Psychologische theorien aus philosophischer sicht?

hallo,

ich würde gern mal wissen, ob jemand zu folgendem thema philosophische texte kennt - obwohl das, was ich ansprechen werde, wohl eher dem bereich der psychologie zuzuordnen wäre:
es geht um die these: man muss verdrängten schmerz wiedererleben, um sich davon zu befreien. das ist sicher nichts neues, aber ich würde gern mal über den sinn oder unsinn dieser ansicht auf nicht-empirischer ebene diskutieren.
zusammengefasst würde das heißen: man erlebt diesen schmerz in etappen, also z.b. durch liebeskummer,
weil man ihn zur heilung wiedererleben muss. ausschlaggebend ist also das wiedererleben. wenn man ihn aber gezielt in voller größe wiedererleben würde, wäre kein aktueller schmerz mehr nötig. (etwas fragwürdig, weil man ja dann immer noch eine situation für sich selbst stehend betrachten kann und zweitens müßte es ja heißen, dass man etwa liebeskummer immer weniger heftig erlebt, je öfter man ihn erlebt - wenn dadurch der ursprüngliche schmerz sozusagen in häppchen abgearbeitet würde.

wie seht ihr das?

gruß
wega

Trauma, Verdrängung, Befreiung
Hi wega,

ich würde gern mal wissen, ob jemand zu folgendem thema
philosophische texte kennt

Systematische philosophische Abhandlungen über Bewußtsein sind nach einer Hochblüte im sog. Deutschen Idealismus meinem Überblick nach nicht vorhanden. Unmengen Literatur zur Subjektivität gibt es natürlich, vor allem in Frankreich, aber das würde ich nicht unter systematischer Philosophie einordnen.

Deine „These“ enthält deiner Formulierung nach ja auch schon einige Begriffe, die als solche - wie schon angemerkt wurde - aussschließlich in diversen psychoanalytischen Richtungen seit Freud anzusiedeln sind.

In den weiteren Erläuterungen zu der These:

es geht um die these: man muss verdrängten schmerz wiedererleben, um sich davon zu befreien.

die selbst schon etwas mißverständlich formuliert ist (dazu gleich), scheinen sich einige Mißverständnisse eingeschlichen zu haben:

zusammengefasst würde das heißen: man erlebt diesen schmerz in
etappen, also z.b. durch liebeskummer, weil man ihn zur heilung wiedererleben muss. …

Es ist aber mit dem „Wiedererleben“ keineswegs gemeint, daß man schmerzliche Situationen eines bestimmten Typs immer wieder neu erleiden soll, um sich vom Schmerz zu befreien. Du nimmst Liebeskummer (gemeint ist wahrscheinlich aber Trennungsschmerz) als Beispiel. Ich nehme mal einen körperlichen Schmerz (Fingerverbrennen) als Beispiel: Daß das wehtut, wird, wie du selbst ja auch vermutest, nicht dadurch vermindert, daß man sich immer wieder die Finger verbrennt. Das ist ja klar.

Mit dem „Wiederleben“ ist etwas anderes gemeint: Es geht um das Reaktualisieren (das wäre der korrektere Ausruck) eines bestimmten traumatischen Ereignisses oder eine länger andauernden traumatischen Situation der Vergangenheit, bei der der Schmerz (oder Trauer oder Entsetzen oder ähnliches) aus irgendwelchen Gründen nicht „adäquat“ ausagiert werden konnte.

Dann geschieht Folgendes: Das traumatische Erlebnis bleibt aktuell, es kann nicht als „vergangener“ und „jetzt nicht mehr aktueller“ Inhalt der bloßen Erinnerung überlassen werden. Es kann also nicht der Zustand erreicht werden, in dem das Ereignis als „vergangenes Ereignis“ in der Erinnerung abgespeichert wird - und jederzeit dort (nun schmerzfrei) auch abgerufen werden kann. Man sagt dann (nicht ganz korrekt) „ich kann nicht vergessen“. Es gibt also, wie du auch sagst, von dem Schmerz keine Befreiung. Es sei denn …

… und hier stellt das Bewußtsein offenbar einige Tricks zur Verfügung, dennoch den aktuellen Schmerz aus dem Tagesbewußtsein wegzuzaubern. Einer dieser Tricks ist nun mit dem Ausdruck „Verdrängung“ belegt worden. Verdrängung ist also selbst gerade eine Form der Befreiung vom Schmerz.

Die Verdrängung ist aber nur eine Form, in der sich etwas aus dem Tagesbewußtsein verabschieden kann:

http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…

Das psychotherapeutisch Relevante an der Verdrängung (die ja auch , wie in den Links gesagt, eine ganz normale alltägliche Bewußtseinsfunktion ist) ist nun, daß das Verdrängte dennoch wirksam bleibt:

  1. insofern permanent Verdrängungsarbeit geleistet werden muß, die sich z.B. in Vermeidungsverhalten zeigen kann oder - in der meist weniger dramatischen - Form der Fehlleistung:

http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…

oder sogar in der Weise, daß - ohne daß es von kognitiven Kritiren steuerbar wäre - dem ursprünglichen Trauma verwandte Situationen immer wieder provoziert bzw. inszeniert werden.

  1. insofern die Resultate der Verdrängung oder der verwandten Formen (insbesondere die Konversion in somatische Erscheinungen und die sog. dissoziativen Phänomene) neue Konflikte in der aktuellen Lebensform erzeugen, die ihrerseits wiederum zu bewältigen sind:

http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…

  1. insofern das Trauma im sog. unwillkürlichen und durch sog. Trigger ausgelösten backflash sich immer wieder unkontrollierbar aktualisieren kann.

http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…

Also: Nicht im Wiedererleben des verdrängten Traumas liegt die Befreiung (sonst wären backflashs schon die Therapie), sondern die Verdrängung (oder Abspaltung oder Konversion oder …) ist selbst ein vorläufiger Befreiungsversuch, der aber mißlingt. Und insbesondere ist natürlich mit Wiedererleben nicht Wieder-Inszenierung der traumatischen Situation gemeint.

Es muß daher in einer bestimmten Weise (und das ist eine von zwei diskutierten Formen der Traumapsychotherapie!) und auf einem bestimmten Wege der Gesprächsführung das Trauma noch einmal wieder aktualisiert werden, die Szenarien werden noch einmal so erlebt, als seien sie aktuell. Auch wenn eine gewisse sogenante externe Erinnerung an das Erlebte noch vorhanden ist („spult sich wie im einem Film vor Augen ab“), so werden meist die dabei unmittelbar erlebten Gefühle verdrängt (d.h. die Szenenerinnerung kann da sein, aber die Gefühlserinnerung nicht - bis auf unwillkürliche und nicht steuerbare backflashs), und **die/B> werden durch vorsichtiges Herantasten mit Hilfe des Therapeuten re-aktualisiert.

