Peter Singer-Euthanasie

Ich lese gerade Singers „Praktische Ethik“ und seinen Argumentationsgang, in Hinblick auf Euthanasie und Schwangerschaftsabbruch, kann ich gut nachvollziehen. Obwohl meine moralische Vorstellung dieser nicht entspricht, fällt es mir ungemein schwer Gegenargumente zu finden, geschweige seine Argumente zu kippen. Mein Ansatzpunkt wäre Singers Auffassung, dass Säuglinge und Behinderte die Eigenschaften, wie Ratinalität, Autonomie und Selbsbewusstsein nicht besitzen und dies die Tötung rechtfertigt. Aber welche Unterscheidung zwischen einem gesunden Menschen und Behinderten bzw. Säugling kann ich dann vornehmen? Oder ist es überhaupt notwendig in der Euthanasiedebatte ein Unterschied zwischen Menschen zu machen. Ist nicht schon der Grundsatz „Jeder Mensch hat ein Recht auf Leben!“ das stärkste Argument?? Die Beiträge zu Singer und Sterbehilfe im Forum habe ich bereits gelesen, aber mich nicht befriedigt. Ich freue mich über philosophische Beiträge, da mein Wissen um diese Problematik zu diskutieren, leider nicht ausreicht :wink:

Hallo

Wer entscheidet, daß jeder Mensch ein Recht auf Leben hat?

Sind nicht alle Gesetze künstlich, gewollt?

Achtet die Natur auf Menschenleben? (siehe Tsunamis)?

Greift der Mensch nicht auch willkürlich und grausam in die Abläufe der Natur ein, siehe Robbentötung in Kanada, Vogeljagd in Italien, Walfang und auch das, was nicht so im Licht der Öffentlichkeit steht?

Könnte man die Grenze zwischen Leben und Tod nicht auch auf diese Leute anwenden?

Was zählt ist allein unsere Haltung zu diesen Dingen.

Aber Rechte? Die müssen verdient, erkämpft werden.

Entschuldige, wenn ich Deine Frage nicht eindeutig beantworten konnte, - aber es gibt keine eindeutige Antwort darauf.

gruß
rolf

Hallo Janine,

ich möchte eigentlich nur darauf hinweisen, dass gerade deine letzte Frage

Ist nicht schon der Grundsatz „Jeder Mensch hat ein
Recht auf Leben!“ das stärkste Argument??

eben auch so gelesen werden kann, wie Singer sie liest, nämlich so, dass man nicht den Menschen das Recht auf Leben abspricht, sondern dass man eben davon ausgeht, dass es sich nicht um Menschen handelt, weil es hier an gewissen Strukturen mangelt, die man vorher als für das Menschsein konstitutiv definiert hat. Aus dieser Perspektive würde dein obiger Grundsatz durchaus eingehalten werden. Damit ist natürlich noch nicht gesagt, dass Singer im Recht ist. Damit ist nur gesagt, dass der von dir genannte Grundsatz zur Widerlegung Singers nicht ausreicht und man also andere Argumentationen verfolgen muss, wenn man Singer widerlegen möchte.

Freilich gibt es dann (mindestens) zwei Möglichkeiten: Entweder man zieht sich auf eine gefühlsbezogene Begründung zurück oder man versucht, Singers Argumentation zu widerlegen. Hierzu gibt es einige Möglichkeiten, die aber alle noch nicht ausdiskutiert sind. Man könnte etwa einen wertebezogenen Ansatz entgegenstellen oder Singers Utilitarismus für inakzeptabel erklären. Oder man kann die Definition des Menschen erweitern (und müsste dann unter Umständen so weit gehen, dass man Menschenaffen einschließt oder gleich eine Tierethik anschließt, wie dies Singer ja auch zum Teil macht).

Dein Unbehagen ist jedenfalls ein Zeichen dafür, dass Singer eine wichtige Problematik in der Begründung ethischer Theorien aufgezeigt hat, die in den von mir eben dargelegten Punkten nur in den ersten Ansätzen aufgezeigt ist. Die Schwierigkeiten gehen aber viel weiter darüber hinaus, etwa in der Frage, ob ethische Theorien interessebezogen oder gar interessegeleitet sein können oder gar müssen, um akzeptabel zu sein. Und was heißt schon akzeptabel? Für wen denn akzeptabel?

Alle diese Probleme sind im Moment nicht endgültig gelöst, vielleicht auch gar nicht lösbar. Vielleicht aber geben dir meine Hinweise einige Denkanstöße, mit denen du deine eigene Abneigung gegen Singer besser in den Griff bekommst.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Hallo,

weil ich zufällig gerade darüber gestolpert bin, und weil mir das gesamte Thema ziemlich nahe geht, ein Zitat, wie man früher über den Umgang mit Menschen, denen „es hier an gewissen Strukturen
mangelt“ dachte, passend zu Singer und dem Fall Terry Schiavo:

„Die Anstalten, die der Idiotenpflege dienen, werden anderen Zwecken entzogen; soweit es sich um Privatanstalten handelt, muß die Verzinsung berechnet werden; ein Pflegepersonal von vielen tausend Köpfen wird für diese gänzlich unfruchtbare Aufgabe festgelegt und fordernder Arbeit entzogen; es ist eine peinliche Vorstellung, daß ganze Generationen von Pflegern neben diesen leeren Menschhülsen dahinaltern, von denen nicht wenige 70 Jahre und älter werden. Die Frage, ob der für diese Kategorien von Ballastexistenzen notwendige Aufwand nach allen Richtungen hin gerechtfertigt sei, war in den verflossenen Zeiten des Wohlstandes nicht dringend; jetzt ist es anders geworden, und wir müssen uns ernstlich mit ihr beschäftigen."

