Protestantismus

Hallo Experten,
die Reformation hat ja als historischen Auslöser gravierende Missstände in der damals noch nicht gespaltenen - heute wohl entsprechend der katholischen - Kirche. Ablasshandel und was einem da so einfällt.

Dazu die Frage: Gibt es Überlegungen von Protestanten, was aus dem Protestantismus wird, wenn die katholische Kirche ihre Lektion lernt und die Missstände behebt?
Die Existenz des Papstes als solche kann es ja kaum sein, die hat Luther ja nicht angegriffen.

Hallo Experten,
die Reformation hat ja als historischen Auslöser gravierende
Missstände in der damals noch nicht gespaltenen - heute wohl
entsprechend der katholischen - Kirche. Ablasshandel und was
einem da so einfällt.

Jede kirchenspaltende Bewegung, die gläubige Leute an sich zieht, deckt zunächst etwas Wahres auf, etwas, was wirklich verbesserungsbedürftig ist, sie spricht Missstände - oder, wie es die Katholiken eher betrachten: Missverständnisse - an, die im Volk tatsächlich existieren. Darum laufen ihr die Leute hinterher. So war es auch beim Protestantismus in seinen Anfängen - in den Augen des Papstes eine „Ketzerei“ (womit nicht gesagt werden soll, dass die ganzen reformatorischen Gemeinschaften lauter Ketzertum im Kopf hätten), deckte der Protestantismus zunächst so grosse echte, real existierende Schwierigkeiten der Kirche auf, dass ihm gerade deswegen die Menschen nachliefen. Das Problem ist aber nicht der Inhalt allein, sondern die darauf basierende Spaltung.

Luther ist von der Kirche ausgeschlossen worden, weil er sich der Autorität des Papstes nicht mehr unterwerfen wollte, übrigens auch der Autorität der Konzilien nicht mehr.

Dazu die Frage: Gibt es Überlegungen von Protestanten, was aus
dem Protestantismus wird, wenn die katholische Kirche ihre
Lektion lernt und die Missstände behebt?

Diese Frage möchte ich als Katholik umgehen, da zuerst die Missstände beschrieben werden müssten, um die es geht; aber es ist zu erwähnen, dass die Missverständnisse von damals (historisch betrachtet) bis auf ein einziges ausgeräumt sind. Prominenteste Beispiele finden sich in den ökumenischen Konvergenzerklärungen gläubiger Gemeinschaften des 20. Jahrhunderts, z. B. von Lima (Anf. der 80er Jahre) oder auch seither. So gab es noch Ende der 90er Jahre wieder eine gemeinsame Erklärung von Lutheranern und Katholiken, diesmal über die Lehre von der Rechtfertigung der Seele vor Gott, die wichtige dogmatische Differenzen ausräumt - da ging es etwa darum, ob der Mensch durch seinen Glauben allein (wie Luther betonte) vor Gott gerechtfertigt wird oder auch durch seine Werke (wie die katholische Kirche lehrt).

Einziger Unterschied zwischen den Gemeinschaften bleibt in letzter Konsequenz der, dass die einen den Papst und die Autorität der (irdischen) Kirche als gottgegeben anerkennen und die anderen nicht.

Die Existenz des Papstes als solche kann es ja kaum sein, die
hat Luther ja nicht angegriffen.

Luther hat seine Autorität, insofern also auch die Existenz des Papstamtes, nicht mehr anerkannt, das ist heutzutage das einzige noch wirklich übriggebliebene dogmatische Problem zwischen Lutheranern und Katholiken. Luther glaubte, dass der Menschenverstand, Gewissensentscheid und die Heilige Schrift für Christen die ausreichenden und letzttragenden Autoritäten der Glaubenslehre sind, während die Katholiken glauben, dass sich Glaubenswissen sowohl aus der Schrift, dem Lehramt, der Überlieferung, der Wissenschaft und dem Allgemeinglauben als auch dem Gewissen und Verstand des Menschen herleitet - und sie gaben diesen Letzteren, dem Gewissen und dem Menschenverstand, im Laufe der Geschichte meist weit weniger Gewicht als die Protestanten. Deswegen ist es auch ein ökumenisch sinnvolles Zeichen, wenn Benedikt XVI. darauf hinweist, dass das menschliche Gewissen in bestimmten Augenblicken die einzige und höchste massgebende Autorität im Menschen ist, wie es Thomas von Aquin im Mittelalter bereits betonte.

(Dass Benedikt auch weniger friedliche „Zeichen“ gesetzt haben soll, mögen andere betonen, mir ist es wichtig, dass inhaltlich die Katholiken und Lutheraner sich heute bestens in der gleichen Gemeinschaft finden könnten.)
Gruss
Mike

Jede kirchenspaltende Bewegung, die gläubige Leute an sich
zieht, deckt zunächst etwas Wahres auf, etwas, was wirklich
verbesserungsbedürftig ist, sie spricht Missstände - oder, wie
es die Katholiken eher betrachten: Missverständnisse - an, die
im Volk tatsächlich existieren. Darum laufen ihr die Leute
hinterher.

Tach Mike,

da schaffst Du es aber prächtig, die verrotteten Zustände der katholischen Kirche im 14./15./16. Jhdt als „Missverständnisse“ auszugeben! Und Deine Diktion, daß die Menschen, die mit diesen verlotterten Verhältnissen nicht zufrieden waren und sie ändern wollten, Luther „nachliefen“, als sei er ein Verführer, scheint mir wenig angemessen (um es mal sehr freundlich auszudrücken.)

Das Problem ist aber nicht der Inhalt
allein, sondern die darauf basierende Spaltung.

Ah ja, gut zu wissen: Es geht nicht um die Lehre und die Wahrheit, sondern um die Einheit, und zwar die Einheit mit und die Zugehörigkeit zu der katholischen Kiche.

Luther ist von der Kirche ausgeschlossen worden, weil er sich
der Autorität des Papstes nicht mehr unterwerfen wollte,
übrigens auch der Autorität der Konzilien nicht mehr.

