Nichtjude und Kippa

Hallo,

meine Frage hat nichts mit der zu tun, die zufällig hier zwei Themen tiefer steht, sie hat einen konkreten Anlass:

Ich bin eingeladen worden, am 9. November an einer Kranzniederlegung zum Gedenken der Reichskristallnacht an einem Ort teilzunehmen, an dem früher eine Synagoge stand. Für Männer ist Kopfbedeckung vorgeschrieben.

Ich besitze von einem Israelbesuch eine Kippa. Spontan würde ich sie gern bei dieser Gelegenheit tragen und betrachte das auch als eine Art symbolischer Identifizierung mit den Menschen, derer wir gedenken.

Aber wie werden andere das sehen, wie insbesondere die teilnehmenden Juden? Unpassend? Aufdringlich?

Freundliche Grüße
Peter

Hallo Peter,

aufgrund meiner Erfahrungen und meiner Talmudstudien würde ich sagen, daß keine religösen Gründe dagegen sprechen, wenn Du mit Kippa herumläufst.

Da Du Dich jedoch wohl nicht der Gefahr aussetzen möchtest, womöglich als der einzige Kippa-Träger aufzufallen, mußt Du zur Vorsicht ohnehin einen zum dunklen Anzug passenden Hut haben.

Sobald die (Volks)-zugehörigkeit oder -nichtzugehörigkeit auch nur in geringstem Maße zum Thema geworden ist, wird solch ein ethnisches Accesoire zu einem Zitat und dadurch schnell peinlich.

Mit freundlichem Gruß,

Wolfgang Berger

Hallo Peter,

Ich bin eingeladen worden, am 9. November an einer
Kranzniederlegung zum Gedenken der Reichskristallnacht an
einem Ort teilzunehmen, an dem früher eine Synagoge stand. Für
Männer ist Kopfbedeckung vorgeschrieben.

Da der Veranstalter eine Vorgabe gemacht hat, scheint der Rahmen ja geklärt zu sein. Außerdem ist es dann üblich in einem solchen Fall Kippot bereitzuhalten für Gäste, die keine haben.

Ansonsten kann man generell sagen: Auf jüd. Friedhöfen und bei jüdischen G-ttesdiensten ist für Männer das Tragen einer Kippa vorgeschrieben - auch für Nichtjuden.

Bei anderen Gelegenheiten ist es eher daneben, wenn z.B. bei einem Straßenfest eine Gruppe jüdischer Schwuler einen Stand macht und deren nicht-jüdische Lebensgefährten dann Kippa tragen um zu zeigen, daß sie auch bei dieser Gruppe mitmachen.

Ich besitze von einem Israelbesuch eine Kippa. Spontan würde
ich sie gern bei dieser Gelegenheit tragen und betrachte das
auch als eine Art symbolischer Identifizierung mit den
Menschen, derer wir gedenken.

Jegliche Art von symbolischer Identifizierung seitens Nichtjuden ist mir suspekt. Womit willst Du Dich identifizieren?
Ich kenne diese „Identifikationsmasche“ sehr stark von Klezmerkonzerten einer Reihe nichtjüdischer Gruppe, die dann „Juden spielen“.

In den letzten Jahren habe ich es immer wieder erlebt, daß zu meinen Stadtrundgängen am 9. November Nichtjuden kamen, die sich einen gelben Stern gebastelt und angeheftet haben um ihre „Solidarität zu zeigen“.

Da in diesem Bereich so vieles verquer läuft, vermute ich eher, daß auch andere Formen von Identifikation dann nicht so gut rüberkommen.

Aber wie werden andere das sehen, wie insbesondere die
teilnehmenden Juden? Unpassend? Aufdringlich?

Da ich nicht teilnehme und Dich nicht kenne, kann ich das nicht konreter formulieren als oben. Wenn Dich dieses sensible Feld näher interessiert, empfehle ich Dir einen Beitrag im europäisch-jüdischen Magazin Golem:
Jewish Disneyland - die Enteignung und Aneignung des „Jüdischen“

http://www.hagalil.com/golem/

viele Grüsse

Iris

Kippa und Kippot
Hallo Iris,

schaust Du mal bitte ins Fremdsprachenbrett?

Ich habe mal in Hamburg eine Synagoge besucht. Dort lagen am Eingang kleine Papier-Kipas und die Leute (Nichtjuden), die keine Kopfbedeckung dabei hatten, wurden gebeten, sich solch eine „Behelfs“-Kipa aufzusetzen.

