Hallo!
„Papa potest extra ius, super ius et contra ius.“
Kann jemand mitteilen,
- von wem dieser Satz stammt (er passt in das Schema dessen, was man den frühen Jesuiten zutraut);
- oder dieser Satz je Kirchenrecht gewesen ist;
- gegenüber welcher Art von Recht hier der Papst „absolut“ Recht haben soll?
Gruß!
Hannes
Ps: Es erscheint mir notwendig zu betonen (expertus dico), dass ich Antwort auf Fragen möchte und nicht eine Auseinandersetzung über das Papsttum.
Hallo, Hannes,
wenn ich auch leider den Finger nicht auf Dein Zitat legen kann, es scheint mir schon recht früh (Leo I. und besonders Innocenz III.) die Auffassung der „plenitudo potestatis“ gegeben zu haben. Bereits damals bezeichneten die Canonisten den Papst als „iudex ordinarius omnium“.
Vielleicht findest Du auch in Dantes „De Monarchia“ etwas dazu http://www.italica.it/dante/monarchia.html
Gruß
Eckard
Hallo,
ich finde jetzt im Internet keinen lateinischen Text von Pastor Aeternus. Aber rein nach Gefühl, würde ich mal da nachsehen.
Gruß
Peter B.
[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]
„Papa potest extra ius, super ius et contra ius.“
Also: „posse“ heißt „können“ - fehlt da dann nicht noch das Hauptverb? Falls nein, wie würde man es in diesem Fall übersetzen? Mit „sein“ bzw. „stehen“?
Kann jemand mitteilen, … gegenüber welcher Art von Recht
hier der Papst „absolut“ Recht haben soll?
Nur eine Vermutung: Kirchliches Recht vs weltliches?
Gruß, Martinus…
Hallo!
„Papa potest extra ius, super ius et contra ius.“
Also: „posse“ heißt „können“ - fehlt da dann nicht noch das
Hauptverb? Falls nein, wie würde man es in diesem Fall
übersetzen? Mit „sein“ bzw. „stehen“?
possum, posse, potui kann (laut Stowasser) auch „imstande sein, ausrichten, bewirken, vermögen, gelten“ bedeuten. Mit diesen Übersetzungsmöglichkeiten macht es für mich rein sprachlich schon Sinn.
Nur eine Vermutung: Kirchliches Recht vs weltliches?
Auch eine Vermutung: Nach Can. 331, 333 des Codex iuris canonici verfügt der Papst kraft seines Amtes in der Kirche über höchste, volle, unmittelbare und universale ordentliche Gewalt, die er immer frei ausüben kann. Gegen seine Urteile oder Dekrete gibt es weder Berufung noch Beschwerde. Ich bin zwar kein Experte für kanonische Recht, wenn aber jemand mit derart unbeschränkter und unkontrollierbarer Machtfülle ausgestattet ist, kann man meiner Ansicht nach durchaus davon sprechen, dass er „extra super et contra ius“ steht, und zwar auch außerhalb und über dem kirchlichen Recht.
http://www.vatican.va/archive/DEU0036/__P16.HTM
Grüße, Peter
Baldus de Ubaldis?
Servus, Eckard:smile:)
ich bilde mir ein, über den Satz „supra ius, contra ius et extra ius“ in einem Traktat von Baldus gestolpert zu sein. Bin aber 1) absolut nicht sicher, ob es um den Fürst oder den Papst ging und 2) habe ich jetzt so auf die Schnelle nicht einmal den geringsten Beleg für meine Einbildung gefunden:frowning:
Aber vielleicht hilft es ja Klügeren beim Weitersuchen:smile:
Einen lieben Gruß aus dem Waldviertel, jenny
ich bilde mir ein, über den Satz „supra ius, contra ius et
extra ius“ in einem Traktat von Baldus gestolpert zu sein.
Hallo, Jenny, Bingo!
Mit Deinem Satz bin ich auf http://digitale.bibliothek.uni-halle.de/id/95137 (Disputatio Apologetica, De Potestate Imperatoris Legibus Soluta, Et Hodierno Imperii Statu : Cum subiectis Corollariis ; Adversus Hermannum Vulteium, I.C. Marpurgensem / Quam … Praeside Dn. Gothofredo Antonio … Publico examini subiicit in Collegio ICtorum. Christophorus Kalt/ Spirensis) gestoßen. Dort findet sich
„Imo, ex Plenitudine Potestatis, eum, supra Ius, extra Ius, et contra Ius, omnia facere; eique, cur ita facis, nec dici, nec opponi quicquam posse, contendunt: Ex Prukmanno Matth. Stephani lib 2. de iurisd. parte 1. cap. 1. membro 2. n. 11. Atque eius potestatem ita esse anomalam, ut nullis Legibus frenetur. Baldus consil. 327. col. 5. lib. 1. Marcus Mantua loc. commun. lib. 1. cap. 2.“
Und da hast Du Deinen Kahlkopf 
Liebe Grüße
Eckard
Hallo Peter,
Auch eine Vermutung: Nach Can. 331, 333 des Codex iuris
canonici verfügt der Papst kraft seines Amtes in der Kirche
über höchste, volle, unmittelbare und universale ordentliche
Gewalt, die er immer frei ausüben kann. Gegen seine Urteile
oder Dekrete gibt es weder Berufung noch Beschwerde. Ich bin
zwar kein Experte für kanonische Recht, wenn aber jemand mit
derart unbeschränkter und unkontrollierbarer Machtfülle
ausgestattet ist, kann man meiner Ansicht nach durchaus davon
sprechen, dass er „extra super et contra ius“ steht, und zwar
auch außerhalb und über dem kirchlichen Recht.