Das ist - tut mir Leid - historischer Blödsinn: als Luther seine 95 Thesen sn die Schloßkirche nagelte, gab es noch gar keine verbindliche Lehre der Kirche über den Ablaß. Das wurde Kardinal Cajetan im Oktober 1518, als er Luther verhörte, schmerzlich bewußt. So konnte also jeder Katholik vom Ablaß glauben und denken, was er wollte.
Also entwarf er schnell eine solche Lehre, die die bisher geübte Praxis aufnahm und rechtfertigte; diese Lehre ist dann von Leo X. senktioniert worden. Nun hatte man endlich etwas, was man Luther vorhalten konnte. Unterwarf er sich der eigens gegen ihn entworfenen Lehre nicht, dann konnte man ihn bannen. Und genau das hat die Kurie dann ja auch getan.
Dies auf den Tatbestand

sich der Autorität des Papstes nicht mehr unterwerfen

zu reduzieren, ist intellektuell doch etwas abenteuerlich.

So gab es noch Ende der 90er Jahre wieder eine
gemeinsame Erklärung von Lutheranern und Katholiken, diesmal
über die Lehre von der Rechtfertigung der Seele vor Gott, die
wichtige dogmatische Differenzen ausräumt - da ging es etwa
darum, ob der Mensch durch seinen Glauben allein (wie Luther
betonte) vor Gott gerechtfertigt wird oder auch durch seine
Werke (wie die katholische Kirche lehrt).

Diese Erklärung gab es wirklich, Gott seis geklagt!
Dazu später mehr, jetzt werde ich gerade anderweitig in Anspruch genommen.

Gruß - Rolf

Einziger Unterschied zwischen den Gemeinschaften bleibt in
letzter Konsequenz der, dass die einen den Papst und die
Autorität der (irdischen) Kirche als gottgegeben anerkennen
und die anderen nicht.

Die Existenz des Papstes als solche kann es ja kaum sein, die
hat Luther ja nicht angegriffen.

Luther hat seine Autorität, insofern also auch die Existenz
des Papstamtes, nicht mehr anerkannt, das ist heutzutage das
einzige noch wirklich übriggebliebene dogmatische Problem
zwischen Lutheranern und Katholiken. Luther glaubte, dass der
Menschenverstand, Gewissensentscheid und die Heilige Schrift
für Christen die ausreichenden und letzttragenden Autoritäten
der Glaubenslehre sind, während die Katholiken glauben, dass
sich Glaubenswissen sowohl aus der Schrift, dem Lehramt, der
Überlieferung, der Wissenschaft und dem Allgemeinglauben als
auch dem Gewissen und Verstand des Menschen herleitet - und
sie gaben diesen Letzteren, dem Gewissen und dem
Menschenverstand, im Laufe der Geschichte meist weit weniger
Gewicht als die Protestanten. Deswegen ist es auch ein
ökumenisch sinnvolles Zeichen, wenn Benedikt XVI. darauf
hinweist, dass das menschliche Gewissen in bestimmten
Augenblicken die einzige und höchste massgebende Autorität im
Menschen ist, wie es Thomas von Aquin im Mittelalter bereits
betonte.

(Dass Benedikt auch weniger friedliche „Zeichen“ gesetzt haben
soll, mögen andere betonen, mir ist es wichtig, dass
inhaltlich die Katholiken und Lutheraner sich heute bestens in
der gleichen Gemeinschaft finden könnten.)
Gruss
Mike

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HAllo,

es geht wohl wirklich weniger um den Papst an sich. Damit irgend jemanden als Oberhaupt der Kirche anzuerkennen, haben bestimmt auch Protestanten keine Probleme.
Aber dann beginnt das Ganze auch schon schwierig zu ewerden - spätestens wenn es um den päpstlichen Anspruch der Unfehlbarkeit geht und den es ja zu Luthers Zeiten noch gar nicht gab. Daß er unfehlbar ist, hat der heilige Vater ja selber erst mit ein paar Jahrhunderten Verspätung im 19. Jahrhundert gemerkt.
Zudem gibt es auch noch einige theologische Differenzen, bei denen ich mir nicht vorstellen kann, wie da ein Kompriß aussehen könnte - die Abendmahlsfrage zum Beispiel. Das spieltbzwar im praktischen Leben des Gläubigen nicht die ausschlaggebende Rolle - aber irgendwie müßten sich ja die Theologen auf eine Aussage und auf eine Lehrmeinung festlegen. GAnz zu schweigen von der Zulassung von Frauen als Priestern - da müßte der Papst noch einen sehr mächtigen Sprung tun, um eine Gemeinsamkeit zu ermöglichen.
Was soll es. So lange da in Rom ein Benedikt sitzt, der der evangelischen Kirche das recht abspricht, überhaupt eine richtige Kirche zu sein, ist an einen Zusammenschluß sowieso nicht zu denken. Denn ohne wirkliche gegenseitige Anerkennung läuft da gar nichts. Sonst müßten die protestanten ja quasi nachträglich ihren Luther verraten und reumütig in den Schoß der katholischen Kirche zurückkriechen - und das werden sie nie tun, weil dann die nächste Abspaltung schon vorgrogrammiert wäre. Es ist schließlich nicht jedermanns Sache, dem Herrn in Rom in den A… zu kriechen, da wird es mit Sicherheit Wiederstand geben.

Gernot Geyer

zu kurz gegriffen
Hallo Bernd,

Die Existenz des Papstes als solche kann es ja kaum sein, die
hat Luther ja nicht angegriffen.

Dieser Satz scheint mir arg angreifbar, angesichts dessen, dass eine Spätschrift Luthers den Titel trägt: „Wider das Papsttum vom Teufel gestiftet“ und der Inhalt dem Titel in nichts nachsteht.

Der Unterschied zwischen Protestantismus und Katholizismus beschränkt sich aber natürlich auch nicht nur auf die Anerkennung des Papsttums. Einige wenige will ich hier skizzieren:

Die vier Sola (sehr unvollkommen übersetzt durch die „vier Nurs“):
Sola scriptura : Die Inhalte des Glaubens erschließen sich nur aus der Bibel und nicht aus der Überlieferung von Kirchenvätern, Dogmen, Konzilen usw.
Sola fide : Der Gläubige kann nur durch Glauben zum Seelenheil finden, nicht durch eigene Werke.
Sola gratia : Die Gnade Gottes kann nicht verdient werden, sondern wird geschenkt.
Sola Christus : Der Zugang zu Gott erschließt sich nur über Christus, nicht über Heilige, nicht über die Gottesmutter, nicht über den Priester.

Das Verständnis des Priestertums ist fundamental anders.
Dementsprechend ist auch die Bedeutung des Abendmahls und die der Sakramente ganz anders.
Das hierarchische Verständnis von evangelischer und katholischer Kirche ist höchst unterschiedlich.
Die Bedeutung der Laien, das Frauenpriestertum, der Zölibat, usw, usf.