Wie das genau geht (geeignete Gesprächsführung, Vertrauensverhältnis zur/zum Therapeutin/Therapeuten) und wieso sich das von dem unwillkürlichen backflash unterscheidet und wieso das zu dem gewünschten Ergebnis der endgüligen Befreiung vom subjektiv erlebten Schmerz führen kann, ist etwas zu komplex, um es hier kurz zu fassen.

Es geht dabei um den - nicht unwillkürlichen, sondern den allmählich „erarbeiteten“ - Übergang von der externen, szenischen Erinnerung in die interne Gefühlerinnerung.

Einige Andeutungen dazu habe ich hier einmal gemacht:

http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…

http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…

Mit den Fragen der hier diskutieten Übertragung im psychoanalytischen Prozess hat das nur ganz peripher etwas zu tun, und mit Fragen der Suggestion schon gar nicht. Übertragung und Gegenübertragung spielen eine wesentliche Rolle in der Aufarbeitung sog. unbewußter Konflikte im psychoanalytischen Prozess, aber nicht bei der Traumapsychotherapie.

Grüße

Metapher**

uff, viele Fragen, da würde ja ein ganzes Seminar draus :wink:

aber, sorry, es soll im Rahmen bleiben, sonst müssen die MODs den Thread ins Psychobrett verschieben …

was heißt das denn. was wäre ein adäquates ausagieren?

nimm ein einfaches Beispiel: Ein Kind erlebt etwas Trauriges und es weint. Dann wird es - WEIL es weint - mit Strafe bedroht oder gar wirklich verprügelt, eingesperrt o.ä. … es wird dann aus Angst vor zusätzlicher Quälerei nicht mehr weinen …

Dann geschieht Folgendes: Das traumatische Erlebnis bleibt
aktuell,

ok, es wird durch eine gegenwärtige situation aktualisiert.

nein, das alte traumatische Erleben bleibt (unbewußt) aktuell und steuert, kognitiv nicht kontrollierbar, das gegenwärtige Verhalten und Gefühlsleben.

dann kann doch aber die gegenwärtige situation als möglichkeit
des „adäquaten ausagierens“ genommen werden.

Nein, Menschen funktionieren halt so nicht.

welche soll es denn aber sonst geben?
selbst wenn der schmerz, wie du schreibst, adäquat ausagiert
würde, müßte er doch irgendwie verschwinden.

das tut er dann (wenn es gelingt) auch. Er versinkt dann in die bloße externe (und als Erinnerungsfakt auch abrufbare) Erinnerung, was er sonst nicht könnte, weil er bewußt nicht gewußt würde.

worin unterscheidet sich dann dieses aus-dem-bewußtsein-verschwinden
von der verdrängung?

wie du in den Links zu meinen früheren Artikeln nachlesen magst, gibt es verschiedene Formen davon, Verdrängung ist eine davon, und es gibt auch verschiedene Formen der Verdrängung.

  1. insofern permanent Verdrängungsarbeit geleistet
    werden muß, die sich z.B. in Vermeidungsverhalten zeigen kann

vermeidung von was?

Von bestimmten Situationen, die assoziativ an das Erlebte anknüpfen.

wenn es um schmerzvermeidung geht, ist das doch eine alternativlose variante.

Nein, ist nun mal nicht so, siehe oben.

es wird immer wieder provoziert, damit sozusagen das
„ursprüngliche“ trauma angeblich ausagiert oder verarbeitet werden kann.

ungefähr so kann man sagen, ja. Aber das Provozieren solcher Situationen geschieht nicht bewußt, nicht kognitiv gesteuert.

warum dann aber nicht direkt das aktuelle als ersatz hernehmen und bearbeiten?

wiederum siehe oben: So „funktionieren“ Menschen aber nicht.

Also: Nicht im Wiedererleben des verdrängten Traumas liegt die
Befreiung (sonst wären backflashs schon die Therapie), sondern
die Verdrängung (oder Abspaltung oder Konversion oder …) ist
selbst ein vorläufiger Befreiungsversuch, der aber mißlingt.

worin liegt die befreiung denn dann?

wurde doch schon gesagt: Es wird aus dem Tagesbewußtsein verdrängt.

wie würde in einer therapie mit den aufgedeckten erinnerungen
umgegangen werden müssen, um eine befreiende wirkung zu
erzielen?

Das hängt von der Therapiemethode ab und von der jeweiligen Therapietheorie, da gibt es verschiedene. Aber das hier zu explizieren ist unmöglich, dazu gibt es die Therapieausbildungen …

Gruß

Metapher

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Hallo Tahere,

wenn ich einmal meinen bescheiden Beitrag geben darf, aber ich
denke, mit Oliver spricht das gesunde Selbstvertrauen der
naturwissenschaftlich, an Studienergebnissen
(„evidenzbasiert“) orientierten Mediziner oder Psychologen,
während Franz und Branden sehr schnell in der defensiven
Argumentation der eher geisteswissenschaftlich orientierten
Psychoanalytiker sind.

Diese Einschätzung ist nicht ganz falsch was allgemein das Selbstverständnis der Naturwissenschaften und das der Geisteswissenschaften betrifft, in unserem Fall aber hat das damit relativ wenig zu tun.

Zum einen versteht sich die Psychoanalyse (wie auch Branden dargelegt hat) nicht als Geisteswissenschaft, zum anderen ist die Dichotomie von Geistes- und Naturwissenschaften heute so fraglich geworden, dass sie für mich nicht von Bedeutung ist.

Weshalb die Psychoanalyse in diesem Thread in die Defensive gerät, hat also wenig mit ihr selbst zu tun (meines Erachtens auch nicht damit, dass die Analytiker so zurückhaltend wären, wie Branden meint), sondern mit der Argumentationsweise Olivers:

Ich werde sie Dir kurz skizzieren:

  • Zuerst führt er die Psychoanalyse in diesen Thread ein, indem er sie als „Religion“ in einer grotesk verzerrten Weise präsentiert; damit möchte er eine Reaktion provozieren (vgl. „Re: Wiedererleben als nicht-notwendige Bedingung“)

  • darauf habe ich mit einer (auch von Branden unterstützen) Gegendarstellung reagiert („Re2: Wiedererleben …“)

  • Oliver bringt nun einen Einzelaspekt ins Spiel, in dem er vorwirft, die Psychoanalyse würde ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht, indem er ein Zitat Freuds präsentiert, in dem der Buchstabe im Widerspruch zum „Geist“ steht; (Re: Die Autorität des Arztes in der Psychoanalyse)