diese Schlußfolgerung ist nicht folgerichtig.
Der Papst steht zwar „oben“ aber doch innerhalb der Kirche.
Alle seine Dekrete und „Urteile“ welche er für die Kirchenmitglieder
als richtig (Recht ?) erkannt hat hat er auch für sich als richtig
erkannt.(oder wurden von „Kirchengelehrten“ als richtig erkannt)
Das Papsttum ist keine absolutistische Willkürherrschaft über
Untergebene.Es fehlt nur die demokratische Entscheidung über
die Lehre und die aus der Lehre folgernden Kirchengesetze.
Gruß VIKTOR
Und noch etwas,
diese Rechtsauffassung findet sich schon bei Thomas und dann auch - in weiter übersteigerter Form bei Cyprian s. http://books.google.de/books?id=bm_EukywWUoC&pg=PA86…
So nun mag ich mich mit den ollen Kirchenfürsten nicht mehr rumschlagen. Mir reicht zur Zeit Hartmann von Aues „Gregorius“ den ich für eine Bekannte sprechen darf - zum Glück nur in Auszügen 
Gruß
Eckard
Hallo Viktor!
Ich habe nicht behauptet, der Papst übe eine absolutistische Willkürherrschaft aus. Er übt eine absolute Herrschaft aus, weil er als Wahlmonarch die gesetzgebende, ausführende und richterliche Gewalt in sich vereint - vgl. den CIC und das Grundgesetz des Vatikanstaates
-
http://www.vatican.va/vatican_city_state/legislation…)
Jedem Rechtsstaat ist eine solche Konstruktion fremd. Wenn jemand das Recht hat, Recht zu schaffen, dieses zu vollziehen und über dessen Verletzung zu richten, kann man ihn durchaus als „außerhalb des Rechts“ oder „über dem Recht stehend“ bezeichnen. Ob der Papst diese Kompetenzen willkürlich ge(miß)braucht, ist eine ganz andere Frage.
Grüße, Peter
possum, posse, potui kann (laut Stowasser) auch „imstande
sein, ausrichten, bewirken, vermögen, …“ bedeuten
Bleibt auch hier die Frage: wozu imstande sein, was bewirken/ausrichten/vermögen…?
… auch … „gelten“
Das wäre dann die einzige Möglichkeit, die in meinen Augen einen sinnvollen Satz ergeben würde.
Gruß, Martinus…
Hallo, Martinus!
„Papa potest extra ius, super ius et contra ius.“
Also: „posse“ heißt „können“ -
Also: „posse“ kommt von „potse“, dieses von „potis-esse“, und „potis“ ist ein lat Adjektiv und bedeutet „mächtig, Herr über etwas“ [wie „potens“ und die verwandten griech Substantive „despotes“ und das Fem. „potnia“: beide auch als Anrede an Götter/Göttinnen verwendet].
Als Grundbedeutung von „posse“ könnte man vielleicht „beherrschen“ angeben; wir sagen ja auch, dass man eine Sprache „beherrscht“, ihrer „mächtig“ ist.
Gruß!
Hannes
Hallo, Eckard, Jenny & alle!
Für eure Bemühungen und eure Findigkeit (BALDE, sehr überzeugend!) danke ich euch.
Inzwischen habe auch ich noch weitergesucht und finde eine Schrift von Bellarmin „De potestate Summi Pontificis in rebus temporalibus“ aus dem Jahr 1610. Zeitlich und sachlich geht das parallel zu Balde. Es handelt sich ja in beiden Fällen um die Rechtfertigung des absolutistischen Herrschens.
Ich habe keinen Einblick in die Schrift des Bellarmin und kann erst nachschauen, wenn ich wieder in der Unibibliothek bin. Weiß jemand, ob sich der ominöse Satz bei Bellarmin genau in der geposteten Fassung findet?
Schöne Grüße!
