Mystik und Philosophie

Mystik braucht Reife
Hi Iceage.

Sorry für die Verspätung.

moralisieren wollte ich nicht; allein schon, weil ich bin mir nicht mal sicher bin, ob in mir nicht auch oft der Skeptiker dominiert.

Mystiker zweifeln nicht am Mystischen. Dafür ist dieses zu – sagen wir mal – tiefgehend.

Du meinst, dass jemand mit mystischen Erfahrungen einfach (?) nach dieser Erfahrung handeln MUSS? Und das würde auch die Art und Weise bestimmen, nicht?

Das Problem ist, dass die unbekannten Mystiker unbekannt sind, d.h. keiner weiß, ob jeder faktische Mystiker auch darüber kommuniziert . Man weiß es nur von denen, die faktisch darüber kommunizieren. Bei denen aber scheint es den Drang zu geben, ihre Einsichten mitzuteilen. Soll heißen, sie tun es nicht aus Lust an der Konversation oder um sich wichtig zu machen.

Ich denke, dass es nur dann eine genuin mystische Erfahrung war, w e n n ihm das klar ist.

Ich glaube, dass man u.U. erstmal wissen lernen muss, was es ist:smile:

Das eine ist die Erfahrung, das andere der dazugehörige Begriff, wenn du das meinst.

Wenn man schon als Kind z.B. eine solche Erfahrung machte, aber die Umwelt solche Dinge banalisiert, negiert und in andere Bahnen zu lenken versucht, dann WEISS man es vielleicht nicht (gleich), selbst wenn man es spürt.

Kinder machen keine genuin mystischen Erfahrungen, das halte ich für ausgeschlossen. Mystik heißt: das formallogische Denken transzendieren im Hinblick auf die ursprüngliche Nichtverschiedenheit von Subjekt und Objekt. Das geht frühestens mit 17 oder 18.

Gruß

Horst

Hi,

Kinder machen keine genuin mystischen Erfahrungen, das halte
ich für ausgeschlossen.

http://sammelpunkt.philo.at:8080/3/1/sb/3_4.html

Insbesondere Punkt 3.4.3

Gruß
Powenz

Spiritualität steckt nicht in Molekülen
Hi Candide.

Willkürliches Beispielzitat: „The psychedelic experience is by nature private, sensual, spiritual, internal, introspective.“ in: Chemical Warfare - The Alcoholics vs. the Psychedelics, 1968 [Hervorhebung von mir)

„By nature“ besagt: die Erfahrung ist nicht „sozial konstruiert“. Sie resultiert aus der „wahren Natur“ des menschlichen Geistes, die universell und nonpersonal ist.

Ich lese dieses „by nature“ hier im Zusammenhang der Gegenüberstellung zweier Substanzengruppen als „kraft der Natur des LSD“.

Leary spricht von der Natur der „Erfahrung“ und nicht von der Natur des Mittels, das zu der Erfahrung verhilft. LSD hat keine „spirituelle Natur“ - wie soll das gehen? Es besteht doch nur aus Molekülketten. Es gibt massenweise Leute, die es nahmen und null spirituell geworden sind. Es braucht also mehr dazu als nur ein paar Moleküle.

Dass die Substanz solche Erfahrung sehr begünstigt, ist natürlich klar und war ja auch der Grund für die „Bewusstseinsrevolution“ in den 60s. Aber nichts spricht dafür, dieses Potential direkt in die Molekülketten der Substanz hineinzuverlegen, wie du es tust. Der chemische Kontext ist doch viel komplexer - was zählt, ist das Zusammenspiel der externen Substanz mit den körpereigenen Organen und Hormonen (und natürlich dem mentalen Substrat, also der Psyche, einem weiteren mitentscheidenden Faktor). Die Droge regt nur gewisse Prozesse an, die bei manchen Menschen auch ohne externe Auslöser ablaufen können (genetisch bedingt) oder durch andere Methoden ausgelöst werden.

