Hallo Viktor,
Der „Nachweis“ besteht eben darin zu belegen, daß die
auftretenden gegen die Bewegung wirkenden Kraftkomponenten nicht
ausreichen um eine Bewegung des Sytems zu verhindern und nicht
darin, daß man diese Kraftkomponenten wegläßt.
ich verstehe, was Du meinst, aber sich über diesen Aspekt Gedanken zu machen, ist gar nicht nötig. Die Frage des Threaderstellers „Kann man eine Leiter auf einen reibungsfreien Boden stellen, wenn zwischen der Wand und Leiter Reibung vorhanden ist?“ kann schon durch diese Überlegung beantwortet werden:
Sobald die Leiter an die Wand angelehnt wird, drücken die Wand und die Leiter gegeneinander. Das bedeutet: Die Wand übt auf die Leiter eine Kraft aus, deren horizontale Komponente endlich groß ist. Im Fall eines reibungsfreien Bodens wird diese horizontale Kraftkomponente auf das obere Leiterende durch nichts kompensiert. Somit ist die x-Komponente der Gesamtkraft auf die Leiter nicht Null ==> die Gesamtkraft auf die Leiter ist nicht Null ==> die Beschleunigung der Leiter ist nicht Null.
Damit weiß man genug, um die Antwort geben zu können: Man kann die Leiter hinstellen, und solange man sie genügend stark festhält wird sie selbstverständlich stehenbleiben, aber wenn man sie loslässt, dann wird sie anfangen zu rutschen.
That’s all.
Man kann natürlich auch rechnen. Die Gesamtkraft auf die Leiter ist (m = Leitermasse, B = Boden, W = Wand)
\vec{F}_{ges} =
\left(
\begin{array}{ccc}
F_{Bx} + F_{Wx} \
-mg + F_{By} + F_{Wy}\
0
\end{array}
\right)
und das Gesamtdrehmoment auf die Leiter ist (ich darf mir das Abtippen der simplen Herleitung sparen)
\vec{M}_{ges} =
\left(
\begin{array}{ccc}
0 \
0 \
\ell \cos\varphi, mg/2 - \ell \cos\varphi, F_{By} + \ell \sin\varphi, F_{Wx}
\end{array}
\right)
mit l = Leiterlänge und φ = der Winkel zwischen Leiter und x-Achse.
Weder eine Linear- noch eine Winkelbeschleunigung erfährt die Leiter genau dann, wenn Fges = 0 und Mges = 0 ist. Das trifft zu, wenn gilt
F_{Bx} + F_{Wx} = 0
F_{By} + F_{Wy} = mg
F_{By} - F_{Wx} \tan\varphi = mg/2
Das ist ein lineares Gleichungssystem mit drei Gleichungen für die vier Variablen FBx, FBy, FWx und FWy. Du darfst also eine der Variablen frei wählen, und dann sind die anderen drei dadurch festgelegt.
Besonders interessant sind zwei Sonderfälle:
Sonderfall 1: FWy = 0, d. h. die Wand ist reibungsfrei.
Aus FWy = 0 folgen die restlichen drei Unbekannten zu
FWx = 1/(2 tanφ) mg (a)
FBx = –1/(2 tanφ) mg (b)
FBy = mg ©
Der Boden muss also (Gleichung b) in der Lage sein, eine Kraft auf das untere Leiterende auszuüben, deren Horizontalkomponente 1/(2 tanφ) mg groß ist. Das kann er durch Haftreibung bewerkstelligen, wenn die Boden-Leiterfuß-Haftreibungszahl µ mindestens 1/(2 tanφ) beträgt.
Kompensiert wird diese Horizontalkomponente durch die Wand (Gleichung a). Das Leitergewicht trägt alleine der Boden (Gleichung c), d. h. die vertikale Komponente der Kraft, die der Boden auf die Leiter ausübt, kompensiert die Gewichtskraft der Leiter.
Sonderfall 2: FBx = 0, d. h. der Boden ist reibungsfrei. Auf diesen Fall bezieht sich die Frage des Threaderstellers.
Aus FBx = 0 folgen die restlichen drei Unbekannten zu
FWx = 0 (a)
FWy = 1/2 mg (b)
FBy = 1/2 mg ©
Gleichung © geht klar, und sogar (a) und (b) sind erfüllbar, wenn man die Verbindung des oberen Leiterendes mit der Wand geeignet gestaltet, z. B. indem man einen Nagel in die Wand schlägt und das obere Leiterende mit einem Stück Seil daran aufhängt. Diese Konstruktion kann FWx = 0 und FWy = 1/2 mg bewerkstelligen und die Leiter unbeschleunigt in Ruhe halten. Lehnt man dagegen die Leiter stattdessen an die Wand an, funktioniert es nicht, weil dann (a) verletzt ist (und davon abgesehen wäre Haftreibung auch nicht leistungsfähig genug, um FWy > 0 zu erzeugen bei FWx = 0).
Gruß
Martin
Aus Deinem Artikel „Re^5“:
y: F_BN + F_WR + F_G = 0
Wieder (fast)richtig.Nur ist bei F_WR=0,F_WN=0 und F_BR=0 auch
F-BN=0, egal wie groß F_G ist - damit kein System nur freier Fall.
Aus FBN + FWR + FG = 0 und FWR = 0 folgt nicht FBN = 0, sondern FBN = –FG.