Natürlich sind diese Gegensätze nicht von vornherein unüberbrückbar. Natürlich ist theoretisch vorstellbar, dass evangelische und katholische Kirche sich aufeinander zubewegen, eigene Dogmen aufweichen und Kompromisse finden. Vielleicht kann sich evangelische und katholische Kirche dann irgendwann einmal treffen. Beim derzeitigen Tempo tippe ich auf das Jahr 3500.

Gruß
Hardey

Verzeih, Rolf!

als Luther seine 95 Thesen sn die Schloßkirche nagelte

Niemals hat Luther irgendwas an irgendeine Kirchntür genagelt.

Das ist eine später erfunden Geschichte, ebenso wie sein Ausspruch:
Hier stehe ich … .

Gruß Fritz

Hallo Fritz,

Verzeih, Rolf!

ich weiß ja nicht, ob Rolf verzeiht, aber ich vezeihe Dir schon, dass Du auf eine konfessionell orientierte Polemik hereingefallen bist.

als Luther seine 95 Thesen sn die Schloßkirche nagelte

Niemals hat Luther irgendwas an irgendeine Kirchntür genagelt.

Selbstverständlich hat Luther seine Thesen an das „schwarze Brett“ der Uni Wittenberg gehängt, denn dies war der völlig normale Weg, zu einer Disputation einzuladen und diese der Universtitätsöffentlichkeit zur Kenntnis zu bringen.
Letztlich behauptet, wer meint, diese Veröffentlichung bestreiten zu müssen, dass Luther schon vor dem danach entstehenden Ablassstreit gewusst hat, welch Empörung er auf der anderen Seite ernten würde.
Wie kommt es zur Bestreitung?
Zunächst ist wohl das 19.Jh. zu nennen und vor allem Bismarck (Stw. Kulturkampf), unter dem Luther zu einem deutschen Heros stilisiert wurde, der, die deutschen (faust’schen) Tugenden in sich vereinigend, tapfer gegen Rom in einer heroischen Geste einsam mit einem Hammer in der Hand seine Thesen an eine ansonsten leere Kirchentür nagelte.
Die frühestens Bestreitungen dieser ja vor allem ikonogrpahischen Darstellung stammen (logisch) von rk Seite, womit sie natürlich - in der Bestreitung des heroischen Gestus - auch recht hatten. PSeudokirchenkritische Historiker haben das dann nach den WK II aufgenommen in Bestreitung des kompletten Vorgangs, wobei nun immer noch die Frage bleibt, wie Luther denn dann seine Thesen veröffentlicht haben soll, wenn nicht auf dem normalen Weg.
Die Protestanten wiederum müssen sich vom Gestus verabschieden, denn selbstverständlich war diese Tür nicht ansonsten leer, sondern voll mit Ankündigungen für andere Disputationen.
Was bleibt, ist der Thesenanschlag. Wichtig ist (historisch) der Öffentlichkeitscharakter dieser Thesen, wobei es sich hier (wie meist in der Geschichte) um einen völlig normalen, keineswegs rebellischen o.ä. Vorgang handelt.
Aber es ist auf jeden Fall ein schönes Beispiel, wie Ideologie solide historische Forschung überdeckt.

Das ist eine später erfunden Geschichte, ebenso wie sein
Ausspruch:
Hier stehe ich … .

Mh, so spät ist das „Hier stehe ich…“ nicht,um es völlig zu bestreiten, jedenfalls sollte man hier etwas vorsichtiger sein. Es ist natürlich schön griffig, was natürlich misstrauisch stimmt.
Wenn jedoch Luther in seinem Leben mutig war, dann wohl auf diesem Reichstag (nicht beim Thesenanschlag), und dazu bedarf es wohl kaum eines, zu schön in unser heutiges Individualitätsdenken passendes „Hier stehe ich“.
Um es zu klären, hier, was Luther laut dem Protokoll im frühestens Druck wirklich gesagt hat (und was wesentlich bedeutender ist als das doch etwas egozentrische „HIer stehe ich…“):
„Wenn ich nicht durch Zeunisse der SChrift oder einsichtige Vernunftgründe widerlegt werde - denn ich glaube weder dem Papst noch den Konzilien allein, da es feststeht, dass sie öfter geirrt und suich widersprochen haben -, bin ich durch die von mir angeführten Schriftworte bezwungen. Und solange mein Gewissen in Gottes Wort gefangen ist, kann und will ich nichts widerrufen, weil es unsicher istund die Seligkeit vedroht, etwas gegen das Gewissen zu tun. Gott helfe mir. Amen.“
Diese „O-Ton“ zeigt zudem, dass Dahindens Darstellung Luthers und seiner Bewertung von Autoritäten grob falsch ist.

Grüße
Taju

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Tach Mike,

Hallo Rolf

da schaffst Du es aber prächtig, die verrotteten Zustände der
katholischen Kirche im 14./15./16. Jhdt als
„Missverständnisse“ auszugeben! Und Deine Diktion, daß die
Menschen, die mit diesen verlotterten Verhältnissen nicht
zufrieden waren und sie ändern wollten, Luther „nachliefen“,
als sei er ein Verführer, scheint mir wenig angemessen (um es
mal sehr freundlich auszudrücken.)

Dann wüsste ich auch ein paar protestantische Fehlerchen aufzuzählen, aber ist es wirklich an der Zeit, in so einem Thema Streit zu suchen?

Das Problem ist aber nicht der Inhalt
allein, sondern die darauf basierende Spaltung.

Ah ja, gut zu wissen: Es geht nicht um die Lehre und die
Wahrheit, sondern um die Einheit, und zwar die Einheit mit
und die Zugehörigkeit zu der katholischen Kiche.

Die Einheit in der Lehre der Wahrheit. Sag, was hast Du dagegen?

Luther ist von der Kirche ausgeschlossen worden, weil er sich
der Autorität des Papstes nicht mehr unterwerfen wollte,
übrigens auch der Autorität der Konzilien nicht mehr.

Das ist - tut mir Leid - historischer Blödsinn: als Luther
seine 95 Thesen sn die Schloßkirche nagelte

Das hat er nie getan! Dieser ominöse Thesenanschlag ist eine Erfindung, übermittelt von Melanchthon, um den Bruch zu erklären, den es zu jenem Zeitpunkt noch gar nicht gab!!!

gab es noch gar
keine verbindliche Lehre der Kirche über den Ablaß. Das wurde
Kardinal Cajetan im Oktober 1518, als er Luther verhörte,
schmerzlich bewußt. So konnte also jeder Katholik vom Ablaß
glauben und denken, was er wollte.

