Neues Bedürfnis nach Spiritualität?

Hallo!

Gerade hat die Trauerfeier für Robert Enke angefangen und angesichts dieses Medienspektakels frage ich mich - woher kommt dieses übertriebene Trauern, das sich im Moment in unserer Gesellschaft zeigt?
Nicht dass ich das irgendwie herabwürdigen möchte. Fußball interessiert mich zwar nicht übermäßig und der Name Robert Enke hat mir bis Mittwoch noch überhaupt nichts gesagt, aber nach allem, was man hört, war das ja wirklich ein toller Mann mit einem schlimmen Schicksal und was da geschehen ist, ist schrecklich.
Trotzdem finde ich es auffällig, dass Trauer im Moment so extrem zelebriert wird. Ein erstes Beispiel war der Tod Michael Jacksons und nun ein zweites Mal dieser Massenwahn. Was ist da los? Warum sind tote Stars im Moment so anziehend?
Was denkt ihr? Ist das angesichts der sehr weltlichen Wirtschaftskrise ein neues Bedürfnis nach Spiritualität, das sich im Tod am ehesten erfahren lässt? Das Ganze erinnert ja schon fast an eine Art von neuem Totenkult.

Ich bin gespannt auf eure Antworten und Ansichten.

Gruß
Kathrin

Hi

Ich finde das hat weniger mit Religion als mit Medienpolitik zu tun, auch wenn Robert Enke momentan wie der Papst behandelt wird.

Gestern ist Klaus Steilmann gestorben, der Mann war vom gesellschaftlichen Impakt her sicherlich wichtiger als Herr Enke, hat man davon was gehört? Nö. In einem Nebensatz weg.

Enke wird von den Medien missbraucht und was seiner Familie angetan wird ist eine riesige Schweinerei. Alles wird gesendet, jeder Scheiß, Trauerfeier, Sondersendungen, Bilderhaischerei.

Das ging soweit, dass sogar der Abtransport seiner Leiche gezeigt wurde und wie seine *uninformierte* Frau ankommt und in Panik ausbricht, als sie erfährt, dass er nicht mehr zu retten ist.

In Vollton.

Mit Untertiteln.

Unverpixelt (auf Pro7).

Das ist nicht spirituell, das ist Barbarei.

Mehr dazu kann hier nachgelesen werden:
http://www.stefan-niggemeier.de/blog/lebt-er-noch/
und zur gesamten Berichterstattung:
http://www.stefan-niggemeier.de/blog/

Jackson ist ein Sonderfall, er wird von einigen genauso zum modernen Mythos (auch wenn dies eine Fehlverwendung des Wortes ist) gezählt wie Marilyn Monroe oder James Dean.
Er ist nur viel älter geworden und hat so mehr Fans angezogen, die Hysterisch werden.

Ward mal ab, wenn die Stunde für ein Mitglied von Tokio Hotel schlägt, irgendwann… das wird bestimmt genauso.

lg
Kate

Aber ich denke, dieser Medienrummel funktioniert ja nur, weil die Menschen es mitmachen. Das Fernsehen befriedigen ein aktuelles Bedürfnis. Mit einem Mal strömen die Leute, die vermutlich größtenteils mit Religion nichts am Hute haben, in die Kirche, um Frau Käßmann höchst persönlich zu lauschen; der Trauerzug muss vergrößert werden, weil der ursprüngliche Startplatz zu klein ist für die Masse an Leuten. Ständig hört man in Gesprächen irgendwas von „Ergriffenheit“ und „Fassungslosigkeit“. Ich denke schon, dass auf den Tod im Moment extremer reagiert wird als sonst. Oder meinst du nicht?
Die Berichterstattung auf Pro7 hab ich überhaupt nicht gesehen. Pervers! Du hast schon recht damit, dass die Medien das ziemlich aufkochen. Hab heute morgen verzweifelt versucht, eine Sendung zu finden, die sich nicht an diesem Thema aufreibt. Mir tut die arme Frau ja auch leid, aber es hilft ihr nichts, wenn so ein Wirbel gemacht und ihre Trauer vermarktet wird.

Hi,

so neu ist das alles nicht. Man erinnere sich nur an Lady Di oder Johannes Paul…

LG

Chris

Hallo Kathrin,

wahrscheinlich wird in all diesen Fällen stellvertretend etwas betrauert,was wir innerlich verloren haben,oder verloren zu haben glauben.
Was das so genau ist,wissen wir wohl selbst(noch)nicht.

viele Grüsse
Heidi

Moin,

Ist das angesichts der sehr weltlichen
Wirtschaftskrise ein neues Bedürfnis nach Spiritualität,

naja, wenn das Spiritualität ist, dann kann die mir gestohlen bleiben.
Das ist mehr als peinliche Ausnutzung der Leidensgeschichte eines Menschen und jetzt der Angehörigen.