Binding, K.; Hoche, A.: Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens. Ihr Maß und ihre Form (1920). 2. Auflage Leipzig 1922, Seite 55f, zitiert nach: Schott, H.: Medizingeschichten: Euthanasie „Ballastexistenzen“, in: Dtsch. Ärzteblatt 2005, S. B703

Gruß

Tahere

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Hi Tahere,

„Die Anstalten, die der Idiotenpflege dienen, werden anderen
Zwecken entzogen;…"

Mir schoss beim Lesen des Zitats sofort in den Sinn, dass auch das Auslegen von Tretminen nicht in erster Linie Leute töten soll, sondern den Sinn hat, Leute zu verstümmeln, um möglichst viel Personal zu binden.

Zum Ausgangsposting:
Ich denke, mit einer solchen Kosten-Nutzen-Herangehensweise an Menschen kommt man überhaupt nicht weiter. Sie ist m.E. außerdem Ausdruck einer antisozialen Grundhaltung.

Wie eingangs sehr richtig gefragt wurde: Wo sind denn die Grenzen von nützlich und unnütz zu ziehen?(Und nützlich für wen?)
Zieht man sie bei den Behinderten, dann kann man sie im nächsten Schritt auch bei den Alten ziehen, bei Schwererziehbaren oder Straftätern, bei Unproduktiven jedweden Formats z.B. bei Leuten, die in ihrer Leistung nachlassen, Leute, die öfters krank sind, Frauen, die eine bestimmte Anzahl von Kindern überschreiten und deshalb öfter ausfallen, warum nicht auch bei Säuglingen? Diese Logik lässt sich weiterführen ad infinitum. Eine Grenzziehung ist dieser Logik folgend immer fragwürdig.

Diese Logik zieht außerdem eine Veränderung von Gesellschaft und damit auch der Kriterien von Produktivität überhaupt nicht in Betracht, denn während z.B. in einer bäuerlichen Kultur die Geisteswissenschaftler nur Kosten verursachen und wenig produktiv sind, verhält es sich in einer Gesellschaft wie der Bundesrepublik fast umgekehrt.

Antisozial ist eine solche Haltung insofern, als es einer solchen Gesellschaft darum geht, bestimmte Menschen, die einer gewissen Norm entsprechen, zu erhalten, während allen anderen das Lebensrecht abgesprochen wird. Dies ist elitär und widerspricht Vorstellungen von Gesellschaft als einer sozialen Gemeinschaft, in der die Defizite einiger Personen durch die Kapazitäten anderer ausgeglichen werden und in der Menschen für Andere eintreten ohne auf direkte Verwertbarkeit zu achten.

Und selbst die Nazis, die das Ausmerzprinzip ja ziemlich konsequent umgesetzt haben (und damit sehr plastisch präsentierten, was eine solche Haltung für Konsequenzen hat…), betrieben gleichzeitig eine soziale Fürsorge für ihre eigenen Leute.

Irgendwie ist die Singersche Logik so eine Art Fortsetzung der protestantischen Ethik mit anderen Mitteln. Eklig!

Liebe Grüße
Burkhard

Hallo Tahere,

weil mir das gesamte Thema ziemlich nahe geht

wenn mir etwas sehr nahe geht, halte ich mich mit einem Urteil automatisch zurück, weil ich dann nämlich immer in der Gefahr bin, irrational zu urteilen. Das ist zwar nicht notwendig so, aber die Gefahr besteht.

passend zu Singer und dem Fall Terry Schiavo:

Diese beiden Dinge sind nicht vergleichbar, weil es ja in beiden Fällen nicht um Vernichtung unwerten Lebens geht. Man könnte aber der Meinung sein, dass es bei Singer darum ginge. Wollte man diese Meinung vertreten, dann ist seine Argumentation aber immer noch nicht vergleichbar mit dem Fall Schiavo, denn hier hat es ja - soweit ich weiß - eine Erklärung der Patientin vorher gegeben, und die Umstände sind überhaupt so, dass es hier nicht um den Wert des Lebens geht, sondern um Leidensminderung. Die Frage ist nur, ob unsere Urteile über diese besondere Situation angemessen sind.

Was Singer angeht, so halte ich seine Theorie auch nicht für richtig (nur, um Missverständnissen vorzubeugen), aber ich denke, dass man seine Theorie nicht dadurch bekämpfen darf, dass man seiner scheinbaren Rationalität eine entsprechende Irrationalität in Form einer Gefühlsbegründung oder einer Analogisierung gegenüberstellt. Vielmehr muss man die Schwächen seiner Argumentation aufzeigen. Diese Schwächen liegen in den seiner Theorie zugrundeliegenden Prämissen und Methoden.

Ich weiß nicht, ob dir die Reaktionen bekannt sind, die bei Erscheinen des Buches in Deutschland auftraten. Singer wurde mundtot gemacht, indem man in nicht zu Wort kommen ließ, es wurde mit Trillerpfeifen gearbeitet und mit Drohungen. Solche Reaktionen sind aber genausowenig zu rechtfertigen wie Euthanasieforderungen für Geisteskranke oder Behinderte. Gerade aus diesem Grund ist eine rationale Auseinandersetzung mit den Thesen Singers unverzichtbar.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Hallo Thomas,

das fordert mich logischerweise wieder aus dem Hintergrund heraus.

Schiavo, denn hier hat es ja - soweit ich weiß - eine
Erklärung der Patientin vorher gegeben,

Ich meine, daß man eine Erklärung, die jemand einmal abgegeben hat, ohne die Situation der eigenen Betroffenheit noch zu kennen, nicht als die gleiche Willenserklärung betrachten darf, die er dann in der Situation der eigenen Betroffenheit hat.

Der Fall stellt sich für mich so dar, daß sich hier ein Mensch in einer vergleichbaren Situation befindet wie z.B. jemand, bei dem die Narkose zwar zur Lähmung der Körperfunktionen geführt hat, während er selber aber hell wach das gesamte Geschehen mit bekommt, sich wegen der „Lähmung“ aber nur nicht mehr selber ausdrücken kann.

