Natürlich ist daran unsere Bildungspolitik schuld. Selbst
Staaten wie die USA erreichen einen erheblich hören Anteil von
Studierenden aus bildungsfernen Schichten, weil dort erstens
deutlich mehr (Teil-)Stipendien vergeben werden und zweitens
bereits im Kindergarten mit einer Begabtenförderung begonnen
wird.
Nein. Die Politik beseitigt nur die Mißstände.
Was ist das denn bitte für ein Politikverständnis? Politik hat also überhaupt keinen Einfluss auf gesellschaftliche Entwicklungen? Das wage ich aber sehr zu bezweifeln.
In Deutschland hingegen zementiert das Bildungssystem
Karrierewege. Es gibt Studien, die zeigen, dass
Grundschullehrer ihre Schulempfehlung vielfach am Beruf der
Eltern festmachen. Kindern aus bildungsfernen Familien haben
bereits in der Grundschule kaum eine Chance, auf die Schule
geschickt zu werden, die ihnen später mal ein Hochschulstudium
ermöglicht.
Das ist richtig. Ich sagte aber bereits, dass der Trend davon
weggeht. Sprich: es machen immer mehr Arbeiterkinder Abitur.
Toll, in den Berufen, die ein Universitätsstudium voraussetzen, machen sie immer noch 7 Prozent aus.
Wie gesagt: Zwar können mehr Kinder aus bildungsfernen
Schichten ein Gymnsaium besuchen, sie müssen dafür aber
wesentlich mehr leisten als andere Kinder.
Davon habe ich nie etwas bemerkt.
Das dürfte daran liegen, dass Du nichts bemerken willst. Da ist eine ganz typische Vorgehensweise des vorherrschenden Neoliberlaismus: Man negiert Chancenungleichheiten einfach und legitimiert damit den Rückzug des Staates, der ja nicht mehr gebraucht wird, weil alle die gleichen Chancen haben.
Sie erwarten zumindest den Lebensstandard, den ihre
Geschwister und Klassenkameraden im Alter von 19, 20 Jahren
nach einer Ausbildung erzielen.
Ihre Klassenkameraden haben vermutlich Abitur und erhalten
längst kein volles Gehalt. Theoretisch gesehen dauert das
Studium nur 1 Jahr länger als eine Ausbildung. Ich glaube
nicht, dass der Vergleich ein Hinderungsgrund für ein Studium
ist. Geschwister hin oder her, wenn diese jünger sind, zieht
der Vergleich auch nicht mehr. Du hast sehr strenge Annahmen
getroffen.
Das glaube ich nicht. Die meisten meiner Studenten, die ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten müssen, brauchen erheblich länger für ihren Studienabschluss als Azubis für ihre Ausbildung bzw. Lehre.
Das hat natürlich auch mit den von Dir genannten Unterschieden
zwschen Männern und Frauen zu tun. Trotzdem ist die
Chancengleichheit alles andere als gegeben. Finde mal als
alleinerziehende Mutter mit Kind (das sind etwa 98 Prozent der
Alleinerziehenden), die nur halbtagsarbeiten kann, einen Job
als Aufsichtsratsmitglied eines deutschen DAX-Unternehmens.
Wenn dann musst du schon alleinerziehende Mütter mit
alleinerziehenden Vätern vergleichen.
Muss ich nicht. Ich muss die Lebensrealität von Frauen und Männern vergleichen. Und wenn das Ergebnis nun mal ist, dass Frauen aufgrund anderer Lebensbedingungen andere (schlechtere) Teilhabechancen haben, dann kann man nicht mehr von Chancengleichheit sprechen.
Extremfall
Regel. Zumindest in meiner Zeit als AStA-Mitarbeiter (1997/98)
in Münster hatte ich jede Woche Dutzende Studierende, die sich
beraten ließen und Panik davor hatten, ihre Eltern verklagen
zu müssen.
Natürlich. Und die, die ihre Eltern nicht verklagen mussten,
sind auch bei dir vorbeigekommen, um dir genau das
mitzuteilen, so dass du einen optimalen Überblick hast.
Nein. Aber meine Erfahrung durch die Studienberatung zeigt eindeutig, dass es erheblich mehr Menschen gibt, die ihr Studium abbrechen müssen, weil sie kein BaföG bekommen und keine Unterstützung von ihren Eltern erhalten, als Du Dir das vorstellen kannst.
Aber genau das passiert doch durch Studiengebühren. Nur dass
diese erhoben werden, bevor jemand überhaupt einen Cent
verdient hat. Ich stimme zu, dass es erheblich sinnvoller
wäre, gar keine Studiengebühren zu erheben.
