Mentale Einstellung beim Training

Hi ihr Lieben,
ich trainiere nun schon seit einiger Zeit mehrmals die Woche Iaido(und Aikido). Bei unserem Training nimmt sich unser Sensei auch immer wieder Zeit aufkommende Fragen ausführlich zu beantworten, was wirklich faszinierend ist, allerdings kam die letzten Male etwas zur Sprache, was mich immernoch ziemlich beschäftigt und deshalb würde ich gerne auch noch andere Sichtweisen bzw ‚Erklärungen‘ kennenlernen, vielleicht auch aus anderen Kampfkünsten, in denen etwas ähnliches vorkommt.
Worum es nun überhaupt ging war, die mentale Haltung beim Training. Wir sollten versuchen uns während der Katas ‚vorzustellen‘ wie die Situation abläuft, was es in uns auslöst, wenn wir in die Situation reingehen mit dem Wissen, dass der ermeindliche Gegner uns in dem Sinne erschlagen will und dementsprechend eine Auseinandersetzung mit Leben und Tod notwendig ist. Hinzu kam, dass wir eine gewisse (mentale) Spannung, im Sinne von ‚die Ruhe vor dem Sturm‘, beim Ausführen versuchen zu halten sollten und der Aspekt der Achtsamkeit ähnlich dem Zen.
Die Erklärungen dazu (entschuldigt bitte, dass ich das jetzt in sehr verkürzter Form versucht hab zu umschreiben, aber sonst würde das wohl den Rahmen sprengen. Ich hoffe man kann mir trotzdem weitestgehend folgen?)erschienen vollkommen logisch und eigenltich auch nicht so kompliziert, allerdings hab ich das Gefühl, dass das auch daran liegen kann, dass ich es vielleicht nur oberflächlich ‚richtig‘ verstanden habe.
Ich hoffe, dass mir Jemand von euch vielleicht dabei weiterhelfen kann, das alles noch etwas besser zu verstehen.
Danke schön schon einmal vorher.

LG
Sayuri

Hallo Sayuri,

viele Selbstverteidigungs- und Kampfsportarten hatten bei ihrer Entstehung noch einen harten reallen Hintergrund. So würde geübt, um im Krieg bessere Überlebenschancen zu haben oder sich gegen Wegelagerer behaupten zu können. Der Übungszweck war das nackte Überleben. Dieser Aspekt des Übens ist heute weitestgehend verloren gegangen, die Zeiten sind - zum Glück - viel friedlicher geworden. Heute zählen Fitness, Gewichtsreduktion oder einfach nur Spaß als Motivation. Das ist an sich nicht schlimm, aber es bleibt die Angst sich oder den Partner zu verletzen und das hindert, die Technik zu perfektionieren.

Mental müsste jeder Kampf so laufen, dass man mit dem Leben bereits abgeschlossen hat. Jeder Versuch, das Leben zu erhalten, läuft vor dem Kampf ab: Beschwichtung, Verhandlung, Flucht. Wenn all das fehlschlägt und als letzte Option nur noch der Kampf bleibt, ist das Leben zu Ende. Jede Angst, jede Aufregung ist verschwunden. Was bleibt ist der Fokus auf den Kampf und Deine/m Gegner.

Dies zu trainieren ist heutzutage sehr schwer, da es sich doch um ein Freizeitsport handelt und viele (hoffentlich) noch nicht in einer lebensbedrohlichen Situation waren. Ein Ansatz schlägt dein Meister vor, sich bewusst zu machen, dass ein Kampf auch auf Lebend und Tod gehen kann, und sich gerade deswegen nicht blockieren lassen darf und seine Ruhe finden muss.

LG
Peter

Hi,
ersteinmal möchte ich mich für die schnelle Antowort bedanken, ich hatte nicht damit gerechnet schon innerhalb einer Stunde eine Antwort zu bekommen.

Vermutlich bietet es sich deshalb auch an bei den Katas sich die Situation so real wie möglich vorzustellen, da dann kein Partner verletzt werden kann, selbst wenn man selbst vielleicht etwas zu sehr in der Situation ist… Also soll diese Fokusierung oder eher Vorstellung dessen, banal ausgedrückt, dafür sorgen, dass man in dem Gedanken trainiert, dass es tatsächlich mit dem Ende des eigenen Lebens enden könnte und man somit frei von diesen Ängsten vor Verletzungen, Zorn oder Ähnlichem wird? Das würde dann ja heißen, unter der vorraussetzung, dass ich es richtig verstanden habe, dass ich mir darüber bewusst werden sollte, was ich in so einer Situation empfinden würde, um darüber hinaus zu kommen und nur noch mit vollkommener Aufmerksamkeit und Urteilslos(was zusammen dann so etwas wie völlige innere Ruhe wäre?) zu handeln, um überhaupt in der Lage zu sein eine Technik zu perfektionieren.

LG
Sayuri

Hallo Sayuri,

die mentale Einstellung dient nicht dazu, das Verletzungsrisiko zu mindern, sondern die Technik frei von allen Ängsten und Blockaden auszuführen. Der zweite Teil deiner Antwort trifft somit genau ins Schwarze.
Es ist schwer, sich vor allem schon in jungen Jahren bei Ausübung eines Kampfsports mit der Endgültigkeit des Todes auseinander zu setzen.

Ich erinnere mich nur undeutlich an ein Beispiel, was ich mal gelesen habe. Es ging auch nicht unmittelbar um Kampfkunst, eher um Ikebana oder Chado (Teezeremonie). Ein Schüler wollte diese Kunst bei einem bekannten Meister lernen und dieser wunderte sich ein wenig, wieso der Schüler so schnell verstand und lernte. Er fragte ihn, ob er denn schon ein Meister in einer anderen vergleichbaren Kunst sei, was dieser verneinte. Am Ende erfuhr der Meister, dass sein Schüler schon sehr früh mit seiner Sterblichkeit konfrontiert wurde.

LG
Peter

Hi,
vorweg erstmal danke für deine Antwort und entschuldige bitte, dass meine so lange hat auf sich warten lassen, es war wirklich nicht beabsichtigt euch und damit eben auch dich warten zu lassen. Ich war eine Zeit nicht da und hatte während dieser zeit nicht die möglcihkeit eines internetanschlusses, um antworten zu können…

Ja, so meinte ich das auch mit dem Verletzungsrisiko. Ich dachte mir es wäre einfacher die Techniken mit freiem Geist auszuführen, wenn man nicht noch darauf achten müsste, wenn man die Technik als Partnerübung ausführt.
Immerhin, wenn der zwetie Teil stimmt, bin ich zumindest auf einem guten Weg^^
Die Auseinandersetzung mit der Sterblichkeit ist wirklich…schwer? Vorallem in Momenten, indenen man sich auch einfach garnicht weiter damit auseinander will, selbst wenn man schon damit konfrontiert wurde…aber ich vermute, dass das auch zeit braucht und nicht ‚einfach mal so nebenbei‘ funktionieren kann, oder? Sonst wäre es ja auch, wie in der Geschichte, nicht das Quäntchen zur Perfektion oder eher zum Weg der Meister…

LG
Sayuri