Wenn die eigene Willensäußerung dann aufgrund dieser oder ähnlicher Umstände nicht mehr möglich ist, kann trotzdem aber die in dieser Situation authentische Willensäußerung des Betroffenen durch einen anderen Menschen vorgebracht werden.
Mir ist klar, daß dafür nun eine Begriffseinbringung erforderlich ist, die nichts unmittelbar Verstehbares ausdrückt. Trotzdem öffnet der Begriff zumindest einen bisher in diesem Zusammenhang noch nicht betrachteten Gesichtspunkt:
Der authentische Wille eines (so) betroffenen Menschen kann nämlich durch einen solchen anderen Menschen ausgedrückt werden, der ihn „liebt“!

Sämtliche, von anderen Menschen getroffenen Beurteilungen oder Interpretationen der Situation stimmen nicht mit dem Willen des/der Betroffenen überein.

Ich mußte dazu einfach wieder meinen Mund aufmachen.

Grüße
Gert

Hallo,

wenn mir etwas sehr nahe geht, halte ich mich mit einem Urteil
automatisch zurück, weil ich dann nämlich immer in der Gefahr
bin, irrational zu urteilen. Das ist zwar nicht notwendig so,
aber die Gefahr besteht.

wenn mir etwas nahe geht, thematisiere ich es für mich und spreche es auch oft anderen gegenüber aus, auch wenn ich dann natürlich angreifbar werde und manchmal auch eins übergebraten bekomme. Das muß an innerer Distanzierung wohl reichen, oder?

Diese beiden Dinge sind nicht vergleichbar, weil es ja in
beiden Fällen nicht um Vernichtung unwerten Lebens geht.

Es sind meines Erachtens die Grenzverschiebungen, die die Gemeinsamkeit bilden. Die Holländer waren die Vorreiter bei der Sterbehilfe, heute töten sie behinderte Neugeborene. In Deutschland hinkt man noch etwas hinterher. Es geht doch um den Wert des Lebens, auch wenn bestimmte Strukturen fehlen oder verloren gegangen sind. Da sehe ich einen sehr starken Zusammenhang zwischen Sterbehilfe, Euthanasie, Ausmerzen lebensunwerten Lebens.

Ich weiß nicht, ob dir die Reaktionen bekannt sind, die bei
Erscheinen des Buches in Deutschland auftraten. Singer wurde
mundtot gemacht, indem man in nicht zu Wort kommen ließ, es
wurde mit Trillerpfeifen gearbeitet und mit Drohungen. Solche
Reaktionen sind aber genausowenig zu rechtfertigen wie
Euthanasieforderungen für Geisteskranke oder Behinderte.
Gerade aus diesem Grund ist eine rationale
Auseinandersetzung mit den Thesen Singers unverzichtbar.

Sind mir bekannt, das passierte ja gerade an der FU, an der auch ich studiere, wenn auch noch vor meiner Studienzeit.

Gruß

Tahere

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Dein Einwand
Hallo Gert,

Ich meine, daß man eine Erklärung, die jemand einmal abgegeben
hat, ohne die Situation der eigenen Betroffenheit noch zu
kennen, nicht als die gleiche Willenserklärung betrachten
darf, die er dann in der Situation der eigenen Betroffenheit
hat.

ich stimme dir völlig zu, aber man muss die Erklärung zur Differenzierung gegenüber völlig anderen Situationen trotzdem heranziehen.

Der Fall stellt sich für mich so dar, daß sich hier ein Mensch
in einer vergleichbaren Situation befindet wie z.B. jemand,
bei dem die Narkose zwar zur Lähmung der Körperfunktionen
geführt hat, während er selber aber hell wach das gesamte
Geschehen mit bekommt, sich wegen der „Lähmung“ aber nur nicht
mehr selber ausdrücken kann.

Ja, das ist möglich und wäre auch aus meiner Sicht zu berücksichtigen.

Der authentische Wille eines (so) betroffenen Menschen kann
nämlich durch einen solchen anderen Menschen ausgedrückt
werden, der ihn „liebt“!

Das nützt ja leider nichts, denn derjenige weiß ja nicht, wie der Betroffene denkt. Er wird also seine eigene Präferenz als die Präferenz des Betroffenen ausgeben, aber ob er damit dessen Präferenz trifft, bleibt fraglich. Auch Liebe kann töten, wenn ich das einmal so ausdrücken darf. Das gilt nicht nur für übertriebene Liebe, sondern auch für diesen Fall, wo ja nicht klar ist, was nun aus Betroffenensicht für den Betroffenen am besten ist.

Ich mußte dazu einfach wieder meinen Mund aufmachen.

Niemand verbietet dir, dich zu äußern oder auch etwas zu kritisieren. Nur du selbst solltest der Kritik von anderen gegenüber offen bleiben, und du darfst nicht erwarten, dass andere deine Argumente entwickeln. Das war der Streitpunkt, an dem du dich zurückgezogen hattest.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Hallo,

Eine Grenzziehung ist dieser Logik
folgend immer fragwürdig.

genau das ist meine zentrale Kritik an jeder Form der aktiven oder passiven Sterbehilfe. Erst töten wir (bzw. lassen einfach sterben) die eindeutigen Fälle, dann die fast eindeutigen, dann die nicht mehr ganz so eindeutigen Fälle, siehe Holland.

Antisozial ist eine solche Haltung insofern, als es einer
solchen Gesellschaft darum geht, bestimmte Menschen, die einer
gewissen Norm entsprechen, zu erhalten, während allen anderen
das Lebensrecht abgesprochen wird.