Lies Thomas von Aquin, De Indulgentia. Natürlich gehörte das nicht zum Glaubensbekenntnis, oder habe ich das je behauptet? Trotzdem ist es kirchliche Lehre geworden und vom Tridentinum abgesegnet; es gilt auch im allgemeinen als zulässige Erklärung der kirchlichen Sicht, wenn auch nicht als verbindliches Glaubensgut.

Also entwarf er schnell eine solche Lehre, die die bisher
geübte Praxis aufnahm und rechtfertigte; diese Lehre ist dann
von Leo X. senktioniert worden. Nun hatte man endlich etwas,
was man Luther vorhalten konnte. Unterwarf er sich der eigens
gegen ihn entworfenen Lehre nicht, dann konnte man ihn bannen.
Und genau das hat die Kurie dann ja auch getan.
Dies auf den Tatbestand

sich der Autorität des Papstes nicht mehr unterwerfen

zu reduzieren, ist intellektuell doch etwas abenteuerlich.

Dann schau Dir die Abfolge der geschichtlichen Ereignisse an. Die Kirchenspaltung ist mit dem 10. Dezember 1520 erfolgt und mit keinem anderen Datum, weder später noch früher. An jenem Tag verbrannte Luther die Bann-Androhungsbulle des Papstes, in welcher sich eine Kommission unter Johannes Eck (und nicht Cajetan, wie Du falsch kolportierst) inhaltlich mit Luthers Anliegen auseinandergesetzt hatte.

So gab es noch Ende der 90er Jahre wieder eine
gemeinsame Erklärung von Lutheranern und Katholiken, diesmal
über die Lehre von der Rechtfertigung der Seele vor Gott, die
wichtige dogmatische Differenzen ausräumt - da ging es etwa
darum, ob der Mensch durch seinen Glauben allein (wie Luther
betonte) vor Gott gerechtfertigt wird oder auch durch seine
Werke (wie die katholische Kirche lehrt).

Diese Erklärung gab es wirklich, Gott seis geklagt!
Dazu später mehr, jetzt werde ich gerade anderweitig in
Anspruch genommen.

Schön, Du willst keinen konstruktiven ökumenischen Dialog. Wer hat gesagt, die Christen hätten Wichtigeres zu tun als untereinander zu streiten?

Gruß - Rolf

Traurigen Gruss
Mike

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Hallo Fritz

Niemals hat Luther irgendwas an irgendeine Kirchntür genagelt.

Das ist eine später erfunden Geschichte, ebenso wie sein

Ausspruch:
Hier stehe ich … .

Dagegen wird überliefert, er habe gesagt: „Ich bin hindurch!“

Gruß Fritz

Gruss
Mike

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Liebe Taju

ich weiß ja nicht, ob Rolf verzeiht, aber ich vezeihe Dir
schon, dass Du auf eine konfessionell orientierte Polemik
hereingefallen bist.

Oder - hoffentlich nicht-: …jetzt im Folgenden hereinfallen sollst.

Selbstverständlich hat Luther seine Thesen an das „schwarze
Brett“ der Uni Wittenberg gehängt

also nicht an die Schlosskirche!!!Was einen wesentlichen Unterschied macht, denn sie waren nicht an das Volk, sondern an theologisch Interessierte und womöglich Gebildete gerichtet, zudem keine gefestigte Lehrmeinung, sondern Diskussionsgrundlage.

Was bleibt, ist der Thesenanschlag. Wichtig ist (historisch)
der Öffentlichkeitscharakter dieser Thesen, wobei es sich hier
(wie meist in der Geschichte) um einen völlig normalen,
keineswegs rebellischen o.ä. Vorgang handelt.

Ach Gott, wie wohl wird mir ums Herz, weisst Du eigentlich, von wie vielen das bestritten wird, Luther war erst ab dem 10.12.1520 ein Kirchenrebell.

ich glaube weder dem
Papst noch den Konzilien[…]

Hat Luther sich gegen die Autorität des Papstes gewandt oder nicht. Quod erat demonstrandum.

Gott helfe mir.
Amen.
Diese „O-Ton“ zeigt zudem, dass Dahindens Darstellung Luthers
und seiner Bewertung von Autoritäten grob falsch ist.

Bitte um nähere Erläuterung. Du hast mich voll bestätigt und nennst meine Darstellung falsch. Ich suche nicht den Streit, das kannst Du mir glauben, aber hier verstehe ich wirklich null und nichts von Deinem Schluss. Das Gegenteil ist wahr.
Gruss
Mike

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Hallo Dhainden,
es sollte zur Genüge klar sein, dass nichts daran hängt, wenn Luther seine Thesen wohin auch immer gehängt hat.
Er hat sie aber, das scheinst auch Du nicht bezeweifeln zu wollen, an das „schwarze Brett“ der Uni gehängt.

ich weiß ja nicht, ob Rolf verzeiht, aber ich vezeihe Dir
schon, dass Du auf eine konfessionell orientierte Polemik
hereingefallen bist.

Oder hoffentlich nicht: Jetzt im Folgenden hereinfallen
sollst.

Jetzt hoffe ich auf Fritz, der vielleicht Zweifel an der von mir vetretenen KOnfession hat, aber doch wohl kaum an historischer Forschung, deren Ergebnisse eh grundsätzlich kaum geeignet sind, eine KOnfession zu unterstützen.

als Luther seine 95 Thesen sn die Schloßkirche nagelte

Niemals hat Luther irgendwas an irgendeine Kirchntür genagelt.

Selbstverständlich hat Luther seine Thesen an das „schwarze
Brett“ der Uni Wittenberg gehängt

also nicht an die Schlosskirche!!!Was einen wesentlichen
Unterschied macht, denn sie waren nicht an das Volk, sondern
an theologisch Interessierte und womöglich Gebildete
gerichtet, zudem keine gefestigte Lehrmeinung, sondern
Diskussionsgrundlage.

