Nach der LTW in Thüringen

Hallo!

Was wird am ehesten in Thüringen gesehehen? Linke-Minderheitsregierung mit fallweiser Tolerierung sämtlicher „bürgerlicher“ Parteien?
Geschäftsführende Regierung bis zur nächsten regulären Wahl?

Zweiter Punkt: Ist das eine historische Zäsur?

  • Die Flügelzange (wobei aus meiner Sicht eigentlich Grün und AfD die beiden entscheidenden Flügel sein) weit vor allen anderen. Eine kleine Weimar-Reminiszenz, wenn mans ganz hoch hängen wollte.
  • Die AfD m.W. bei allen Altersgruppen <60Jahre stärkste Partei

Gruß
F.

Nun, ich hörte vom CDU-Menschen, dass sie etwas für eine stabile Regierung tun wollen…
Nachtigall, ick hör’ dir trapsen…

Beatrix

Hallo,

Nein; eine Zäsur ist ein plötzlicher und deutlicher Einschnitt, eine Zeitenwende, verbunden mit bzw. ausgehend von einem (mehr oder weniger) singulären Ereignis.

Bei den Wahlen haben wir es mit einer Entwicklung zu tun, die zudem nicht stetig verläuft. Dies verhindert die allgemeine Erkenntnis, daß etwas hochdramatisches im Gange ist, eine grundsätzliche gesellschaftliche Veränderung, die vor etwa 25 Jahren eingesetzt hat. Es handelt sich dabei um eine sich entwickelnde Feindseligkeit gegenüber Institutionen, mit denen man zwar nicht immer einverstanden war, denen man auch kritisch gegenüber stehen konnte, denen man aber grundsätzlich vertraute: Partien, Medien, Politik, Behörden/Verwaltung (zumindest im Westen; im Osten verschärft sich das ganze noch, weil man vor der Wende nie einen Grund hatte, etwas zu glauben, was „von oben“ kommt).

Erfolg hat heute, wer genau diese Institutionen der Lüge, der Verschwörung, des Machtmißbrauchs usw. bezichtigt - ganz gleich, ob er dabei lügt oder nur Behauptungen aufstellt. Warum?

Ein Erklärungsansatz: weil die etwa ab 1990 Geborenen in einer Welt großgeworden sind, in der das Internet immer verfügbar ist, in der das Internet die primäre, wenn nicht sogar einzige Informationsquelle ist. Eine Informationsquelle, die nicht qualitätsgesichert ist wie Bücher, Zeitungen und Fernsehnachrichten (Ausnahmen gibt’s natürlich, bei beiden). Eine Generation, die viele Menschen beinhaltet, die nicht gelernt haben, falsches von richtigem zu unterscheiden bzw. die nicht über das Grundwissen verfügen, um das eine vom anderen unterscheiden zu können.

Eine Generation, die viele Menschen beinhaltet, die nie gelernt haben, richtig zu recherchieren, obwohl sie dafür die größten Möglichkeiten seit der Bibliothek von Alexandria haben. Eine Generation, deren Mitglieder kaum noch mit Menschen gesprochen haben, die den zweiten Weltkrieg miterlebt haben. Eine Generation, die den Kalten Krieg und den eisernen Vorhang nicht mehr miterlebt hat. Eine Generation, die nur Friede, Freude, Eierkuchen, offene Grenzen, eine europäische Währung und Vollbeschäftigung kennt, d.h. für die die größten Errungenschaften der letzten 70 Jahre Selbstverständlichkeiten sind, die sie sich weder erkämpfen mußten noch denen sie beim Wachsen zuschauen konnten. Eine Generation, die nicht weiß, wie sich eine echte Wirtschaftskrise, ein Kriegszustand, Armut, ein repressiver Staat usw. anfühlen und die kaum Gelegenheit hatte, darüber mit anderen Menschen, die das erlebt haben, zu sprechen.