  • meine Antwort darauf veranlasst ihn dazu, mit unsinnigen Argumenten um sich zu schlagen („Re3; Die Autorität…“ und „polemische Ebene“)

  • darauf antworte ich mit einer recht ausführlichen Darstellung der analytischen Situation; hier zeigt sich gut, wie Suggestion und Übertragung aus meiner Sicht einzuordnen sind; ich eröffne ihm also die Möglichkeit, die Ausgangsfrage zu diskutieren („sachliche Ebene“); darauf geht Oliver nicht mehr ein

  • Branden nimmt den Kontext der von Oliver zitierten Stelle bei Freud dazu und zeigt auf, wie sich damit die Bedeutung des Freud-Zitats verändert (Re4: „Die Autorität…“); darauf geht Oliver überhaupt nicht ein, sondern wiederholt lediglich das schon vorher Zitierte („Re5: Die Suggestion …“ und „Re6…“)

  • Oliver beharrt auf seinem Zitat und nimmt Brandens Argument, Freud hätte sich an bestimmten Stellen unglücklich ausgedrückt noch immer nicht zur Kenntnis; dazu leugnet er, dass er gegen Freud polemisiert, leugnet also das, was die ganze Zeit schon geschieht: dass sich Freud und damit Branden und ich in einer reinen Defensivstellung befinden („Re7…“ und "Re8); Schließlich fühlt er sich sogar selbst angegriffen und wird ausfallend („Re9…“)

  • ich mache ihm eine neue Argumentationsbasis auf, indem ich in gewisser Weise gegen Branden für ihn Partei ergreife („Re7: Die Suggestion…“); darauf reagiert er mit einem bloßen Allgemeinplatz; er nimmt nicht das zur Kenntnis, was ich in „Re2: Wiedererleben…“, in „Re: sachliche Ebene“ und in „Re7: Die Suggestion…“ bereits gesagt habe; stattdessen kommt die gleiche alte Leier wieder; auf meine drei Argumente (zur gleichen Fragestellung) in den eben angeführten drei Postings hat er nie reagiert;

  • stattdessen hat er auf plumpe Weise gegen mich polemisiert („polemische Ebene“), hat mir Dinge unterstellt, die falsch sind (Re5: Die Suggestion…"; „Re6: falsche Unterstellung“), hat auf meine Klarstellung geantwortet, ich sei nicht gemeint und solle nicht gleich alles auf mich beziehen („Re7: Beziehe…“); auf meine Antwort, dass er damit niemand anders gemeint haben kann („Re8: Wen…“) hat er geschwiegen; stattdessen reitet er in „Re9: Dann lass uns mal reflektieren“ zweimal darauf rum, dass ich leugnen würde Analytiker zu sein (in der Tat bin ich ja keiner, also was soll das); Warum er das macht, scheint klar: um eben nicht zu reflektieren, sondern bloß zu polemisieren.

So, nachdem ich jetzt noch nicht mal alle „Argumentationen“ aufgegriffen habe, sollte klargeworden sein, weshalb Branden und ich uns hier in der Defensive befinden: weil wir ständig versuchen zu argumentieren, während Oliver immer nur den einzigen Gedanken unablässig wiederholt, auf jedes Gegenargument überhaupt nicht eingeht; um dieses Nicht-Eingehen zu kaschieren, beginnt er damit, persönlich und beleidigend zu werden („Re3: Die Autorität…“)

Die Defensive liegt also in diesem Thread nicht an der Frage Geistes-/Naturwissenschaften, sondern an der Struktur der Argumentation: einer bringt gebetsmühlenhaft immer den gleichen Gedanken vor, und die anderen versuchen dagegen zu argumentieren, was schon im Ansatz nicht funktionieren kann, weil die Argumente gar nicht angenommen werden.

Der Grund, weshalb ein solcher ständiger Argumentationsversuch unternommen wird, ist aus meiner Sicht ein zweifacher;

  1. ist es nicht hinnehmbar, dass Oliver im Philosophie-Forum wie auch im Psycholgie-Forum wie eine aufgezogene Sprechmaschine immer wieder den Satz: „Die Psychoanalyse ist eine Pseudowissenschaft“ vorbringt, ohne auch nur einmal den Ansatz einer akzeptablen Begründung nachzureichen; und
  2. er zu einem Thema, das die Psychoanalyse nur am Rande berührt hat (vgl. „Traume, Verdrängung, Befreiung“) mit einem Posting, das die Psychoanalyse grundfalsch darstellt („Wiedererleben“) eingreift, und gerade durch die groteske Falschheit der Darstellung eine Verteidigungsreaktion hervorrufen möchte.

Tut mir nun leid liebe Tahere, dass mein Aufsatz so dermaßen lang geworden ist, aber er sollte eine Art Generalerklärung dieses Threads werden, und ist ja nicht nur als Antwort an Dich gerichtet.

Viele Grüße
franz

P.S. Wenn Du Lust hast, kannst Du meine Promillezahl „diagnostizieren“, bei Null ist sie nicht, weil ich gerade von einer Party gekommen bin :wink:

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SO nicht …
Hi wega,

… denn wenn man(frau)den
Liebeskummer täglich erlebt, so wird er langsam aber sicher
abgeflacht. Dies ist ein Schutzmechanismus unseres Gehirns.

Das ist natürlich Unsinn.

nein, der ausgangspunkt war ja nicht *ein* liebeskummer (dass
der vergeht, ist klar) sondern die these, dass man angeblich
im ganzen leben keinen mehr erlebt, wenn man den
„eigentlichen“ frühkindlichen schmerz irgendwie bearbeitet.

Wieso „angeblich“?? Behauptet das denn irgendjemand? Das wäre natürlich ebenso Unsinn.

Aber das war auch nicht Inhalt dessen, was du unter „These“ ursprünglich schriebst: Die (bestimmte Art) des Wiedererlebens dient lediglich dazu, ein biografisch früher liegendes und dann verdrängtes Trauma zu bewältigen. (Übrigens auch dann, wenn die Verdrängung nicht gelang. So jedenfalls nach Auffassung einer Richtung von Traumapsychotherapie.)

Damit ist nicht gesagt, daß eine vergleichbare Situation nicht wieder auftauchen kann. Es gibt keine Immunisierung gegen (z.B.) Liebeskummer. Das ist unmöglich.

Aber das hab ich dir unten ja schon ausführlicher erklärt.

Gruß

Metapher

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Hallo Franz,

ich möchte hier keineswegs die Front wieder eröffnen, aber ich
würde darauf kurz etwas sagen wollen:

ja, gern. :smile:

Du kannst das Ganze ausführlicher in Grünbaums Psychoanalyse-Kritik nachlesen. Dort stehen auch die entsprechenden Stellen, meistens wörtlich zitiert. Das Buch dürfte Dir bekannt sein, oder?

