Huhu,
Ich arbeite selbst als Unternehmensjurist, und da würde man
mir den Kopf abreißen, wenn ich z.B. auch nur ansatzweise so
„arbeiten“ würde, wie mein alter Ausbilder zu
Referendarzeiten. Mein Vorstand hat sehr genaue Vorstellungen
davon, wie lange ich mir für das ein oder andere Thema Zeit
lassen darf, und in welchem Umfang „Runden geflogen“ werden
dürfen, bis eine Sache zum Abschluss kommt. Anwälte in großen
Kanzleien werden ebenso gemessen, und sind sich der
Konsequenzen bewusst, die ihnen bei Bummelei drohen.
Hmm, naja, ich war ja davor in genau so einer Großkanzlei. Irgendwie kann ich es dennoch nicht vergleichen. Die Arbeit des Richters ist einfach zu terminsfixiert und das (in jedem Verfahren) nunmal in größeren Abständen (mündliche Verhandlung, VT, etc.). Demgegenüber habe Anwälte einfach viel kürzere Abgabefristen, insb. meine ich jetzt die beratenden Anwälte gegenüber ihren Mandanten. Aber auch hier ist eine Anwensenheitskontrolle irgendwie genau so sinnlos. Entweder die Antwort, der Vertrag, das Schreiben, der DD-Bericht, etc. ist dann und dann da oder nicht. Und wenn nicht, brauchts ne gute Ausrede, ansonsten muss man halt mal wieder NJW hinten lesen.
Kurz: Der gesamte Rechtsbreich ist m.E. keiner für Anwesenheitspflichten- oder kontrollen. Die Ergebniskontrolle reicht völlig und ist aussagekräftig genug.
Natürlich soll man nicht der faulste Amtsrichter sein, sondern gerade ich gehöre zu denen, die wenig Verständnis für Kollegen haben, die nie in der Wirtschaft waren und sich dort bewähren (und so lange arbeiten) mussten und dann ständig über die „Belastung“ jammern. Aber kontrollieren sollte man das doch (wenn bei Richtern überhaupt) anders.
Was die Zählkartengeschichte angeht, so meine ich diese
wunderbar kleinen Zettel im halben Postkartenformat mit zwei
Spalten (eigentlich nur Vorderseite) für die Einträge der
Vorlagen jeder Akte, die in Nds. damals zur
Performance-Messung eingesetzt wurden (k.A. ob die heute noch
verwendet werden). D.h. je öfter die Akte auf den Schreibtisch
kam, um so besser für das Bild des überarbeiteten
Amtsrichters. Mein besonderer Freund schaffte es in einfachen
Angelegenheiten auf Karten mit voll beschriebenen Vorder- und
Rückseiten, und niemand hat da mal nachgehakt was das alles
für angeblich ach so komplexe Dinge waren, die da erst nach
Jahren zu einem Ende kamen.
Ok, das gibts bei uns nicht. Die Verfahren sind entweder auf uns eingertagen oder eben nicht. Ausgetragen werden sie erst, wenn das Verfahren abgeschlossen ist.
Und daher kommt dann eben auch die Frage nach dem notwendigen
Pragmatismus: Warum kann man nicht zum Telefonhörer greifen,
wenn man Dinge nicht verstanden hat/rückfragen will, Dinge im
Sinne der Verfahrensbeschleunigung mit dem Anwalt abstimmen
will, und ggf. seine Zustimmung hierzu braucht? Ich denke da
an eine Amtsrichterin in Hamburg, die mich zum Termin 200 Km
anreisen ließ, nur um mir mitzuteilen, dass sie raten würde
die Klage zurück zu nehmen, weil sie mit einem Detail nicht
einverstanden war, das man auch problemlos wunschgemäß gerne
anders hätte regeln können.
Das sehe ich allerdings ganz genau so. Ich hab von Anfang an, weil ich es als Anwalt eben gewohnt war, regelmäßig zum Telefon gegriffen und kläre einen erhebliche Teil der Verfahren hierüber ab. Genau so oft müssen, damit es seinen „ordentlichen Weg geht“ rechtzeitige und umfassende Hinweise erteilt werden, damit die Partei weiß, wo man steht (oder was man als Richter falsch sieht). Da schütteln auch viele Kollegen mit dem Kopf, dass man von sich aus Anwälte anruft (dementsprechend sehen dann aber auch deren Bestandszahlen aus, was wieder viel Dezernatsarbeit und viele Termine bringt, dann wird wieder gejammert…).
So hatten dann die Kollegen beim
Landgericht auch noch mal Spaß mit dem Fall. Das kostete
zusätzliche Monate und Geld. Eine Amtsrichterin in Hildesheim
hielt eine Kalkulation für falsch, fragte aber auch nicht
nach, wie ich zu den Zahlen gekommen sei, und wie ich diese
gerechnet hätte, und sorgte in der Berufungsinstanz dann für
eine sehr peinliche Entschuldigung des Kammervorsitzenden für
eine Kollegin, die offensichtlich die Grundrechenarten im
Zahlenbereich bis 100 nicht beherrsche.
Ja, genau sowas meine ich. Halte ich für absolut unverantwortlich.
Warum lässt man Dinge offenbar mit Genuss liegen, bis sich
der Anwalt nach der dritten erfolglosen Sachstandsanfrage mit
der Bitte um Bestätigung der Mutmaßung an das Gericht wendet,
ob diesem ggf. noch etwas fehlen könnte, um dem Verfahren
Fortgang zu geben?
Wie gesagt, hier rennst Du offene Türen ein. Es gibt aber auch viele, die m.E. hier vorbidlich arbeiten (und mit einer Anwesenheitskontrolle ändern man daran natürlich auch nix).
Wer macht sich bei Gericht wirklich Gedanken darüber, was es
für die Parteien wirtschaftlich bedeutet, wenn Verfahren wegen
Kleinigkeiten nicht entschieden werden? Der Amtsrichter, der
erst auf wiederholte Nachfrage mitteilte, dass er sich leider
außer Stande gesehen hätte ein Versäumnisurteil zu erlassen,
weil er bzgl. der Zinsforderung ein Detail anders sehe (was zu
sagenhaften 2 Cent Abweichung führte), und statt
entsprechender Teilabweisung dann erst einmal eine Korrektur
verlangte (das Urteil brauchte dann weitere sechs Wochen), ist
leider kein Einzelfall.
Auch das finde ich in der Tat seltsam. Wenn ich beim VU Neben- oder auch Hauptforderungen teilweise für unbegründet halte (und das dummer Weise auch erst bei Erlass merke und nicht vorher, wie es sich gehört, einen Hinweis gegeben habe), dann rufe ich den Anwalt kurz an und entweder, ich habe kurze Zeit später eine Teilrücknahme per Fax (was bisher immer der Fall war) oder es ergeht eben Teilabweisung.
Also wie gesagt, ich bin da ganz bei Dir, aber wir haben auch viele gute Leute und ich könnte jetzt auch ein bißchen über Anwälte vom Leder ziehen, die uns und den Parteien das Leben seeeehr schwer machen, weil sie einfach vieles nicht verstanden haben (aber gegen alles dann Rechtsmittel wegen fehlender Hinweise einlegen, manche scheinen zu denken, ich solle ihnen eigentlich die Klageschrift schreiben oder das Urteil vorher zur Stellungnahme geben) und sich auf die Termine nicht vorbereiten, etc.
Naja, das gehört wohl alles zum Beruf 
Gruß
Dea