Martinsumzüge / Lichterprozession

mit der verwendung des konjunktivs könnte aber eine politische aussage verbunden sein. der konjunktiv schwächt die aussage ab, man nimmt ihr die schärfe nimmt und relativiert.

die deutliche aussage wäre:

Leider heißen die anstehenden Martinsumzüge in manchen Kindergärten nur noch »Lichterprozession«, kritisiert die CDU-Frau.


es ist aber auch möglich, dass es sich um nicht wörtliches zitieren handelt. und dann kann man aus „heißen“ wegen der vergangenheit der aussage durchaus ein sprachliches „hießen“ machen.

pasquino

Hallo,

das muß nicht zwingend mit Atheismus zu tun haben oder „den Moslems“ als allzweck-Sündenbock.

Hier im schwäbischen Kernland kann es auch sein, daß irgendwelche supergläubigen protestantischen Pietisten - auch nicht zu Unrecht als „schwäbische Taliban“ bekannt - den Namen eines katholischen Heiligen nicht über die Lippen bringen.

&Tschüß
Wolfgang

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Ohne Konjunktiv-Endung („hieß“) wäre es ein Indikativ Imperfekt (Präteritum). Der Konjunktiv II wird gebildet, indem man der Imperfekt-Form eine Konjunktiv-Endung („e“) gibt.

Hallo,

das ganze ist ein Event, bei dem es natürlich auch ums Singen, die Laternen und die Nachtwanderung geht, aber wenn Du Kinder fragst, was denen am besten gefällt, bekommst Du immer die gleiche Antwort. Spätestens ab zwei oder drei, wenn die wissen, daß es am Ende Süßigkeiten gibt, sind Laternen und der ganze Rest zwar ganz nett, aber nicht der Schwerpunkt - zumindest nicht am St. Martins-Tag bzw. -Umzugstag. Und natürlich geht es nicht darum, die Süßigkeiten alle zu essen; das bekommen die meisten schon aus banalen logistischen Gründen nicht hin. Schließlich ist die unterjährige Süßigkeitenversorgung durch Karneval, Ostern, Geburtstage, Halloween und Weihnachten schon mehr als ausreichend gesichert. Wie schon Garfield wußte: „it’s not the having, it’s the getting“.

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Off Topic

Süßigkeiten nach dem Martinszug kenne ich gar nicht. Bei uns gibt es eine Figur aus Hefegebäck, in die eine Tonpfeife eingebacken ist. Die Attraktion liegt für die Kinder aber in den Laternen und dem Dunkeln.

Wie läuft das bei euch?

Grüße
Siboniwe

Hallo,

den Weckmann gibt es bei uns auch, aber der spielt keine Rolle beim Umzug oder danach. den gibt’s eher morgens zum (späten) Frühstück.

Normalerweise werden die Züge von Kindergärten und Schulen organisiert. Daher trifft man sich dann entweder am Kindergarten oder an der Schule oder direkt in oder an der Kirche. Dort wird dann von einigen Kindern die Szene mit dem Mantel nachgestellt und/oder es werden ein paar einleitende Worte vom Pfarrer oder Pastor gesprochen. Anschließend zieht man durch die Gemeinde, begleitet von ein paar Kapellen. Je nach örtlichen und organisatorischen Gegebenheiten zieht man an Martin und Bettler ggfs. nebst Feuer vorbei oder der Zug endet bei Martin, Bettler und ggfs. Feuer. Bei unserem Schul- und Kindergartenzug bekommen die Kinder anschließend St. Martins-Tüten. Danach wird dann - sofern es Uhrzeit, Wetter und Zustand der Kinder hergeben, anschließend wird auf dem Weg nach Hause an Häusern geklingelt und gesungen. Dafür können sich die Kinder Süßigkeiten aussuchen oder bekommen von den Anwohnern vorgepackte Mitgebsel überreicht (wobei letzteres eher bei Halloween vorkommt).

So kenne ich es auch schon aus meiner Kindheit, die ja nun schon ein paar Jahre zurückliegt und auch ein paar Kilometer entfernt stattfand. Scheint für das Rheinland also typisch zu sein.

Gruß
C.

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Bei uns (mithin vor zig jahrzehnten) im Raum Düsseldorf gab es den → Weckmann


zum Frühstück am Morgen nach dem Martinsumzug. Mancherorts aber auch stattdessen zum „Nikolaus“ am 6. Dezember.
Nach dem Laternenumzug am Martinsabend („Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne“ oder „Da oben leuchten die Sterne, hier unten da leuchten wir“), der mit dem „Martinsfeuer“ endete, gab es das → „Gripschen“ (eine der vielen Formen von Heischebräuchen): Da zog man mit den (selbstverständlich selbstgebastelten) Laternen, soweit sie den Umzug überlebt hatten, durch die Häuser und sammelte, Lieder singend, Süßigkeiten ein:
„Hier wohnt ein reicher Mann,
Der uns vieles geben kann.
Vieles soll er geben,
Lange soll er leben.
Selig soll er sterben,
Das Himmelreich erwerben.“
Mit dem traditionellen „Jizzhals“-Ruf, wenn jemand die Tür nicht aufmachte.

Alle diese Bräuche, Gripschen, Laternen- bzw Lichterprozession, Martinsgans usw. haben übrigens historisch betrachtet mit St. Martin garnichts zu tun. Das Fest, urspünglich zum Todestag 8.11., wurde auf den angeblichen Grablegungstag 11.11. verlegt, damit es mit dem Datum von (nicht nur keltischen) Erntedankritualen zusammenfiel und zugleich mit dem Beginn der „Adventszeit“, die eigentlich eine Fastenzeit war.