Aus psychiatrischer Sicht könnte man das so fassen, andere Menschen werden nur und ausschließlich nach einem abstraken Nützlichkeitsprinzip beurteilt, es fehlt jegliche Empathie.

Und selbst die Nazis, die das Ausmerzprinzip ja ziemlich
konsequent umgesetzt haben (und damit sehr plastisch
präsentierten, was eine solche Haltung für Konsequenzen
hat…), betrieben gleichzeitig eine soziale Fürsorge für
ihre eigenen Leute.

das waren Vordenker der nationalsozialistischen Euthanasie, die ich da zitiert habe.

Gruß

Tahere

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Hallo Tahere,

wenn mir etwas nahe geht, thematisiere ich es für mich und
spreche es auch oft anderen gegenüber aus, auch wenn ich dann
natürlich angreifbar werde und manchmal auch eins übergebraten
bekomme. Das muß an innerer Distanzierung wohl reichen, oder?

wenn du das „Überbraten“ nicht persönlich, sondern sachlich verstehst, sehe ich da kein Problem. Man neigt nur häufig dazu, Kritik in solchen Fällen auf die eigene Person zu beziehen, auch wenn die Kritik ganz sachlich gemeint war.

Es sind meines Erachtens die Grenzverschiebungen, die die
Gemeinsamkeit bilden.

Das ist ein interessantes Argument.

Die Holländer waren die Vorreiter bei
der Sterbehilfe, heute töten sie behinderte Neugeborene.

Ist das so? Ich bin da nicht auf dem letzten Stand. Kann ich das irgendwo nachlesen?

In Deutschland hinkt man noch etwas hinterher. Es geht doch um
den Wert des Lebens, auch wenn bestimmte Strukturen fehlen
oder verloren gegangen sind. Da sehe ich einen sehr starken
Zusammenhang zwischen Sterbehilfe, Euthanasie, Ausmerzen
lebensunwerten Lebens.

Hier formulierst du etwas zynisch, und eigentlich argumentierst du auch nicht, sondern artikulierst dein Unbehagen, indem du Zusammenhänge, die unter gewissen Umständen durchaus bestehen, für allgemeingültig erklärst. Wichtig für eine Argumentation wäre aber gerade genau das Gegenteil, nämlich die Differenzierung der Begriffe.
Nur so kann man philosophische Fragestellungen angemessen beantworten.

Sind mir bekannt, das passierte ja gerade an der FU, an der
auch ich studiere, wenn auch noch vor meiner Studienzeit.

Leider schreibst du nicht dazu, wie du zu diesen Mechanismen stehst. Hältst du eine solche Reaktion für angemessen? Und wenn, warum?

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Lieben Dank für die Diskussionsbeiträge, besonders an Thomas Miller, der mir einige neue Gedankenwege eröffnet hat. Zu dem aktuellen Fall Terry möchte ich sagen, dass ja immer noch ein Unterschied zwischen „Sterben lassen“ und „Töten“ besteht. Wenn ich richtig informiert bin, dann werden bei Terry die lebenserhaltenden Maßnahmen ausgeschaltet, was moralisch zwar umstritten ist, aber vom Gesetz nicht ausdrücklich verboten ist. Dies steht aber im Gegensatz zur aktiven Euthanasie, wobei Singer auch vom „Töten“ spricht. Und nocheinmal zur Singers Argumentation, also sieht Singer Behinderte und Säuglinge nicht als Menschen an???Nur weil er ihnen die Kriterien, wie Autonomie, Bewusstsein abspricht? Aber kann ich nicht auch sagen, dass wir alle, auch Behinderte, Menschen sind, weil wir zur Spezie Homo sapiens gehören. Singer bezeichnet dies als Speziezismus, aber eben genau dies, kann doch meine Argumentationsvorraussetzung sein.?!

Hallo Thomas,

Der authentische Wille eines (so) betroffenen Menschen kann
nämlich durch einen solchen anderen Menschen ausgedrückt
werden, der ihn „liebt“!

Das nützt ja leider nichts, denn derjenige weiß ja nicht, wie
der Betroffene denkt.

Auch auf das Risiko hin, möglicherweise wieder „oberlehrerhaft“ falsch interpretiert zu werden, muß ich hier wieder auf das Dilemma der Begriffe hinweisen.
Genau deshalb habe ich den Begriff ja auch unter Anführungsstriche gestellt, weil es ja offensichtlich ist, daß das Wesen (Einstellung, Verhaltensformen, wenn Du so willst) im Zusammenhang mit diesem Begriff nicht wirklich verstanden wird.
Würde aber der an sich banale Hintergrund (ist ja nichts Exaltiertes, also dramatisch „überhöhtes Getue“ u.ä.) auch als das richtig verstanden, was damit gemeint ist, würde auch subjektiv erfaßbar, daß man dann sehr wohl weiß, wie der andere denkt und was er will.
Das ist die Crux in diesem Zusammenhang.

Warum aber diese Verständnisproblematik mit den sprachlichen Begriffen überhaupt besteht, war ja der eigentliche seinerzeitige Diskussionsansatz von mir. Die ist nämlich „nur“ die Folge einer erziehungsbedingten Wahrnehmungsveränderung und nicht irgend was „Mystisches“ oder sonst wie „Unerklärbares“.
Aber damit fange ich jetzt nicht noch einmal an, keine „Angst“.

Er wird also seine eigene Präferenz als
die Präferenz des Betroffenen ausgeben, aber ob er damit
dessen Präferenz trifft, bleibt fraglich.

Dann eben nicht, wenn das eigentliche Wesen dessen, was mit dem Begriff eineindeutig zu verstehen wäre, auch wirklich allgemein gleich verstanden werden könnte.
Was aber ganz offensichtlich eben nicht der Fall ist.

Auch Liebe kann
töten, wenn ich das einmal so ausdrücken darf.

