Hallo,
Und hier muss man nun einmal feststellen,
dass in Deutschland eine erhebliche Schieflage hinsichtlich
der Teilhabe an universitärer Bildung existiert. In anderen
Worten: Menschen aus bildungsfernen Familien sind an den
Hochschulen erheblich unterrepräsentiert und erreichen auch
unter den Studierenden erheblich seltener einen Abschluss. Das
halte ich aus einer liberalen demokratietheoretischen Sicht
für äußerst bedenklich.
Daran ist sicher nicht irgendeine Politik schuld. Es liegt
wohl daran, dass man in Arbeiterfamilien besser gleich was
„Richtiges“ lernt und arbeitet. Eben weil es so usus ist.
Natürlich ist daran unsere Bildungspolitik schuld. Selbst Staaten wie die USA erreichen einen erheblich hören Anteil von Studierenden aus bildungsfernen Schichten, weil dort erstens deutlich mehr (Teil-)Stipendien vergeben werden und zweitens bereits im Kindergarten mit einer Begabtenförderung begonnen wird. Manche Studiengänge am MIT werden beispielsweise nur noch mit Stipendiaten besetzt. Blöd in diesem System ist nur, dass es durch seine Gebührenpflicht nur Begabte und Reiche an die Spitzenuniversitäten lässt, der arme Normalbegabte aber außen vor bleibt.
In Deutschland hingegen zementiert das Bildungssystem Karrierewege. Es gibt Studien, die zeigen, dass Grundschullehrer ihre Schulempfehlung vielfach am Beruf der Eltern festmachen. Kindern aus bildungsfernen Familien haben bereits in der Grundschule kaum eine Chance, auf die Schule geschickt zu werden, die ihnen später mal ein Hochschulstudium ermöglicht.
Demokratien nehmen für sich in
Anspruch, keine Gleichheit im Ergebnis (wie angeblich im
Sozialismus), aber zumindest Chancengleichheit einzuräumen.
Und die ist in Deutschland (und andernorts) alles andere als
gegeben.
Warum ist die nicht gegeben? Soweit ich weiß spielt das
Elternhaus bei der Vergabe von Studienplätzen keine Rolle. Den
Trend geht auch dahin, dass immer mehr Arbeiterkinder das
Gymnasium besuchen können.
Wie gesagt: Zwar können mehr Kinder aus bildungsfernen Schichten ein Gymnsaium besuchen, sie müssen dafür aber wesentlich mehr leisten als andere Kinder. Beispiel: Meine Eltern finanzierten privat meinen Klarinettenunterricht. Obwohl ich einer der unmusikalischsten Menschen bin, der auf dieser Erde wandelt, hatte ich in Musik immer mindestens eine 2, weil ich Noten lesen konnte und alle Stilrichtungen kannte. Im Abiturzeugnis machen sich die 4 mal angerechneten 13 Punkte auch nicht schlecht. Viel musikalischere Klassenkameraden bekamen diese Förderung nicht und schnitten immer schlechter ab als ich.
Jetzt kann man sich natürlich wie Du auf den
Standpunkt stellen, dass ein Studium grundsätzlich möglich
ist, man dafür aber eben einige Entbehrungen auf sich nehmen
muss. Das mag stimmen, ändert aber nichts an der Tatsache,
dass viele Kinder aus bildungsfernen Familien diese
Entbehrungen nicht auf sich nehmen möchten und der Universität
fern bleiben,
Wenn du mich fragst haben Arbeiterkinder die wenigsten
Entbehrungen, weil sie nicht viel zu entbehren haben. Sie sind
nicht übermäßig viel gewohnt und erwarten nicht übermäßig
viel.
Sie erwarten zumindest den Lebensstandard, den ihre Geschwister und Klassenkameraden im Alter von 19, 20 Jahren nach einer Ausbildung erzielen. Keinesfalls erwarten sie einen Lebensstandard, der noch unter Hartz IV liegt.
Ähnlich kann man bei Fragen der Geschlechtergerechtigkeit
argumentieren: Frauen sind in Deutschland ohne Zweifel
gleichberechtigt. Das nutzt ihnen aber herzlich wenig, wenn
sie in Wirtschaft und Politik nachweislich dramatisch
unterrepräsentiert sind. Der Staat muss deshalb versuchen,
Bedingungen zu schaffen, die tatsächliche Chancengleichheit
schaffen, sonst delegitimiert er sich.
Ist die Frage, warum sie unterrepräsentiert sind. Es gab mal
eine Studie die ergab, dass sich Frauen eher zufrieden geben,
z.B. bei Gehaltsverhandlungen. Sie sind im Schnitt weniger
hartnäckig. Es gibt ja auch typische Frauen- und Männerberufe,
weil sich das jew. Geschlecht von diesen Tätigkeiten eher
angezogen fühlt als das andere. Da glaube ich nicht, dass es
sich um fehlende Chancengleichheit handelt.
