Mit welchem recht

Hallo Christian,

gäbe es das Völkerrecht nicht, das ja u.a. die Souveränität
und das Existenzrecht jedes Staates festschreibt, könnte jeder
Staat jedes andere angreifen, ohne Repressalien o.ä.
befürchten zu müssen.

Widersprüche?

ja; alle anderen „Punktsiege“ Deines Artikels hängen an der einen Annahme, dass wir uns ohne „Völkerrecht“, also ohne die Wahrnehmung der internationalen Beziehungen in Rechtskategorien, in einen Zustand befänden, in dem jeder Staat tun könnte, was er wollte;

dies ist aber definitiv nicht der Fall und so auch erkennbar, wenn man diesen Zustand Vor-dem-Recht nicht bereits rein rechtlich versteht, also die „Repressalien“ als „Bestrafung“ eines „Täters“ für die „Tat“ des „völkerrechtswidrigen“ Angriffs auf das „Selbstbestimmungsrecht“, „Existenzrecht“ eines anderen Staates.

Wenn man einen rechtsfreien Raum mit rechtlichen Kategorien betrachtet, dann kann man darin nur den Mangel an Recht erkennen, und muss damit unweigerlich zum „Punktsieg“ kommen.

Wenn Dir das jetzt zu „philosophisch“ war, dann überleg Dir folgendes:
Angenommen die Welt wäre vollständig auf die Blöcke USA und UdSSR aufgeteilt gewesen; hätte nicht das vollkommen außer-rechtliche „Gleichgewicht des Schreckens“ viel mehr dieser aufgelisteten Kriege verhindert, als das „Völkerrecht“ es geschafft hat?

Solche Denkakrobatiken sind grundsätzlich Muster ohne Wert, aber dieses zeigt vielleicht in wenigen Worten, was ich sagen will: Kriege können nicht nur mit Recht verhindert werden, genauso wie sie auch nicht nur ohne Recht geführt werden.

Viele Grüße
franz

Guten abend,

ja; alle anderen „Punktsiege“ Deines Artikels hängen an der
einen Annahme, dass wir uns ohne „Völkerrecht“, also ohne die
Wahrnehmung der internationalen Beziehungen in
Rechtskategorien, in einen Zustand befänden, in dem jeder
Staat tun könnte, was er wollte;

wenn wir uns die Zeiten vor dem 20 Jh. anschauen, war das auch so. Natürlich gab es vereinzelte Allianzen, die bei einem Angriff auf eines der Mitglieder aktiviert wurden, aber diese hatten nicht die gleiche Qualität/Schlagkraft wie die Vereinten Nationen sie mitunter an den Tag legen. Das Resultat war, daß früher für jede Nichtigkeit Heere aufgestellt und in das Feindesland verlegt wurden (s.a. Kriegsdefinition von Clausewitz).

Wenn Dir das jetzt zu „philosophisch“ war, dann überleg Dir
folgendes:
Angenommen die Welt wäre vollständig auf die Blöcke USA und
UdSSR aufgeteilt gewesen; hätte nicht das vollkommen
außer-rechtliche „Gleichgewicht des Schreckens“ viel mehr
dieser aufgelisteten Kriege verhindert, als das „Völkerrecht“
es geschafft hat?

Gerade an den Randbereichen dieser Blöcke hat es doch die wesentlichen kriegerischen Auseinandersetzungen im Kalten Krieg gegeben: Korea, Vietnam, Südwestafrika.

Solche Denkakrobatiken sind grundsätzlich Muster ohne Wert,
aber dieses zeigt vielleicht in wenigen Worten, was ich sagen
will: Kriege können nicht nur mit Recht verhindert
werden, genauso wie sie auch nicht nur ohne Recht
geführt werden.

Ist schon klar, aber es gibt nicht nur schwarz oder weiß, sondern viele Abstufungen. Die Abstufung, die ich zu erkennen glaube, ist, daß die Festschreibung des Existenzrechtes nebst letzlich kollektivem Schutz vor Aggressoren einerseits Kriege verhindert hat, die es ohne VN gegeben hätte, und andererseits dazu führt, daß über kurz oder lang der Zustand, wie er vor dem Angriff herrschte, wieder hergestellt wurde.

Daß die Welt allein durch die VN ein friedvoller Planet geworden wäre, würde ich niemals behaupten, aber m.E. ist man diesem Idealzustand dank VN etwas näher. Daß da auch andere Ursachen eine Rolle spielen, ist klar. Bspw. hat die Waffentechnik dazu geführt, daß Kriege ohne wesentliche Verluste praktisch nicht mehr möglich sind, was ja auch Grundgedanke der Strategie der Abschreckung war/ist.