Dann dürftest Du mit dem Begriff etwas ganz anderes meinen.
Vielleicht meinst Du dabei eher „Macht“ („Besitzdenken“ o.ä.) in Bezug auf einen anderen Menschen.
Das kann natürlich töten.
Nur ist der Begriff „Liebe“ dann eigentlich ungeeignet, in einem solchen Zusammenhang verwendet zu werden, meinst Du nicht?

Grüß
Gert

Hallo,

kann es sein, das du versuchst, väterlich-pädagogisch auf mich einzuwirken? :smile:

wenn du das „Überbraten“ nicht persönlich, sondern sachlich
verstehst, sehe ich da kein Problem. Man neigt nur häufig
dazu, Kritik in solchen Fällen auf die eigene Person zu
beziehen, auch wenn die Kritik ganz sachlich gemeint war.

Ich kann doch meistens entscheiden, ob auf der Sachebene oder der Beziehungsebene oder auf beiden zugleich gestritten wird, keine Sorge.

Die Holländer waren die Vorreiter bei
der Sterbehilfe, heute töten sie behinderte Neugeborene.

Ist das so? Ich bin da nicht auf dem letzten Stand. Kann ich
das irgendwo nachlesen?

In anspruchsvollen Tages- und Wochenzeitungen und -zeitschriften wird über solche Dinge auch berichtet, gelegentliche nicht nur zielgerichtete Lektüre ist da hilfreich.

Aber ich will ja mal nicht so sein, ich mach mir die Mühe und such dir einen Onlinelink heraus. Z.B. im Onlineangebot der Zeit kannst du etwas nachlesen:

http://zeus.zeit.de/text/2005/06/M-Sterbehilfe_Kinder

Hier formulierst du etwas zynisch, und eigentlich
argumentierst du auch nicht, sondern artikulierst dein
Unbehagen, indem du Zusammenhänge, die unter gewissen
Umständen durchaus bestehen, für allgemeingültig erklärst.
Wichtig für eine Argumentation wäre aber gerade genau das
Gegenteil, nämlich die Differenzierung der Begriffe.
Nur so kann man philosophische Fragestellungen angemessen
beantworten.

Polemik, Überspitzung, Pointierung, das sind durchaus zulässige Mittel der Diskussion, so denke ich jedenfalls, solange es sich nicht darin erschöpft. Zynismus ist aber etwas anderes, Herr Philosoph, das ist eine ehrfurchtslose, alle Sitten verachtende Lebenshaltung (vgl. z.B. im Schischkoff oder jedem anderen Standardnachschlagewerk). Zynisch ist wohl eher, wer bei einer Diskussion rein auf die Form achtet, ohne ein echtes Interesse an den Inhalten zu haben (mal so als laienhafte Erklärung, denn in philosophischen Dingen bin ich Laie). Wie war das mit der Differenzierung der Begriffe?

Leider schreibst du nicht dazu, wie du zu diesen Mechanismen
stehst. Hältst du eine solche Reaktion für angemessen? Und
wenn, warum?

Die Meinungsfreiheit und die Diskussions- und Streitkultur der deutschen Linksintellektuellen schienen mir nicht Thema zu sein, oder?

Ich persönlich benötige keine Trillerpfeife. Ich kann mich auch ohne solche Mittel artikulieren. Das in Deutschland viele jedoch sehr strikt darauf achten, dass Forderungen nach einer Neubewertung von Euthanasie kein Diskussionsforum finden, kann ich irgendwo nachvollziehen. Die Beißreflexe dabei wirken allerdings manchmal etwas kindisch.

Habe ich jetzt alle deine themenfremden Fragen ausführlich genug beantwortet? :smile:

Gruß

Tahere

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Hi Thomas

Sind mir bekannt, das passierte ja gerade an der FU, an der
auch ich studiere, wenn auch noch vor meiner Studienzeit.

Leider schreibst du nicht dazu, wie du zu diesen Mechanismen
stehst. Hältst du eine solche Reaktion für angemessen? Und
wenn, warum?

zwar war Tahere mit Deiner Frage gemeint, aber ich kann mir eine Antwort doch nicht verkneifen. M.E. kann man Singer und seine Thesen nicht unabhängig vom Gesamtdiskurs betrachten und diskutieren. Wenn ich mich recht erinnere, dann kam er mit seinen Thesen zu einer Zeit auf den Markt, als es hier in Deutschland starke Bestrebungen von konservativer Seite gab, den Diskurs nach rechts zu bewegen. (Stichwort Historikerstreit)

Singers Thesen können in Deutschland nicht getrennt von den Erfahrungen der Nazipraxis diskutiert werden. Und einem Singer eine öffentliche Plattform zu gewähren heißt auch, dem konservativen Diskurs Territorium zuzubilligen. Von daher ist ein Protest m.E. gerechtfertigt, auch wenn Du recht damit hast, dass man sich ernsthaft mit solchen Theorien auseinandersetzen muss. Die Frage ist halt, in welchem Rahmen findet dies statt und welchen Kräften dient es.

Liebe Grüße
Burkhard

Hallo,

kann es sein, das du versuchst, väterlich-pädagogisch auf mich
einzuwirken? :smile:

kann es sein, dass du Kritik so erlebst? :smile:
Nein, ganz im Gegenteil, ich bemühe mich darum, dir etwas Selbstkritik zu ermöglichen. Zwar hatte ich anfangs, als ich deine Postings las, den Eindruck, dass du in deinem Urteil recht vorsichtig bist, aber nun ist dieser Eindruck - sagen wir mal - etwas verblasst.

Ich kann doch meistens entscheiden, ob auf der Sachebene oder
der Beziehungsebene oder auf beiden zugleich gestritten wird,
keine Sorge.

Ich habe einen anderen Eindruck, den ich auch begründen kann. Denn immer, wenn ich versuche, dir ein sachliches Argument zu bringen, nimmst du die Kritik persönlich. Und da ich nicht vermute, dass du das absichtlich machst, geschieht es wohl, ohne dass du es willst.

