Hai, Heike,
ich würde empfehlen, mal mit dem Vorgesetzten/Lehrherren Deiner Tochter ein Gespräch zu führen. Allerdings nicht unter der Prämisse: „Meine Tochter wird in Ihrem Betrieb gemobbt“, sondern mal so neutral wie möglich nachfragen, was eigentlich los ist.
Es ist durchaus möglich, daß Deine Tochter „angefangen“ hat - ich will damit nicht sagen, daß das sein muß, es ist aber möglich, daß Dein Töchterlein die Klappe aufgerissen und einen Krieg begonnen hat, den sie nicht gewinnen kann und jetzt mit der „Antwort“ nicht klarkommt und einfach nicht weiß, wie sie aus der Situation wieder rauskommen soll.
Bevor Du jetzt mit dem Argument kommst, Deine Tochter würde Dir immer alles erzählen, denk mal darüber nach, ob sie Dir wirklich auch erzählen würde, wenn sie erfolgreich einer ihr unsymphatischen Kollegin (und für sie als Azubiene eigentlich Vorgesetzten) eine ausgewischt hat, oder einfach aus Schusseligkeit, Faulheit oder Unwissen über die Wichtigkeit einer für sie sinnlosen Aufgabe, Mist gebaut hat.
Um verständlich zu machen, was ich eigentlich meine, mal eine ähnliche Geschichte von der anderen Seite geschildert: ein Freund von uns ist Elektriker und hat seit letzten Sommer auch 'n Azubi. Der sollte im Herbst Kabel zuschneiden, die einzelnen Leitungen immer so zwischen 300 und 400 Meter. Er war der Meinung, daß es reichen würde, es abzuschätzen, mit dem reizenden Effekt, daß sämtliche Kabel ein bis zwei Meter zu kurz waren und knapp zwei große Rollen schweineteure Leitung direkt in den Müll konnten. Statt aus dem Ärger, den er damit erzeugt hat, zu lernen, hat er beim nächten Kabel-Zuschneide-Auftrag den gleichen Mist gebaut. Also „durfte“ er den Winter über jeden Tag alles mögliche genau abmessen und ist bei jeder falschen Angabe gründlich zusammengeschissen worden - der Junge ist an so manch einem Tag kurz vorm Heulen gewesen, weil er das x-te mal die Außenabmessung eines Gebäudes bei Minusgraden messen durfte. Irgendwann tauchte dann der empörte Vater auf und beschwerte sich darüber, daß sein armer Junge so sinnloses Zeug machen musste - völlig verständlich, schließlich hat Sohnemann zuhause nicht erzählt, daß das ganze angefangen hat, weil er locker mal über tausend Euro Schaden angerichtet hat, nur weil er keinen Bock hatte, den langwierigen Weg des genauen Messens zu gehen.
Wie gesagt, es ist möglich, daß Du nur eine Seite kennst - Du schreibst leider nicht, wie alt Deine Tochter ist, noch, in welchem Jahr der Ausbildung sie ist. Ist sie im ersten Lehrjahr, kann es durchaus sein, daß sie z.B. versucht, sich ebenso zu verhalten, wie in der Schule - während man aber mit Lehrern über alles mögliche diskutieren kann und auch so manchesmal deren Anweisungen umgehen oder soweit abändern kann, daß 'ne blöde Aufgabe eben nicht gemacht werden muß, geht das in einem Betrieb nicht und diese Umstellung ist für viele Jugendliche nicht einfach. Während man vorher jeden Sch*** erklärt und begründet bekam, heißt es jetzt nur: „Mach!“.
Ich würde wirklich empfehlen, daß Du ein ruhiges Gespräch suchst und erstmal versuchst, die andere Seite anzuhören - es könnte sein, daß Dein, zuhause so freundliches, gehorsames und williges Kind, im Betrieb 'ne Zicke ist, die versucht ihren Kopf durchzusetzen und nicht damit klarkommt, daß sie auf Granit beißt und mit jedem weiteren zick-Versuch die Schrauben enger gezogen werden.
Du brauchst Deine Tochter hier nicht zu verteidigen - es ist durchaus auch möglich, daß tatsächlich die Kollegin das Mädel „gefressen hat“; Sym- und Antipathien sind nicht so einfach willentlich zu steuern. Ich möchte eigentlich nur erreichen, daß Du nicht am Montag wutentbrannt ins Büro des Tochter-Chefs stürmst und über ihn herfällst, wie eine Löwin, die ihr Junges verteidigt - um dann zu erfahren, daß Deine Tochter „vergessen“ hat, Dir wesentliche Details mitzuteilen… (nein, damit behaupte ich nicht, daß Deine Tochter Dich anlügt - nur, daß sie eventuell einen anderen Blickwinkel auf Vorfälle hat und Dinge, die für sie einen vernachlässigbaren, winzigen Fehler darstellen, für einen Betrieb sogar existenzgefährdend sein können (mein Beispiel von oben: der Gewinn für den Auftrag war auf Null geschrumpft - einmal pro Monat so ein „Fehlerchen“ und ein kleiner Betrieb kommt ernsthaft ins Trudeln))
Ich hoffe, ich habe ausreichend deutlich gemacht, was ich meine, ohne Dir mit allen vier Hufen gleichzeitig auf die Kravatte gehüpft zu sein.
Gruß
Sibylle