Gruß,
Christian

Hallo Christian,

ja; alle anderen „Punktsiege“ Deines Artikels hängen an der
einen Annahme, dass wir uns ohne „Völkerrecht“, also ohne die
Wahrnehmung der internationalen Beziehungen in
Rechtskategorien, in einen Zustand befänden, in dem jeder
Staat tun könnte, was er wollte;

wenn wir uns die Zeiten vor dem 20 Jh. anschauen, war das auch
so. Natürlich gab es vereinzelte Allianzen, die bei einem
Angriff auf eines der Mitglieder aktiviert wurden, aber diese
hatten nicht die gleiche Qualität/Schlagkraft wie die
Vereinten Nationen sie mitunter an den Tag legen. Das Resultat
war, daß früher für jede Nichtigkeit Heere aufgestellt und in
das Feindesland verlegt wurden (s.a. Kriegsdefinition von
Clausewitz).

  1. lässt sich „Völkerrecht“ gar nicht so sehr an der UNO festmachen, es ist eher eine bestimmte Begrifflichkeit (Souveränität, Existenzrecht, Nichteinmischungsrecht, etc.) und bestimmte Praktiken (Verträge, Pakte, Abkommen, Übertragung von Souveränität auf höhere Ebenen, Gerichtshöfe, Kriegsrechte, etc.)

  2. von daher ist die Beschränkung der Betrachtung auf die Zeit nach 45 nicht sehr sinnvoll

  3. auch in „Zeiten vor dem 20. Jhdt.“ wurden die Heere nicht willkürlich herumgeschoben, sondern auch in Übereinstimmung mit Vereinbarungen, die mit anderen Mächten geschlossen wurden; und auch zu ganz „vorigen Zeiten“ konnten sich die Staaten auch nicht gegenseitig überfallen wie sie wollten, sondern waren dabei Einschränkungen ausgesetzt, wenn auch nicht rechtlicher Art.

  4. Du sagst selbst, „wie die UN sie mitunter an den Tag legen“; ob die UN ihre Kräfte an den Tag legen kann, hängt davon ab, ob sie darf, und das wiederum hängt davon ab, ob man eine breite Allianz gegen einen „Aggressor“ finden kann; nun ist es sicherlich ein Unterschied, ob eine „Koalition der Willigen“ gegen diesen vorgeht, oder ob „die UN“ gegen ihn vorgeht, nämlich ein (völker)rechtlicher Unterschied; von der „Allianz“ aber hängt beides erst mal ab.

Angenommen die Welt wäre vollständig auf die Blöcke USA und
UdSSR aufgeteilt gewesen; hätte nicht das vollkommen
außer-rechtliche „Gleichgewicht des Schreckens“ viel mehr
dieser aufgelisteten Kriege verhindert, als das „Völkerrecht“
es geschafft hat?

Gerade an den Randbereichen dieser Blöcke hat es doch die
wesentlichen kriegerischen Auseinandersetzungen im Kalten
Krieg gegeben: Korea, Vietnam, Südwestafrika.

Genau da aber ging es um Rechte: wer gehört zu wem? wer hat hat Anspruch auf Souveränität, wessen Existenzrecht ist bedroht? etc.

daß die Festschreibung des Existenzrechtes nebst
letzlich kollektivem Schutz vor Aggressoren einerseits Kriege
verhindert hat, die es ohne VN gegeben hätte, und andererseits
dazu führt, daß über kurz oder lang der Zustand, wie er vor
dem Angriff herrschte, wieder hergestellt wurde.

unbestritten richtig; aber die beiden Erfolgs-Beispiele, die Du gegeben hast (Korea-Krieg und Golfkrieg II): wieviel Anteil hat daran die UN, wieviel das „Völkerrecht“, wieviel die Politik der USA? wieviel der Kampf um Einflusssphären und Ressourcen?

Es ging mir in der Diskussion nie darum, das „Völkerrecht“ oder die UN als völlig wertlos, oder so ähnlich, darzustellen, sondern darum zu analysieren und zu kritisieren, mit welchem Recht man sich auf das „Völkerrecht“ beruft (das war die Ausgangsfrage des Threads), und in welchem Namen man dabei auftritt, und welche Dinge man dabei ausblendet, die aber für das Verständnis dessen, warum solches Recht gebrochen wird, essentiell sind.