In anspruchsvollen Tages- und Wochenzeitungen und
-zeitschriften wird über solche Dinge auch berichtet,
gelegentliche nicht nur zielgerichtete Lektüre ist da
hilfreich.

Hier ist so ein Beispiel, wo du mir einfach unterstellst, ich würde nur zielgerichtet lesen. Es ist richtig, dass ich seit einiger Zeit keine Tages- und Wochenzeitungen lesen kann, ganz egal übrigens, ob anspruchsvoll oder nicht. Früher habe ich mehrere Zeitungen am Tag gelesen, heute muss ich darauf wegen einer Allergie verzichten, muss aber auch sagen, dass ich die Lektüre nicht sonderlich vermisse. Ich habe übrigens auch keine Probleme damit zuzugeben, dass ich bestimmte Dinge oder Fakten nicht kenne. Aber wenn ich darauf aufmerksam gemacht werde, dann erkundige ich mich schon danach, wie jetzt zum Beispiel bei dir nach deiner Quelle.

http://zeus.zeit.de/text/2005/06/M-Sterbehilfe_Kinder

Ich überlese die kleine Unverschämtheit im Satz vorher einfach und bedanke mich bei dir für den Link, den ich mir gleich nachdem ich fertig geschrieben habe, ansehen werde.

Polemik, Überspitzung, Pointierung, das sind durchaus
zulässige Mittel der Diskussion, so denke ich jedenfalls,
solange es sich nicht darin erschöpft.

Im Moment scheinen sich deine Diskussionsmittel aber eher darin zu erschöpfen als meine. Denn einen solchen Satz:

Zynismus ist aber etwas
anderes, Herr Philosoph, das ist eine ehrfurchtslose, alle
Sitten verachtende Lebenshaltung (vgl. z.B. im Schischkoff
oder jedem anderen Standardnachschlagewerk).

kann man nur schreiben, wenn man sein philosophisches Wissen aus Lexika bezieht (zudem aus schlechten, aber das ist natürlich dir nicht anzulasten, da es in diesem Preisspektrum kaum bessere gibt). Man muss nämlich - und nicht erst seit Sloterdijk - zwischen dem K ynismus und dem aus ihm sich entwickelnden Z ynismus unterscheiden. Aber ich will das nicht vertiefen, damit es nicht wieder altväterlich wirkt.

Zynisch ist wohl
eher, wer bei einer Diskussion rein auf die Form achtet, ohne
ein echtes Interesse an den Inhalten zu haben (mal so als
laienhafte Erklärung, denn in philosophischen Dingen bin ich
Laie).

Nein, das ist ganz und gar nicht zynisch, sondern richtig, denn wenn ich Herrn Singer, der zwar nicht Recht hat, aber wichtige Argumente vorträgt, nicht reden lasse, begehe ich genau so eine Handlung, wie ich sie an den Nazis verabscheue. Die Demokratie muss solche Meinungen ertragen können.

Wie war das mit der Differenzierung der Begriffe?

Ich verweise für eine Antwort auf meine obigen Absatz, wenn du erlaubst.

Die Meinungsfreiheit und die Diskussions- und Streitkultur der
deutschen Linksintellektuellen schienen mir nicht Thema zu
sein, oder?

Es ist insofern Thema, als du diese politisch wichtigen Grundlagen in bestimmten Fällen für entbehrlich zu halten scheinst. Ich stimme dir dabei sogar zu, wenn es um Leute geht, die selbst diese Grundlagen missachten. Hier aber geht es um eine wenn auch nicht richtige (ich sage es noch einmal), so doch interessante und auch für die Gegner der Theorie fruchtbare Auseinandersetzung. Die darf nicht aufgrund von Gefühlen verschmähen oder gar verhindern. Das hat übrigens mit Linksintellektuellen wenig zu tun, aber ich möchte auch das eigentlich nicht vertiefen.

Ich persönlich benötige keine Trillerpfeife. Ich kann mich
auch ohne solche Mittel artikulieren.

Das freut mich. :smile:

Das in Deutschland viele
jedoch sehr strikt darauf achten, dass Forderungen nach einer
Neubewertung von Euthanasie kein Diskussionsforum finden, kann
ich irgendwo nachvollziehen.

Ja, das ist auch gut so, dass es eine „Neubewertung“ (eigentlich ist es ja keine, sondern eher der Rückgriff auf die alte Bewertung) der Euthanasie nicht Fuß fassen kann, und dass man das zu verhindern sucht. Aber gerade im Fall von Singer wird hier des „Guten“ zuviel getan, denn Singer ist überhaupt kein Neonazi. Die, die das behaupten, haben nach meiner Erfahrung sein Buch nicht gelesen oder wenn sie es gelesen haben, dann haben sie es falsch gelesen, indem sie ihre Gefühle verletzt sahen und nicht mehr auf die Argumente geachtet haben. Wenn du deinen Satz:

Die Beißreflexe dabei wirken allerdings manchmal etwas kindisch.

so verstehst, dass die Kritik an Singer zwar „irgendwo“ (deine Worte!) berechtigte Ängste wachruft, die aufgrund mangelnder Reflexionsfertigkeit gleich so ausgeschlachtet werden, dass man da jemanden hat, den man als Sündenbock dafür nimmt, dass man andere weitaus gefährlichere (weil nicht-denkende) Leute nicht in den Griff bekommt, dann könnte ich dieser Charakterisierung als kindischen Beißreflex durchaus zustimmen. Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich meine hier z. B. solche Leute wie Frey.

