Muss hier etwas gerettet werden? Kann es überhaupt gelingen?

Hallo,

hier ist eine Seite, die unseren weiland hier anwesenden Sprachschützer erfreuen würde, obwohl es nur die Wörter einer bestimmten Sparte (fast hätte ich Kategorie geschrieben) ins Visier nimmt anpeilt: http://www.deutschretten.com/
Vorsicht beim Gebrauch des Lautsprechers.

Aber ernsthaft - ich bin dem Denglischen ja auch abgeneigt, aber was der Anton aus Tirol mir letzthin aufgezeigt hat, ist wie sinnlos dieses Streben nach Reinheit ist. Was ich im täglichen Gebraucht benutze, ist eine Sache - gegen die Welle werde ich mich nicht stellen können. Man schaue sich die französischen Ausdrücke an, die vor 200 Jahren nach Deutschland immigriert sind. Manche gibt es noch, manche sind verschwunden.

Und nun zur Frage: Der Duden ist deskriptiv. Fändet ihr eine preskriptives (eventuell sogar verbindliches) Wörterbuch für die deutsche Sprache besser?

Grüße
Siboniwe

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Hallo Siboniwe,

mein Denglisch scheint gar schröcklich misterabel zu sein:

Mir bis jetzt unbekannt gewesen „Long time no see“ - mit meinem Englisch hätte ich wohl eher „long time not seen“ geschrieben, was soll’s.
Fling, tsts, das gehört sich doch gar nicht, außer man hat irgend eine dating-agency involviert und muss jetzt „Forwarden“ und dann sicher „Follow-Uppen“
Ich mag Deutsch, mag kein aufgezwungenes Denglisch, das mit Commitment durch den Facility Manager gepflegt wird… Da wird so mancher Bereich zu einer No go Area, naja, für einen
Gimmick wird’s schon reichen, ansonsten leasen…
Bitte einen Sprachkurs für denkwürdige Übelsetzungen und Unnotwendigkeiten…
No risk, no fun
Ups, ich hoffe, dass ich damit keinen Shitstorm losgetreten habe…

Danke für den Link!
Gruß

dafy

Oh ja, sehr interessant!
Mich amüsieren besonders Ausdrücke, die eine gesellschaftlich nicht besonders hoch angesehene Sache plötzlich ungemein beeindruckend auf englisch natürlich! erscheinen lassen:
Facility Management - Hausreinigung
Logistik - Spedition
in der Pipeline - in Planung
floor manager / oder noch aufregender klingend: assistant floor manager - Abteilungsleiter

beliebig erweiterbar!

Hallo,

wobei logistic nicht mit Spedition gleichzusetzen ist.
Genauso wie viele andere der Ausdrücke, die da angeblich vorm Denglischen gerettet werden sollen (mit feierlichem Schwur nach lächerlichem Gefiepe lol), ganz einfach schlecht übersetzt sind.

Seit wann ist ein Essay mit einem Aufsatz gleichzusetzen? Auch ist „shopping“ (so wie es im Deutschen genutzt wird) eben nicht mit Einkaufen gleichzusetzen. Und ein „Blog“ kann zwar ein Internet(?)tagebuch sein, muss aber nicht.

Grüße
Siboniwe

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Hallo,

genau! Fremdwörter zersetzen die Deutsche Sprache. Das gilt aber nicht nur für Anglizismen.

Auch die Nase ist ein Fremdwort, sie wurde weiland durch den anmutig klingenden „Gesichtserker“ ersetzt. Aus dem rassefremden Motor wurde der „Knalltreibling“, ein Begriff, der deutsch bis ins Mark anmutet. Das sind zwei Einfälle aus der Nazizeit.

Aber jetzt mal Spaß beiseite: Ich liebe die deutsche Sprache geradezu, ich vermeide übertriebene Anglizismen, aber die deutsche Sprache retten, noch dazu auf diesem unterirdischen Niveau, das ist lächerlich. Wer „Marketing“ mit „Absatzstrategie“ übersetzt muss krank im Hirn sein und sollte mal den Wicki-Beitrag lesen. Da finden sich eine Menge Definitionen. Als Beispiel nur der Unterschied zwischen Produktmarketing und institutionellem Marketing.

„Made in Germany“ wird mit „das deutsche Erzeugnis“ übersetzt, das muss dann jeder weltweit verstehen. „Pay-per-view“ bedeutet nicht „Bezahlfernsehen“ schlechthin sondern meint nur eine bestimmte Form von Bezahlfernsehen.

