Hallo Michael!
Mich würde interessieren, was Du für die Wurzel des
vermeintlichen Übels hälst.
Den Anachronismus des Systems. Das Verwaltungsorgan Schule und den -weitgehenden- Beamtenstatus der Lehrer. Schule ist extrem unflexibel, und das passt nicht in eine sich permanent schneller verändernde Gesellschaft.
Zum ‚Freiraum‘ der einzelnen Schulen:
Könnte das nicht zu einem noch größeren Bildungsunterschied
zwischen den verschiedenen Schulen/Bundesländern führen?
Ja. Aber ich finde das nicht schlimm, sondern durchaus wünschenswert.
Es gibt (jedenfalls nicht mehr) kein Universal-Bildungspaket das allen auch gleich weiterhilft. Und Lehrpläne berücksichtigen ja eben nicht soziale oder regionale/lokale Besonderheiten. Da können engagierte Lehrer bestenfalls Klimmzüge machen, um aktuelle Themen irgendwie in den Lehrplan zu zwängen.
Warum soll ein Kommission (weggelobter) Verwaltungsbeamter nach Jahren festlegen, wenn es der Lehrer vor Ort sofort auch kann?
Gleiche ‚Lerninhalte‘ und auch Methoden in einer niederbayerischen Schule und einer im sozialen Brennpunkt einer Grroßstadt? Das soll funktionieren? Nöö…
Unser damaliger Physiklehrer sagte uns, wenn er dieselben
Aufgaben stellen würde, wie vor 20 Jahren, dann würden wir
alle durchfallen. Sind das Floskeln, die jede Klasse zu hören
bekommt, oder ist da etwas dran?
Ich halte das jedenfalls für eine Floskel. Die geht ja schon auf Aristoteles zurück.
Was meinst Du mit nicht-fertig?
Damit meine ich, daß Kinder -speziell in Schule- immer nur als etwas ‚Werdendes‘ betrachtet werden, nicht als etwas ‚Seiendes‘. Da wird dann oft gefragt, „was willst du denn später mal werden?“, aber nie „was oder wer bist du jetzt?“
Gewisse Dinge müssen dem Kind
„eingetrichtert“ werden,
Pardon, welche???
Trichtern kannst Du die Folgen einer heißen Herdplatte bis zum Erbrechen, entscheidend ist trotzdem die eigene Erfahrung.
Normalerweise lernt ein Kind auch ohne Schule Lesen und Schreiben. Oder Fische fangen oder Computer reparieren oder Staudämme bauen. Da kann zwar Schule ersetzen, wenn die ‚Rahmenbedingungen‘ nicht stimmen, aber faktisch passiert es auch häufig genug, daß Schule die Lernmotivation abbaut.
Wie gesagt, mehr Flexibilität und Berücksichtigung der individuellen Vorgaben. Aber nicht veraltete Vorgaben aus dem Ministerium.
denn es ist doch noch viel zu jung,
um zu begreifen, daß dies für ihn im Leben noch irgend eine
Bedeutung haben könnte.
Tja, aber das ist eben menschlich. Mit 30 begreift auch kaum jemand die Bedeutung einer Rentenversicherung.
…und andere soziale Fähigkeiten, die
eigentlich schon durch die Familie vermittelt werden sollten.
Sagen wir mal, durch die Gesellschaft. Wenn die halbe (oder fast ganze) Republik schwarze Konten führt und Steuern hinterzieht, kannst Du Dir jeden Ethik-Unterricht eigentlich schenken.
Da nur Familien, kaputte Familien oder Alleinerziehende in der Verantwortung zu lassen, ist mir zu wenig.
Du kannst von einem
Lehrer nicht erwarten, daß er grundlegende Erziehungsfehler
wieder gutmacht.
Ich kann aber erwarten, daß er es versucht. Und ich kenne auch genugend Lehrer, die das tun. Leider kenne ich auch sehr viele, die den ‚Job‘ als vorzeitigen Ruhestand betrachten. (Die faulsten werden dann gerne Direktor.) Hier fehlt ganz einfach auch eine echte Kontrollinstanz für die Arbeit der Lehrer (warum bekommen die kein Zeugnis?).
Ich finde es nicht richtig, für die
„Bocklosigkeit“ von Schülern, und deren damit verbundenen
Leistungsabfall, immer die Schule verantwortlich zu machen.
Für Schul-Bocklosigkeit mache ich schon die Schule verantwortlich. Zumindest zum großen Teil.
Es gibt genug Beispiele, wo Kinder kurz nach der Einschulung aufgehört(!) haben, ein Buch mit ins Bett zu nehmen. Schule kann auch ausgesprochen ‚kontraproduktiv‘ wirken.
Und, ‚Leistungsabfall‘ ist heute nicht weiter verbreitet, als jemals zuvor.
Was willst Du den Schülern denn sonst in Geschichte
beibringen, wenn nicht historisch bedeutsame Ereignisse?
Vielleicht wie man Preise vergleicht oder Müll trennt. Wie man kaputte Fahrräder repariert oder Solaranlagen installiert.
Ein
gewisses Maß an Geschichtswissen gehört doch zweifellos zur
Allgemeinbildung
Das bestreite ich eben ganz energisch. Warum Geschichte und nicht Geologie, Antrophologie, Journalismus, Chinesisch, Fußball, Kochen, Meteorologie? Warum???
Zudem: historisches Faktenwissen ist völlig nutzlos. Damit kann man vielleicht am Stammtisch protzen. Und die Transfers, die Lehren aus der Geschichte, such die mal, im ‚normalen‘ Geschichtsunterricht.
Wenn das Thema nicht interessiert, kann man es in
der Oberstufe ja abwählen.
Warum denn erst dann? Was soll der Unfug mit dem Fächerkanon?
Warum machen die Schulen nicht Projekte? Wir bauen eben die Solaranlage. Die einen basteln, die anderen konstruieren, die nächsten schreiben Bauanträge und und und. Je nach Neigung. Dabei lernen wir ganz von alleine auch Physik, Deutsch, BWL und wasweißich. (Das Problem: für den Lehrer ist es mehr Aufwand als die Methode „schlagt-mal-das-Buch-auf“.)
Schönen Gruß!
Martin