Das stimmt, darf aber eben nicht als Auf-Oktroyierung
verstanden werden; dies wäre nichts anderes als Suggestion und
damit das exakte Gegenteil von Psychoanalyse;

So verteidigen es zumindest die Analytiker. Freud schreibt aber auch, daß er die Suggestion benutzt, um die Übertragungswiderstände des Patienten zu überwinden:

Es ist ganz richtig, daß auch die Psychoanalyse mit dem Mittel der Suggestion arbeitet wie andere psychotherapeutische Methoden.*

Denn sie dient dem Analytiker dazu, den Patienten davon zu überzeugen, daß der Patient

die Gefühlsrelationen wiedererlebt, die von seinen frühesten Objektbesetzungen, aus der verdrängten Periode seiner Kindheit, herstammen* (GW 14).

Freud zufolge gelingt dies dadurch, daß der Analytiker dem Patienten als Elternersatz für dessen libidinösen (d.h. sexualtriebhaften) Übertragungsreaktionen zur Verfügung steht und diese Übertragung zum Glauben des Patienten an die Autorität des Arztes und an dessen Deutungen führt:

Wenn der Kranke den Normalkonflikt mit den Widerständen durchzukämpfen hat, die wir ihm in der Analyse aufgedeckt haben , so bedarf er eines mächtigen Antriebes, der die Entscheidung in dem von uns gewünschten, zur Genesung führenden Sinne beeinflußt. Sonst könnte es geschehen, daß er sich für die Wiederholung des früheren Ausgangs entscheidet und das ins Bewußtsein gehobene wieder in die Verdrängung gleiten läßt. Den Ausschlag in diesem Kampfe gibt dann nicht seine intellektuelle Einsicht - die ist weder stark noch frei genug für solche Leistung -, sondern einzig sein Verhältnis zum Arzt. Soweit seine Übertragung von positivem Vorzeichen ist, bekleidet sie den Arzt mit Autorität, setzt sie sich in Glauben an seine Mitteilungen und Auffassungen um. Ohne solche Übertragung, oder wenn sie negativ ist, würde er den Arzt und dessen Argumente nicht einmal zu Gehör kommen lassen. […] Der Mensch ist also nur insoweit zugänglich, als er der libidinösen Objektbesetzung fähig ist, und wir haben guten Grund, in dem Ausmaß seines Narzißmus eine Schranke für seine Beeinflußbarkeit auch für die beste analytische Technik zu erkennen und zu fürchten. [Sigmund Freud, Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse. 27. Vorlesung: Die Übertragung. Studienausgabe, Band I, S. 428f.]

Freud hat expressis verbis die Psychoanalyse als Gegenprogramm zur
Suggestion entwickelt; auch als Gegenprogramm zur Religion
übrigens.

Das zumindest war sein Ziel. Die Durchführung ist wenig überzeugend:

http://people.freenet.de/oliverwalter/Psychotherapie…

Grüße,

Oliver Walter

* Dieses Zitat lautet ausführlich:

Es ist ganz richtig, daß auch die Psychoanalyse mit dem Mittel der Suggestion arbeitet wie andere psychotherapeutische Methoden. Der Unterschied ist aber, daß ihr - der Suggestion oder der Übertragung - hier nicht die Entscheidung über den therapeutischen Erfolg überlassen wird. Sie wird vielmehr dazu verwendet, den Kranken zur Leistung einer psychischen Arbeit zu bewegen, - zur Überwindung seiner Übertragungswiderstände -, die eine dauernde Veränderung seiner seelischen Ökonomie bedeutet. Die Übertragung wird vom Analytiker dem Kranken bewußt gemacht, sie wird aufgelöst, indem man ihn davon überzeugt, daß er in seinem Übertragungsverhalten Gefühlsrelationen wiedererlebt, die von seinen frühesten Objektbesetzungen, aus der verdrängten Periode seiner Kindheit, herstammen.

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Hallo Franzl,

  • meine Antwort darauf veranlasst ihn dazu, mit unsinnigen
    Argumenten um sich zu schlagen („Re3; Die Autorität…“ und
    „polemische Ebene“)

ich habe keine unsinnigen Argumente bei Oliver erkennen können, höchstens eine spitze Zunge und eine gewisse Verve, fand ich sehr erfrischend!

  • Oliver beharrt auf seinem Zitat und nimmt Brandens Argument,
    Freud hätte sich an bestimmten Stellen unglücklich ausgedrückt
    noch immer nicht zur Kenntnis; dazu leugnet er, dass er gegen
    Freud polemisiert, leugnet also das, was die ganze Zeit schon
    geschieht: dass sich Freud und damit Branden und ich in einer
    reinen Defensivstellung befinden („Re7…“ und "Re8);
    Schließlich fühlt er sich sogar selbst angegriffen und wird
    ausfallend („Re9…“)

Habe übrigens auch nicht das Gefühl gehabt, er polemisiere gegen Freud.

Das ist wahrscheinlich der Punkt. Wenn die Vertreter der Psychoanalyse nicht von vorneherein defensiv wären, könnten sie vielleicht etwas gelassener damit umgehen, das Freud mal dieses und jenes gesagt hat, oder?

Das ist genau der Punkt der mir aufgefallen ist in diesem Thread und den ich angesprochen habe.

Tut mir nun leid liebe Tahere, dass mein Aufsatz so dermaßen
lang geworden ist, aber er sollte eine Art Generalerklärung
dieses Threads werden, und ist ja nicht nur als Antwort an
Dich gerichtet.

Danke, lieber Franz, aber etwas kürzer und vielleicht auch manchmal etwas weniger generalerklärend würde manchmal die Lesbarkeit deiner Beiträge durchaus verbessern *frozzel*.

P.S. Wenn Du Lust hast, kannst Du meine Promillezahl
„diagnostizieren“, bei Null ist sie nicht, weil ich gerade von
einer Party gekommen bin :wink:

Vor der Party postetst du mir, nach der Party sofort wieder, kein Wunder dass deine Freundin eifersüchtig auf mich wird *lach*. Ich tippe mal auf 1,3 0/00?

Gruß

Tahere

PS: In der Vika steht „Studium der Soziologie und der Philosophie“. Bist du noch dabei oder hast du abgeschlossen oder abgebrochen?