Diese Generation trifft nun auf Politiker, für die Lüge, Verunglimpfung und Umkehrung der Beweispflicht ein tägliches Geschäft ist. Und sie haben es geschafft, den Leuten ernsthaft glauben zu machen, daß sie anders sind als die anderen, obwohl sie genauso aussehen, den gleichen Weg hinter sich haben, an den gleichen Tischen und auf den gleichen Stühlen sitzen usw.

Irgendwie faszinierend und gruselig zugleich.

Gruß
C.

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Tolerierungsvereinbarung gut möglich.
Koalition (Linke-CDU) mit Sicherheit komplett ausgeschlossen bis mind. zur kommenden BTW.

Gruß
F.

Das ist jetzt nur ein Seitenstrang, aber: das Internet ist halt auch das Medium, indem über Ereignisse so berichtet wird, wie sie einigermaßen tatsächlich geschehen sind, auch weil „von innen heraus“ berichtet werden kann.

Wer sich z.B. ein bisschen regelmäßig bei Großveranstaltungen bewegt (Demonstrationen, Fußballspiele usw.), der merkt wie die sog. „Qualitätsmedien“ Ereignisse, die man selbst als Augenzeuge beobachten konnte, regelmäßig komplett falsch oder stark verzerrt berichten, weil sie nur die Agenturmeldung oder den Polizeibericht abtippen und ein bisschen Kommentar draufstapeln.
Das ist jetzt keine grundsätzliche Medienkritik von mir.
Zumal übrigens das, was zu Beginn der Massenverbreitung des Fernsehens in den späten 60ern Jahren als emanzipatorisches Versprechen des Fernsehen diskutiert wurde erst jetzt und genau mit dem Internet eingelöst wurde: „Jeder Mensch ein Sender“, „Zum ersten Mal in der Geschichte machen die Medien die massenhafte Teilnahme an einem gesellschaftlichen und vergesellschafteten produktiven Prozess möglich, dessen praktische Mittel sich in der Hand der Massen selbst befinden“. (Enzensberger, Baukasten zu einer Theorie der Medien, 1970).
Gemeint ist die Berichterstattung durch Beteiligte selbst, mitten aus dem Geschehen, ungefiltert, pluralistisch, authentisch.

Klar hast du recht mit wem, was du über die „Generation Internet“ schreibst.
Ich glaube aber, dass das auf deren Eltern- und Großelterngeneration mutatis mutandis nicht weniger zutrifft.
Bei vielen hats da auch nur zu Fußball, Kulenkampff und Freitagabendkrimi gereicht.

Gruß
F.

Das ist die eine Seite, wobei eben nicht nur von den „normalen“ Medien falsch oder ungenau berichtet wird, sondern auch von Augenzeugen, die z.T. ihre Rolle als Augenzeugen mißbrauchen, um ihre Wahrheit als objektive Wahrheit zu verkaufen. Worauf ich mich primär bezog ist allerdings, daß das Foren, Kommentarfunktionen und soziale Medien ge- und mißbraucht werden, um Lügen und Ungenauigkeiten zu verbreiten und zwar gezielt zwecks Einflußnahme auf die öffentliche Meinung. Wer nicht gelernt hat (oder schon so weit ist, daß er anderen Quellen („Lügenpresse“) per se nicht mehr glaubt), sich bei objektiven Primärquellen zu informieren, um das anderweitig gelesene zumindest einer Überprüfiung zu unterziehen, kommt so leicht zu falschen Eindrücken.

Diese Art der Einflußnahme auf die öffentliche Meinung machen sich die extremeren Parteien/Politiker zunutze. Die Kommentare unter Artikeln der „normalen“ Medien strotzen nur so von politischer Stimmungsmache und Lügen, Verdrehungen und aus dem Zusammenhang gerissenen Informationsfetzen. Und damit beziehe ich mich nicht nur auf die Linke und die AfD, sondern auch auf Leute, die das Phänomen ebenso ausnutzen wie z.B. Trump und Johnson bzw. deren Anhänger.