Viele Grüße
franz

Willst Du nur provozieren oder meinst Du das geschriebene
ernst?

Nun, ich meine es ernst, bin aber auch neugierig was andere darüber denken. Denn in den meisten Foren scheint es so, als ob man alles hinnehme was die Politiker von sich geben.
Also ein wenig Provokation ist dabei, indem ich einfach kein Blatt vor den Mund nehme!

Das alles was gerade in der Welt passiert, erscheint mir irgendwie wie Theater!
Denn das Erdöl geht zu neige (China, Inden und Pakistan benötigen viel mehr als man damals in den Statistiken einberechnet hatten) und die USA hat auf einmal die Rolle gewechselt.
Jetzt ist die USA nicht mehr der Brave Cowboy der die Welt vor den bösen Russen beschützt, diesmal haben sie ihr wahres Gesicht gezeigt!
Der Fall der 2 Türme am 09.11.2001 hat aber auch gezeigt wie verwundbar die USA sind.
Und obwohl Nordkorea mit China verbündet sind, drohen die USA dieses Land! Obwohl Iran mit Russland und Pakistan verbündet sind, drohen die USA (und jetzt seit neuestem auch der Trittbrettfahrer Chirak) mit Gewalt!

Sind die Irre?

Damit erreichen die nur, dass die Terroristen einen gezielten Angriff in den USA starten werden! Die verlieren langsam alle Hemmungen, nach 911, und nach den Angriffen auf Afghanistan und Irak sehen sich alle Arabischen Länder bedroht.
Daher sehe ich das alles als ein großes Theaterstück, denn sowas erscheint mir nicht real!!! (Vor allem nicht normal!)

Die ganze Welt jagt mit hoher Geschwindigkeit auf eine riesen Katastrophe zu und kein Politiker ist in der Lage die Sache beim Namen zu nennen:
Das die Leute da oben endlich mit dem Scheiß aufhören sollen!

(Provokativ genug?)

Grüsse
ca

Weißt Du, ich hab mir auch mal gedacht, dass die US-Politik ziemlich menschenverachtend sein kann. Ist sie auch. Aber auch nicht von anderen Motiven geleitet als die Politik aller anderen Staaten: Maximierung des Profits für das eigene Land. Nur die Wege sind verschieden.

Und wenn man sich dann mal anguckt, was es so für Alternativen gibt (staatskapitalistische Folterregime wie China oder Nordkorea; islamfaschistische Staaten wie den Iran; Pseudo-Demokratien wie Russland, Syrien oder Ägypten; failed states wie Somalia oder Kongo), dann finde ich das westlich-marktwirtschaftliche Modell schon ganz überzeugend, bei allen Fehlern die es hat.

Mit welchem Recht also fordert man das vom Iran? Nun, zunächst mal auf Basis der vom Iran selbst unterschriebenen Verträge. Und davon abgesehen natürlich, weil man Leuten, denen ihr Leben nichts wert ist, keine Möglichkeiten geben sollte, bei ihrem Selbstmord mehr Leute in den Tod zu reißen als es ihnen schon mit konventionellen Waffen möglich ist.

Vor westlichen Atomwaffen habe ich keine Angst, vor indischen und pakistanischen ein bisschen, vor russischen ein wenig (man weiß ja nie ob da nicht doch mal ne Sicherung durchrostet), aber dass irgendso ein islamistischer Irrer in Teheran Gefallen daran fände, so ein Ding nach Tel Aviv zu schicken, das macht mir richtig Angst.

Ob die US-Anti-Terror-Strategie, die sich fast ausschließlich auf militärische Aktionen zu konzentrieren scheint, auf Dauer erfolgreich sein wird, bezweifle auch ich. Aber da werden die schon irgendwann von allein drauf kommen.

Der Rest deiner geostrategischen Analyse wird mir ansonsten jetzt zu ausufernd…

Gruß

Hallo, xvagabundx

Und davon abgesehen natürlich, weil man Leuten, denen ihr
Leben nichts wert ist, keine Möglichkeiten geben sollte, bei
ihrem Selbstmord mehr Leute in den Tod zu reißen als es ihnen
schon mit konventionellen Waffen möglich ist.

Leuten, denen ihr Leben nichts wert ist?

Hast du schon mal darüber nachgedacht, warum Menschen - auf dieser Erde - ihrem Leben so wenig Wert beimessen, dass sie sich in die Luft sprengen - in der verschwommenen Hoffnung auf himmlischen Frieden?

