Moin Häuptling.
Guten Morgen, verehrter Herr Silberrücken.
Zur Beruhigung, nein, ich hab meine Kinder nicht zugucken
lassen.
Nunja, das tangiert mich eher peripher 
Aber im Fernsehen war mal ein Familienberater, der es getan
hat. Er hat sie nicht gerufen, aber wenn sie zufällig rein
schneiten hat er sie auch nicht weg geschickt.
Ja, man soll sie auch nicht erbost wegschicken und ihnen das Gefühl geben, sie seien unerwünscht und schon gar nicht so tun, als hätte man was Schlimmes getan.
Die schauten sich das an und dann gingen sie wieder spielen,
es war uninteressant für sie. So ähnlich hat er sich
ausgedrückt.
Das kommt eindeutig auf das Alter an.
Und in der Tat, manchmal erscheint es mir merkwürdig, dass wir
unsere Lieblingsbeschäftigung so geheim vor den Kindern
halten.
Und da gibt es einfach Sachen, die erscheinen merkwürdig. Wie bei den Japanesen, wo das naseschneuzen (Nase schnäuzen?) im beisein Anderer extrem unhöflich ist. Das erscheint uns ja auch merkwürdig, nicht?
Aber man muss nicht immer alles hinterfragen und fein säuberlich ziselieren, sondern einfach mal als „isso“ stehen lassen.
Natürlich braucht es dazu richtig aufgeklärte Kinder, völlig
unverdorben in einem unverdorbenen Umfeld. Besonders an
letzterem fehlt es natürlich und so dürfte man seine Kinder
mit einer total freien Erziehung ziemlich in Konflikt mit
ihrem Umfeld bringen, wo der Geschlechtsverkehr halt immer
noch hauptsächlich als Sauerei gesehen wird, die man nur
heimlich machen darf.
Ich frag dich mal, ob dir gefallen würde, ob dein Sohn, an dessen Tür gerade die Pubertät klopft, in der Schule herumerzählt, in genau welcher Tonart seine Mama gestern abend wieder dein Instrument gespielt hat.
Jeder hat das Recht auf eine Intimsphäre. Genau wie man in Ruhe und ungestört kacken, naspopeln und nackiche Frauen im Internet angucken will, möchte man Sex machen.
Es ist schon schwer genug, Kinder religionskritisch etwa in
einem
katholischen Umfeld aufzuziehen.
Da hast du noch keine 110%-igen Evangeliker kennen gelernt.
Noch vor hundert Jahren spielte sich oftmals das gesamte
Familienleben, Urahne, Großmutter, Mutter und Kind nicht nur
unter einem Dach sondern auch innerhalb der gleichen vier
Wände ab. Mitsamt dem Vieh.
Ich weiß nicht, wo das sich abspielte, aber selbst hier im Ossiland hatte der kleinste Hüttner einen vom Vieh abgetrennten Unterbringungsraum.
Damals war Aufklärung nicht nötig,
die Kinder kriegten das von selber mit und wurden trotzdem zu
normalen Menschen.
Ja, aber damals war ein Krieg nach dem anderen, Eltern verdroschen wie selbstverständlich ihre Kinder und die Schullehrer und Pfarrers taten es ihnen mit Wonne gleich. Väter qualmten hemmungslos die Bude voll, man durfte unbehelligt „Neger“ sagen und niemand fand etwas dabei.
Es waren einfach andere Zeiten.
Mein Paradebeispiel ist immer noch die 16-jährige, die ihre
Mutter entsetzt fragt: „Ja dürft ihr das denn noch?“, als sie
zufällig erfährt, dass diese noch ein Sexleben hat.
Für ein Kind sind Eltern geschlechtslose Nicht-Menschen. Sie stehen in besonderer Beziehung zum eigenen Kinde, weswegen die Bemerkung der jungen Dame als zumindestens nachvollziehbar verwundert zu gestatten ist.
Man kann Kinder so erziehen/aufklären, dass sie Sex für etwas
Schönes halten, das halt Vater und Mutter manchmal zusammen
machen, deswegen braucht man es ihnen nicht unbedingt
vorführen.
Na siehste!
Dann werden sie auch keinen psychischen Schaden nehmen, wenn
sie die Eltern mal dabei überraschen und nicht gleich einen
Heulkrampf kriegen, wenn Papa der Mama mal an den Busen
grapscht.
Nein, aber man muss auch nicht den hypermodernen für alles offenen Superneupädagogen raushängen lassen, der alles so wunderbar toll findet. Ein Peter Lustig reicht auf dieser Welt.
Man kann Kinder so erziehen, dass sie, ab einem gewissen
Alter, die Eltern in Ruhe lassen, wenn die im Schlafzimmer
sind, oder zumindestens erst anklopfen und auf das „Herein“
warten.
Man kann Kinder so erziehen, dass sie begreifen, dass Papa und
Mama auch füreinander da sind und nicht jederzeit auf Abruf
bereit sind.
Wenn sie allerdings erst mal acht Jahre alt sind, ist es schon
viel zu spät.
Man kann schließlich auch die Schlafzimmertür absperren und
schalldicht isolieren, das ist die dümmste Art. Vielleicht
immer noch besser wie nix.
Ja du hast Recht. Soweit die Theorie. In der Praxis jedoch gibt es Gegebenheiten und Vorfälle, die … ach weißt du, das würde jetzt zu schweitweifend.
Ein Babysitter ist natürlich auch eine Möglichkeit. Viel
wichtiger wäre es allerdings für mich, wenn man die Kinder mal
tagsüber irgendwo abgeben könnte, wo sie gut aufgehoben sind.
Dafür hat ein kluger Mann die Schule erfunden.
Aber ein kleiner Teufel auch die Arbeit*, mit der man sich bekanntermaßen den ganzen Tag versaut.
Damit man mal wieder einen ganz normalen Alltag miteinander
verbringen kann. Einen Sonntag in Schlafanzug und Hausschuhen,
völlig ohne Ausgeh-Stress, meinetwegen auch pudelnackt.
Oh ja, wie schön.
Wer da Verwandte hat, die gelegentlich einspringen ist
wirklich fein raus.
Verwandte kann man sich nicht heraussuchen.
Gruß
To.i
*Das ist die merkwürdige Tätigkeit, wo man die Hände bewegt, Dinger herstellt oder bearbeitet, oder Akten auf- und wieder zuklappt.