Peinlich bis Abstoßend!

Gandalf

Es sind einfach nur 2 Stars gestorben und es ist Herbst. Das ist der einzigste Grund für das Massenheulen, dass gerade statt findet.
Es sterben jährlich 10.000Menschen an Selbstmord. Das sind ca. 25 Menschen pro Tag, also eine mittlere Schulklasse, die verschwindet. Denen trauern nur die Familien und Beekannten. Doch der Welt ist das egal.
Nur weil Böld, BäRTL etc. das noch so publizieren und emotional verkaufen, „leidet“ das Volk mit.

Manchmal versteht man die Welt einfach nicht…

Als der Papst Tod war, habe ich keine amerikanische Außenreporterin weinen gehört(siehe Tod v. Michael Jackson).
Es hat auch keiner an den Tod von Paul gedacht, als der neue gewählt wurde. Jeder hat sich eher die Frage gestellt, ist der Rauch weiss oder schwarz…

Hi

Jo, Amerikanische Außenreporter sind auch der Maßstab aller Dinge weil die USA ja SO unglaublich KATHOLISCH sind.
(Kleiner Tipp: Katholiken haben es in den USA echt schwer, es gibt katholikenfeindliche Gegenden, der großteil ist Protestantisch und schert sich einen Dreck um den Papst).
Nebenbei war Jackson Amerikaner. Heulende deutsche Außenreporter hab ich da auch nicht gesehen.

Und als der Papst starb konnte man sich stundenlang nicht davor retten. Der einzige Lichtblick war ProPietätslosigkeit 7 mit dem Film „Stirb langsam“, alle anderen hatten nonstop Uninformationssendungen geschaltet.

Der Vorteil ist, dass es halt einen Nachfolger gibt, auf den man sich „freuen kann“.
War doch früher nicht anders: Der König ist tot, lang lebe der König!

Bei Popstars geht das nicht, weg is weg.

lg
Kate

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Hallo,

Gerade hat die Trauerfeier für Robert Enke angefangen und
angesichts dieses Medienspektakels …

Leider hab ichs nicht gesehen.
Von wem wurde es denn präsentiert?
Was gab es denn an spannenden Film-Trailern für diese Woche?
Und welche interessanten Produkte wurden denn so in den Werbepausen vorgestellt?

Ich denke schon das das alles sehr spirituell ist.
Ahnen- und Totenkult ist eine uralte spirituelle Tradition.
Und wenn man mal so die Toten zählt - gespielt oder echt - die uns jeden Tag in den Medien präsentiert werden, dann sehe ich hier ganz klar eine Fortsetzung dieser spirituellen Sphären.

Und in diesem speziellen Fall ist die kollektive Trauer selbstverständlich mehr als sonst angebracht:
Ein Torwart ist von uns gegangen!

Der Ministerpräsident hat gesprochen.
Peinlich nur, das weder Kanzlerin noch Bundespräsident anwesend waren.

K.

Heile Heidi

ich muß schon dazu sagen. Im Sportbrett wird das derzeit nicht erörtert.
Hier zeigte robert auf, wie unmenschlich es beim Leistungssport zugeht.
Lahm und Toni erlaubten sich den Mund zu öffnen, gleich wurden sie zu hohen (50.000 €) Strafen verurteilt. Jetzt wird Robert als senibler Mensch hingestellt. Wieviel muß man eigentlich einstecken können?

liebe Grüße

peter s

Symbolfigur Enke
Hi Kassandra.

Gerade hat die Trauerfeier für Robert Enke angefangen und
angesichts dieses Medienspektakels frage ich mich - woher
kommt dieses übertriebene Trauern, das sich im Moment in
unserer Gesellschaft zeigt?

Ich möchte hier gegen den Strom der bisherigen Meinungen schwimmen und versuchen, den eigentlichen Sinn des „Spektakels“ herauszufiltern. Den aktuellen Enke-Kult zu kritisieren, ist offensichtlich so selbstverständlich und weitverbreitet, dass diese kritische Einigkeit selbst schon verdächtig ist - mir jedenfalls.

Die Faktoren, die das Spektakel motivieren, sind so vielschichtig, dass es oberflächlich wäre, würde man nur den Aspekt des Medienrummels und der damit verbundenen Geschäftemacherei in den Vordergrund stellen. Mindestens genauso wichtig ist der symbolische Stellvertreter-Aspekt, auf den auch „tumiart“ unten schon hinwies. Dieser Aspekt nämlich spielt hier die Hauptrolle - denke ich -, und für diese Rolle ist bzw. war Robert Enke absolut ideal geeignet.