Daß bspw. Trump praktisch durchgängig und nachgewiesenermaßen lügt, wenn er eine Nachricht verbreitet, wird von den echten Fans nicht wahrgenommen, wie bspw. bei Twitter erkennbar ist. So entsteht ein Mikrokosmos der alternativen Tatsachen, den manche nicht mehr verlassen bzw. nicht durchschauen, weil sie den normalen Medien („Lügenpresse“, „fake news media“…) nicht mehr glauben bzw. diese gar nicht mehr nutzen.

Dies betrifft übrigens nicht nur das Tagesgeschehen, sondern auch Themen wie Klimawandel, Umweltverschmutzung usw.

Wir haben es hier mit einer Generation zu tun, die die Fakten nicht nur nicht kennt, sondern auch gar nicht mehr zur Kenntnis nehmen kann, weil sie bewußt einen Bogen um die „normalen“ Medien macht.

Das führt letztlich dazu, daß jemand umso Gehör bekommt und Glaubwürdigkeit erlangt, je lauter, extremer und wiederholter er sich äußert und das sind nun einmal die extremen Ränder des Spektrums. Hinzu kommt, daß die Aufmerksamkeitsspanne rückläufig ist. Was schriftlich nicht in 160 Zeichen oder in einem Kommentar transportiert werden kann, existiert schlichtweg nicht. Die Art des Konsums von Inhalten befeuert dies. Zeitungsartikel, Nachrichtensendungen usw. werden nicht oder kaum konsumiert, weil die Informationsaufnahme zwischen Tür und Angel, an Haltestellen oder in der Bahn erfolgt.

Dabei wird übersehen bzw. gar nicht erst für möglich gehalten, daß sich manche Sachverhalte derart kurz nicht vollständig oder gar ausgewogen darstellen lassen. Das beschriebene Verhalten macht die Leute zudem empfänglicher für kurze, prägnante Botschaften, die zwangsläufig wesentliche Teile des Sachverhaltes nicht beinhalten können, und damit für Sender, die bewußt über kurze, einfache Texte manipulieren wollen. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema findet somit praktisch nicht statt, was Wasser auf die Mühlen derjenigen ist, die mit Parolen Politik machen und nicht mit ausgewogenen Lösungen für komplexe Probleme.

Gruß
C.

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Ich geb dir natürlich insgesamt, und eigentlich sogar in allem, recht.
Ich möchte nur anmerken, dass das Angesprochene heute zwar bis zur Kenntlichkeit gesteigert ist, aber nichts Neues ist.

Die mediale Realität war immer eine andere Realität als die Lebenswirklichkeit der Augenzeugen und Beteiligten (die „die Wirklichkeit“ natürlich auch nicht objektiv widergeben, keine Frage)

Dass wir heute über „alternative Fakten“ usw. sprechen, hat damit zu tun, dass wir heute tatsächlich mediale Alternativen haben. Mit allen Vor- und Nachteilen.

Und wenn sich die AfD als „Alternative“ versteht, dann hat sie zumindest insofern recht als sie ein politischer Arm der medialen Alternativen ist.

Aber da sind wir jetzt weit weg von Thüringen.

Gruß
F.

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Hallo,

für mich ist die Wahl in Thüringen sehr wohl eine Zäsur.
Wenn knapp ein Viertel der Wähler eine Partei wählen mit einem Frontmann Höcke, der unverhohlen mit Nazi-Sprech spielt, politischen Gegnern mit Gewalt, Vertreibung oder Mord droht und sich in einem Umfeld von Faschisten und Antisemiten tummelt, dann ist das für mich ein tiefer Einschnitt.
Konnte man sich als sog. „Wutbürger“ bei anderen AfD-Landesverbänden durch konsequentes Wegschauen bzw. Ignorieren noch selbst in die Tasche lügen, ist dies bei Höcke und seinem thüringischen Landesverband nicht möglich. Höcke ist kein Demokrat, sondern zumindest ein Propagandist und Wegbereiter von übler brauner Sosse. Und wer ihn gewählt hat, hat dies getan im vollen Bewußtsein dessen, wofür Höcke steht - Ausreden sind hier nicht möglich.