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

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Hallo,

wenn ich einmal meinen bescheiden Beitrag geben darf, aber ich denke, mit Oliver spricht das gesunde Selbstvertrauen der naturwissenschaftlich, an Studienergebnissen („evidenzbasiert“) orientierten Mediziner oder Psychologen, während Franz und Branden sehr schnell in der defensiven Argumentation der eher geisteswissenschaftlich orientierten Psychoanalytiker sind. Obwohl es in diesem Thread überhaupt keinen Grund dafür gibt, denn es ist ja ein reines wissenschaftshistorisches und zudem sehr akademisches Thema, ob Freud nun dies oder jenes gesagt hat und ob er es auch so gemeint hat oder nicht :smile: Trotzdem landen die Psychoanalytiker sofort in der Defensive, einfach so.

Das ist mein rein emotionaler Eindruck, aber unter lauter Psychiatern, Analytikern, Psychologen, Philosophen als Nebenberufstherapeuten, Medizinstudentinnen mit Interessa an Psychiatrie u.ä. darf man so etwas doch mal spiegeln, oder?

Freche Grüße

Tahere

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

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Hallo Oliver,

ich möchte hier keineswegs die Front wieder eröffnen, aber ich würde darauf kurz etwas sagen wollen:

ich würde gern mal wissen, ob jemand zu folgendem thema
philosophische texte kennt - obwohl das, was ich ansprechen
werde, wohl eher dem bereich der psychologie zuzuordnen wäre:
es geht um die these: man muss verdrängten schmerz
wiedererleben, um sich davon zu befreien.

wie seht ihr das?

die Prämisse Deiner Argumentation ist - soweit ich mich
erinnern :wink: kann - nicht richtig.

dazu weiß ich nichts, es ist für mich hier auch irrelevant; wobei ich natürlich hier (wenn die Prämisse richtig sein sollte) in erster Linie an die Kathartis-These denken würde, welche besagt, dass durch stete Wiederholung eines erlittenen Traumas ein Prozess der Abreaktion und damit der Reinigung (Kathartis) einsetzt; diese These war noch bei Charcot und bei Breuer akzeptiert, Freud hat sie nach und nach aufgegeben; die philosophischen Wurzeln dieser These reichen bis in die Antike zurück

Denn dem späten Freud
zufolge muß man verdrängten Schmerz nicht wiedererleben, um
sich von ihm zu „befreien“. Es reiche aus, wenn der Patient
der Autorität des Arztes folge und daran glaube, daß die
psychoanalytische Deutung richtig sei.

In dieser Form hat Freud das meines Wissens nie gesagt bzw. gedacht. Kannst Du mir hierzu Quellen angeben?

Die Autorität setze der
Analytiker ein, wenn der Patient sich nicht wiedererinnern
kann, was Freud zufolge häufiger vorkomme. Das Vertrauen in
den Arzt solle dann die eigene Erinnerung ersetzen können.

So ungefähr ist das nicht ganz falsch; ich möchte es kurz mit Lacan (ein „Nachfolger“ Freuds) skizzieren; der Analytiker muss ein „sujet supposé savoir“ darstellen, ein Subjekt, dem Wissen unterstellt werden kann; dies ist unabhängig davon, ob er tatsächlich die Bedeutung des Symptoms des Patienten weiß; wichtig ist nur der Mechanismus, dass ihm dieses Wissen unterstellt werden kann, weil erst so der Prozess der Analyse in Gang kommen kann, in dessen Verlauf erst die tatsächliche Bedeutung des Symptoms ans Licht kommt; wie gesagt ist es eine reine Illusion, dass der Analytiker die Bedeutung wüsste, aber eben eine Real-Illusion, eine Illusion, die etwas Reales in Gang setzt; es geht hier aber absolut nicht darum, dass der Psychoanalytiker kraft seiner Autorität dem Patienten die Wahrheit über sein Leiden aufdrücken würde, sondern um das exakte Gegenteil (auch schon bei Freud, nicht erst bei Lacan).

Freud beschreibt in seinen Werken Szenen,in denen er seine
Autorität gegen die Ungläubigkeit des Patienten in die
Waagschale warf.

Das stimmt, darf aber eben nicht als Auf-Oktroyierung verstanden werden; dies wäre nichts anderes als Suggestion und damit das exakte Gegenteil von Psychoanalyse; Freud hat expressis verbis die Psychoanalyse als Gegenprogramm zur Suggestion entwickelt; auch als Gegenprogramm zur Religion übrigens.

Viele Grüße
franz

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Hallo,

ich würde gern mal wissen, ob jemand zu folgendem thema
philosophische texte kennt - obwohl das, was ich ansprechen
werde, wohl eher dem bereich der psychologie zuzuordnen wäre:
es geht um die these: man muss verdrängten schmerz
wiedererleben, um sich davon zu befreien.

wie seht ihr das?

die Prämisse Deiner Argumentation ist - soweit ich mich erinnern :wink: kann - nicht richtig. Denn dem späten Freud zufolge muß man verdrängten Schmerz nicht wiedererleben, um sich von ihm zu „befreien“. Es reiche aus, wenn der Patient der Autorität des Arztes folge und daran glaube, daß die psychoanalytische Deutung richtig sei. Die Autorität setze der Analytiker ein, wenn der Patient sich nicht wiedererinnern kann, was Freud zufolge häufiger vorkomme. Das Vertrauen in den Arzt solle dann die eigene Erinnerung ersetzen können. Freud beschreibt in seinen Werken Szenen, in denen er seine Autorität gegen die Ungläubigkeit des Patienten in die Waagschale warf.

Grüße,

Oliver Walter

Hallo Franz,

Du wirst verstehen, dass ich mir relativ schwer dabei tue,
kurze Zitat Freuds zu kommentieren, ohne ihren Kontext
einsehen zu können;

warum fragst Du dann, wenn Du hinterher sagst, daß Du das nicht nachprüfen kannst?

ohne Zugriff auf meine Bücher (ich bin
gerade nicht zuhause), kann ich nicht mal sagen, welches Werk
denn hinter GW 14 steckt (das nur vorab)

Die genaue Quellenangabe ist

Gesammelte Werke, Band 14, S. 68f.

Das kannst Du jetzt leicht überprüfen.

Wie Du weißt bin ich kein orthodoxer Freudianer, warum sollte
ich die GWs auswendig lernen.

Du hast mich nach den Quellen gefragt und ich konnte sie Dir nennen, obwohl ich weder Freudianer noch Lacanianer [Anhänger Lacans, eines postfreudianischen französischen Psychoanalytikers].