http://www.eclipse-online.de/lsd.html

Zitat:

„Das CSTC-Schleifen-Modell geht davon aus, daß psychedelische Bewußtseinszustände auf einer veränderten Interpretation von inneren und äußeren Reizmustern beruhen. Es wird zunächst angenommen, daß LSD den körpereigenen Botenstoff Serotonin aufgrund der strukturellen Ähnlichkeit imitiert. LSD führt dadurch zu einer Aktivierung bestimmter Serotonin-rezeptoren (vor allem dem 5-HT2A Subrezeptor) auf Nervenzellen des Thalamus, des Stirnhirns und des Streifenhügels (Striatums).“

Zitat Ende.

Charakteristisch ist die Wirkung der Substanz auf den Thalamus. Der wiederum spielt in der fernöstlichen Chakralehre eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit dem Kronenchakra, der Schaltstelle für „mystische Energien“.

http://www.grundwissen-der-esoterik.de/gwe_anzeigen_…

Zitat:

„Die Achse Zirbeldrüse-Hirnanhangdrüse-Thalamus, die mit dem System des Stirn-Chakra verbunden ist, reguliert die im Bereich des Kronen-Chakra erzeugte Energie. Diese steht unter der Beobachtung von gewissen Nebenchakras oberhalb des Gaumens, die mit dem Hals-Chakra zusammenhängen. Sie wird zum Wurzel-Chakra hinuntergeschickt und während des Zeugungsvorganges ausgesondert. Orgasmuserfahrung, aus diesem Grund ist der sexuelle Orgasmus in der Kehle fühlbar.“

Zitat Ende.

Ich denke, diese Hinweise zeigen, dass Spiritualität im Umfeld des LSD wesentlich komplexere Kontexte hat als nur die molekulare Beschaffenheit des Lysergsäurediäthylamid.

Ja, Grof hat sich etwas zu sehr an Jungs Archetypenlehre angelehnt. Er sagt auch über Freud: „Freud said that we are born as a tabula rasa. This is a model that simply is too superficial and inadequate.“

Das habe ich von ihm in „Reals of the Human Uncouscious“ auch gelesen, und dabei schon damals im Geiste mit dem Kopf geschüttelt. Freud dachte zu keiner Zeit eine ‚tabula rasa‘.

Aber er brachte doch selbst den Begriff ins Spiel.

http://en.wikipedia.org/wiki/Tabula_rasa

„Tabula Rasa is also featured in Sigmund Freud’s psychoanalysis. Freud depicted personality traits as being formed by family dynamics (see Oedipus complex, etc.).“

http://www.wisegeek.com/in-philosophy-what-does-tabu…

„Freud in the later part of the 19th century readopts the idea of tabula rasa, suggesting that all human behavior stems from nurturance, and usually a set pattern of nurture behavior that results in things like the unresolved Oedipal complex. One of Freud’s main differences from the other important psychologist of his time, Carl Jung, is his idea of tabula rasa. To Carl Jung, people come into the world with a universal unconscious, a set of shared symbols and beliefs that exist both within and outside the person, no matter what culture he or she belongs to.“

Gruß

Horst

Lieber Horst!

Ich lese dieses „by nature“ hier im Zusammenhang der Gegenüberstellung zweier Substanzengruppen als „kraft der Natur des LSD“.

Leary spricht von der Natur der „Erfahrung“ und nicht von der
Natur des Mittels, das zu der Erfahrung verhilft. LSD hat
keine „spirituelle Natur“ - wie soll das gehen?

na gut, „kraft der Natur der LSD-induzierten-Erfahrung“, elliptischer formuliert: „kraft der Natur des LSD“.

-> dennoch bezieht sich dieses „by nature“ auf die chemische Substanz und ihre Wirkungen auf das Bewusstsein, nicht auf die Natur des menschlichen Geistes, wie du das interpretiertest.

Es besteht
doch nur aus Molekülketten. Es gibt massenweise Leute, die es
nahmen und null spirituell geworden sind.