Fußball ist Showbusiness, und deswegen gehört Enke in die Kategorie der Showstars, nicht anders als Musiker oder Schauspieler usw. Das darf man hier nicht vergessen. Enke war nicht „nur“ Sportler, er war - als Sportler - ein Showstar. Showstars aber führen in hohem Maße ein symbolisches Dasein, indem sie Projektionsflächen darstellen, in denen die anonyme Masse ihre eigenen Wünsche, Phantasien und Konflikte wiedererkennen können.

Diese symbolische Effekt macht mindestens die Hälfte des Reizes aus, den der Fußball heute im öffentlichen Bewusstsein hat. Liefen nur anonyme Gestalten auf dem Spielfeld herum, wäre die Fußballbegeisterung längst nicht so überschäumend, wie sie nun einmal ist. Erst die persönlichen Details machen die Spieler zu identifikatonsfähigen „Helden“, d.h. zu Menschen, die unter Einsatz ihrer Gesundheit ein bestimmtes (von einer Identifikationsgruppe = Fans gewünschtes) Ziel zu erreichen versuchen.

In ihren Konflikten kann sich jeder wiedererkennen, d.h. Konflikten mit dem Chef (Trainer), mit den Kollegen (andere Spieler), mit beruflichen Situationen (Stammplatz, Transfers usw.) und eigenen Leistungsschwankungen („Formkrisen“).

Die Fußball-Show-Welt ist also eine virtuelle Bühne des „wahren“ Lebens, reduziert auf das Wesentliche (= Stilisierung). Zugleich ist sie absolut real (Spieler verdienen viel Geld und können sich ernsthaft verletzen).

Enkes Tod hat ein Loch in diese Idealität gerissen, denn er ist eigentlich unverständlich und ein großes Rätsel. Der Mann hatte eine tolle Frau, ein adoptiertes geliebtes Kind, viel Geld und großen Erfolg. Aber er war psychisch krank. So krank, dass er all jenes aufgab und auch nicht bedachte, mit seiner Aktion den Zugführer zu traumatisieren, der - wie es heißt - möglicherweise dauerhaft darunter leiden wird.

Enkes Fall zeigt deutlich den Abgrund hinter der Glitzerfassade des Showbiz Fußball. Damit symbolisiert er nichts anderes als den Abgrund, an dessen Rande wir alle - gleich ob anonym oder prominent - stehen.

Das Spektakel um Enke ist Ausdruck eines Versuchs, diesen Schock - mit dem viele sich symbolisch identifizieren - zu verarbeiten. Das Phänomen der Depression - das Enke in den Tod trieb - ist weitverbreitet und kann jetzt mit erhöhter Intensität diskutiert werden. Und das ist ein positiver Effekt.

Der Fall wird im öffentlichen Bewusstsein etwas auslösen, nämlich eine erhöhte Sensibilität für das Doppelbödige im Menschen, in uns selbst und in den anderen. Wer am Sonntag im DSF den „Doppelpass“ gesehen hat, weiß, wie feinfühlig und intelligent auch in den Medien mit diesem Fall umgegangen werden kann. Die Sendung - unter Leitung von Jörg Wontorra - war ein Highlight in Sachen „Synthese von Medienspektakel und sachlicher Analyse“.

Dass - wie ich oben sagte - Enke für diese symbolische Rolle ideal geeignet war, liegt vor allem an seiner relativen Unbekanntheit (so eignet er sich besser zur Identifikation als ein echter Star).

Übrigens waren sich die Experten im „Doppelpass“ darüber einig, dass Enke nicht in den Tod gegangen wäre, wäre er für das nächste Länderspiel nominiert worden. Damit bleibt die oberflächliche Kausalität bei Löw hängen, was man dem aber nicht vorwerfen kann, da keiner - auch nicht enge Freunde - das hätten vorhersehen können.

Ich sehe das Ganze also dialektisch. Vordergründig mag es heuchlerisch und geschäftemacherisch aussehen, der mittel- und langfristige Effekt aber könnte durchaus positiv sein.

Gruß

Horst

Hallo,

Die Faktoren, die das Spektakel motivieren, sind so
vielschichtig, dass es oberflächlich wäre, würde man nur den
Aspekt des Medienrummels und der damit verbundenen
Geschäftemacherei in den Vordergrund stellen.

ich sehe es ein bißchen anders …

ALLES was die Medien in die Aufmerksamkeit der Gesellschaft ziehen wird zu Gold.