Fast ein Viertel der Wähler in Thüringen hat antidemokratisch gewählt - da beisst die Maus keinen Faden ab.

Alberca

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Dann will ich das anders formulieren: Thüringen hat mit den niedrigsten Ausländeranteil in Deutschland und die Arbeitslosenquote in Deutschland nur in Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen und Schleswig-Holstein niedriger. Die Zahl der Privatinsolvenzen je 100.000 Einwohner ist in Thüringen die drittniedrigste in Deutschland.

Es gibt also keinen Grund, in Thüringen besonders ausländerfeindlich oder abgehängt zu sein oder sich so zu fühlen. Es gibt auch keine Korrelation zwischen Größe der Gemeinde und Anteil der Stimmen für die AfD (weder bei den Landes- (Korrelation -0,08) noch bei den Wahlkreisstimmen (-0,04)), wenn man unterstellen wollte, daß in kleineren und damit meist wirtschaftlich schwächeren Gemeinden die Leute weniger wohlhabend und damit abgehängter sind. Und die Schulen scheinen in Thüringen auch nicht unbedingt schlechter zu sein als im Rest Deutschlands; schließlich liegt Thüringen bei der INSM-Studie auf dem dritten Platz. Auch bei der Altersstruktur ist Thüringen unauffällig.

Warum also wählte dort fast ein Viertel (Landesstimmen) der Wähler AfD (Landesstimmen)? Oder allgemeiner: wieso ist die Zahl der offenen Haftbefehle gegen Rechtsextreme (pro 100.000 Einwohner) nur noch in Berlin höher als in Thüringen?

Ob es vielleicht doch an der Rhetorik der AfD-Granden liegt, die aufgrund ihrer Qualität bei den Thüringern besser verfängt? Und da sind wir dann wieder bei meinem Punkt: es ist ein gesellschaftlicher Umbruch im Gange und wie der ausgeht, liegt nicht nur an den Wählern, sondern auch an denjenigen, die sie zu beeinflussen suchen. Wenn der richtige Rattenfänger kommt, sieht es vielleicht nur in Thüringen so aus wie in Thüringen. 1932 erreichte die NSDAP übrigens gerade mal 33% der Stimmen, die KPD 20,%. Nett, wie sich die Zahlen gleichen, oder?

Gruß
C.

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Die Wahl in Thüringen für sich alleine betrachtet nicht. Über die letzten Jahre jedoch betrachtet, findet in D eine demokratische, politische und Ost-West-Zäsur statt.

beantworte ich mit einem klaren Ja anstelle Nein. Die Zäsur fand 2015 statt, und seither hat sich eine AFD in allen Landtagen etabliert. Hat sich eine stabile politische Landschaft in D drastisch verändert. Und die stets propagierte deutsche Einheit erweist sich anhand von Wahlen zunehmend als oberflächlich und nicht existent.

Die demokratische Zäsur

Imho bewerten Wähler die Leistungen und Erwartungen der politischen Präsenz. Gestern habe ich dieses „demokratische Mitte“ gefühlt tausendmal gehört. Imho bedeutet demokratische Mitte das, was die Wähler wählen. Mehrheiten. Ob das nun wie in Thüringen links und rechts sind, es sind Mehrheiten. Dort ist die demokratische Mitte, nirgend anderswo.