[Grünbaum]

Ja, das Buch ist mir bekannt; ich habe es aber größtenteils
nur überflogen, weil ich die Psychoanalyse darin gar nicht
gefunden habe; es ist also nicht etwa so, dass ich es nicht
zur Kenntnis nehmen hätte wollen, sondern so, dass ich ihm an
allen möglichen Stellen in seinen Aussagen zugestimmt hätte,
wenn ich denn überhaupt akzeptiert hätte, dass er von der
Psychoanalyse spricht; das tut er meines Erachtens nicht;

Grünbaum ist ein ziemlich guter Kenner der Freudschen Werke. Wenn Du sie aber nicht so gut kennst wie er, wie willst Du darüber urteilen, ob Grünbaum sie verstanden hat?

er spricht von einem Zerrbild;

Ich dachte, Du hättest das Buch „nur überflogen“?

z.B. erkennt er meiner Erinnerung
nach gar nicht an, dass Freud etwa die auch in Deinem Posting
an Tahere implizit genannte „Übereinstimmungsthese“, wenn er
sie denn überhaupt wirklich vertrat, nach und nach ablegte;

Ja, das schreibt Grünbaum aber auch.

das hängt damit zusammen, dass Grünbaum z.B. die Thematik
„Nachträglichkeit“ und „Deckerinnerung“, die ja ganz tief in
diese „Übereinstimmung“ hineingreift, nicht akzeptabel
reflektiert; wie gesagt: ich hoffe, hier nicht reinen Stuss zu
erzählen, „Grünbaum“ ist lange her und meine Erinnerung kann
mich täuschen; was ich aber sicher sagen kann ist, dass ich
eine andere Psychoanalyse vertrete als Grünbaum sie darstellt,

Grünbaum äußert sich in einem anderen Werk auch über Lacan. Ich will keinen Streit, deshalb zitiere ich das jetzt nicht.

und dass ich eine Kritik der Psychoanalyse, von einer Position
der analytischen Philosophie wie Grünbaum sie vertritt her,
grundsätzlich nicht akzeptiere.

Ist das ein Argument?

Welche Mittel Freud hier meint, kann ich ohne Kontext nicht
wissen, aber den darauffolgenden Satz muss man hier
miteinbeziehen (Du hast ihn ja fairerweise unten mit
angegeben), nämlich dass der Suggestion nicht die Entscheidung
über den therapeutischen Erfolg überlassen würde;

Ja, das schreibt Freud. Aber es ist keine zutreffende Beschreibung, weil

  1. Freud die Suggestion zur Überwindung der Übertragungswiderstände einsetzt,
  2. die Übertragung ihm zufolge maßgeblich für die „Heilung“ ist,

ergo ist die Suggestion wichtig für die „Heilung“.

Die Argumentation Freuds, daß die Suggestion in der Psychoanalyse im Vergleich zu anderen Therapien eine untergeordnete Rolle spiele, ist daher nicht überzeugend. Grünbaum kritisiert diesen Punkt übrigens auch.

Hier interpretierst Du meines Erachtens das Zitat falsch:
Nicht die Suggestion dient zu…, sondern die Bewusstmachung
bzw. Auflösung der Übertragung, was ja nun nicht einfach
Suggestion ist

Aber zur Überwindung der Widerstände setzt Freud die Suggestion ein.

Also nicht der Arzt, sondern das Verhältnis des Patienten zum
Arzt; das was er dem Intellekt hier entgegensetzt ist also
nicht gerade der Intellekt des Arztes, der suggerieren würde,
sondern sind die Faktoren, die in der Übertragungsneurose, dem
Arzt-Patient-Verhältnis, wirken. Von Suggestion ist hier keine
Rede, im Gegenteil.

Die Suggestion hat er anderweitig eingeführt als Mittel in der Nutzung der Übertragungssituation.

Wenn man hier pos. und neg. Übertragung als termini technici
versteht, dann beschreibt Freud hier ganz sicher nichts
Spezifisches der psychoanalytischen Therapie, sondern eine
Binsenweisheit: Wenn ich meinem Hausarzt gegenüber eine
negative Übertragung einnehme, dann werde ich ihm kein „Gehör“
schenken und seinen Rat befolgen; deshalb wird aus meiner
Grippe eine Pneumonie; damit ist die „Kur“ gescheitert; mehr
besagt der zitiert Passus meines Erachtens nicht,

Ja, richtig. Freud sagt aber auch, daß die Psychoanalyse als einzige Therapie kausal wirksam sei und zwar nicht, weil sie die Suggestion verwendet, sondern weil sie die Ursache der „Krankheit“ tatsächlich beseitige. Nun sagt er weiter, daß er, um die Ursache zu beseitigen, die Suggestion benutze. Das macht er, indem er den Patienten unter Verwendung seiner Autorität als Arzt suggeriert, daß die analytische Deutung des Wiederlebens von Verdrängtem korrekt ist.

Ergo: Freud benutzt die Suggestion für die „Heilung“. Er benutzt sie, um den Patienten von der psychoanalytische Theorie über die Entstehung der „Krankheit“ zu überzeugen.

Und schließlich: Wenn der Patient das glaubt, was Freud ihm unter Ausnutzung seiner Autorität suggeriert, dann gilt der Patient als „geheilt“.

Grüße,

Oliver Walter

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ah ja
Hi wega,

… die these, dass man angeblich
im ganzen leben keinen mehr erlebt, wenn man den
„eigentlichen“ frühkindlichen schmerz irgendwie bearbeitet.

ja, diese behauptung habe ich neulich gelesen. sie soll von
arthur janov stammen.

ah ja, dann ist klar, woher dieser absurde Wind weht. Da wir hier nicht im Psychologiebrett sind, möchte ich mir einen Kommentar dazu ersparen. Vielleicht nur dies als Vorschlag: Vergiß diesen Nonsense!

die behauptung, die ich aufgegriffen habe, zielte darauf ab,
dass z.b. liebeskummer *immer* nur eine aktualisierte
traumasituation ist.

ja, das ist eine dieser verquasten Hypothesen von Janov.

hat man das ursprüngliche trauma „bearbeitet“ - durch
wiedererleben - tauche kein schmerz im leben jemals mehr auf.

usw. Das ist erstmal einfach nicht wahr und dann sollte man wissen, daß der Verlust der emotionalen Erlebensfähigkeit selbst wieder ein psychopathisches Phänomen ist.

dabei frage ich mich dann aber, ob dann nicht jeder mensch
traumatisiert ist und ob nicht eine situation auch aus sich
heraus schmerzen verursachen können soll.

Daß der Geburtsvorgang ein erstes Trauma ist, ist ja gerade die verquaste These von Janov. Daß das Nonsense ist kannst du dir einfach so klarmachen: Angenommen du seiest „erfolgreich“ nach Janowscher Manier „urschrei-therapiert“. Glaubst du, daß du dann eine spätere Vergewaltigung oder einen ICE-Crash wie Enschede belustigend erleben wirst?

wie unterscheidet man denn dann, ob ein aktueller schmerz mit
einem trauma aus der kindheit zu tun hat oder nicht ?