Besonders lustig: „Simon fand, der Stecker in seiner Brustwarze gab ihm etwas Verruchtes.“ Richtig: Simon fand, der Stecker in seiner Brustwarze gäbe ihm etwas Verruchtes.

Die Leute, die diese Seite machen, können überhaupt kein Deutsch.

Wenn einer zu seinem Freund / seiner Freundin sagt „Hey Säugling, Deine blauen Augen machen mich heute wieder total an“, dann hat er geschworen, nie wieder das Wort „Baby“ zu verwenden.

„Die Sprache schreibt den Duden, nicht der Duden die Sprache“, ein Aphorismus von Erhard Blanck. So bleibt die Sprache lebendig. Und das wollen wir doch alle.

Gruß, Hans-Jürgen Schneider

Bonjour Dafy

…ist eine Imitation von Pidgin English, die im Englischen weit verbreitet benutzt wird.

LM

Wie soll das gehen? Eine Kommission, der die Innovationen und Ereignisse der nächsten 5 Jahre vorgelegt werden, damit schonmal die Sprache dazu entworfen werden kann?

Was sollte überhaupt das Ziel sein? Aussprache und Schrift zusammen zu führen? Oder (wie im Englischen oder Französischen) die Unterschiede zu Manifestieren? Jeder kennt doch „ghoti“ oder die vielen Schreibarten des langen [i] im Englischen (e, ee, ey, i, ea)

Ich fände eine verbindliche Rechtschreibung noch viel besser. Die Rechtschreibreformen der letzten Jahre bis hin zur jetzt gültigen haben zwar schon mal abgefangen, aufzuräumen, sind aber bei genauerer Betrachtung ziemlich unverbindlich.
Kein Mensch weiß mehr, wie es denn nun geschrieben wird, weil es oft zwei Schreibweisen gibt. Gut, der Duden empfiehlt eine Schreibweise, bleibt aber sich selbst hier nicht treu. Manche Wörter werden mit der alten Schreibweise empfohlen, manche mit der neuen.
Besonders erschreckend finde ich im alltäglichen Schriftverkehr den falschen Umgang mit dem ß. Viele scheinen zu glauben, dass das ß der letzten Reform zum Opfer gefallen ist. Und gerade hier hat die Reform m.E. sinnvoll durchgezogen.
Nun gut, ich werde meine Schüler (Erwachsenenbildung) weiterhin zur Verzweiflung treiben :- ).

Data

Hallo Siboniwe,

genau das verärgert noch mehr!
Immerhin verwenden viele Leutchen diese Traumwörter (weil man sich doch sooo viel darunter vorstellen kann).
Fazit:
Manchmal muss man sich des ungenauen Denglischwortschatzes bedienen, weil viele Leute die ursprüngliche Bedeutung eines Wortes gar nicht (mehr) kennen.
Wobei: Einem Facility Manager kann man doch eher Spitzenleistungen zutrauen - er ist ja Manager -, denn einem Hausmeister und vor allem klingt es einfach viel viel besser :slight_smile: in der Vita!

Gruß

dafy

Hi Siboniwe,

dein Link rettet ja bravourös einen verregneten Samstag :joy:
Herrlich, wie man zwischen Comedy, Dummheit und Psychiatrie Achterbahn fährt (von einigen wenigen sinnvollen Restaurierungen eitelaffiger amerikanisierter Neologismen insbesondere aus dem Geschäftsleben abgesehen).

Meine ad hoc Highlights Glanzlichter:

Geniale Alternative:
Tattoo → Tätowierung

Wie urdeutsch!
Handy → Mobiltelefon
Making of → Produktionsdoku
Keyboard → Tastatur
Zippen → Komprimieren

Aua! Ab in die Geschlossene!:
twittern → katzen
Piercing → Stecker
liked → gemocht

Peinlich naiv ahnungslos:
sexy → aufreizend (Begriffsextension sträflich erweitert)
flirten → Jmd schöne Augen machen

Regelrecht falsch:
Non Stop → Endlos
Management → Geschäftsführung (Begriffsextension sträflich eingeengt)
Multiple Choice → Ankreuztest
Event → Ereignis

usw.

Danke für den Spaß!
Metapher

Klar, daß nicht. Aber das:

Und gerade hier hat die Reform m.E. sinnvoll durchgezogen.

ist nicht wahr. Sie hat lediglich eine neue Reglementierung okroyiert.

Gruß
Metapher

Ok, aber sinnvoll. Kurzer Vokal Doppel-s, langer Vokal ß. Ich bin mittlerweile soweit, dass ich die Wörter auch so lese. Wenn jemand Strasse schreibt, lese ich es auch kurz.
Genauso sinnvoll übrigens wie nummerieren oder Tipp.
Aber eben wieder nicht durchgezogen.