Die politische Zäsur

präsentiert sich hochaktuell in

  • am ersten Tag nach der Wahl in der innerparteilichen Uneinigkeit einer CDU zum Thema Koalition mit der Linken und Wahlversprechenbrechen
  • der monatelangen Suche einer SPD nach Führung (selbstverständlich Doppelspitze, ist ja niemand da, der sich was zutraut, Gabriel wechselt zur Autolobby wie Gerhard seinerzeit zu Gasprom) ohne Ergebnis
  • Äußerungen einer in Thüringen regierenden Baerböck gestern nach der Wahl, dass kein Zugriff auf strukturschwache Gebiete wie Thüringen sei (Hallo???)
  • Außenpolitik einer eh schon notgedrungen akzeptierten GroKo: Maas, AKK, Türkei
  • der bequemen verfassungsbedingten Comfort-Zone eines Ramelow

Die Ost-West-Zäsur

Gestern hat Baerböck ihre „Niederlage“ u.a. auch mit Rassismus, Rassist, und Wähler benannt. Pauschale Schuldzuweisung [persönliche Anmerkung/Wertung erspare ich mir für dieses NoGo] für den Misserfolg anstelle Reflektion. Ähnlich ist das Fazit fast ausschließlich aller Parteien der selbsternannten Mitte. Mit Ausnahme von Mike Mohring: Auch wenn ich nicht weiß, ob er nur die Macht sucht oder tatsächlich den Kontakt zu den Bürgern, für ein Thüringen. Aber der Ost-West-Konflikt hat mit Thüringen nach den beiden anderen Wahlen in seiner Präsenz nochmals deutlich zugelegt. Gerade, weil Höcke gewonnen hat.

Die deutsche Politik instabilisiert sich selbst. Das geht an den Wählern nicht vorbei. Wohin das führen mag, wissen wir nicht. Ich vermerke für mir, dass

  • die Ursachen für die aktuelle politische Entwicklung nicht bei den Bürgern zu suchen und festzumachen sind, sondern in der Politik
  • es sich im Gegensatz zu seinerzeit um rein innenpolitisch ausgerichtete Angelegenheiten handelt, also Abwehr gegen außen anstelle Angriff nach außen
  • ein potentieller Führungs- und Verantwortungsmangel seit Jahren besteht
  • und eine Sehnsucht nach Stabilität und Sicherheit

awM

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Weil Berlin ein Failed-State ist. Da ist alles, was suboptimal läuft, noch suboptimaler als im Rest der Republik. Natürlich toppen sie locker Thüringen. Deswegen haben sie den BER, den Görlitzer Park, irgendwelche absolut bizarren Mietrechtsgesetzgebungen und neuerdings AKK.

AKK sollten sie möglichst wieder nach Saarland abschieben, das würde möglicherweise einige Probleme abmildern, denn dem Vernehmen nach wurde die im Saarland überhaupt nicht verfolgt. Warum die nun im Flüchtlingsheim Bendlerblock auf Staatskosten lebt, erschließt sich mir nicht.

:slight_smile:

Das muss Gründe und Ursachen haben.
Möchtest du sie benennen?

awM

Weil Berlin die Hauptstadt der BRD ist?

SCNR

awM

Du, als Wirtschaftswissenschaftler, solltest doch eigentlich wissen, dass Konsum- oder Wahlverhalten oder sonstiges Verhalten nur streng reduziert statistisch gesichert darstellbar und daher nur bedingt realsnah sind. Ich würde aus dieser Sicht keine gesicherten, schon gar nicht politische Schlüsse ziehen. Rationalitäten begegnet man nicht mit

Da hast du im Ansatz schon verloren.

awM

Bestimmte Dinge haben in Thüringen eben Tradition, immrhin war dort die erste Landesregierung unter Beteiligung der NSDAP zustandegekommen…

So sehe ich das auch.

Nicht fast ein Viertel.
Über die Hälfte hat „antidemokratisch“ gewählt.

Gruß
F.