Das wird in einer sinnvollen Psychotherapie klar werden. Aber zu erklären wie und warum, das würde den Rahmen hier bei weitem sprengen und es ist wirklich keine philosophische Fragestellung. Nur soviel sei gesagt: Man erkennt es daran, daß das Schmerzerleben, die Reaktion auf das aktuelle Geschehen dem aktuellen Geschehen nicht „adäquat“ ist (z.B. wenn du Suizid- oder Mordgedanken hegst, weil dein Partner dich betrogen hat).

Gruß

Metapher

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Hallo Branden,

Nein, das ist verkürzt dargestellt

richtig.

Die wesentlichen Särtze hasz Du (whlwissend?) weggelassen.

Sie stehen am Ende meines Postings

http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…

Auf sie habe ich mit * verwiesen.

Wir sind uns zumindest einig, daß der Satz

Es ist ganz richtig, daß auch die Psychoanalyse mit dem Mittel der Suggestion arbeitet wie andere psychotherapeutische Methoden

von Freud ist und er darin sagt, daß die Psychoanalyse die Suggestion benutzt. Er sagt in dem Abschnitt weiter:

Sie wird vielmehr dazu verwendet, den Kranken zur Leistung einer psychischen Arbeit zu bewegen, - zur Überwindung seiner Übertragungswiderstände

Der unbegründeten Behauptung in diesem Thread (nicht von Dir), daß Suggestion und Übertragung in der Freudschen Therapie nichts miteinander zu tun haben, wird damit durch Freud selbst widersprochen.

Freud schreibt weiter in dem zitierten Abschnitt:

Die Übertragung wird vom Analytiker dem Kranken bewußt gemacht, sie wird aufgelöst, indem man ihn davon überzeugt, daß er in seinem Übertragungsverhalten Gefühlsrelationen wiedererlebt, die von seinen frühesten Objektbesetzungen, aus der verdrängten Periode seiner Kindheit, herstammen.

Damit sagt Freud, daß der Analytiker den Patienten von seiner psychoanalytischen Theorie der Übertragung und ihrer Bedeutung für die Therapie überzeugen muß. Denn oft ist der Patient anfänglich ungläubig („Übertragungswiderstände“). Deshalb muß der „Kranke“ Freud zufolge

zur Leistung einer psychischen Arbeit

bewegt werden. Mit dieser Arbeit ist die

Überwindung seiner Übertragungswiderstände

gemeint. Das Mittel, um ihn dazu zu bewegen, ist laut Freud die Suggestion. Deshalb schreibt Freud:

Es ist ganz richtig, daß auch die Psychoanalyse mit dem Mittel der Suggestion arbeitet wie andere psychotherapeutische Methoden. […] Sie wird […] dazu verwendet, den Kranken zur Leistung einer psychischen Arbeit zu bewegen, - zur Überwindung seiner Übertragungswiderstände.

Die Aussage, daß Freud die Suggestion zur „Heilung“ der „Krankheit“ einsetzt, ist damit durch Freuds Ausführungen belegt.

Natürlich verwendet Freud zum Zeitpunkt der Abfassung der Textpassagen keine „plumpe“ Suggestion wie z.B. in der Hypnose („wenn Sie aufwachen, können Sie Ihren Arm bewegen und haben keine Schmerzen“) mehr. In den Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse verwirft er den Einwand „plumper“ Suggestion deshalb vollkommen zurecht. Er gibt aber zu, daß er mit der Suggestion arbeitet, um den Patienten von der Richtigkeit seiner Theorie über die Entstehung, Aufrechterhaltung und Beseitigung der Symptome zu überzeugen.

Die Überzeugung von der Richtigkeit der psychoanalytischen Hypothesen gelingt Freud zufolge nur, wenn der Patient von der Autorität des Arztes überzeugt ist. Sie gelingt Freud zufolge nicht durch Einsicht, denn die „Geisteskraft“ des Patienten ist - laut Freud - zu gering und sein Wille nicht frei (genug). Deshalb schreibt Freud:

Den Ausschlag in diesem Kampfe gibt dann nicht seine intellektuelle Einsicht - die ist weder stark noch frei genug für solche Leistung -, sondern einzig sein Verhältnis zum Arzt. Soweit seine Übertragung von positivem Vorzeichen ist, bekleidet sie den Arzt mit Autorität, setzt sie sich in Glauben an seine Mitteilungen und Auffassungen um. Ohne solche Übertragung, oder wenn sie negativ ist, würde er den Arzt und dessen Argumente nicht einmal zu Gehör kommen lassen.

Ohne, daß der Patient zu dieser „psychischen Arbeit“ (=„Überwindung der Übertragungswiderstände“) mit Hilfe der Suggestion und des Glaubens an die Autorität des Arztes bewegt werden kann,

könnte es geschehen, daß er sich für die Wiederholung des früheren Ausgangs entscheidet und das ins Bewußtsein gehobene wieder in die Verdrängung gleiten läßt.

Daß der Patient durch Suggestion und seinen Glauben an die Autorität des Arztes von der Richtigkeit der psychoanalytischen Theorien überzeugt wird, ist Freud zufolge eine conditio sine qua non.

Grüße,

Oliver Walter

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*hüstel*
Hallo,

weil mir niemand bisher die frage beantwortet hat,
(und das sollte doch auch möglich sein, ohne freud zu
zitieren?)

mein Posting kam völlig ohne Freud aus und hat deine Frage beantwortet, wenn auch vielleicht nicht erklärt.

Eine Nachfrage hätte vielleicht ja nicht geschadet, wenn du es wirklich wissen willst?

Aber wenn du dazu etwas lesen möchtest, dann lies doch mal Beck, A.T.; Freeman, A: Kognitive Therapie der Persönlichkeitsstörungen; Weinheim (Beltz PVU) 4. Aufl. 1999

Gruß

Tahere

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

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Hallo Branden,

Du bist nun garnicht auf meine Ausführungen zu diesen Zitaten
eingegangen, sondern wiederholst sie deinerseits wieder.

ja, weil ich erst einmal als Grundlage sehen möchte, daß wir uns darüber einig sind, daß Freud das geschrieben hat, was er geschrieben hat. Das ist nun erreicht und ich kann auf Deine Anmerkungen hier eingehen. Eigentlich stellen sich mehr Fragen, als daß ich Kommentare hätte. Zum Beispiel:

Ich sagte ja: Ich halte diese Sätze in Freuds Selbstdarstellung
auch eben nicht für die glücklichsten oder gelungensten.

Wieso „auch“? Wer hält sie denn noch für nicht glücklich oder gelungen? Franz?