Data

Hallo MrsData,

ich weiß, so ganz trifft es deine Frage nicht, trotzdem:
s oder ß oder Doppels, sicher in der Benotung von BeEdeutung.
Mehr zu schaffen macht mir allerdings, dass es für sehr sehr viele Leute nur mehr den Artikel „das“ zu geben scheint, Fälle (Ich weiß, Genitiv ist sowas von vergammelt, dass man sich dieses Falls wirklich nicht mehr annehmen muss :sunglasses:) gibt es teilweise noch, zumindest den Nominativ, Plurals kann man doch überall anhängen, usw.
Warum darf man da in der Schule nicht wirklich so agieren, dass Lesende den Text verstehen können?
Bei manchen Schülerinnen und Schülern haben wir das Problem um den Inhalt - total abgekoppelt von der Rechtschreibung - so gelöst: Ein Kollege hat den Text vorgelesen, damit der andere (der diesen Text noch nicht gesehen hatte), ihn inhaltlich verstehen und die inhaltliche Beurteilung abgeben konnte.

Bloß: Wo sind hier meine Vorlesenden??? :neutral_face:

Gruß

dafy

Hallo,

Nun, gehen würde es schon. Andere Nationen führen uns da ja vor. Ob es sinnvoll ist und ob es auf Dauer etwas bringt, steht auf einem anderen Blatt.

Grüße
Siboniwe

… und in dieser Schublade gibt es noch viele schöne Dinge auszugraben:

'- Horribly sorry, Massah, today train no have, because engine very very ill - but soon come, Massah, soon come!

klingt doch gleich viel schöner als

'- (…) ist heute auf unbestimmte Zeit verspätet. Grund dafür ist ein technischer Defekt. Thank you for choosing Deutsche Bahn!’

In diesem Sinne

MM

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Hallo Dafy,

es ist aber ein bekanntes Phänomen - in allen Sprachen - dass Fremdwörter in der neuen Sprache semantisch begrenzt werden.

Die Engländer haben z.B. von uns nach dem 2. Weltkrieg das schöne Wort „Ersatz“ übernommen. Im Deutschen bedeutet Ersatz einfach etwas, das eine andere ersetzt. Im Englischen war es aber begrenzt auf Lebensmittel, was mit den minderwertigeren Lebensmitteln in den letzten Jahren des 2. Weltkriegs und den ersten Jahren danach zu tun hatte, also bei Ersatz coffee or Ersatz eggs (damit waren in Pulverform gebrachte Eier (vielleicht auch nur Eigelb?) gemeint. Inzwischen wird es gelegentlich für andere minderwertige Produkte, die ein anderes ersetzen sollen, gebraucht, im Gegensatz zu dem im Englischen neutralen „replacement“. Auch im Deutschen KANN Ersatz einen negativen Beigeschmack haben, muss es aber nicht, es erschließt sich aus dem Kontext.

Grüße
Siboniwe

Hallo Aprilfisch,

wieder etwas dazugelernt und das auf humorvolle Weise!

Danke dir! :+1:

Gruß

dafy

Hallo LouisMalle,

dass sich auch im Englischen eine so unheimlich praktische Art der Verunklimpfung der Sprache eingeschlichen hat, wusste ich nicht - so etwas haben wir im Englischunterricht in der Schule im vorigen Jahrtausend noch gar nicht wissen dürfen :smile:
Danke für die Erklärung!

Gruß

dafy

Hallo MM,

wobei die von dir zitierten Sätze Pidgin-Englisch sind, die als solche erkannt werden und zumindest im Vereinigten Königreich so kaum zu hören sind (eventuell von Neueinwanderern, die ihr Englisch in einer ehemaligen Kolonie gelernt haben).

Der zitierte Ausspruch „long time no see“ ist aber ein inzwischen weitverbreiter Ausspruch, der gegenüber der grammatikalisch korrekten Version „we haven’t seen each other in a long time“ in der Umgangssprache bevorzugt wird und von Menschen, die kein oder nur geringes grammatikalisches Wissen besitzen (mit anderen Worten: ein großer Prozentsatz) als richtiges Englisch empfunden wird. Idiomatisch ist es sowieso.

Grüße
Siboniwe

Hallo,

Übrigens „Treibling“ statt Motor: die ganze Wahrheit ist der „Viertopf-Zerknalltreibling“! Und dann noch das eigenartig anmutende „Süßöl“, das ja kein Öl, sondern der Alkohol Glyzerin ist.

LG
Silberloewe99