Das weiß ich - auch aus eigener Erfahrung, weil ich niemals auch nur den Hauch einer spirituellen Erfahrung gehabt hatte.
Ich dachte, unsere Diskussion ginge um das, was Leary zu einer bestimmten Zeit behauptet hat, und für mein Empfinden ist er da alles anderes als so eindeutig gewesen wie du hier.

Die
Droge regt nur gewisse Prozesse an, die bei manchen Menschen
auch ohne externe Auslöser ablaufen können (genetisch bedingt)
oder durch andere Methoden ausgelöst werden.

Glaub ich nicht, ich verzichte auf dieser 15. Re-Ebene aber auf ausführlichen Einwand, daher nur andeutungsweise:
Jedenfalls finde ich die frühe (und später allgemein verworfene) These „LSD als Modellpsychose“ falsch - und die würde in genau deinem Sinn argumentieren.
Ich glaube, dass die Halluzinogene eine eigene „Kraft“ haben und nicht nur etwas anregen, das auch ohne sie ablaufen könnte (z.B. die Schizophrenie).

Das habe ich von ihm in „Realms of the Human Unconscious“ auch gelesen, und dabei schon damals im Geiste mit dem Kopf geschüttelt. Freud dachte zu keiner Zeit eine ‚tabula rasa‘.

Aber er brachte doch selbst den Begriff ins Spiel.

http://en.wikipedia.org/wiki/Tabula_rasa

„Tabula Rasa is also featured in Sigmund Freud’s
psychoanalysis. Freud depicted personality traits as being
formed by family dynamics (see Oedipus complex, etc.).“

stimmt schon, Freud hat viel gesagt und von allem das Gegenteil :wink:

Einer, der 1897 die Verführungstheorie (und nur hier könnte man wirklich eine ‚tabula rasa‘ denken) mit den Worten ablehnt, er wolle nun wieder zum Hereditären zurückkehren, einer der 1915 Werke wie „Totem und Tabu“ schreibt mit seinen ganzen ins kollektive Gedächtnis der Art eingebrannten Erinnerungen an Urhorden und Vatermorden usw., einer der 1917 die Nachträglichkeits-Problematik mit dem Hinweis auf angeborene Urphantasien abwürgt, dem nehme ich das mit der „tabula rasa“ (in dem Sinn des Wortes, in der es gewöhnlich gebraucht wird, z.B. im Empirismus) einfach nicht ab.

Freud verwendet m.E. den Begriff völlig falsch bzw. höchst idiosynkratisch, und Grof missversteht auch das noch. Für mich sind bestimmte Züge Freuds, z.B. eben die Urphantasien, gar nicht so weit weg von Jung. Aber man müsste das mal zu einer anderen Zeit diskutieren, wenn dich Freud interessiert.

_ ℂ Λ ℕ Ð I Ð € _

Leary und die Chakras
Hi Candide.

Leary spricht von der Natur der „Erfahrung“ und nicht von der Natur des Mittels, das zu der Erfahrung verhilft. LSD hat keine „spirituelle Natur“ - wie soll das gehen?

na gut, „kraft der Natur der LSD-induzierten-Erfahrung“, elliptischer formuliert: „kraft der Natur des LSD“.

Der Unterschied ist aber ganz erheblich.

Es gibt massenweise Leute, die es nahmen und null spirituell geworden sind.

Das weiß ich - auch aus eigener Erfahrung, weil ich niemals auch nur den Hauch einer spirituellen Erfahrung gehabt hatte.