Ob das die gefährlichen Ozonwerte sind - an die heute nur noch die Abzock-Placketten in einigen Städten erinnern, oder Knut dieser süsse kleine Teddybär aus Berlin.
Das Waldsterben - das bekannterweise 99% unserer deutschen Wälder dahingerafft hat oder die Vogelgrippe die damals 2/3 der Menschheit ausgerottete.
Nicht zu vergessen die aktuelle Todesgefahr Schweinegrippe - im Vergleich zu Alkoholtoten, Verkehrstoten und Opern der „normalen“ Grippe eine unglaubliche Katastrophe.

Mindestens
genauso wichtig ist der symbolische Stellvertreter-Aspekt, auf
den auch „tumiart“ unten schon hinwies. Dieser Aspekt nämlich
spielt hier die Hauptrolle - denke ich -, und für diese Rolle
ist bzw. war Robert Enke absolut ideal geeignet.

JEDER den die Medien kollektiv in das Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt hätten wäre für diese Rolle geeignet gewesen - jeder und jedes - selbst wenn er oder es, äh, oh - samma mal, frei erfunden wäre …

  • :o)

http://www.stefan-niggemeier.de/blog/das-geschaeft-m…

Grüße
K.

Zynisch oder beliebig?
Hi Klaus.

ALLES was die Medien in die Aufmerksamkeit der Gesellschaft
ziehen wird zu Gold.

„Alles“-Aussagen sind immer riskant. Sicher gibt es auch zahlreiche Flops, was du unterschlägst. Aber es geht hier eben gerade n i c h t (nur) ums Geld. Darauf versuchte ich hinzuweisen. Besagtes Spektakel ist ein Ganzes, an dem viele mitwirken, ohne dass ein Einzelner oder eine einzelne Gruppe das Privileg auf „Alleintäterschaft“ hat. Und dieses Ganze hat eine Dynamik, die oberhalb jeder individuellen Ebene liegt. Um diese Dynamik geht es mir. Dass man an Dynamiken Geld verdienen kann, ist nix Neues. Einzig auf diesen Punkt den Fokus zu richten, ist wenig originell und auch nicht sehr produktiv.

Der ursprüngliche Impuls ging übrigens von Fangruppen aus, die einen öffentlichen Umzug organisierten. Diese Gruppen waren „kultisch“ motiviert, nicht geschäftlich.

Ob das die gefährlichen Ozonwerte sind - an die heute nur noch
die Abzock-Placketten in einigen Städten erinnern, oder Knut
dieser süsse kleine Teddybär aus Berlin.

Sorry, aber Knut und Enke - das liegt um eine Million Lichtjahre auseinander, auch wenn sie über die gleichen Kanäle promoted werden. Wie kannst du sie ernsthaft miteinander vergleichen, ohne als Zyniker dazustehen?

Nicht zu vergessen die aktuelle Todesgefahr Schweinegrippe -
im Vergleich zu Alkoholtoten, Verkehrstoten und Opern der
„normalen“ Grippe eine unglaubliche Katastrophe.

Ich habe den Eindruck, du ziehst hier ziemlich wahllos Schlagzeilen bzw. Boulevardthemen heran, um deine Ansicht zu illustrieren.

Mindestens
genauso wichtig ist der symbolische Stellvertreter-Aspekt, auf
den auch „tumiart“ unten schon hinwies. Dieser Aspekt nämlich
spielt hier die Hauptrolle - denke ich -, und für diese Rolle
ist bzw. war Robert Enke absolut ideal geeignet.

JEDER den die Medien kollektiv in das Zentrum der
Aufmerksamkeit gerückt hätten wäre für diese Rolle geeignet
gewesen - jeder und jedes - selbst wenn er oder es, äh, oh -
samma mal, frei erfunden wäre …

Auch hier sehe ich wieder eine gewisse Beliebigkeit in deiner Argumentation. „Jeder“ ist eben n i c h t geeignet, eine symbolische Rolle zu spielen. Die Medienprofis wissen sehr genau, was sie tun. Du scheinst zu glauben, die würfeln einfach aus, wen sie ins Rampenlicht stellen. So ist es aber nicht.

Gruß

Horst

Hallo Kassandra!

Um einen Menschen zu trauern ist gerade in unserer heutigen Gesellschaft sehr wichtig, die nur aus Macht und Gier besteht und wo der Mensch und die Arbeitskraft immer mehr in den Hintergrund gedrängt wird, wo nur mehr die Leistung zählt.

Um einen Menschen trauern heißt immer, dass man den Menschen gemocht/geliebt hat. Der Mensch der von uns ging hat uns viel bedeutet. Egal ob die Ehefrau um ihrem Mann der verstorben ist trauert, oder eine Mutter um den verstorbenen Sohn weint oder jemand seinen besten Freund verloren hat. Egal jeder Tote war ein Mensch der geliebt, geschätzt und geachtet wurde. Und diese Achtung bringt man in der Trauer zum Ausdruck - das hat mit Spiritualität oder Religiösität nichts zu tun. Trauer ist sehr wichtig und man sollte sich nicht schämen seine Trauer offen zu zeigen.