Habe ich jetzt alle deine themenfremden Fragen ausführlich
genug beantwortet? :smile:

Ich kann nicht sagen, dass ich zufrieden bin. Dein Ton missfällt mir zunehmend, meiner dir vermutlich auch. Allerdings bin ich nicht der Auffassung, dass meine Fragen themenfremd waren, wie ja auch das neue Posting der Fragerin oben zumindest nahelegt. Ich bemühe mich, dir nicht zu heftig zu widersprechen, aber es ist mir vermutlich wieder nicht gelungen, nicht altväterlich zu wirken. Gleichwohl habe ich nicht die Absicht, hier nachzugeben nur um des lieben Friedens willen. Denn ich halte einige von deinen Ansichten hier nicht nur für nicht philosophisch (das wäre ja durchaus verständlich angesichts deiner Profession), sondern auch für gefährlich, weil sie die einzig richtige Art, mit solchen Fragen umzugehen, untergräbt. Der Widerspruch ist mir so wichtig, dass ich es in Kauf nehme, erneut von dir implizit oder explizit beschimpft zu werden. Aber ich würde mich schon freuen, wenn wir ganz normal diskutieren könnten.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

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Hallo Burkhard,

ich kann mir eine Antwort doch nicht verkneifen.

ist doch nicht wirklich ein Problem, oder?

M.E. kann man Singer und
seine Thesen nicht unabhängig vom Gesamtdiskurs betrachten und
diskutieren. Wenn ich mich recht erinnere, dann kam er mit
seinen Thesen zu einer Zeit auf den Markt, als es hier in
Deutschland starke Bestrebungen von konservativer Seite gab,
den Diskurs nach rechts zu bewegen. (Stichwort
Historikerstreit)

Da stimme ich grundsätzlich zu, möchte aber einwenden, dass es nicht die Aufgabe sein kann, hier der Undifferenziertheit des Gesamtdiskurses nachzugeben.

Singers Thesen können in Deutschland nicht getrennt von
den Erfahrungen der Nazipraxis diskutiert werden.

Hier wieder spreche ich, denn seine Thesen können nicht nur so diskutiert werden, sondern sie müssen so diskutiert werden, weil man im gegenteiligen Fall nicht die Thesen diskutiert, sondern nur das Bild, dass man von diesen Thesen hat. Wer die „Praktische Ethik“ oder andere Werke von Singer liest, kann überhaupt nicht zu dem Urteil kommen, dass es sich hier um Nazi-Gedanken handelt. Voraussetzung ist freilich, dass er (oder sie) das Buch vorurteilsfrei liest. Dass das schwierig ist, kann ich mir durchaus vorstellen, aber nur so kann man das Buch richtig lesen.

Und einem Singer eine öffentliche Plattform zu gewähren heißt auch,
dem konservativen Diskurs Territorium zuzubilligen.

Mir scheint es etwas seltsam, hier von „konservativ“ zu sprechen, aber egal, ich weiß ja, was du meinst. Aber ich möchte aus einem anderen Grund widersprechen. Singers Thesen sind überhaupt nicht geeignet für eine öffentliche Plattform, sofern man sie nicht falsch interpretiert. Von denen, die Trillerpfeifen geschwungen haben, hat kaum einer das Buch gelesen, sondern höchstens aus zweiter oder dritter Hand davon erfahren, was darin stehen soll. Ferner halte ich es für verfehlt, hier von der Überlassung von Territorium zu sprechen, denn es handelt sich ja gerade nicht um Krieg, sondern um Diskussion. Wenn man aber die Diskussionsgrundlage entzieht, setzt man sich selbst ins Unrecht.

Von daher ist ein Protest m. E. gerechtfertigt, auch wenn Du recht
damit hast, dass man sich ernsthaft mit solchen Theorien
auseinandersetzen muss. Die Frage ist halt, in welchem Rahmen
findet dies statt und welchen Kräften dient es.

Ich denke, es ist besser, das solche Thesen wie die von Singer an Universitäten diskutiert werden als auf der Straße. Genau das aber war damals der Fall und ist es eben auch heute noch. Von der akademischen Diskussion, die es gab und auch noch gibt, nimmt kaum einer der Pfeifer Notiz, schon aufgrund mangelnder Fähigkeiten. Hast du denn das Buch wirklich gelesen? Ich kann das nicht richtig glauben, nach dem, was du schreibst. Aber ich denke, wir sind nicht so weit voneinander entfernt, wie es scheint. Ich denke, ein Protest muss sich auf gegen das richten, was bekämpft werden soll. Das ist hier aber leider nicht immer der Fall.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Hallo,

Nein, ganz im Gegenteil, ich bemühe mich darum, dir etwas
Selbstkritik zu ermöglichen. Zwar hatte ich anfangs, als ich
deine Postings las, den Eindruck, dass du in deinem Urteil
recht vorsichtig bist, aber nun ist dieser Eindruck - sagen
wir mal - etwas verblasst.

ich bin in meinem Urteil vor allem da vorsichtig, wo ich unsicher bin. Zu Sterbehilfe habe ich jedoch eine gefestigte Meinung.

Ich habe einen anderen Eindruck, den ich auch begründen kann.
Denn immer, wenn ich versuche, dir ein sachliches Argument zu
bringen, nimmst du die Kritik persönlich. Und da ich nicht
vermute, dass du das absichtlich machst, geschieht es wohl,
ohne dass du es willst.

Ich habe bislang von dir noch nichts persönlich genommen. Aber in diesem Posting würdest du mir Gelegenheit geben. Kann mich auch an keine nennenswerte Auseinandersetzung mit dir erinnern.

Ich überlese die kleine Unverschämtheit im Satz vorher einfach
und bedanke mich bei dir für den Link, den ich mir gleich
nachdem ich fertig geschrieben habe, ansehen werde.