Das ist mir schon klar :smile:. Ich kenne bzw. kannte viele, denen es ähnlich ging, und denen schleierhaft war, wovon ich redete, wenn es ums Mystische ging. Andere verstanden es aber aufgrund eigener Erfahrung sehr wohl. Unter meinen ca. 30 eigenen Experimenten waren drei oder vier , die ganz stark in die mystische Richtung gingen, ohne dass ich im geringsten mental darauf vorbereitet war im Sinne von bewusster Erwartung oder Ansteuerung des Mystischen (das erste Mal in Gegenwart des Sohnes eines guten Freundes von ausgerechnet Werner Heisenberg, da war ich 17). Ich war in dieser Zeit eher hedonistisch drauf, und dennoch kam es wiederholt und mit elementarer Gewalt dazu. Das passt in keine „Konstruktions-Theorie“ der mystischen Erfahrung. Mein mystisches Interesse ergab sich also erst nachträglich, gerade a u f g r u n d dieser Erlebnisse.

Ich dachte, unsere Diskussion ginge um das, was Leary zu einer bestimmten Zeit behauptet hat, und für mein Empfinden ist er da alles anderes als so eindeutig gewesen wie du hier.

Wo bin ich eindeutig? Ich versuche doch gerade zu differenzieren und auf bedingende Kontexte aufmerksam zu machen. Zu sagen, das Mystische liegt im LSD, das ist doch „eindeutig“, und damit genau das, was ich relativieren möchte. Leary war zudem immer ein Anhänger der Chakrenlehre und damit ganz klar ein Spiritualist über das Neuronale hinaus.

Hier der Zusammenhang von Chakras und Circuits bei Leary:

Chakra Energy Center
Circuit Consciousness State
Muladhara Root Survival

Circuit 1 Physical Biosurvival

Circuit 2 Emotional Emo-Territorial
Swadhisthana Sacral Unconscious Emotions Drives

Circuit 3 Conceptual Semantic
Manipura Solar Plexus Personal Power

Circuit 4 Civilized Socio-Sexual
Anahata Heart Love

Circuit 5 Neurosomatic Sensory
Vishuddha Throat Communication

Circuit 6 Neuroelectric Psychic
Ajna Third Eye Intuition

Circuit 7 Neurogenetic Mythic
Sahasrara Crown

Circuit 8 Neuroatomic Cosmic

Die Droge regt nur gewisse Prozesse an, die bei manchen Menschen auch ohne externe Auslöser ablaufen können (genetisch bedingt) oder durch andere Methoden ausgelöst werden.

Glaub ich nicht,

Grofs Holotropische Methode wäre ein Beispiel für eine andere Methode. Oder der Samadhi-Tank von John C. Lilly. Eine Bekannte von mir hat ihn mal für den deutschen „Cosmopolitan“ getestet (2 Mal) und darüber begeistert geschrieben. Die Dinger funktionieren wirklich. Ich selbst hatte mal ein drogenfreies mystisches Erlebnis (vergleichsweise moderat) aufgrund von Meditation, und das mitten in der Stadt …. Beispiele für angeborene Begabung: Plotin (4 spontane Erleuchtungen), William Blake. Der Maler Kandinsky hatte moderate synästhetische Fähigkeiten und schuf dadurch inspiriert die abstrakte Malerei.

Jedenfalls finde ich die frühe (und später allgemein verworfene) These „LSD als Modellpsychose“ falsch - und die würde in genau deinem Sinn argumentieren.

LSD kann bei ungeeigneten Usern aber definitiv Psychosen auslösen, was in der Regel nur kurzfristig anhält. Jeder Horrortrip ist eine temporäre Psychose. Wenn du auf einem Feld durch Hunderte sich windende Schlangen watest oder am Horizont Skelette siehst, die bis zu den Wolken empor ragen, dann hat das psychotische Aspekte, ohne Zweifel. Wobei ich hier nur die moderateren Varianten des möglichen Horrors schildere.

Ich glaube, dass die Halluzinogene eine eigene „Kraft“ haben und nicht nur etwas anregen, das auch ohne sie ablaufen könnte (z.B. die Schizophrenie).

Das halte ich für eine Mystifizierung des Chemischen (was sicher nicht deine Intention ist). Das, was zählt, ist der Geist, nicht das Materielle.

Gruß

Horst