Sie zeigt, dass ein Mensch ein Herz hat für den Mitmenschen, also etwas für ihn empfindet, ihm dieser nicht gleichgültig ist. Das macht den Trauernden, in unserer ach so coolen Gesellschaft, wo Gefühle geflissentlich vermieten werden soll, so wertvoll.

Liebe ist immer aktuell, egal in welcher Epoche wir leben. Die Trauer um den Fußballstar ist bestimmt echt. Bestimmt hat er viele Freunde gehabt. Auch bei Michael Jackson gab es bestimmt Menschen die ihn als Person sehr geschätzt haben, nicht nur wegen seines großen Erfolges.

liebe Grüsse

Petra Herbst

horst seins ist der beste beitrag hier für mich zu diesen thema und ich schließe mich den thesen von horst im kern an!

ich würde aber gern noch anfügen für die anderen, dass es am eigentlichen vorbei geht, die medien dabei im fokus zu haben.
das die medien eine einzige heuchellei sind, darüber dürften wir uns wohl alle einig sein.
ebenso dass die gängigen medien stets das „schlechtere“ forcieren und nicht das „bessere“- und sie für den zustand einer gessellschaft maßgeblich mitverantwortlich sind!
aber das steht hier nicht zur debatte.

zur debatte steht, warum sich soviel menschen über den tod eines anderen menschen betroffen fühlen, mit dem sie nicht das geringste am hut hattten!
und das hat horst zumindest für mich schon recht gut benannt.

ich selbst interessiere mich in maßen für fußball und mir war sogar der torwart und mensch „Enke“ recht symphatisch, durch das was ich in seinen interviews über ihn wahrnehmen durfte.
betroffen aber bin ich deshalb keinen deut mehr, als über die tausenden anderen die jahr für jahr in diesem land, den freitod wählen.

betroffen war ich, als sich vor 4 wochen eine von mir sehr geschätzte nachbarin das leben nahm.
sie und ihren mann schätzte ich in meiner nachbarschaft mit am meißten und das sie nun nicht mehr ist, stimmt mich sehr traurig…nicht weil sie nun tod ist (tod gehört zum leben in dieser welt), sondern weil ich einen liebgewonnenen menschen nun missen muß…mich ein weiteres stück „einsamer“ hier auf dieser welt fühle (und ebenso traurig stimmt es mich für ihren mann, der sie überalles geliebt hat und den ich auch lieb habe)…

wie kommt es aber, dass immer wieder zehntausende von menschen den tod eines anderen „bedauern“, mit dem sie nicht das geringste zu tun hatten und ihnen gleichzeitig der hungertod von täglich zehntausenden von kindern hier auf dieser welt so ziemlich am arsch vorbei geht!?

wie horst ja schon sagte, identifiziert sich der mensch gerne mit den „stars/helden“…doch das „komische“ daran ist, dass er sich dabei fast ausschließlich nur mit seinem „leid“ identifiziert!?
ich meine, wenn die medien über einen sehr glücklichen „herrn enke“ berichtet hätten (was medien ja sowieso nicht tun), so von wegen „enke im neuen glücksrausch durch geburt einer tochter“…dann wäre ganz sicher nicht das halbe land in einen „glücksrausch“ verfallen (ausnahmen bilden hier nur „wir sind weltmeister/papst“, welches die massen in die zumindest kurze illusion versetzt, doch „wer“ zu sein…)…(außnahmen sind natürlich auch menschen wie „ghandi“ oder „mutter theresa“, mit deren tod immer auch ein stück hoffnung auf eine bessere welt stirbt)

ich denke mal, dass sich derart viele menschen betroffen fühlen, über den tod des „star enke“ liegt zum einen daran, dass sie ohne „gefahr“
ein gefühl nach außen senden dürfen und durch das gleichzeitige „massengefühl“ so etwas wie eine tiefe verbundenheit zum anderen herstellen können (ich bin nicht allein auf dieser welt)- welches ihnen sonst ja völlig abhanden geht…

im zweiteren geht es wahrscheinlich noch darum, selbst bedauert zu werden- „warum bist du denn so traurig“…„na haste nicht gehört, enke hat sich das leben genommen, dass war so ein guter…“…„ach mensch du armer, lass dich in meine arme nehmen…“…
was aber vielleicht wieder auf das erstere hinausführen mag- verbundenheit (überwindung der einsamkeit)…