Das muss man wohl so sehen.
(Eingeschränkter aber: Der Niedergang der Volksparteien hat nicht viel mit 2015 zu tun. Der Aufstieg des Populismus hat nichts mit 2015 zu tun, sondern ist ein globales Phänomen. Und gut möglich, dass sich eine Rechtsaußenpartei in D irgendwann auch ohne 2015 etabliert hätte. In den Nachbarländern ist das ja auch der Fall)

Da ist ganz erstaunlich.
Nach 30 Jahren, und obwohl die objektiven Faktoren (die C. oben schon angeführt hat) wie Wirtschaftsdaten usw. längst nicht mehr diesen trennschaften Ost-West-Gegensatz aufzeigen.

Da versteht du das Wort „demokratisch“ schlicht völlig anders als z.B. ich.
Für mich ist „Demokratie“ ein Inhalt und nicht die bloße Form, die auf Mehrheiten und Wahlen bezogen ist.

Darin stimme ich dir aber wieder zu.
Diese oberflächlichen Erklärungssprechblasen inklusive Wählerbeschimpfung und hohlen „wir sind die Mitte“-Getue von Seiten der SPD+Grünen, abgeschwächter auch der CDU und Linken finde ich seit Jahren idiotisch.
Deutschland hat sich seine „Alternative“ schon redlich verdient.

Gruß
F.

Naja, was willst du da großartig reflektieren, wenn die Leute einen Faschisten wählen?

Der Unterschied zwischen Analyse und Meinung ist, daß das eine fundiert und neutral ist und das andere subjektiv und im schlimmsten Fall einseitig und von Voreingenommenheit geprägt. Du kannst ja mal überlegen, in welche Abteilung Dein Beitrag gehört.

Im übrigen: die Ost-West-Debatte wird nicht in der Bevölkerung geführt, sondern von den extremen Rändern der politischen Landschaft ohne Not angeheizt. Ein schönes Beispiel dafür konnte man neulich im ZDF-Morgenmagazin beobachten, als nämlich Ramelow in alter Manier die Benachteiligung des Ostens durch die westdeutsche Politik und Wirtschaft beschwor, bis eine Einheimische ihn bat, das doch einfach mal zu lassen, weil nämlich in der Bevölkerung unter 60 die Ost-West-Schemata gar keine Rolle mehr spielten. Nun ist die Frau natürlich genauso wenig repräsentativ wie Ramelow, aber so richtig interessant wird die Aussage, wenn man sich mal mit den Tatsachen, insbesondere in Thüringen, beschäftigt. Dann erkennt man nämlich, daß es sich für das von links und rechts ewig wiederholte Gefühl des „abgehängt seins“ gar keinen Grund gibt.

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund, daß die AfD in allen Altersgruppen unter 60, d.h. bei arm und reich, bei mittelalt und jung usw., die meisten Wähler hatte. Es kann also unmöglich daran liegen, daß nur die tatsächlich Abgehängten die AfD gewählt haben oder nur diejenigen, die ihren Arbeitsplatz an einen der kaum vorhandenen Ausländer verloren haben. Des weiteren gibt es abgehängte auch im Westen (und zwar absolut und relativ gesehen mehr davon als im Osten) und wenn man ein Problem mit Ausländern hat, ist man im Westen häufiger mit diesem Problem konfrontiert.

Bleibt die Frage, woher der Erfolg der AfD im Osten kommt und da kann ich nur auf meine bisherigen Artikel verweisen: Rattenfänger Höcke trifft auf eine Bevölkerungsgruppe, die weder die östliche noch die deutsche Diktatur erlebt hat und mit der neuen Art der Kommunikation überfordert ist und daher für die Propaganda insbesondere der Rechten empfänglich ist.

Und zuletzt: was meinste wohl, warum die AfD aus gerechnet bei den Menschen über 60 nicht die stärkste, sondern nur die drittstärkste Partei war? Sind die weniger abgehängt, haben die weniger unter der Wende gelitten, bekommen die höhere Löhne oder gar eine höhere Rente als die Jüngeren oder die im Westen?