Hallo Jochen,

Ich habe mal in Hamburg eine Synagoge besucht. Dort lagen am
Eingang kleine Papier-Kipas und die Leute (Nichtjuden),

Oder Juden, die sie vergessen haben oder gar keine ueberhaupt zu Hause haben :smile:

die
keine Kopfbedeckung dabei hatten, wurden gebeten, sich solch
eine „Behelfs“-Kipa aufzusetzen.

lustig, papier-kippot habe ich noch nie gesehen, schnelle und private improvisationen wie taschentuecher, basecap, muetzen aller art, dem geruecht nach zuweilen motorradhelme oder vom gemeindediener ausgehaendigte gaaanz simple stoffkippot, aber papierkippot vom shammes noch nicht, was es nicht alles gibt *g*

viele gruesse, peter

lustig, papier-kippot habe ich noch nie gesehen

Hallo, Peter,
Doch doch, das ist durchaus gängige Praxis. Bereits in den 70er Jahren konnte man diese Geräte aus schwarz bedruckter dünner Pappe gegen wenige Agoroth am Eingang verschiedener Synagogen erhalten. Wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt wurden sie auch für barhäuptige Goiim an der Klagemauer bereitgehalten.
Grüße
Eckard.

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hi,

Für
Männer ist Kopfbedeckung vorgeschrieben.

von kipa ist ja nicht die rede. du kannst jegliche kopfbedeckung aufsetzen, auch eine baseballkappe.

symbolischer Identifizierung

finde ich als motiv für das tragen einer kipa mehr als daneben. du gehst auch nicht auf einen behindertenkongreß im solidaritätsrollstuhl. (jezt bitte keine bösartigen kommentare, denn ich weiß das war ein unpassender vergleich und überhaupt.)

Unpassend? Aufdringlich?

hängt von den anwesenden leuten ab. bei uns in israel ist es normal, daß nichtjüdische gäste bei religiösen anlässen kipot tragen. daß du mit einem religiösen juden verwexelt wirst brauchst du nicht zu fürchten. man kann den dauertkippaträger vom anlaßkipaträger aus 10 meter entfernung erkennen.

gruß
datafox

Nochmal: Nichtjude und Kippa
Hallo,

um nicht einzeln auf die u. a. Antworten, die sich z. T. ja auch überschneiden, eingehen zu müssen, versuche ich es mal so:

Für mich persönlich ist das Tragen der Kippa ganz normal. Ich habe es in Israel viele Male gemacht, niemand fand etwas dabei. Zudem erinnert es mich an die interessanten Zeiten, die ich dort verbracht habe, an Menschen, mit denen ich Kontakte hatte, die ich zum Teil bis heute weiterpflege.

Die Situation hier in Deutschland ist eine andere. Was andere Anwesende, Juden oder Nichtjuden, denken oder empfinden könnten, war für mich plötzlich eine Frage. Dort war es das nie.

„Pappkippas“ (aus schwarzem Fotokarton, mit Heftklammern notdürftig in Form gebracht) werden in Israel an jedem Touristikpunkt, der auch religiöse Bedeutung hat, angeboten, an der Klagemauer auf mehreren Tischen gleich stapelweise. Das beantwortet aber meine Frage nicht.

Mit einem Rollstuhl zur Behinderten-Demo? Ich habe keinen Rollstuhl.

Mit einem selbst gebasteltem Stern? Der Vergleich hat mich ins Grübeln gebracht.

Ich habe, Iris, deinen verlinkten Beitrag über das jüdische Disneyland aufmerksam gelesen. Ich kenne, trotz mehrfacher Berlinbesuche, die Oranienburger Straße nicht, kann deine Gedanken deshalb nicht nachvollziehen. Mir scheint der „Disneyland“-Vergleich aber doch etwas hergeholt. Bei meinem nächsten Berlin-Besuch werde ich sicher dort sein, und wenn es passt, auch an einer deiner Führungen teilnehmen.

Falls das „normale“ Stadtführungen sind, nur halt mit dem Schwerpunkt jüdische Stadtgeschichte, halte ich einen angehefteten Stern, ob von einem Juden oder Nichtjuden, gleichmaßen für unpassend.

Anders wäre es wenn Juden (mit Stern) eine Demonstration gegen Antisemitismus machen. Dann würde ich mich gern in gleicher Form dazu gesellen. Dann begebe ich mich als eigentlich Nichtbetroffener in die gleiche Gefahr wie die Betroffenen: z. B. von nazistischen Gegendemonstranten verprügelt zu werden. Oder den Ruf eines „Judenfreundes“ zu bekommen, der mir schaden könnte, falls diese Kreise in Zukunft mehr Einfluss gewinnen sollten, als uns heute lieb ist.

