Protestantismus

Lieber Gernot,

man sieht zwar, dass Du Dir grosse Gedanken zu Realpräsenz, Transubstantiation und der Euchristie gemacht hast; der feindliche und durchaus intolerante Unterton, machen aber deutlich, dass Du gewisse Dinge etwas schief verstanden und daher als Humbug abgetan hast.
Es steht jedem frei ihm unbekannte und unverständliche Umstände zu qualifizieren, wie es ihm beliebt. Man sollte aber dennoch nicht - bei allem kritischen Diskutieren und Ringen um Wissen - den Anstand komplett aus dem Fenster werfen, schliesslich geht es hier um Glaubensgegenstände, die in jedem Fall zu respektieren sind, auch wenn das persönliche Verständnis dafür fehlen mag.

… während Katholiken bei der Eucharistie per Dogma glauben
müssen, die Oblate, die ihnen da gereicht wird, wäre in einer
„Wandlung“ tatsächlich zum Leib Christi geworden, was sie auch
verbal jedesmal bestätigen müssen und den sie dann in
kannibalistischer Manier verzehren.

(…)

Mein Ding ist allerdings weder der symbolische noch gar der
tatsächlich geglaubte Kannibalismus, weshalb ich u.A. aus der
(katholischen) Kirche ausgetreten bin, in die ich vorher
sowieso nur von meinen Eltern eingetreten worden war.

Die Realpräsenz so zu beschreiben ist schlichtweg verletzend und zeugt von wenig fundiertem Wissen. Wenn schon Kritik, dann aber bitte unter Berücksichtigung aller Möglichkeiten. Nur, weil sich in Deinem Fall niemand Zeit nahm genau zu erklären, was es mit der Transubstantiation auf sich hat, solltest Du Dich nicht mit den Ansichten, welche Du Dir einmal als Rechtfertigung für einen Kirchenaustritt zurechtgelegt hast, zufrieden geben.
Und auf Deine mögliche Antwort, dass dies niemanden etwas angeht, kannst Du Dir selber an die Nase fassen. Wenn Du so offen Deinen persönlichen Fall hier ausbreitest, musst Du Dich auf andere Meinungen einstellen.

Zum Vorwurf des Kannibalismus gäbe es einiges zu sagen. Zäumen wir das Pferd aber vielleicht erst umgekehrt um…
Allerhöchstens liesse sich von einem metaphysischen Kannibalismus sprechen.
Das Dogma geht von einer Realpräsenz in der konsekrierten Hostie aus. Die Hostie und der Messwein sind demnach nach der Wandlung real und wirklich Blut und Leib Christi. Soweit so richtig.
Allerdings würde kein katholischer Theologe behaupten wollen, dass sich auf dem Altar tatsächlich Blut und Leib Christi in einem chemisch nachweisbaren Zustand befinden. Und auch bei einer Kommunion beider Arten (Wein und Hostie) würde wohl niemand behaupten er schmecke tatsächlich Blut.
Es handelt sich hier bei um zwei verschiedene Ebenen des Seins. In Essenz handelt es sich beim Brot und Wein nach der Wandlung um Leib und Blut Christi. Was allerdings die sekundären Akzidentien angeht - also alles was nicht wesentlich zum Objekt gehört (bspw. Deine Haarfarbe macht Dich nicht zu Gernot) - so handelt es sich immer noch um Wein und Brot.
Folglich lässt sich, wie zu Beginn vorausgeschickt, allerhöchstens von einem metaphysischen Kannibalismus auf der Wesensebene sprechen. Daher auch der Begriff der Trans - Substantiation = Wesens-verwandlung (cf. hierzu

Convenit vero haec conversio (sc. transubstantiatio) cum transmutatione naturali in duobus, licet non similiter. Primo quidem, quia in utraque unum extremorum transit in aliud, sicut panis in corpus Christi et aer in ignem, non autem non ens convertitur in ens. Aliter tamen hoc accidit utrobique; nam in hoc sacramento tota substantia panis transit in totum corpus Christi , sed in transmutatione naturali materia unius suscipit formam alterius, priori forma deposita. Secundo conveniunt in hoc, quod utrobique remanet aliquid idem, . . . differenter tamen; nam in transmutatione naturali remanet eadem materia vel subiectum, in hoc autem sacramento remanent eadem accidentia
Thomas von Aquin, Summa theologiae III. 75. 8 c; sowie Contra Gentiles IV. 63; oder In IV Sent. 8. 2. 1. 3 ad 1. 1.)

Ein humoristischer Hinweis:
Im Katechismus unter §1376 findest Du das entsprechende Dogma. Im folgenden Paragraph 1377 wiederum findet sich eine Präzisierung, warum sich die materiellen Akzidentien nicht auch „wandeln“… denn sonst müssten ja bereits Generationen von Katholiken den ganzen Leib Christi verspeist haben und es gäbe keine Erklärung, warum 2000 Jahre danach eine Wandlung immer noch denselben Leib Christi hervorbringt.
Hierbei handelt es sich um den Schlusspunkt einer ebenfalls sehr interessanten Debatte der Scholastik…

Grüsse
Y.-

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