Du hängst Dich also offensichtlich auch an der Ideologie fest, hautpsache, es war nicht die Schlosskirche.
Ich betone, was ich hier schon oft genug betont habe:
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
Disputationthesen sind Thesen für einen gelehrten Diskurs, sicher nich t für das Volk. Du unterstellst mir hier etwas, was ich nicht gesagt habe.
Aber, so leid es mir tut, das „schwarze Brett“ der Uni Wittenberg w-a-r die Tür der SChlosskirche. Da ingen übrigens auch die Gegentthesen zu Luther - die, aus den von Dir richtig genannten Gründen, auch nicht vom gemeinen Volk verstanden wurden.
Es geht, um es noch einmal zu betonen, um eine historische Petitesse, wobei Deine Antwort zeigt, dass man durch eine ideologie darauf ein Drama machen kann. Gerade aber die Bewzeiflung der „normalen Veröffentlichungsform“ an der Schlosskirchentür hätte aber einen eher revolutionären Akt als These zur Folge: Denn dann wäre die erste dieser Formen der Brief und dann schon die deutsche (!) ÜBersetzung in Druckform.

Was bleibt, ist der Thesenanschlag. Wichtig ist (historisch)
der Öffentlichkeitscharakter dieser Thesen, wobei es sich hier
(wie meist in der Geschichte) um einen völlig normalen,
keineswegs rebellischen o.ä. Vorgang handelt.

Ach Gott, wie wohl wird mir ums Herz, weisst Du eigentlich,
von wie vielen das bestritten wurde. Luther war kein Rebell
vor 10.12.1520.

Nun ja, es freut mich, wenn Dir wohl ums Herz wird. Eigentlich finde ich es eher dramatisch, wenn man die recht harmlosen Anfänge bedenkt aus denen ja nun nicht zu wenig Leid entstanden ist…

ich glaube weder dem
Papst noch den Konzilien allein

Hat Luther sich gegen die Autorität des Papstes gewandt oder
nicht. Quod erat demonstrandum.

Nicht ohne Grund habe ich mir die Mühe gemacht, komplett zu zitieren. Denn Luther spricht ja davon, dass beide Institutionen sich geirrt haben. Eine Autorität nicht als absolut anzuerkennen ist etwas anderes, als sie überhaupt nicht anzuerkennen. Tatsächlich hat Luther sich vom Papstamt sehr schnell abgewandt (wenn es ja auch, unter der BEdingung, dass der Papst sich als von Menschen gewählt erklärt, anerkannt), aber sicherlich nicht von den Konzilien, wobei er bereit war, sich vom Verlauf der Geschichte auch eines Besseren belehren zu lassen - eben aufgrund der Erkenntnis, dass Menschen immer irren können.

Gott helfe mir.
Amen.
Diese „O-Ton“ zeigt zudem, dass Dahindens Darstellung Luthers
und seiner Bewertung von Autoritäten grob falsch ist.

Bitte um nähere Erläuterung. Du hast mich voll bestätigt und
nennst meine Darstellung falsch. Ich suche nicht den Streit,
das kannst Du mir glauben, aber hier verstehe ich wirklich
null und nichts von Deinem Schluss. Das Gegenteil ist wahr.

Den einen teil habe ich schon erläutert. ZUdem hast Du geschrieben:

Luther hat seine Autorität, insofern also auch die Existenz des :stuck_out_tongue:apstamtes, nicht mehr anerkannt, das ist heutzutage das einzige noch :wirklich übriggebliebene dogmatische Problem zwischen Lutheranern und :Katholiken.

Naja, die Existenz hat er kaum leugnen können:wink: Jedoch das biblische Fundament.
Heute steht immer noch die BIbel zwischen rk und ev - schlicht, weil es ja beim Papst eigentlich nicht um eine organisatorische Frage, sondern eben um eine theol. handelt. Weder lässt sich biblisch das Papstamt beweisen, die behauptete apostolische Sukzession ist historisch dann tatsächlich als nicht existent zu bezeichnen. Die Priesterweihe, letztlich Bedingung für eine gültige Eucharisite, findet sich in der Bibel überhaupt nicht.

Luther glaubte, dass der Menschenverstand, Gewissensentscheid und die Heilige Schrift für Christen die ausreichenden und letzttragenden Autoritäten der Glaubenslehre sind,

Tatsächlcih zeigt das Zitat deutlich, dass Luther zu sehr ein Mensch des Mittelalters ist, um so modern wie von Dir dargestellt zu denken. Denn er spricht zunächst nicht vom „Menschenverstand“ (was nun tatsächlich ein missverständlicher Befriff ist, wer will schon dem "gesunden Menschenverstand ausgeliefert sein?).Vor allem aber bindet er den ganzen Menschen an die SChrift und an nichts anderes.

während die Katholiken glauben, dass sich Glaubenswissen sowohl aus :der Schrift, dem Lehramt, der Überlieferung,

Diese drei „Säulen“ find auch ich in der rk Fundamentaltheologie.

der Wissenschaft und dem Allgemeinglauben als auch dem Gewissen und :Verstand des Menschen herleitet - und sie gaben diesen Letzteren, dem :Gewissen und dem Menschenverstand, im Laufe der Geschichte meist weit :weniger Gewicht als die Protestanten.

Nun ja, diese letzten Punkte gehören eigentlich nicht mehr zur Quelle des „GLaubenswissens“, sondern eher steht das Glaubenswissen darüber.

Deswegen ist es auch ein ökumenisch sinnvolles Zeichen, wenn :Benedikt XVI. darauf hinweist, dass das menschliche Gewissen in :bestimmten Augenblicken die einzige und höchste massgebende Autorität :im Menschen ist, wie es Thomas von Aquin im Mittelalter bereits :betonte.

Nun mal ehrlich, ich habe nicht gegen BenXVI als INteressensvertreter einer Religionsgemeinschaft, aber verkaufe ihn mir nicht als Ökumeniker.
Auch wenn einige Protestanten es anders meinen, so kann ich auch im VatII weder Anerkennung noch einen echten Fortschritt entdecken, so dass es eben keine Ökumene geben kann.
IM eigentlich auch nicht von protestantischer Seite, die, so hoffe ich doch, Luther ebenfalls mittlerweile hinter sich gelassen hat insofern, als auch seine Irrtümer kaum zu leugnen sind.

Grüße
Taju

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Populäre Irrtümer
Liebe Taju,

dass es ein „Schwarzes Bertt“ in Wittenberg gab und die mit der Tür der Schlosskirche identisch war, ist mir neu.

Da müsste man in der Geschichte der Univerität dort nachforschen.