Das hat natürlich auch mit den von Dir genannten Unterschieden zwschen Männern und Frauen zu tun. Trotzdem ist die Chancengleichheit alles andere als gegeben. Finde mal als alleinerziehende Mutter mit Kind (das sind etwa 98 Prozent der Alleinerziehenden), die nur halbtagsarbeiten kann, einen Job als Aufsichtsratsmitglied eines deutschen DAX-Unternehmens. Du wirst vermutlich einwerfen, dass die Frau bei gleicher Leistung die gleichen Chancen hat. Das stimmt aber nur so lange, wie sie bereit ist, männliche Verhaltensmuster zu adaptieren.
Während meines Studiums haben meine Eltern meinen
Lebensunterhalt finanziert. Durch zusätzliche Wochenendarbeit
an einer Krankenhauspforte konnte ich mir ein recht angenehmes
Leben, wenn auch nicht luxuriöses Leben) leisten (ich bekam
von meinen Eltern 700 DM und verdiente nochmals 600 selbst).
In den Augen so mancher Studenten ist das unglaublicher Luxus.
Viele haben weniger als ein Hartz IV Empfänger (dafür
natürlich einige Vergünstigungen für Studenten)
Ich glaube, Du hast mich hier falsch verstanden. Ich wollte zeigen, dass es mir extrem gut ging, während meine Frau unter extrem schlechten Bedingungen studiert hat. Während ich Sprachurlaube, Methodenschulungen und FAchkonferenzen besuchte, ging meine Frau kellnern. Ich halte mich nicht für klüger als sie. Meine Abschlussnote ist allerdings erheblich besser.
Die Eltern meiner Frau stellten sich hingegen auf den
Standpunkt, dass sie selbst nicht studiert hätten und ihre
Tochter das gefälligst auch nicht tun sollte. Da meine Frau
ihre eigenen Eltern nicht verklagen wollte, führte dies dazu,
dass sie lediglich ihr Kindergeld bekam und 19 Stunden in der
Woche kellnern musste, was ihr Studium erheblich verlängerte.
Zur Belohnung durfte sie in den letzten beiden Semestern dafür
auch noch 650 Euro Studiengebühren + 150 Euro
Verwaltungsgebühr bezahlen. Um überhaupt leben zu können,
musste sie ihr Studium der Arbeit anpassen und nicht
umgekehrt.
Extremfall
Regel. Zumindest in meiner Zeit als AStA-Mitarbeiter (1997/98) in Münster hatte ich jede Woche Dutzende Studierende, die sich beraten ließen und Panik davor hatten, ihre Eltern verklagen zu müssen.
Um Chancengleichheit zu erreichen, fände ich es deshalb sehr
sinnvoll, das Studium prinzipiell kostenlos anzubieten, jedem
Studierenden 8 Semester lang 650 Euro im Monat zur Verfügung
zu stellen und dafür eine Akademikersteuer einzuführen.
Nein. Es gibt auch ganz normale Ausbildungsberufe, in denen
man sehr gut verdienen kann. Deshalb wäre es ein Unding,
jemandem, der mit Studium ebenso viel verdient wie jemand
ohne, eine Steuer aufzuerlegen allein deshalb, weil er einen
Hochschulabschluss hat.
Aber genau das passiert doch durch Studiengebühren. Nur dass diese erhoben werden, bevor jemand überhaupt einen Cent verdient hat. Ich stimme zu, dass es erheblich sinnvoller wäre, gar keine Studiengebühren zu erheben.
Außerdem befürworte ich das Prinzip,
dass man zunächst bei sich anfängt, bevor man irgendwelche
Leistungen empfängt. Sprich: Eltern müssen beisteuern, was sie
können, bevor das Kind staatliche Leistungen erhält. So
funktionniert nämlich Umverteilung.
Das ist aber ein spaßiges Konzept von Umverteilung: Nämlich von einer Generation in die andere. Echte Umverteilung belastet alle (und nicht nur Eltern), die hohe Einkünfte erzielen. Ich weiß nicht, wieso in Zeiten extremen Kinderarmut immer die Eltern belastet werden: Es geht los mit Gebühren für Kindertagesstätten, später darf man Lernmittel berappen und demnächst auch noch höhere Studienkosten berappen. Mich wundert ehrlich gesagt nicht, dass Familien immer kleiner werden.
Ich wüsste auch keinen Grund, warum jemand, der beispielsweise
2500€ netto erhält jemandem, der nur 1500€ erhält das Studium
mitfinanzieren sollte, zumal ich die Abdeckung der Zahlungen
bezweifle. Jemand mit 2500€ müsste 52 Jahre diese Steuer
bezahlen, um abzudecken, was er während des Studiums empfangen
hat. Jemand mit 1500€ müsste dafür fast 87 Jahre zahlen.
Eigentlich würde ich aber schon ganz gerne mit spätestens 70
in Rente gehen.
Und genau dann ist die Steuergerechtigkeit wieder da. Derjenige, der mit seinem Einkommen nach dem Studium ordentlich verdient, zahlt mehr als diejenige, die eben weniger mit dem Studium erzielt. Das nennt man Progression.
Grüße,
Matthias