Hannes
Hallo Peter,
Wenn
jemand das Recht hat, Recht zu schaffen, dieses zu vollziehen
und über dessen Verletzung zu richten, kann man ihn durchaus
als „außerhalb des Rechts“ oder „über dem Recht stehend“
bezeichnen.
dies widerspricht so aber dem inneren Verständnis der Kirche.
Der Papst steht eben nicht außerhalb oder „über“ der Kirche.
Alles was in seinem Namen verkündet oder für (Kirchen-)Recht
befunden wird schließt ihn mit ein und zwar grundsätzlich.
Dies ergibt sich daraus, daß der Papst nach diesem Verständnis
eben den „Willen Jesu“ verkündet ,interpretiert oder wie auch immer,
als dessen Stellvertreter.Es handelt in der Verantwortung dieses
Stellvertreteramtes. Da kannst Du mit „Demokratie“ nix machen.
Das ist eine andere Konstellation als die, wenn ein weltlicher
Alleinherrscher Gesetze erläßt und sich selbstverständlich und auch
von seinem „Volk“ geduldet oder akzeptiert von dieser Gesetzgebung
ausnimmt.Der absolute Herrscher hat die Kompetenz sich aus
dem Gesetz „herauszunehmen“, der Papst eben nicht.
Ob der Papst diese Kompetenzen willkürlich
ge(miß)braucht, ist eine ganz andere Frage.
Mißbrauch von Herrschaft wurde immer betrieben auch von kirchlichen
Herrschern und von Päpsten.
Das „Verständnis“, wie ich es oben erläutert habe wurde nie anders
gesehen weder von Päpsten,Kirchenlehrern,Kardinälen noch vom
Kirchenvolk.
Gruß VIKTOR
Hallo Viktor!
Der Papst steht eben nicht außerhalb oder „über“ der Kirche.
Alles was in seinem Namen verkündet oder für (Kirchen-)Recht
befunden wird schließt ihn mit ein und zwar grundsätzlich.
Das alles bestreite ich nicht. Wenn wir uns aber im kanonischen Recht das ius mere ecclesiasticum (das menschengemachte Kirchenrecht, im Gegensatz zum ius divinum, dem für Menschen unabänderlichen göttlichen Recht) näher ansehen, stellen wir fest, dass es dem Papst einen immens großen Spielraum gibt und er ohne Kontrollinstanzen vorgehen kann. Man ist nicht einer Rechtsordnung unterworfen, wenn man es in der Hand hat, diese zu gestalten, zu ändern, zu vollziehen und ohne Berufungsmöglichkeit über Rechtsfragen zu entscheiden. In diesem Sinne betrachte ich den Papst als „außerhalb des Rechts stehend“. Das ist aber nur eine Aussage zu seinem Rechtsstatus und völlig wertungsfrei zu verstehen.
Da kannst Du mit „Demokratie“ nix machen.
Ich weiß schon. Aber mit Demokratie hat diese Frage ohnehin nichts zu tun.
Nur so nebenbei: wenn man die Frage der Rechtsqualität des Papstes aus Sicht des Völkerrechts betrachtet, sieht die Sache wieder anders aus. Hier ist der Papst ein souveränes nichtstaatliches Völkerrechtssubjekt auf gleicher Augenhöhe mit den anderen Völkerrechtssubjekten.
Grüße, Peter
Hallo!
„Papa potest extra ius, super ius et contra ius.“
Kann jemand mitteilen,
- von wem dieser Satz stammt (er passt in das Schema dessen,
was man den frühen Jesuiten zutraut);
wer diesen Satz in dieser oder ähnlicher Form (z.B. ‚supra ius‘ statt ‚super ius‘) als erster geäußert hat, dürfte sehr schwer (wenn überhaupt) aufzuklären sein. Bei Baldus de Ubaldis lautet der Satz übrigens „Papa est supra ius, contra ius et extra ius“. Jedenfalls findet sich das so bei Karl Julius Weber, Das Papstthum und die Päpste - leider ohne genauere Quellenangabe: http://books.google.de/books?hl=de&id=6kAQAAAAIAAJ&d…
- oder dieser Satz je Kirchenrecht gewesen ist;
Nein - aber er wurde natürlich aus dem CICan begründet, z.B.:
_De eodem.
Item Beda super Apocalipsin: „Et angelo ecclesiae Ephesi scribe.“
Episcopo scribit, de cuius manu peccata requirit subditorum, nec sine eius consilio subditos iudicare debeat.
Gratian. Sola enim Romana ecclesia sua auctoritate ualet de omnibus iudicare; de ea uero nulli iudicare permittitur.
Unde Nicolaus Papa: [ad Michaelem Inperatorem in epistola, cuius initium: „Proposueramus“]
(Gratian, Decreti pars secunda, Causa IX, Quaestio III, C. IX.)_
- gegenüber welcher Art von Recht hier der Papst „absolut“
Recht haben soll?
„omnibus iudicare“
Freundliche Grüße,
T.