Auch über deinen Vergleich mit den Partnern schwuler Juden habe ich lange nachgedacht. Ich habe, ganz spontan und emotional, kein Problem damit, öffentlich eine Kippa zu tragen. Sollte man mich dann für einen Juden halten, na gut, ich stehe dazu. Ich wäre aber nicht bereit, wenn es ein vergleichbares Schwulensymbol gäbe, das zu tragen. Mir ist klar, dass da Parallelitäten bestehen. Gerade in der Nazizeit, um die es ja primär geht, waren Schwule ebenso KZ-Opfer wie Juden. Trotzdem: Ich würde mich, wenn Schwule verunglimpft werden, für sie einsetzen. Aber mich mit ihnen gleichsetzen, mich als schwul verdächtigen zu lassen, da sträuben sich doch die Gefühle.

Aber wir kommen vom Thema ab … :smile:

Gruß
Peter

Deine Wunschvorstellung von Deiner solidarischen Teilnahme an einer Demonstrationen von Juden gegen Antisemitismus, die von Antisemiten gewalttätig angegriffen wird, und bei der Du heldenkühn den anstürmenden, feigen Naziverbrechern die Stirn bietest, das hat was peinliches.

Mit herzlichem Gruß,

Wolfgang Berger

Deine Wunschvorstellung von Deiner solidarischen Teilnahme an
einer Demonstrationen von Juden gegen Antisemitismus, die von
Antisemiten gewalttätig angegriffen wird, und bei der Du
heldenkühn den anstürmenden, feigen Naziverbrechern die Stirn
bietest, das hat was peinliches.

Die Aussage, sich jedoch gleichermaßen zu schämen, auch nur in die Nähe von Schwulen gestellt zu werden, auch. Eigentlich ist das noch peinlicher.

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Hallo Eckard,

Doch doch, das ist durchaus gängige Praxis. Bereits in den
70er Jahren konnte man diese Geräte aus schwarz bedruckter
dünner Pappe gegen wenige Agoroth am Eingang verschiedener
Synagogen erhalten.

ist mir wirklich noch nie begegnet, vielen dank fuer dein posting,

viele gruesse, peter

Für mich persönlich ist das Tragen der Kippa ganz normal.

Entschuldige, Peter,
aber ich würde das eher als peinlich empfinden. Wärest Du Jude - dann klar, kein Problem, aber mir wurde es bereits vor vielen Jahren in Israel unmißverständlich klar und auch immer wieder bestätigt: Weder zur Tarnung, noch zur Kennzeichnung als „Betroffenheitsjude“ taugt das etwas.
Setze meinetwegen in der Synagoge eine Zipfelmütze auf oder einen Hut oder falls all dieses nicht zur Hand eben so eine Pappkippa. Aber mit einer Kippa so auf der Straße herumzulaufen ist einfach bloß peinlich. Es steht schließlich ein Glaube, eine innere Überzeugung hinter dieser Sitte. Wenn Du diesen Glauben nicht teilst, ist es bestenfalls ein „genehm machen wollen“, wenn nicht gar ein „nachäffen“.
Grüße
Eckard.

symbolischer Identifizierung

finde ich als motiv für das tragen einer kipa mehr als
daneben. du gehst auch nicht auf einen behindertenkongreß im
solidaritätsrollstuhl. (jezt bitte keine bösartigen
kommentare, denn ich weiß das war ein unpassender vergleich
und überhaupt.)

Genau ! Das finde ich bei deutschen Politikern immer so arg peinlich.

HM

Genau ! Das finde ich bei deutschen Politikern immer so arg
peinlich.

ja. weil man sich die frage stellen muß, WEM dieses verhalten einen dienst erweisen soll. die anwesenden juden sinds eher nicht, denn es gibt keinen grund ausgerechnet eine kipa als kopfbedeckung aufzusetzen. der dienst soll also eher dem „politischen gewissen“ erwiesen werden. die betroffensheitskipa ist abzulehnen. anders der fall natürlich, wenn der männliche gast jenseits von gedenksteinlegungen an einer jüdischen zeremonie teilnimmt, zb. in israel, wenn er wo eingeladen ist. niemand hat hüte und kappen rumliegen, kipas aber meistens schon. also ists naheliegend und keiner findet das ungemütlich (eher komisch). frauen tragen rock wenn sie in die synagoge gehen. aus respekt. egal ob jüdisch oder nicht. das ist genau dasselbe. es würde aber seltsam anmuten, als nichtjüdische gästin ein orthodoxes outfit anzulegen. das machen nichtmal jüdische nichtreligiöse gäste!!

gruß
datafox

Die Aussage, sich jedoch gleichermaßen zu schämen, auch nur in
die Nähe von Schwulen gestellt zu werden, auch. Eigentlich ist
das noch peinlicher.

