Frau von der Leyen hat einen Beitritt der Ukraine in die EU sehr deutlich in Aussicht gestellt. Und wenn es nach Selenskyj geht, dann am besten schon morgen.
Welche Konsequenzen hätte ein Beitritt der Ukraine in der aktuellen Situation (oder im besetzten Zustand)?
Mobilmachung, militärischer Einsatz in der Ukraine, Krieg gegen Russland?
Was geben die EU-Verträge zu diesen Fragen vor?
Weiß da jemand etwas?
Frau von der Leyen ist nicht Putin. Sie kann nicht einfach verfügen, dass die Ukraine Mitglied in der EU ist. 27 Mitglieder, da findet sich bestimmt nicht nur einer, der zum gegenwärtigen Zeitpunkt gegen einen Eintritt der Ukraine in der EU ist.
Die EU ist keine Verteidigungsgemeinschaft. Dafür existiert die NATO. Zufälligerweise sind zurzeit praktisch alle NATO Mitglieder in Europa auch EU-Mitglieder.
Aber solche Doppelmitgliedschaften sind weder in der EU noch in der NATO Pflicht.
Das ist nicht richtig. Artikel 42 des EU Vertrags sieht sehr wohl eine Beistandspflicht im Falle eines militärischen Angriffs vor:
(7) Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats schulden die anderen Mitgliedstaaten ihm alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung, im Einklang mit Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen. Dies lässt den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten unberührt.
Diese Formulierung ermöglichte neutralen Ländern wie Irland oder Österreich den Beitritt zur EU.
Es gibt seit Jahrzehnten gemeinsame Rüstungsprojekte, Manöver und Übungen, um die militärische Zusammenarbeit zu verbessern. Du redest mal wieder von Dingen, von denen du keine Ahnung hast.
Sehe ich das richtig, dass sich bei diesen Formulierungen kein Automatismus entwickeln kann wie z.b. bei den Mitgliedsländern der NATO, die genau wissen: wenn ein Mitgliedsland angegriffen wird sind wir automatisch im Kriegsmodus?
Richtig. Was aber ausdrücklich erwünscht ist, eben wegen der Möglichkeit auch neutrale Länder (Österreich, Irland, Schweden, Finnland und Malta) aufzunehmen.
Genaueres gibt es hier ab Seite 6:
Zudem hat der Artikel 42 ja noch mehr Punkte wie zB:
(1) Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist integraler Bestandteil der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Sie sichert der Union eine auf zivile und militärische Mittel gestützte Operationsfähigkeit. Auf diese kann die Union bei Missionen außerhalb der Union zur Friedenssicherung, Konfliktverhütung und Stärkung der internationalen Sicherheit in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen zurückgreifen. Sie erfüllt diese Aufgaben mit Hilfe der Fähigkeiten, die von den Mitgliedstaaten bereitgestellt werden.
(2) Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik umfasst die schrittweise Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik der Union. Diese führt zu einer gemeinsamen Verteidigung, sobald der Europäische Rat dies einstimmig beschlossen hat. Er empfiehlt in diesem Fall den Mitgliedstaaten, einen Beschluss in diesem Sinne im Einklang mit ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften zu erlassen.
Die Behauptung, es solle keine gemeinsame EU-Strategie geben, ist einfach nur falsch.
Wie könnte es das auch? Die EU ist halt eine Wirtschaft-Union. Da muss man quasi unkonkret bleiben, um sich nicht zu verhaspeln.
Was wir so locker als „EU“ bezeichnen, sind bei Themen, die nicht ganz direkt die Wirtschaft betreffen, eher „AddOns“, bei denen einerseits nicht alle EU-Länder mitmachen, die aber (wie z. B. SEPA) auch Non-EU-Ländern offensteht.
Bei einem kriegerische Überfall in ein Schengen-Land dürfte die Entscheidung für eine Hilfe bei allen anderen Schengen-Länder wohl recht schnell fallen, weil es vom Angriffsort aus keine Grenzsicherung mehr gibt.
Wie man auch sieht, tut sich die EU schon jahrelang schwer auch ein militärisches „AddOn“ auf die Beine zu stellen. IMHO dauert das noch ein paar Jahrzehnte (wenn ich mir so anschaue in welchem Kleinklein sich einige EU-Staaten bei anderen Themen ergehen, bis das Thema durch zig minimal unterschiedlichen Wege der Länder für die Wirtschaft kontraproduktiv „gelöst“ ist)
Mit EU-Strategie meinte ich nicht das eine oder andere gemeinsame Rüstungsprojekt von 2 oder 3 Ländern im Zusammenhang mit dem Ausgangsthema.
Irgendwie habe ich den Eindruck, dass ein Thema schnellstmöglicher EU-Beitritt der Ukraine gefällig ist, über mögliche Konsequenzen denkt niemand so recht nach.
Keine, weil die EU nicht mal eben ein neues Mitglied aufnimmt. Die Vorbereitungen - u.a. Rechtsangleichung, Überprüfung und Anpassung der demokratischen Strukturen etc. - dauern unter normalen Umständen etliche Jahre. Ein Krieg hilft da nicht unmittelbar weiter. Natürlich hätte die Mitgliedschaft für die Ukraine nach einem Krieg (so es nach einem Krieg noch eine Ukraine UND eine EU gibt) großen Nutzen, weil man natürlich auf den großen Infrastrukturtopf und andere EU-Instrumente zurückgreifen könnte, aber das ist nicht die primäre Idee.
Der Antrag ist ein Symbol: seht her, wir gehen unseren Weg nach Westen weiter und das jetzt erst, wenn Ihr um unsere Städte kämpft. Und natürlich ist es auch ein Symbol für die Bevölkerung. Das soll den Zusammenhalt stärken, eine Perspektive aufzeigen und klarmachen, dass man sich Putin nicht vorschreiben lassen will, was man zu tun und zu lassen hat. Jetzt noch viel weniger als 2013.