naja, und das dritte aber sicher der kleinste teil, sind sowas wie die
„gaffer“.
ihnen geht es nicht um sowas wie „verbundenheit“, da sie weder in traurigkeit oder sonst einer anteilnahme verfallen- sie wollen einfach nur dabei sein, wenn ein massenevent stattfindet oder kameras dabei sind.
ich habe einen nachbarn (den ich nicht so mag^^), der geht zu jeder beerdigung eines prominenten in der stadt- da sind ganz sicher andere beweggründe im spiel…

allerdings bin ich nicht der meinung, dass dies mit „spiritualität“ in bezug zu einem „totenkult“ zu tun hat, da totenkult was völlig anderes ist.
wenn „spiritualität“ im sinne von „sehnsucht nach verbundenheit“ zu sehen wäre, dann schon eher (aber wie gesagt, es müßte dann noch heraus gefunden werden, warum es dem menschen leichter fällt, dass leid seiner „helden“ zu teilen, aber nicht gleichermaßen ihr glück?)…

mit besten grüßen
mondrabe

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Der Enke-Kult - ein neuartiges Phänomen
Hi mondrabe.

das die medien eine einzige heuchellei sind, darüber dürften
wir uns wohl alle einig sein.

Ich möchte mich davon ausnehmen. Da ist viel Heuchelei, natürlich, aber nicht nur. Ich würde eher sagen, die Verteilung von Heuchelei und Authentizität ist in den Medien nicht anders als im „wahren“ Leben - was nicht unbedingt für dieses spricht, klar. Eine sehr weitgehende Heuchelei sehe ich dagegen im politischen Bereich - da ist Authentizität eher die Nadel im Heuhaufen. Seit Merkel im Amt ist, ist die Tagespolitik für mich gestorben.

zur debatte steht, warum sich soviel menschen über den tod
eines anderen menschen betroffen fühlen, mit dem sie nicht das
geringste am hut hatten!

Wobei die Anteilnahme ja nicht unbedingt etwas mit gefühlsmäßiger Betroffenheit zu tun hat - oft einfach nur mit Erstaunen und Neugier angesichts des Umstandes, dass ein Mensch auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn (bzw. kurz davor) sein Leben wegwirft. Dass er fußballerisch aktiv war, fördert natürlich die Anteilnahme, denn dieser Sport ist nun einmal in einzigartiger Weise attraktiv und identifikationsfördernd. Ich selbst „trauere“ in keinster Weise um Enke, ich mache ihm (posthum) eher Vorwürfe, dass er so unverantwortlich (sich selbst und anderen - d.h. seiner Familie - gegenüber) gehandelt hat. Aber er war krank - und genau diese Krankheit rückt jetzt (siehe auch neuen „Spiegel“) in das Zentrum der Aufmerksamkeit.

Was vielleicht sogar Menschenleben retten kann - während sich die Kritiker nur über die bösen Medien echauffieren.

Von seiner Struktur her ist der Enke-Kult etwas ziemlich Neues. Hier wird sozusagen Kulturgeschichte geschrieben - und wir sind hautnah dabei :smile: Erinnert das nicht an Van Gogh, der zu Lebzeiten unauffällig war, nach seinem Tod aber zum Superstar mutierte?

wie kommt es aber, dass immer wieder zehntausende von menschen
den tod eines anderen „bedauern“, mit dem sie nicht das
geringste zu tun hatten und ihnen gleichzeitig der hungertod
von täglich zehntausenden von kindern hier auf dieser welt so
ziemlich am arsch vorbei geht!?

Ist letzteres wirklich so? Ist nicht der Einzelne einfach nur hilflos angesichts des globalen Hungerproblems, so dass er dieses aus dem Bewusstsein zu verdrängen neigt, da es nichts oder wenig bringt, sich damit ständig zu befassen? Obwohl er, vom Potential her, durchaus Mitgefühl haben könnte? Wieso denn sterben so viele Kinder in den Krisengebieten? Weil die politischen Strukturen in diesen Regionen nichts taugen - das ist zumindest ein zentraler Grund, wenn auch nicht der einzige. Was also soll der Busfahrer oder die Kassiererin tun, um jenes Leid zu lindern? Mitfühlen? Das allein bringt doch nichts.

Der Fall Enke aber liegt auf einer ganz anderen Ebene. Das lässt sich mit dem Hungerproblem gar nicht vergleichen.

wie horst ja schon sagte, identifiziert sich der mensch gerne
mit den „stars/helden“…doch das „komische“ daran ist, dass er
sich dabei fast ausschließlich nur mit seinem „leid“
identifiziert!?