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Vor allem haben sich die großen Volksparteien diese redlich verdient. Die SPD sucht seit 2005 ihr Heil in der Flucht nach links, obwohl da die Linke sitzt und das wird auch so bleiben, solange das kollektive Gedächtnis der linken SPD-Wähler noch bis 2000 zurückreicht. Außerdem versteht die SPD-Führung nicht, daß es den geknechteten und entrechteten Arbeiter praktisch nicht mehr gibt und alle, die ein Einkommen ohne Gegenleistung wollen, sind inzwischen bei der Linken und bei der AfD.

Die Union unter Merkel driftet ebenfalls seit rd. 15 Jahren nach links und grün, aber da sitzen nun einmal die Linke und die Grünen, die diese Themenbereiche nun einmal qua Parteiprogramm und Historie wesentlich besser abdecken.

Beiden Parteien stünde es besser zu Gesicht, wenn sie sich dahin besännen, wo sie ihre Klientel eigentlich haben: bei den Leuten, die das Geld für die Party verdienen, die insbesondere die Linken feiern wollen. Die SPD ein bißchen weiter links als die CDU, aber am Ende teilen sich die beide eine Wählergruppe.

Durch dieses Rücken nach links ist rechts Raum frei geworden. Den hätte eigentlich die FDP besetzen können, die ja bei der Wahl 2009 knapp 15% genau aus diesem Grund erzielte und damit nicht weit von dem von Möllemann entwickelten Ziel 18% entfernt war. Blöderweise hat man sich bei den Koalitionsverhandlungen von der CDU so unfaßbar blöd über den Tisch ziehen lassen, daß das selbst die meisten der treuesten FDP-Wähler bis zur nächsten Wahl nicht vergessen hatten. Damit war der Raum frei für die AfD, die folgerichtig 2013 schon knapp 5% erzielte. Der Rest der Stimmen, die FDP verlor, konnte die CDU einsacken. Das war aber ein einmaliger Effekt, auf dem sich vor allem die CDU ausruhte.

Dank AKK ist nun die CDU zumindest auf Bundesebene praktisch unwählbar geworden und die SPD bleibt es wohl, weil sie die Zeichen der Zeit nicht verstanden hat. Bleibt also noch mehr Raum für die Parteien am Rand des Spektrums. Da die Linke vor allem Geld verteilen will, das in der Mitte und Rechts verdient wird, stehen 35-40% (10% unverbesserliche SPD-Wähler, 20% unverbesserliche CDU-Wähler, 25% Linke, 5% sonstige = Rest 35-40%) der Wähler vor der Frage, ob sie AfD oder FDP wählen sollen. Übrigens: das Wählerpotential für die FDP wurde in einer Studie vor rd. 20 Jahren mit rd. 30% ermittelt, woraus auch zum Teil das Möllemann’sche Strategieprojekt 18% entsprang, das von Westerwelle a) mißverstanden und b) völlig vermasselt wurde.

Die Zahl ist heute richtiger als jemals zuvor, weil die CDU die Mitte und die rechte Seite des Spektrums vollkommen vernächlässigt und nun auch die CSU mit Seehofer den rechten Rand bröckeln läßt.

Anders formuliert: die Zukunft Deutschlands wird bei der nächsten BT-Wahl zwischen AfD und FDP entschieden, sofern sich bei den früheren Volksparteien nicht fundamental etwas ändert.

Wie ich an anderer Stelle schon schrieb: die Machtverhältnisse waren 32 ähnlich: links und rechts verfügten zusammen über die Mehrheit, konnten sich aber naturgemäß nicht auf eine Regierung einigen. Es bliebt die Minderheitsregierung der stärksten Fraktion (in dem Fall NSDAP), es folgte rechter Terror, eine unfreie Wahl und am Ende das größte Elend der Menschheitsgeschichte. Die Vorgeschichte dazu gleicht der jüngsten Entwicklung wie ein Ei dem anderen; für ein Gelingen der Rezeptur fehlt nur noch eine zünftige Wirtschaftskrise und was das angeht, sind wir ja auch schon auf dem besten Wege.

Gruß
C.

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