Btw. sind alle religiösen Bräuche, nicht nur christliche, Synkretismen aus dogmatisch oktroyierten und autochthonen Bräuchen. Daher ja auch die zahlreichen jeweils lokalen Varianten.

Gruß
Metapher

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Wobei Frau Karrenbauer mit ihrem netten Versuch des naiven „nur noch“ nur ihre diesbezügliche Ignoranz kundtat. Die Erntedankbräuche von Laternen- bzw. Lichterprozessionen („Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne…“) , „Martins“-Feuern und Heischebräuche zum 11.11. sind bereits Ende des 19. Jhdts an den angeblichen Grablegungstag des christl. Heiligen Martinus assoziiert worden. In manchen Gegenden, z.B. nördlich des Rheinlandes, hießen diese Umzüge schon immer unter anderem „Lichterprozession“.

Die Versuche, diesen hübschen uralten Brauch „umzubenennen“, ist längst als Flop einiger lokaler Idioten Politkomiker enttarnt, wie ja in diesem Thread hinlänglich erklärt.

Gruß
Metapher

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Hi MM.

„gefolgt“ wohl kaum. Auch wenn, wie Günter Lüling („Über den Ur-Qur’an“, 1974) umfangreich nachweisen konnte, ein Großteil der Suren arabisch-christliche, anti-trinitarische Hymnen als Vorläufer haben, so wird Martinus im 4. Jhdt. weder in Gallien noch in Genua diesen Gesang wohl kaum gekannt haben. :wink:

Gruß
M.

In meiner (erzkatholischen) Ecke der Republik gibt es den Weckmann am Nikolaustag. Am Martinstag gibt es dagegen, wie es sich gehört, Martinsgänse aus süßem Hefeteig. An irgendwelchen Türen geklingelt und um Süßigkeiten gebettelt wird nicht.

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Richtig, wird hier aber als Ersatzform verwendet, da die eigentliche Form des Konjunktiv I gleich mit dem Indikativ ist.

Nein, ist nur zufällig gleich mit dem Konjunktiv II. Indirekte Rede Vergangenheit hieße: „Leider hätten die damaligen Martinsumzüge in manchen Kindergärten nur noch »Lichterprozession« geheißen, kritisiert die CDU-Frau.“

Aber wo wir so gediegen über den Konjunktiv plaudern, fällt mir ein: Wo ist eigentlich @consilio? Ich wollte ihm gerade die Erklärungen zur angeblichen Spendenaffäre mitteilen, da sehe ich, dass er das noch gar nicht gefragt hat… :worried:

Ja, in dieser konkreten Ausformung hat er ihn sicher nicht gekannt.

Mir ging es eher darum, mit dem Verweis auf Al Lail aufzumalen, wie ähnlich die Vorschriften bei den Cousinen Christentum und Islam sind, wo man sie im Goldenen Löwen für ganz unvereinbar hält, und wo - für die, die immer am Sonntagmorgen nach der Messe in den Goldenen Löwen gehen, ziemlich überraschend - die tatsächlichen Unterschiede liegen.

In welchem Umfang die christlichen Regeln betreffend eine anständige Lebensführung den separatistisch gesinnten römischen Offizieren Martinus und Hilarius überhaupt bekannt waren, sei dahingestellt: Für ihre Zwecke gebraucht haben sie diesen Aspekt des Christentums jedenfalls nicht. Ich fände es nicht so ganz überraschend, wenn die Geschichte von der Mantelteilung vor allem darauf hinwiese, dass der Mann den Inhalt der Bergpredigt wenigstens in groben Zügen kannte - um die hierarchische Organistation des Imperiums zu sprengen und eine „Autonome Provinz Gallien“ zu erreichen, genügte es ja, an ganz anderer Stelle anzugreifen, nämlich das Gottkaisertum zurückzuweisen und so etwas ähnliches wie ‚Lā ilāha illā ʾllāhu‘ zu bekennen.

Und damit führt die Spur im Wüstensand im großen Kreis zum Ausgangspunkt zurück.

Schöne Grüße

MM

Sehr überraschend hat mir ming Adelheid, ihres Zeichens fastbeihnahe kölsch Mädche, nämlich zu Schläbbich aka Bergisch Gladbach geboren, heute erzählt, dass es ihrer Erinnerung nach zu Kölle, wo sich das Zentrum der Heilje-Sinte-Mätes-Verehrung befindet (Ann spräche hier wohl von ‚Gedankenstaub‘) zumindest in den 1960er bis 1990er Jahren keine Sinte-Mätes-Brezeln gegeben hat - während sie im Kern der Brezelreviere von Ditsch und Ams Mainz und Mannheim ganz üblich sind.

In dem kleinen Kompendium der Sinte-Mätes-Verehrung „Der Heilige Martin - Leben, Legenden und Bräuche“ von Manfred Becker-Huberti (Hsg.) ist die Martinsbrezel zwar erwähnt, sie wird aber auch dort als hauptsächlich in Rheinhessen und der Pfalz vorkommend beschrieben.

Besonders interessant fand ich in diesem Büchelchen, dass wohl in einzelnen Orten im Rheinischen immer noch Martinsfeuer abgebrannt werden - das genaue Analog aus der vorweihnachtlichen Fastenzeit zu den ‚Funkenfeuern‘, die im Südschwäbischen und im Alemannischen am ersten Sonntag der vorösterlichen Fastenzeit abgebrannt werden. Leider schreibt der Autor nicht, wo im Rheinischen es noch Martinsfeuer gibt.

Schöne Grüße

MM

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