Hallo erstmal,
das Erbrecht ist kompliziert, und wird in Patchworkfamilien alles andere als einfacher. Man muss hier um die ein oder andere Ecke denken, und das gelingt natürlich nur, wenn alle Fakten auf dem Tisch liegen. Und genau daran hapert es oft genug in Beratungssituationen. Das ist dann nicht ganz einfach aus einer „wir haben uns das so und so gedacht, formulieren Sie das mal“-Situation in eine „jetzt erheben wir erst einmal alle Fakten“-Situation zu kommen, wenn Mandanten meinen, dass dies alles „nichts zur Sache täte“, die ja in ihrer Laienvorstellung und Legologik so einfach ist, weil sie z.B. nur von einer möglichen Abfolge der Erbfälle ausgehen, oder das mögliche Vorversterben eines Erben, … nicht mit berücksichtigt haben.
Da hier eine Diskrepant zwischen den Erklärungen des Erblassers und dem Vertragsentwurf zu bestehen scheint, würde es mich nicht wundern, wenn hier eine entsprechende Situation vorliegt. Ist mir auch schon passiert, dass wichtige Informationen - trotz mehrfacher Nachfrage - erst im zweiten oder dritten Beratungstermin gegeben werden, und man dann einen ersten Entwurf in die Rundablage P feuern darf, und alles wieder zurück auf Start geht. Das hat auf keiner Seite dann irgendetwas mit „bösem Willen“ zu tun, sondern einfach nur mit mangelnder Durchdringung des Themas und fehlendem Bewusstsein für die Konsequenzen bestimmter Regelungen, die man sich selbst ausgedacht hat, und an denen man dann hängt - auch wenn der Profi ganz anders an die Sache rangehen würde. Aber im Zweifelsfall ist der Mandant eben König.
Dann ist natürlich zu berücksichtigen, dass ein Erbverzicht nur freiwillig erklärt werden kann, und dies daher regelmäßig bedeutet, dass alle Seiten mit so einer Regelung auch vollkommen einverstanden sind, z.B. weil es dafür dann einen anderen finanziellen Vorteil gibt, oder zwingende, nachvollziehbare Gründe dies verlangen.
Kurios ist hier natürlich die Geschichte, dass nach der wechselseitigen Erbeinsetzung offenbar die Nachkommen des überlebenden Ehegatten als Schlusserben eingesetzt werden sollen. Gerade diese Zufälligkeit die sich durch die Situation einer Patchworkfamilie nach gesetzlichen Erbrecht ergeben würde, will man ja normalerweise durch ein Testament verhindern. Hier also wirklich noch mal den Vater ganz sachlich bitten, dass der Kollege, der hier am Werke war, bitte allen Beteiligten erklärt, welche Schlusserbeinsetzung hier auf welcher Grundlage vorgenommen worden ist.
Da ein Erbvertrag ohnehin ja von allen Beteiligten zu unterzeichnen ist, versuche ich übrigens immer auch alle Beteiligten im Vorfeld an einen Tisch zu bekommen. D.h. nach dem ersten Termin mit dem Erblasser, aus dem sich die Variante mit dem Erbvertrag ergeben hat, mache ich einen zweiten Termin mit allen Beteiligten, damit genau die Missverstände, die hier entstanden sind, und eben gerne mal entstehen, wenn ein fertiger Entwurf das erste ist, was die übrigen Beteiligten zu Gesicht bekommen, erst gar nicht aufkommen können.
Gruß vom Wiz