Wie kommst Du denn jetzt auf sowas. Bist Du eine Spinatwachtel oder was?

Hi,

Die Aussage, sich jedoch gleichermaßen zu schämen, auch nur in
die Nähe von Schwulen gestellt zu werden, auch. Eigentlich ist
das noch peinlicher.

Wie kommst Du denn jetzt auf sowas.

ganz einfach, weil ich es für bigott halte, hier einen auf total betroffen und solidarisch mit den Juden zu machen, aber andererseits Schwule als „igitt bäh bäh, muß man sich ja schämen, in der Nähe von denen gesehen zu werden“ zu bezeichnen.

Nach dieser Äußerung kauf ich ihm die Betroffenheit bzgl. der Juden nicht mehr für fünf Pfennig ab, weil es meiner Meinung nach nur entweder eine Offenheit und Freundlichkeit gegenüber aus niederen Beweggründen verfolgten oder sonstwie gegeißelten Menschen gibt oder eben nicht. Das ist eine Charaktereigenschaft - oder, wie in diesem Fall dann wohl, eine Farce.

Bist Du eine Spinatwachtel oder was?

Definiere bitte „Spinatwachtel“ in diesem Zusammenhang.
Der Duden sagt

„Spi|nat|wach|tel, die (salopp abwertend): wunderliche od. komisch aussehende ältere weibliche Person“

und das bin ich sicher nicht, weil nicht weiblich, nicht älter und idR nicht wunderlich oder komisch aussehend (sagt meine Umwelt zumindest).

Ich bin weder schwul noch Jude, beides ausdrücklich und definitiv nicht, aber ich hab nicht das geringste Problem damit, mit beiden Gruppen unbefangen umzugehen, solange mich ihre Individuen nicht dazu bekehren wollen, ihnen anhängig zu werden :wink: Gleiches gilt für Behinderte, Penner, Schwarze und sogar für Frauen und Outlook Express-Benutzer!

Gruß,

Malte.

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Outlook Express-Benutzer!

NEIN NEIN, mit DENEN will ich wirklich NICHT in zusammenhang gebracht werden!!

:smile:

gruß
datafox

Hallo Peter,

je besonderns im Freiland (Klagemager etc.) ist es dann mehr als amüsant zu sehen, was bei aufkommendem Wind passiert.

Schalom,
Eli

Nochmal: Nichtjude und Kippa und schwul
Hallo Malte,

nachdem ich deinen Beitrag hier verspätet entdecke, doch noch eine Antwort:

ganz einfach, weil ich es für bigott halte, hier einen auf
total betroffen und solidarisch mit den Juden zu machen, …

Das habe ich nicht gesagt, das sagst du. Für mich ist Kippatragen, das sagte ich schon, etwas normales. Ich habe 3/4 Jahr in Israel gelebt. Wenn wir in der Gruppe oder ich allein in der Freizeit auf Besichtigungstour gingen, hatte ich eine Kippa in der Hosentasche um sie bei Bedarf aufsetzen zu können.

Da ich nicht sicher war, ob das in Deutschland auch so unproblematisch gesehen wird, habe ich gefragt. Es ging dabei nicht um mich, sondern um die Reaktion der Umwelt. Nachdem die Tendenz hier doch dagegen spricht, werde ich die Kippa also nicht tragen. Totzdem hat mich die Heftigkeit der Begündungen, mit der das Tragen abgelehnt wird, doch überrascht, und die Rückschlüsse, die z. T. gezogen werden, befremdet.

andererseits Schwule als „igitt bäh bäh, muß man sich ja
schämen, in der Nähe von denen gesehen zu werden“ zu
bezeichnen.

Auch das habe nicht ich, sondern du gesagt. Für die Rechte und Gleichbehandlung Schwuler werde ich genauso einstehen für für die Rechte anderer Diskriminierter. Deshalb muss ich mich aber nicht in einer Form darstellen, dass mir eine Lebensform unterstelle, die für mich nachzuvollziehen ich emotional nicht in der Lgae bin.

Ich bin weder … hab nicht das geringste Problem … Gleiches gilt für …

Bei Soviel Toleranz erstaunt es mich, wie schnell und und hart du Menschen, die deinen Vorstellungen nicht in allen Punkten entsprechen, abwertest.

Peter

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