Hallo Horst,
Ich würde mal sagen, diejenigen, die nicht an die Kraft des in Rede stehenden Argumentes glauben, sehen das Problem des Todes zu abstrakt,
nämlich als etwas, das irgendwann mal, in ferner Zukunft, einen ereilt.
ich würde mal sagen, ein logisches Argument ist entweder schlüssig oder nicht - in beiden Fällen erübrigt es sich, an „die Kraft des in Rede stehenden Argumentes“ zu glauben oder nicht.
Zwingender wird die Entscheidung für die Annahme (besser als „Glaube“) eines Nachtod-Lebens doch,
„Zwingend“ ist hier gar nichts - zunächst einmal schon aus dem Grund, weil Du die Prämissen Pascals einfach nach eigenem Gutdünken abänderst und dabei methodische Fehler begehst. Zur Erinnerung - Pascal ging es um eine Entscheidungsstrategie in der Frage ob Gott existiert. Das Problem bei seiner ‚Wette‘ ist, dass er mit der Alternative „Gott existiert“ ohne weitere logisch nachvollziehbare Begründung (nur) zwei mögliche Konsequenzen verbindet: wenn Gott existiert, dann belohnt er die, die an ihn glauben, mit einem ewigen Leben in Glückseligkeit und die, die es nicht tun, bestraft er mit ewigen Höllenqualen. Ich sehe das ganze eher als eine statistische Fingerübung, ein in ein theologisches Problem gekleidetes Musterbeispiel mathematisch gestützter Entscheidungsfindung. Einen theologischen „Sinn“ würde das Ganze nur machen, wenn der Mensch die freie Entscheidungsmöglichkeit hätte, an Gott zu glauben oder nicht. Ich bezweifle sehr, dass sich Pascal nicht der Tatsache bewusst war, dass Glaube eben gerade nicht auf einer rationalen Entscheidung beruht - das wäre ein Widerspruch in sich.
Was Du jetzt machst, ist Folgendes: Du machst aus der Alternative ‚Gott existiert‘ / ‚Gott existiert nicht‘ eine Alternative ‚es gibt ein Weiterleben nach dem Tod‘ / ‚es gibt kein Weiterleben nach dem Tod‘. Beides - Pascals und Deine - sind Alternativen, die vernunftgemäß nicht entscheidbar sind (nehmen wir es zumindest für diesmal an). Pascal nimmt für seine Alternative Wahrscheinlichkeiten von jeweils 50% an - auch dies eine Voraussetzung, die keineswegs logisch unangreifbar ist. Gestehen wir Dir nun zu, in Deinem Fall ebenfalls von einer gleich hohen Wahrscheinlichkeit von jeweils 50% auszugehen. Um nun eine Entscheidung zu treffen (schließlich handelt es sich bei Pascals Wette um ein entscheidungtheoretisches Problem), brauchen wir nun aber weitere Kriterien. Bei Pascal sind diese Kriterien klar - bei Alternative A (Gott existiert) als Konsequenz entweder Himmel oder Hölle, bei Alternative B (Gott existiert nicht) keine Konsequenz.
Wie sehen nun also Deine weiteren Kriterien aus, die für eine Bewertung der Entscheidung für eine der Alternativen (Weiterexistieren nach dem Tod / keine Weiterexistenz) relevant sind? Und vor allem - welchen Einfluss hat die Entscheidung (an ein Leben nach dem Tod zu glauben oder nicht) auf den, der die Entscheidung trifft? Auch dies ist ja bei Pascal genau definiert - bei Dir hingegen nicht.
wenn die Situation so aussieht: heute Nacht um 12 läuft deine Lebenszeit ab. Wie sieht´s aus? Denkst du, es geht weiter, oder denkst du, alles versinkt Schlag 12 im Nichts? Vielleicht wird sich dann der eine oder andere Materialist (d.h. Skeptiker) etwas genauer überlegen, wie er die Dinge sehen sollte.