Gruß
karin

Ja, darüber habe ich nachgedacht. Leute, die universitäre Ausbildung haben, materiell daher wohl nichts fürchten müssen, unterwerfen sich einer faschistischen Ideologie und bringen sich und andere um, nur wegen des Hasses, der dieser Ideologie innewohnt.
Da gibt es weder irgendwas zu rechtfertigen noch zu beschönigen.

Guten morgen,

  1. lässt sich „Völkerrecht“ gar nicht so sehr an der UNO
    festmachen, es ist eher eine bestimmte Begrifflichkeit
    (Souveränität, Existenzrecht, Nichteinmischungsrecht, etc.)
    und bestimmte Praktiken (Verträge, Pakte, Abkommen,
    Übertragung von Souveränität auf höhere Ebenen, Gerichtshöfe,
    Kriegsrechte, etc.)

das war eine Bequemlichkeit meinerseits. Die UNO ist die einzige Organisation, die Völkerrecht im Notfall auch umsetzen kann und die meisten internationalen Übereinkünfte laufen inzwischen über die UNO bzw. Tochterorganisationen.

  1. auch in „Zeiten vor dem 20. Jhdt.“ wurden die Heere nicht
    willkürlich herumgeschoben, sondern auch in Übereinstimmung
    mit Vereinbarungen, die mit anderen Mächten geschlossen
    wurden; und auch zu ganz „vorigen Zeiten“ konnten sich die
    Staaten auch nicht gegenseitig überfallen wie sie wollten,
    sondern waren dabei Einschränkungen ausgesetzt, wenn auch
    nicht rechtlicher Art.

Hm, das sehe ich ein bißchen anders. Die Zahl der großflächigen Kriege, bei denen es um mehr geht als um einen Landstrich oder eine Anhöhe, sondern um die Unterwerfung eines Staates und dessen Bevölkerung ist nach dem 2. Weltkrieg doch deutlich zurückgegangen.

  1. Du sagst selbst, „wie die UN sie mitunter an den Tag
    legen“; ob die UN ihre Kräfte an den Tag legen kann, hängt
    davon ab, ob sie darf, und das wiederum hängt davon ab, ob man
    eine breite Allianz gegen einen „Aggressor“ finden kann; nun
    ist es sicherlich ein Unterschied, ob eine „Koalition der
    Willigen“ gegen diesen vorgeht, oder ob „die UN“ gegen ihn
    vorgeht, nämlich ein (völker)rechtlicher Unterschied; von der
    „Allianz“ aber hängt beides erst mal ab.

Bevor es die UNO und das multilaterale Völkerrecht gab, gab es auch derartige Allianzen nicht, sondern bilaterale Abkommen, die Kriege nicht verhinderten sondern tendenziell sogar begünstigten, weil sie teilweise gefährliche Automatismen beinhalteten.

daß die Festschreibung des Existenzrechtes nebst
letzlich kollektivem Schutz vor Aggressoren einerseits Kriege
verhindert hat, die es ohne VN gegeben hätte, und andererseits
dazu führt, daß über kurz oder lang der Zustand, wie er vor
dem Angriff herrschte, wieder hergestellt wurde.

unbestritten richtig; aber die beiden Erfolgs-Beispiele, die
Du gegeben hast (Korea-Krieg und Golfkrieg II): wieviel Anteil
hat daran die UN, wieviel das „Völkerrecht“, wieviel die
Politik der USA? wieviel der Kampf um Einflusssphären und
Ressourcen?

Das dürfte kaum zu beziffern sein. Hätte es den kalten Krieg nicht gegeben und wäre Nordkorea nicht Teil der russischen Einflußsphäre gewesen, hätten sich die USA um die Sache möglicherweise nicht gekümmert. Andererseits hätte es dann diesen Angriff nicht gegeben, weil es dann die Ausgangssituation nicht gegeben hätte.

Ähnlich verhält sich das mit dem zweiten Golfkrieg: Der Irak hätte sich für Kuweit nicht interessiert, wenn es dort kein Öl gegeben hätte. Andererseits hätte der Irak die notwendigen Waffen für einen Krieg nicht gehabt, wenn es dort kein Öl geben würde und wenn nicht in den 80er Jahren die Sowjetunion, die USA, Isreal und andere nicht die jeweils genehme Regierung (Irak/Iran) untestützt hätten.

In beiden Fällen war aber das in der UN-Charta kodifizierte Existenz- und Souveranitätsrecht die Ausgangs- und Verhandlungsbasis der späteren militärischen Aktivitäten.

Gruß,
Christian