Ich beziehe mich darauf:

_Martin Luther hat seine Thesen an eine Kirchentür angeschlagen

»Nur wenige Säulen der Allgemeinbildung scheinen so unverrückbar festzustehen wie Luthers Anschlag der 95 Thesen an die Schloßkirche zu Wittenberg«, schreibt der Historiker Gerhard Prause. Aber wie so viele Säulen unserer Allgemeinbildung steht auch diese auf sehr wackeligen Füßen.
Mit großer Wahrscheinlichkeit hat dieses denkwürdige Ereignis nämlich niemals stattgefunden. Augenzeugen gibt es keine, Luther selbst hat niemals etwas derartiges behauptet, und auch andere Zeitgenossen können sich an diesen Thesenanschlag nicht erinnern. Einziges Zeugnis ist ein lateinisch abgefaßter, handschriftlicher Bericht von Luthers Famulus Agricola, der lange falsch übersetzt und mißverstanden wurde und korrekt so heißt: »Im Jahre 1517 legte Luther in Wittenberg an der Elbe nach altem Universitätsbrauch gewisse Sätze zur Disputation vor, jedoch in bescheidener Weise und ohne damit jemanden beschimpfen oder beleidigen zu wollen.«
Von einem Anschlag an die Kirchentür ist weder hier noch in irgendeinem anderen zeitgenössischen Schriftstück die Rede; auch Luther selber hat an keiner Stelle seines eigenen umfangreichen Werkes jemals darauf Bezug genommen – daß er seine Thesen so dramatisch präsentiert hätte, dieser i-Punkt ist erst weitaus später aufgekommen.
Vermutlich hat der Humanist und Reformator Philipp Melanchthon diese Legende in die Welt gesetzt, als er kurz nach Luthers Tod in der Vorrede zum zweiten Band von dessen Werken schrieb: »Luther, brennend von Eifer für die rechte Frömmigkeit, gab Ablaßthesen heraus … Diese hat er öffentlich an der Kirche in der Nähe des Wittenberger Schlosses am Vortage des Festes Allerheiligen 1517 angeschlagen.«
Über die Quelle dieses Fehlers können wir nur mutmaßen. Zum Zeitpunkt des fraglichen Ereignisses wohnte Melanchthon in Tübingen, und so ist denn diese Behauptung in den gleichen Topf zu werfen wie die vielen anderen Fehler, die Melanchthon in dieser Vorrede unterlaufen sind (etwa, der Ablaßprediger Tetzel habe Luthers Thesen öffentlich verbrannt, oder Luther hätte Vorlesungen über Physik gehalten, oder er sei 1511 in Rom gewesen).
In Wahrheit hat Luther seine Thesen auf dem ganz normalen »Dienstweg« vorgetragen; handgeschrieben, nicht gedruckt und mit durchaus ehrerbietigen Erläuterungen versehen: an den Erzbischof von Mainz, der für die in Luthers Thesen angegriffenen Praktiken der Ablaßprediger verantwortlich war, sowie an den Bischof von Brandenburg, Luthers klerikalen Vorgesetzten. Erst später, im Januar 1518, ließen Freunde Luthers diese Thesen drucken; so konnte sie auch außerhalb des klerikalen Dienstwegs Leser finden.
Aber auch nach dieser Drucklegung ist von einem Anschlag an die Kirchenpforten keine Rede; daß ein Professor der Wittenberger Universität eigenhändig Flugblätter an Kirchentüren nagelt, wäre dem durchaus auf »law and order« bedachten Martin Luther niemals in den Sinn gekommen.

Lit.: Gerhard Ritter: Luther, Frankfurt 1985; Gerhard Prause: Niemand hat Kolumbus ausgelacht, Düsseldorf 1986 (besonders das Kapitel »Luthers Thesenanschlag ist eine Legende«).
[Lexikon: Luther. DB Sonderband: Das digitale Lexikon der populären Irrtümer, S. 969
(vgl. LexPI Bd. 1, S. 210)]_

Hier ist vom „Dienstweg“ die Rede; somit stelle ich mir vor, dass es sich um Briefe an die Bischöfe von Mainz und Brandenburg handelte.

Hier stehe ich. Ich kann nicht anders. Und mir muss kein Gott helfen.

Gruß Fritz

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Wenn man Euch so liest,…
… dann wundert es einen nicht, dass es mit der Ökumene so mühsam vorangeht und marginale Fortschritte vor himmelhohen Hürden stehen.

Ob nun Luther seine Thesen an eine Tür nagelte, in der Wittenberger Zeitung inserierte oder auf andere Weise veröffentlichte, hat für die Beantwortung der Ausgangsfrage doch eher untergeordnete Bedeutung. Trotzdem dieses verbissene Hickhack…

Ich korrigiere meine Vorhersage für die evangelisch-katholische Einigung auf das Jahr 4500.

:wink: -Gruß
Hardey

Trotzdem dieses verbissene Hickhack…

Weder verbissen, noch Hickhack, jedoch off topic!

Melds dem Moderator, dass er den Teilfaden abschließt!

Gruß Fritz

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Lieber Fritz,

dass es ein „Schwrazes Bertt“ in Wittenberg gab und die mit
der Tür der Schlosskirche identisch war, ist mir neu.
Da müsste man in der Geschichte der Univerität dort
nachforschen.

Das hat die Universität schon selbst getan in der entsprechenden Festschrift und (kurz) hier: http://www.500jahre.uni-halle.de/predigerseminar/fah…

Mit großer Wahrscheinlichkeit hat dieses denkwürdige Ereignis
nämlich niemals stattgefunden. Augenzeugen gibt es keine,

Warum nun, hätte jemand darüber berichten sollen, wenn es ein völlig normaler Vorgang war. Wenn wir heute ein Buch veröffentlichen, beschreiben wir ja auch nicht den Vorgang, oder?

Luther selbst hat niemals etwas derartiges behauptet, und auch
andere Zeitgenossen können sich an diesen Thesenanschlag nicht
erinnern. Einziges Zeugnis ist ein lateinisch abgefaßter,
handschriftlicher Bericht von Luthers Famulus Agricola, der
lange falsch übersetzt und mißverstanden wurde und korrekt so
heißt: »Im Jahre 1517 legte Luther in Wittenberg an der Elbe
nach altem Universitätsbrauch gewisse Sätze zur Disputation
vor, jedoch in bescheidener Weise und ohne damit jemanden
beschimpfen oder beleidigen zu wollen.«
Von einem Anschlag an die Kirchentür ist weder hier noch in
irgendeinem anderen zeitgenössischen Schriftstück die Rede;
auch Luther selber hat an keiner Stelle seines eigenen
umfangreichen Werkes jemals darauf Bezug genommen – daß er
seine Thesen so dramatisch präsentiert hätte, dieser i-Punkt
ist erst weitaus später aufgekommen.

