der vorherigen
Zwischentiefs bei der Arbeitslosigkeit unterschritten haben -
hier visualisiert:
http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:GermanyUnemployme…
Will sagen: das folgte direkt auf die einschneidensten
Änderungen bei der Arbeitsmarktverwaltung und Rechtsprechung,
die es in Deutschland in den letzten 100 Jahren gab. Das kann
Zufall sein, muß aber nicht.
Weder noch, das sind schlicht statistische Tricks. Nichts ist so flexibel, wie die Ermittlung der Arbeitslosenzahlen. Hier werden Zahlen verglichen, die nur die Bezeichnung gemein haben.
Jedenfalls: Bisher ging es (von der genannten Ausnahme
abgesehen) immer nur - in Wellen - bergauf, d.h. auf höhere
Hochs, folgten noch höhere Hochs und auf höhere Tiefs folgten
höhere Tiefs.
Da sind wir wieder beisammen.
Was hat sich in den letzten 50 Jahren geändert und welche
Schlußfolgerung sollte man für die zukünftig einzuleitenden
Maßnahmen daraus ziehen?
Die stärkste Änderung in den letzten 50 Jahren war der technologische Fortschgritt auf einem vorher nie dagewesenen Niveau.
Sind wir uns denn darin einig, daß die Aufgabe der Wirtschaft
die Versorgung des Volkes ist?
Eigentlich nicht. Wirtschaft ist das, was die
Wirtschaftssubjekte machen und das machen sie meist, um einen
individuellen Vorteil daraus zu ziehen. Arbeitnehmer bieten
Arbeit an, damit sie davon leben können und Arbeitgeber fragen
Arbeit nach, damit sie ihre Waren und Dienstleistungen
produzieren können.
Du beschreibst den Steuerungsnechanismus, nicht die Aufgabe.
Ein anderer Steuerungsmechanismus war die Planwirtschaft. Welcher Steuerungsmechanismus effektiver ist, müssen wir nicht diskutieren, da sind wir uns einig.
Ob der Arbeitgeber damit Gewinn macht, ist dem Arbeitnehmer
erst einmal egal und dem Arbeitgeber ist auch einigermaßen
egal, ob der Arbeitnehmer sich von seinem Gehalt das leisten
kann, was er sich verspricht.
Sinnvoll wäre es (und es folgen Überlegungen, die ich eben
erst angestellt habe), die Interessen der beiden Gruppen
übereinander zu bringen. Mitarbeiterbeteiligung und
erfolgsabhängige Vergütung sind zwei dieser Instrumente, die
die Interessen der Arbeitnehmer mit denen der Arbeitgeber
verknüpfen.
Nun müßte man nach Möglichkeiten suchen, die Interessen der
Arbeitnehmern auch zu Interessen der Arbeitgeber zu machen.
Ein Argument ist, daß glückliche Arbeitnehmer auch motivierte
und damit leistungsbereite Arbeitnehmer sind. Das wird in
vielen kleinen und mittleren Unternehmen so praktiziert.
Ich will nur mal einfügen, daß ich Dir hier völlig zustimme.
Das dumme ist nun, daß der Staat für den Arbeitnehmer sorgt
(Grundsicherung) und es damit dem Arbeitgeber letztlich egal
sein kann, ob er seine Leute vernünftig bezahlt, weil der
Staat am Ende ja einspringt. Anstatt also die Interessen von
Arbeitnehmern auch zu den Interessen der Arbeitgebern zu
machen, ist der Staat hier kontraproduktiv.
Ja, ich stimme immer noch zu.
Ich denke aber, daß Du Dich zu früh in Details verlierst.
Du betrachtest an dieser Stelle schon nicht mehr das Volk, das ja nicht nur aus Arbeitnehmern und Arbeitgebern besteht.
Die Motivation zu handeln, ist schon noch einen shritt weiter, das ist die Reaktion auf die Mechanismen, die die Gesellschaft steuern.
Wir sind uns schon über das Ziel nicht einig.
Auf dieser Basis wird es schwer zu beurteilen, welche Mittel geeignet sind dafür zu sorgen, daß die Handlungen der Beteiligten aus persönlichen Interessen dem Ziel dienen.
Ohne diese Basis werden wir auch nicht herausfinden, ob die Reaktionen in die gewünschte Richtung gehen. Zwischen erfolg und Misserfolg kann man doch nur unterscheiden, wenn man das Ziel kennt.
Wenn ich als Ziel die optimale Versorgung des ganzen Volkes und eine optimale Arbeitsteilung annehme, dann sind verbreiteter Wohlstand und Vollbeschäftigung Erfolge.
Wenn ich maximalen Profit der Unternehmer als Ziel der Wirtschaft betrachte, sind verbreiteter Wohlstand und Vollbeschäftigung nur zufällige Nebenprodukte und eher selten.
Daß ein höherer Profit ein Nebenprodukt der Vollbeschäftigung ist, hilft leider gar nicht, wenn das falsche Ziel angestrebt wird.
Gruß Rainer