Auch mit seinem „Glück“ vermag sich das Publikum zu identifizieren. Das steht außer Zweifel, wie ein Blick in die entsprechende Berichterstattung zeigt. Über Stars werden viele positive (oder als solche empfundende) News kolportiert, vor allem natürlich betreff Heirat und Beziehungen.

Hier nur zwei Beispiele, die ich in wenigen Sekunden fand:

http://www.bild.de/BILD/unterhaltung/leute/2009/10/1…

http://www.bunte.de/newsline/david-duchovny-der-kamp…

allerdings bin ich nicht der meinung, dass dies mit
„spiritualität“ in bezug zu einem „totenkult“ zu tun hat, da
totenkult was völlig anderes ist.

In der Tat, mit Spiritualität hat das Ganze null zu tun - außer in einer ganz unbewussten Weise. Der Begriff der Spiritualität ist eindeutig definiert - die Welt wird als Geistiges begriffen, in dem es keine getrennten Entitäten gibt (fast hätte ich geschrieben: „Enkitäten“). Das hat mit dem Enke-Kult nicht wirklich etwas zu tun.

Gruß

Horst

mit verlaub werther horst von tran, in dieser antwort teile ich den großteil eurer ansichten nicht!

Da ist viel Heuchelei, natürlich, aber nicht nur. Ich würde eher sagen, :die Verteilung von Heuchelei und Authentizität ist in den Medien nicht :anders als im „wahren“ Leben…

das mag insoweit stimmen, dass es sich in den „massen“ nicht anders verhält, den medien aber eine größere verantwortung obliegt (für mich in diesen zeiten sogar mehr als gegenüber politikern).
Den druck auf Sportler beklagen sie nun und gleichzeitig haben sie ihn erst gemacht.
wie sie ebenso das gesellschaftsbild formen- der mann von heute, die frau von heute, hat so und so zu sein…wer erfolgreich sein will hat so und so zu sein…und erfolgreich ist, wer tolle häuser, schnelle autos, dicke titten hat und über den in den medien berichtet wird…
ich nehme in 99% der medien nicht wahr, dass „erfolg“ mit engament für seine nächsten viel wichtiger ist…das zum eigenen glück auch das glück anderer gehört…bescheidenheit, demut…all das propagieren medien nicht…
ich lese und sehe fast überall nur, dass wir „wettbewerbsfähig“, „konkurenzfähig“ sein müssen wenn wir „erfolg“ haben möchten- „besser“ sein als die anderen (was ein gegeneinander und nicht miteinander propagiert)…

Wobei die Anteilnahme ja nicht unbedingt etwas mit gefühlsmäßiger :Betroffenheit zu tun hat - oft einfach nur mit Erstaunen und Neugier :angesichts des Umstandes, dass ein Mensch auf dem Höhepunkt seiner :Laufbahn (bzw. kurz davor) sein Leben wegwirft.

das mag bei wenigen stimmen, aber für mich ganz sicher nicht bei der mehrheit in diesem fall…

Ich selbst „trauere“ in keinster Weise um Enke, ich mache ihm :frowning:posthum) eher Vorwürfe, dass er so unverantwortlich (sich selbst und :anderen - d.h. seiner Familie - gegenüber) gehandelt hat. Aber er war :krank - und genau diese Krankheit rückt jetzt (siehe auch neuen :„Spiegel“) in das Zentrum der Aufmerksamkeit.

hier widersprichst du dich ein wenig- einerseits gibst du zu das er „krank“ war und andererseits machst du ihm trotzdem vorwürfe, dass er so gehandelt hat (eben durch seine „krankheit“).
dabei lassen wir einmal beiseite (womit ich es bereist reingerückt habe^^), dass die frage dabei noch wäre, warum ein mensch nicht den freitod wählen darf (ob „krankheit“ oder nicht) nur weil er „familie“ hat?..aber das steht nicht zur debatte…

Von seiner Struktur her ist der Enke-Kult etwas ziemlich Neues. Hier :wird sozusagen Kulturgeschichte geschrieben - und wir sind hautnah :dabei :smile: Erinnert das nicht an Van Gogh, der zu Lebzeiten :unauffällig war, nach seinem Tod aber zum Superstar mutierte?

ich selbst find es nicht „neu“ und das thema „enke“ oder „depression“ ist in spätestens 3 wochen gänzlich begraben, bis wieder ein „sternchen“ den freitod wählt…

Ist letzteres wirklich so? Ist nicht der Einzelne einfach nur hilflos :angesichts des globalen Hungerproblems, so dass er dieses aus dem :Bewusstsein zu verdrängen neigt, da es nichts oder wenig bringt, sich :damit ständig zu befassen? Obwohl er, vom Potential her, durchaus :Mitgefühl haben könnte? Wieso denn sterben so viele Kinder in den :Krisengebieten? Weil die politischen Strukturen in diesen Regionen :nichts taugen - das ist zumindest ein zentraler Grund, wenn auch :nicht der einzige. Was also soll der Busfahrer oder die Kassiererin :tun, um jenes Leid zu lindern? Mitfühlen? Das allein bringt doch :nichts.