HIer ist der entscheidende Punkt: Der Historiker hier verbindet den Vorgang (Anschlag) mit einer Wertung (dramatisch). Wenn ich aber den Vorgang (ANschlag) historisch werte (nicht dramatisch), sieht der Rest auch schon anders aus.

Vermutlich hat der Humanist und Reformator Philipp Melanchthon
diese Legende in die Welt gesetzt, als er kurz nach Luthers
Tod in der Vorrede zum zweiten Band von dessen Werken schrieb:
»Luther, brennend von Eifer für die rechte Frömmigkeit, gab
Ablaßthesen heraus … Diese hat er öffentlich an der Kirche
in der Nähe des Wittenberger Schlosses am Vortage des Festes
Allerheiligen 1517 angeschlagen.«

Diese Art der Zitation ist natürlich irreführend. Jedenfalls kan ich den ersten Teil des Zitats nicht in unmittelbarer NÄhe zum letzten bei Melanchthon finden.

Über die Quelle dieses Fehlers können wir nur mutmaßen. Zum
Zeitpunkt des fraglichen Ereignisses wohnte Melanchthon in
Tübingen, und so ist denn diese Behauptung in den gleichen
Topf zu werfen wie die vielen anderen Fehler, die Melanchthon
in dieser Vorrede unterlaufen sind (etwa, der Ablaßprediger
Tetzel habe Luthers Thesen öffentlich verbrannt, oder Luther
hätte Vorlesungen über Physik gehalten, oder er sei 1511 in
Rom gewesen).

NAtürlich hat Melanchthon Luther zutiefst bewundert und ihn so dargestellt, aber gerade Melanchthon war ja eher ein Kompromissler. Warum nun aber hätte Luther Disputationsthesen an einem anderen Ort veröffentlichen sollen als alle anderen?

In Wahrheit hat Luther seine Thesen auf dem ganz normalen
»Dienstweg« vorgetragen; handgeschrieben, nicht gedruckt und
mit durchaus ehrerbietigen Erläuterungen versehen: an den
Erzbischof von Mainz, der für die in Luthers Thesen
angegriffenen Praktiken der Ablaßprediger verantwortlich war,
sowie an den Bischof von Brandenburg, Luthers klerikalen
Vorgesetzten.

Was sicherlich stimmt ist das Handschriftliche und auch der „Dienstweg“. Aber Disputationsthesen schickt man einem Bischof zur INformation, eine Disputation aber ist eine akademische Angelegenheit, zu der man seine Fachkollegen einlädt. Dies eben war die Funktion der Schlosskirchentür.
Gerade wenn wir das undramatische annehmen, dann ist eben der historisch wahrscheinliche Vorgang:
Luther schreibt seine Thesen.
Er schickt sie an die Bischöfe (Rolf hat ja schon erläutert, dass es sich hier um eine offene Frage gehandelt hat, d.h. Luther hätte sich zu diesem Zeitpunkt doch recht überschätzt, wenn er sich dabei rebellisch gefühlt hätte).
Er veröffentlicht sie in der einzigen geeigneten Form quasi den universitären Dienstweg).
Luther selbst übrigens schreibt von der öffentlichen Einladung zu dieser Disputition (WAB 1; 138 und 146). Bei keinem anderen Uni-Lehrer dieser Zeit bezweifeln wir, dass er öffentlich durch Aushang an der dafür vorgesehenen Stelle zu einer Disputation eingeladen hat. gerade wenn wir die „law-und-order“-These des zitierten Historikers aufnehmen (so wertend auch diese ist), dann ist ja schlechthin kaum anzunehmen, dass Luther irgend anders als an der Schlosskirchentür seine Thesen aufgehängt hat - ganz normal eben, so wie unserein auch kein biographisches Drama aus dem Schreiben eines w-w-w-Artikels macht.

Erst später, im Januar 1518, ließen Freunde
Luthers diese Thesen drucken; so konnte sie auch außerhalb des
klerikalen Dienstwegs Leser finden.
Aber auch nach dieser Drucklegung ist von einem Anschlag an
die Kirchenpforten keine Rede; daß ein Professor der
Wittenberger Universität eigenhändig Flugblätter an
Kirchentüren nagelt, wäre dem durchaus auf »law and order«
bedachten Martin Luther niemals in den Sinn gekommen.

Hier eben scheint der gute Mensch wenig Ahnung zu haben vom mittelalterlichen Universitätswesen und der Form, zu Disputationen einzuladen.
Konkret: Die Wertung von Luthers „Anschlag“ ist, wird es herorisch (oder, grauslich, „deutsch“) verstanden, ist ebenso falsch wie die entsprechende Ikonographie.
Das Ganze belibt ein schönes Lehrstück, in jedem Proseminar besprochen, warum oberster Lehrsatz lauten muss, dass ein Historiker nicht werden darf.

Sorry, genau das ist das Problem, wenn man sich was vorstellt.

Hier stehe ich. Ich kann nicht anders. Und mir muss kein Gott
helfen.

Ich sitze, kann auch nicht anders, gegen etwas Hilfe hätte ich nichts einzuwenden:wink:

Grüße
Taju

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Hallo,
nun, den Vorwurf, hier off-topic gewesen zu sein, nehme ich sofort an.
Nur geht es zwischen mir und Fritz definitiv nicht um einen konfessionellen Hickhack, sondern hier und in diesem Fall geht es um Geschichte. Da werde ich, ich gebe zu, gerne ziemlich kleinlich.
Das würde sich bei einem konfessionellen Streit nicht lohnen, wäre wenig zielführend und mit Fritz einen Streit über den Glauben auszutragen ist, ebenso wie mir Dahinden, hielte ich für ein sinnloses Unterfangen.

Ob nun Luther seine Thesen an eine Tür nagelte, in der
Wittenberger Zeitung inserierte oder auf andere Weise
veröffentlichte, hat für die Beantwortung der Ausgangsfrage
doch eher untergeordnete Bedeutung. Trotzdem dieses verbissene
Hickhack…

Wie erwähnt, ist es tatsächlich von untergeordneter Bedeutung. Jedoch ist es ein gutes Lehrstück, wie ideologische Motive (ob nun konfessionell oder nicht) den klaren Blick verkleben. Sowas kann man immer besser an den Marginalien demonstrieren.

Ich korrigiere meine Vorhersage für die
evangelisch-katholische Einigung auf das Jahr 4500.