Du hast sie ja nicht überlesen. In meinen jungen Jahrenm wird es mir aber wohl auch mal erlaubt sein, einem väterlich daherkommenden Herren eine freche Bemerkung zu servieren. Das Privileg der Jugend. Dein Privileg ist, das du altväterlich sein darfst. :smile:

Zynisch ist wohl
eher, wer bei einer Diskussion rein auf die Form achtet, ohne
ein echtes Interesse an den Inhalten zu haben (mal so als
laienhafte Erklärung, denn in philosophischen Dingen bin ich
Laie).

Nein, das ist ganz und gar nicht zynisch, sondern richtig,
denn wenn ich Herrn Singer, der zwar nicht Recht hat, aber
wichtige Argumente vorträgt, nicht reden lasse, begehe ich
genau so eine Handlung, wie ich sie an den Nazis verabscheue.
Die Demokratie muss solche Meinungen ertragen können.

Erst wirfst du mir Zynismus vor, dann wischst du meine Kritik lapidar beiseite, dann begründest du den mir vorgeworfenen Zynismus mit einem Mundtotmachen des Herrn Singer, danach brabbelst du irgendwas von „genau so eine Handlung, wie ich sie an den Nazis verabscheue“. Jetzt hätte ich sicher das Recht, beleidigt zu sein. Denn ich habe nicht gesagt, dass ich den Herrn Singer mundtot machen würde, ich habe es auch nicht getan und ich habe es auch nicht explizit gutgeheissen. Lediglich kann ich verstehen, dass in Deutschland aufgrund der Geschichte der Deutschen manche Leute andere Grenzen ziehen.

Aber das Differenzieren, Herr Philosoph, ist halt manchmal eine schwere Sache. Oder?

Die Meinungsfreiheit und die Diskussions- und Streitkultur der
deutschen Linksintellektuellen schienen mir nicht Thema zu
sein, oder?

Es ist insofern Thema, als du diese politisch wichtigen
Grundlagen in bestimmten Fällen für entbehrlich zu halten
scheinst.

Wie kommst du zu einer solchen Aussage? Belege es doch bitte anhand von Äußerunghen von mir. Anderenfalls würde ich dir gestatten, dich bei mir zu entschuldigen, denn deine Unterstellung ist ja doch vollständig aus der Luft gegriffen.

Ich stimme dir dabei sogar zu, wenn es um Leute
geht, die selbst diese Grundlagen missachten.

Es gibt da nichts zuzustimmen. Du hast etwas erfunden, dir ausgedacht. Ich habe keine Äußerung gemacht, wie du sie mir unterstellst.

Hier aber geht
es um eine wenn auch nicht richtige (ich sage es noch einmal),
so doch interessante und auch für die Gegner der Theorie
fruchtbare Auseinandersetzung.

Mag ja sein, ich habe mich ja auch an der Diskussion umfassend beteiligt. Im Nachrichtenbrett mit sicher etwa 10 Beiträgen und hier ja auch. Dabei habe ich niemandem den Mund verboten. Also nochmal: wo ist dein Problem dabei oder mit wem verwechselst du mich?

Das hat übrigens mit
Linksintellektuellen wenig zu tun, aber ich möchte auch das
eigentlich nicht vertiefen.

Ist ja auch ein Randaspekt, wie so manches, an dem du dich festbeißt.

Gruß

Tahere

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2 Like

Hallo Thomas,

Auch Liebe kann
töten, wenn ich das einmal so ausdrücken darf.

Dann dürftest Du mit dem Begriff etwas ganz anderes meinen.
Vielleicht meinst Du dabei eher „Macht“ („Besitzdenken“ o.ä.)
in Bezug auf einen anderen Menschen.
Das kann natürlich töten.
Nur ist der Begriff „Liebe“ dann eigentlich ungeeignet, in
einem solchen Zusammenhang verwendet zu werden, meinst Du nicht?

du kannst natürlich das Wort „Liebe“ so definieren, dass „fehlgeleitete“ oder „übertriebene“ Liebe nicht mehr als „Liebe“ bezeichnet werden sollen. Aber de facto ist es doch eher so, dass diese Liebe dann nur als eine Sonderform dessen, was man normalerweise unter Liebe versteht, erscheint.

Es ist freilich nicht so, dass es sich um ein begriffliches Problem handelt. Denn mit der beschriebenen Umdefinition ist ja das Problem des Missbrauchs nicht verschwunden („Aber ich liebe euch doch alle“).
Nun kann man natürlich sagen, dass man das nicht Liebe nennen sollte, gleichwohl muss man aber sehen, dass man damit das Problem einfach nur verschiebt. Oder willst du allen Ernstes behaupten, dass die Mutter, die ihr Kind mit Liebe erdrückt und quasi gluckenhaft beschützt, ihr Kind nicht liebt?

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Hallo Tahere,

ich bin in meinem Urteil vor allem da vorsichtig, wo ich
unsicher bin. Zu Sterbehilfe habe ich jedoch eine gefestigte
Meinung.

gut, ich denke sogar, dass wir beide hier gar nicht so weit auseinanderliegen.

In meinen jungen Jahrenm wird
es mir aber wohl auch mal erlaubt sein, einem väterlich
daherkommenden Herren eine freche Bemerkung zu servieren. Das
Privileg der Jugend. Dein Privileg ist, das du altväterlich
sein darfst. :smile:

Ich finde es gut, dass du deinen Humor über so etwas nicht verlierst. :smile:

Anderenfalls würde ich dir
gestatten, dich bei mir zu entschuldigen, denn deine
Unterstellung ist ja doch vollständig aus der Luft gegriffen.

Gerne, wenn meine Vermutungen nicht zutreffen, entschuldige ich mich gerne.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

P. S. Da ich ja auch Moderator bin, würde ich dich in dieser Funktion darum bitten, die Zitate aus den Postings, auf die du antwortest, nicht stehen zu lassen, sondern zu löschen. Dadurch wird es weniger speicherintensiv und vor allem auch übersichtlicher. Danke.