Angst (schon gar nicht Angst vor dem Sterben) ist für rationale Entscheidungen selten hilfreich. Und darum geht es doch wohl hier, nicht wahr? Um logische, vernünftige Argumente und nicht um irrationale, womöglich von Angst gesteuerte Hoffnungen. Nicht darum, wie man „die Dinge sehen sollte“ oder vielmehr vielleicht gerne sehen würde, sondern darum, was man vernünftigerweise über die Dinge aussagen kann.
Zudem klingt es für mich nicht logisch, dass man zugleich Nachtod-Leben-Skeptiker sein kann und im Hier und Jetzt feuchtfröhlich das Leben vor sich hin feiert. Da tut sich ein Bruch auf, der die Vermutung der Todesverdrängung nahelegt.
Was soll daran unlogisch sein? Wenn wir nur dieses eine Leben haben, ist es dann nicht logisch folgerichtig, das Beste daraus zu machen? Ob das „Beste“ nun ein feuchtfröhliches Vor-Sich-Hinfeiern ist, ist ja damit noch nicht gesagt. Nicht jeder „Nachtod-Leben-Skeptiker“ ist notwendig Hedonist - ich kenne selbst Einige, die ihren Lebensgenuß aus ganz anderen Dingen ziehen …
Wird da nicht eher umgekehrt ein Stiefel draus - dass derjenige, der sich an den Glauben von einem Weiterleben nach dem Tod klammert, den Tod verdrängt?
Kein Leben nach dem Tod heißt: das absolute Nichts.
Kein Leben nach dem Tod bedeutet lediglich das Nichts für die Toten. Somit kein „absolutes“ Nichts. Ein Nichts, soweit der Geist des Toten betroffen ist, nicht aber was seinen Körper angeht. Auch in dieser Hinsicht kein „absolutes“ Nichts.
Ein Nichts, das alles entwertet, was zuvor als schön und wichtig angesehen wurde.
Wie sollte ein Nichts ein Etwas entwerten? Alles hat einen Wert nur in Bezug auf etwas oder jemanden, der diesen Wert zuordnet, der bewertet. Die Dinge haben ihren Wert nicht aus sich selbst heraus, mithin können sie auch nicht entwertet werden. Wenn jemand tot ist, kann er Dinge nicht bewerten - für Tote hat nichts einen Wert. Das heisst nicht, dass diese Dinge nicht für Andere einen Wert haben können.
Analoges fiktives Szenario: die schönste Frau der Welt (für Frauen: der schönste Mann) bietet dir für eine Nacht ihre/seine erotischen Künste an. Bedingung: sofort danach wird dein Gedächtnis daran gelöscht.
Jetzt im Ernst: wer würde einen solchen Deal eingehen, jedenfalls mit Überzeugung? Was zählen Augenblicke (oder Jahre oder Jahrzehnte), die irgendwann nie existiert haben, weil sie gelöscht wurden?
Oh, da kenne ich eine Menge Leute, die ohne Zögern auf ein solches Angebot eingehen würden. Was bringt Dich auf die Idee, erlebte Augenblicke, an die man sich nicht erinnern kann, würden „nicht zählen“? Sich an an diese Augenblicke nicht erinnern zu können, heisst schon mal gar nicht, dass sie „nie existiert haben“. Was „gelöscht“ wurde, sind lediglich Erinnerungen. Den Augenblick der Erfahrung kannst Du nicht löschen - der ist unwiderruflich vorbei. Du kannst ihn nicht wiederholen und Du kannst ihn nicht ungeschehen machen.
Was zählt also ein Leben, das es irgendwann einmal nie gegeben hat?
… das würde ich jetzt einen fetten Fehlschluss nennen. Etwas, das vorbei ist, ist vorbei. Das heisst, dass es das Vergangene nicht mehr gibt. Nicht, dass es das Vergangene nie gegeben hat. „Gezählt“ hat es, während es andauerte. Manche sind so bescheiden und begnügen sich damit …
Freundliche Grüße,
Ralf