Die „Schlosskirchentürfrage“, so wie hier geführt, hat nichts mit einer konf. Einigung zu tun, Du brauchst Dich also nicht zu korrigieren.

Grüße
Taju

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Liebe Taju,

danke für deine Erklärungen. Und den Link.
Also habe ich Grund, die Sache mit dem Anschlag der 95 Thesen noch einmal zu überdenken.

Sehr richtig finde ich, dass du den völlig undramitischen Verlauf des Ereignisses hinweist.

Das ist aber im Bewusstsein der Leute eben ein Element dieser Überlieferung; der faustische Luther lökt geben den Stachel des Papstums.

_Wie es etwa hier - leider in Englisch - dargestellt wird:

Legends about Luther: Nailing the 95 Theses to the Door of the Castle Church
October 31, 1517: Luther nailed his 95 Theses to the door of the Castle Church in Wittenberg with hammer strokes which echoed throughout all of Europe. This act has been portrayed numerous times thoughout the centuries, and until the 21st century it was accepted as fact. It has become a symbol of the Reformation as nothing else has.

It was like a slap in the face when the catholic Luther researcher, Erwin Iserloh, asserted in 1961 that the nailing of the theses to the door of the Castle Church belonged to the realm of legends.

The facts are convincing, the first written account of the event comes from Philipp Melanchthon who could not have been an eye-witness to the event since he was not called to Wittenberg University as a professor until 1518.

Also, this account appeared for the first time after Luther’s death and he never commented on ‚nailing anything up‘ in 1517.

Announcements of upcoming disputes were supposedly regularly hung on the door of the Castle Church. But, openly hanging the theses without waiting for a reaction from the Bishops could have been seen as a clear provocation of his superiors. Luther would not have done that because he only wanted to clear up some misunderstandings.

It is also worth noting, that there was no open discussion of the theses in Wittenberg and that no original printing of the theses could be found.

One thing is sure: Luther wrote a letter to his superiors on October 31, 1517 in which he denounced the sale of indulgence and asked for repayment and removal of the misunderstandings. With the letter he included 95 theses which were to be the basis for a discussion on the topic.

Today, the majority of Luther researchers see it as fact, that Luther did not nail his theses to the door of the Castle Church on that day. But the picture of Luther nailing the theses to the door of the church is still today the most common in regards to Luther, the reformation and Lutherstadt Wittenberg._

=> http://images.google.de/imgres?imgurl=http://www.lut…

So würde ich es nun sehen, ohne mich festzulegen, denn am End ist es irrevant für die Geschichte.

Gruß Fritz

Lieber Fritz,
nun ja, sagt der englische Text etwas anderes als der erste von Dir zitierte?

So würde ich es nun sehen, ohne mich festzulegen, denn am End
ist es irrevant für die Geschichte.

Das würde ich so wieder nicht sagen.
Bei der „Türfrage ja-nein“ geht es letztlich um die Frühgeschichte der Reformation und damit eben schon um die Frage, ob Luther (und damit ja die ganze reform. Bewegung) von Anfang an sich selbst als „Revolutionäre“ verstanden haben oder nicht.
Wenn es sich bei den Thesen um Disp-Thesen gehandelt hat, und das bezweifelt wohl keiner, dann gehörte ihre Veröffentlichung zur Gattung hinzu. Veröffentlich wurde am schwarzen Brett.
Hat Luther nicht an die Tür gepinnt, so war er sich eventuell doch von Anfang an der Brisanz seiner Aussagen bewusst - was zumindest ich historisch angesichts anderer Quellen für unwahrscheinlich halte (wobei ich aufgrund anderer Lutherbriefe die „reform. Entdeckung“ frühestens auf März 1518 datieren würde).
So sind eigentlich die Bestreiter der Tür diejenigen, die aus Luther den mutigen und - noch -einsamen Rebellen machen.
Für die Veröffentlichung (in der üblichen Form) spricht übrigens auch, dass die ersten Drucke und die erste Übers. der Thesen nicht von Luther stammten bzw. initiiert wurden.
Wer übrigens eine wissenschaftlich ernstzunehmendere Bestreitung der Ablassthesen lesen möchte, sollte Klemens Honselmann, nicht Iserloh, zu Rate ziehen.
Diese Tür-Frage ist übrigens, anders als in dem zitierten Text, eine Frage der 60er Jahre. Richtig ging es eben darum, die KOnfessionspolemik aus der Frage nach den Anfängen der Ref. herauszuholen. Wie so oft ist gerade bei Historikern, die gerne etwas schlampig (sorry) mit der KG umgehen, nur ein „stimmt alles nicht“ hängen geblieben.
Die Tür bestreitet heute kein Reformationszeithistoriker mehr, der nicht den Disputationscharakter bestreiten will. Wer die Tür bestreitet, ist meistens für eine Frühdatierung der Reform. Entdekcung und damit auch für eine gezielte kirchenrechtliche Auseinandersetzung.

Grüße
Taju

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Nur so…
Hallo Taju und Fritz,

Ich behaupte nicht, dass Euer Disput nicht unterhaltsam und in jenem speziellen Punkt lehrreich wäre. Ich habe auch nichts dagegen, wenn Diskussionen ein wenig offtopic wuchern.

Ich finde es aber bemerkenswert, dass eine Frage nach der Einigkeit der Konfessionen einen geradezu unüberbrückbaren Gegensatz über das erste Erscheinen der 95 Thesen zutage fördert.

Aber eure Diskussion sei euch gegönnt und ich werde ihr, gegebenenfalls, interessiert folgen.

Gruß
Hardey

nun ja, sagt der englische Text etwas anderes als der erste von Dir zitierte?

Nun ja, aber mir kam es auf den ersten Satz an;
October 31, 1517: Luther nailed his 95 Theses to the door of the Castle Church in Wittenberg with hammer strokes which echoed throughout all of Europe.

Deine Ausführungen haben mich aber dazu gebracht, den Thesenaushang nicht mehr als Probagandageschichte zu sehen.
Und wenn du statt „Thesen an der Tür anschlagen“ formulierst "Luther pinnte eine Einladung zur Disputation an das „Schwarzebrett der Universität, die zugleich die Tür der Schlosskirche war“, so ist das eine für mich akzeptable Darstellung.

Deine Ausführungen bringen meine Zweifel zum Thesenanschlag zum Schweigen.

Ich danke dir für deine Geduld.

Beste Grüße
Fritz

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