Nein ich bin für die Gebühren. Und zwar gestaffelt nach
Studienfach, je nach dem was ein Jahr im entsprechenden Fach
kostet. Jeder zahlt später nur das, was er in Anspruch
genommen hat. Als FH-Student würde ich nicht einsehen, warum
ich die 28.000€ pro Jahr für das Medizinstudium mitzahlen
soll, wenn die eigene Ausbildung nur 8000€ kostet. Monatlich
werden dann natürlich mehr als 2% gezahlt und dass solange,
bis die Kosten gedeckt sind.
Was ist daran gerecht? Im Gesundheitssystem bezahle ich über meine Beiträge auch die Krankheiten von anderen mit. Genauso bin ich bereit, über meine Steuern die Ausbildung (und später sogar das Gehalt) von Ärzten zu übernehmen. Das mache ich, weil ich es gesellschaftspolitisch für richtig halte. Wenn ich nur meine tatsächlichen Kosten zahlen müsste, käme ich deutlich günstiger weg.
Ich weiß nicht, wieso in Zeiten extremen Kinderarmut
immer die Eltern belastet werden: Es geht los mit Gebühren für
Kindertagesstätten, später darf man Lernmittel berappen und
demnächst auch noch höhere Studienkosten berappen. Mich
wundert ehrlich gesagt nicht, dass Familien immer kleiner
werden.
Ja und? Die Erzieherinnen arbeiten auch nicht umsonst. Ebenso
Lehrer und Professoren.
Außerdem werden Eltern schon gleich mal gar nicht immer
belastet. Ist ja wohl nicht zu viel verlangt, Lernmittel zu
zahlen. (Die, die das nicht können, werden unterstützt). Warum
sieht man eigentlich immer nur, was man abgeben muss und
nicht, was man bekommt? Ich verweise auf Elterngeld und
Kinderbetreuungskosten, die seit 2006 erhöht von der BMG
abgesetzt werden können.
So spricht jemand, der eindeutig kein Kinder hat, aber später gerne mal Leistungen der heutigen Kinder in Anspruch nehmen möchte (z.B. Rente beziehen, ein Gesundheitssystem in Anspruch nehmen und natürlich auch Pflegeleistungen).
Es ist volkswirtschaftlich längst erwiesen, dass in Deutschland Eltern die Deppen der Nation sind. Sie haben erheblich geringere Chancen, Karriere zu machen und zahlen über Gebühren und verdeckte Steuern erheblich mehr als Kinderlose. Kindergeld und Steuerermäßigungen sind ein Witz dagegen, wie Du selbst merken wirst, wenn Du mal Kinder hast.
Und genau dann ist die Steuergerechtigkeit wieder da.
Derjenige, der mit seinem Einkommen nach dem Studium
ordentlich verdient, zahlt mehr als diejenige, die eben
weniger mit dem Studium erzielt. Das nennt man Progression.
Achwas. Steuergerechtigkeit und Umverteilung sind für Notlagen
da, wie etwa Arbeitslosigkeit. Erwerbstätige finanzieren
Erwerbslose mit, wobei Besserverdiener mehr beitragen als
Geringverdienende. Außerdem noch für Dinge, die öffentlich
zugänglich sind.
Richtig, Bildung zum Beispiel. Die muss nämlich vor allem anderen öffentlich zugänglich sein.
s.o. Gestaffelte Gebühren Du übersiehst, dass die Kosten für
das Studium variieren.
So wäre folgendes möglich: jemand, der zwar weniger verdient,
dessen Ausbildung aber auch billig war, hat diese vielleicht
trotz geringerer Abgabe bald bezahlt (2% hauen vorne und
hinten nicht hin) und finanziert dann denjn mit, der zwar 500€
mehr verdient, dessen Ausbildung vielleicht aber auch das
3fache gekostet hat. Wo ist dann die Steuergerechtigkeit?
Mit meinen Steuern zahle ich unter anderem den Straßenbau. Das ist auch ungerecht, denn ich habe gar kein Auto. Außerdem zahle ich Steuern für die Internationale Raumstation ISS (fahre ich nicht hin, warum zahlt die Herr Reiter nicht selbst?), den Naturschutzpark Wattenmeer (warum bezahlen das nicht die Küstenanrainer?) und vieles mehr. Fakt ist: Unsere Gesellschaft braucht Ärzte, Rechtsanwälte, Architekten und auch Philosophen. Deren Ausbildung ist nun mal unterschiedlich teuer. Und warum soll ich die Studierenden anders für ihre Ausbildung zahlen lassen, als über ihre Einkommenssteuer.
Übrigens haut der Steuervorschlag bei den meisten hin: Nämlich dann, wenn man das Akademikerdurchschnittseinkommen verdient, das meines Wissens bei 3.300 Euro liegt. Und die, die das nicht bekommen, finanziere ich gerne mit, obwohl sie eine so teure Ausbildung genossen habe.
Gruß,
Matthias