das sehr viele menschen auch mitleiden können, wenn sie ein verhungertes kind in der glotze sehen, streite ich gar nicht ab.
gleichzeitig aber fordert er strengere aufnahmebedingungen für eben jene menschen, die aus solchen „kriesengebieten“ in ein besseres land wie dem unseren wollen- der mensch leistet sich nur das „gute“, wenn er es sich auch tatsächlich leisten kann (keinen eigenen mangel mehr verspürt)…

Der Fall Enke aber liegt auf einer ganz anderen Ebene. Das lässt sich :mit dem Hungerproblem gar nicht vergleichen.

in jedem fall und hab ich auch nicht so behauptet…

Auch mit seinem „Glück“ vermag sich das Publikum zu identifizieren. :smiley:as steht außer Zweifel, wie ein Blick in die entsprechende :Berichterstattung zeigt. Über Stars werden viele positive (oder als :solche empfundende) News kolportiert, vor allem natürlich betreff :Heirat und Beziehungen.

natürlich gibt es zur hauf medien die sich auch mit den „glücksmomenten“ (heirat, geburt)der stars beschäftigen, nur identifizieren tut sich die breite masse damit keineswegs!
es setzt illusionen, träumereien in gang („ach wie gern würd ich da jetzt stehen mit meinem traumprinzen…“)wie sehr man ein solches leben auch gern hätte- nur wirkliches glück fühlt der betrachter keineswegs (zumindest ich hab noch keinen getroffen, der mir auf die frage „he, du bist seit tagen ja nur noch happy- hast du dich frisch verliebt?“ antwortete „ne haste nicht gelesen, boris becker hat wieder geheiratet!“…)…
die schlagzeilen lauten ja meißt nicht umsonst „Traumhochzeit“…^^
und mal davon abgesehen- ich zumindest habe im sportteil noch nie gelesen, dass michael ballack sich super gut mit phillip lahm versteht
und beide total happy darüber sind, dass sich zwei seelenverwandte getroffen haben…ich lese aber ganz dick, wenn beide einen disput miteinander haben…

aber dennoch bin ich durchaus der meinung, dass medien nur liefern, was volk auch begehrt.
dann wäre noch die frage, warum „volk“ sich viel mehr für negative nachrichten interessiert als für positive?..aber das steht hier ja nicht zur debatte…

gruß
mondrabe

Guten Abend.

Übrigens waren sich die Experten im „Doppelpass“ darüber
einig, dass Enke nicht in den Tod gegangen wäre, wäre er für
das nächste Länderspiel nominiert worden.

Was ein viel bezeichnenderes Licht auf den Umgang mit der ganzen traurigen Angelegenheit wirft, als dies alle am Sonntag gehaltenen Reden können. Enke hat sich das Leben genommen, weil er psychisch krank war - soviel steht fest; und ales, was Leute, die nicht zu seinem engsten Familienkreis gehörten, darüber salbadern, wenn und wenn nicht oder peng, kann nur Dummschwätz der feinsten Sorte werden.

Ein Fußballspieler, der psychisch stabil ist, lacht sich über eine Nichtnominierung höchstens einen Ast - ein Spieler, der psychisch verunsichert ist, zweifelt dann an sich und tritt am nächsten Samstag drei Mal über den Ball. Einer, der so angeknackst ist, dass von schwerer chronischer Depression die Rede sein kann, macht seine Entscheidung, sein Leben zu beenden, davon bin ich überzeugt, auch nicht von einem Einzelereignis in dem Bereich abhängig, in dem er normalerweise Bestätigung bekommt. Depression heißt doch unter anderem, sich nicht mehr freuen zu können: glauben die DSFler denn wirklich, Enke wäre von einer Nominierung aus diesem Tal herausgerissen worden? Da müsste ich ja fast lachen.

Das Unerklärbare auch mal unerklärt zu lassen, ist für unsere Journaille - und die Sportjournalisten sind nur eine Facette - sicherlich eine komplette Überforderung. Und wäre es nicht das Länderspiel gewesen, dann das angebrannte Abendessen vom Vorabend oder was-auch-immer-man-sich-aus-denFingern-suckelt-wenn-einem-der-Stoff-auszugehen-droht. Niveau ist anders, wird aber auch nicht mehr verlangt.

Gruß Eillicht zu Vensre

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JA
Erich