Er erweist seiner Sache damit eigentlich keinen rechten Dienst.
Ich hätte das anders formuliert, um deutlicher zu machen, wie
WENIG die Psychoanalyse mit Suggestion zu tun hat und nicht
WIEVIEL. Denn sie hat ja im Vergelich zu den anderen damaligen
Therapie-Methoden wenig mit Suggestion zu tun.

Es war Freud, wie man in der von mir zitierten Vorlesung nachlesen kann, ein Bedürfnis, die Bedeutung der Suggestion in der Psychoanalyse darzustellen. Daß sie eine Bedeutung hat, bestreitet Freud nicht, sondern er erläutert zutreffend den Unterschied der Suggestion in der Psychoanalyse und in anderen Therapien. Das ist doch völlig o.k., wie ich finde.

Natürlich
sollte man auch hier gerecht sein und die Weiterentwicklung
der Psychoanalyse sehen und nicht immer alles dem armen Freud
anlasten, der ja nun eh schon so viuel entdeckt und gesehen
hat.

Was lastet wer Freud an?

Grüße,

Oliver Walter

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Hallo,

dennoch würde ich gerne die beweggründe für diese these
nachvollziehen können.

wir diskutieren das am besten zusammen im Psychologie-Brett.

Grüße,

Oliver Walter

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Hallo,

es geht mir hier ja eigentlich nicht darum, was man freud
zufolge machen sollte.

das ist klar. Ich verstehe Deinen Einwand vor dem Hintergrund, daß sich anscheinend abschweifende Teilthreads bilden, gut. Allerdings ist Dein Wunsch, so verständlich er mir auch ist,

ich möchte einfach nur diese wiedererinnerungsthese
diskutieren.

schlechterdings kaum erfüllbar, weil man bei der Diskussion dessen, worum es Dir geht, um die Beschäftigung mit dem Freudschen Standpunkt kaum herum kommt. Dieser Standpunkt ist nämlich ein Ausgangspunkt der Diskussion um das Wiedererleben von Verdrängtem. Beide Begriffe - Wiedererleben und Verdrängung - sind so eng mit Freudscher Psychoanalyse verknüpft, daß es wundern sollte, wenn niemand in einer Diskussion auf Freud zu sprechen käme.

(unabhängig davon, ob es „echte“ oder suggerierte erinnerungen
sind)

Nur provoziert (provocare - hervorrufen) die These vom Wiedererleben des Verdrängten die Frage geradezu, ob diese These gültig ist.

Augenzwinkernde Grüße von

Oliver Walter

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Hallo Ben

Freud beschreibt in seinen Werken Szenen,in denen er seine
Autorität gegen die Ungläubigkeit des Patienten in die
Waagschale warf.

Das stimmt, darf aber eben nicht als Auf-Oktroyierung
verstanden werden; dies wäre nichts anderes als Suggestion und
damit das exakte Gegenteil von Psychoanalyse; Freud hat
expressis verbis die Psychoanalyse als Gegenprogramm zur
Suggestion entwickelt; auch als Gegenprogramm zur Religion
übrigens.

Das ist richtig. Was Oliver da hingegen geschrieben hat, ist dermaßen kurios, dass ich es als Polemik gewertet habe und garnicht erst darauf einging.
Wenn ich z.B. ernsthaft behauptete, Verhaltenstherapie sei nur dass, was Stanley Kubrick in „Clockwerk Orange“ zeigt, hätten wir einen ähnlichen Effekt.
Gruß,
Branden

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Hallo Oliver,

ich werde Dir in zwei getrennten Postings antworten, weil auch Deines aus zwei Hälften bestand, einer rein polemischen und einer rein sachlichen.

vorab:

Du wirst verstehen, dass ich mir relativ schwer dabei tue,
kurze Zitat Freuds zu kommentieren, ohne ihren Kontext
einsehen zu können;

warum fragst Du dann, wenn Du hinterher sagst, daß Du das
nicht nachprüfen kannst?

ohne Zugriff auf meine Bücher (ich bin
gerade nicht zuhause), kann ich nicht mal sagen, welches Werk
denn hinter GW 14 steckt (das nur vorab)

Die genaue Quellenangabe ist

Gesammelte Werke, Band 14, S. 68f.

Das kannst Du jetzt leicht überprüfen.

Wie Du weißt bin ich kein orthodoxer Freudianer, warum sollte
ich die GWs auswendig lernen.

Du hast mich nach den Quellen gefragt und ich konnte sie Dir
nennen, obwohl ich weder Freudianer noch Lacanianer [Anhänger
Lacans, eines postfreudianischen französischen
Psychoanalytikers].

bei allem Respekt, aber das ist wirklich nur plumpe Polemik, ich habe Dir lediglich die äußeren Umstände meines Postings geschildert; daraus auf meinen Kenntnisstand zu schließen ist unsinnig und anmaßend.

[Grünbaum]

Ja, das Buch ist mir bekannt; ich habe es aber größtenteils
nur überflogen, weil ich die Psychoanalyse darin gar nicht
gefunden habe; es ist also nicht etwa so, dass ich es nicht
zur Kenntnis nehmen hätte wollen, sondern so, dass ich ihm an
allen möglichen Stellen in seinen Aussagen zugestimmt hätte,
wenn ich denn überhaupt akzeptiert hätte, dass er von der
Psychoanalyse spricht; das tut er meines Erachtens nicht;

Grünbaum ist ein ziemlich guter Kenner der Freudschen Werke.
Wenn Du sie aber nicht so gut kennst wie er, wie willst Du
darüber urteilen, ob Grünbaum sie verstanden hat?

Ich habe nicht darüber geurteilt, ob Grünbaum ein Kenner ist, sondern darüber, dass ich Grünbaums Zugang zur Psychoanalyse nicht teile (dazu unten mehr); hier zu schließen, ich würde sie „weniger kennen“ ist wiederum nichts mehr als eine Argumentationskeule

er spricht von einem Zerrbild;

Ich dachte, Du hättest das Buch „nur überflogen“?

wieder nur Keule! Sein Zugang zur Psychoanalyse ist nicht ein rein Grünbaumscher, sondern steht in einer Traditionslinie, die schon beim Logischen Empirismus beginnt und über Poppers Kritik an der Psychoanalyse sich fortsetzt; mag sein, dass dabei einiges Originäres an Grünbaums Zugang übersehen wird, aber wir sprechen nicht über Grünbaum, sondern über Freud

z.B. erkennt er meiner Erinnerung
nach gar nicht an, dass Freud etwa die auch in Deinem Posting
an Tahere implizit genannte „Übereinstimmungsthese“, wenn er
sie denn überhaupt wirklich vertrat, nach und nach ablegte;

Ja, das schreibt Grünbaum aber auch.

Ok, dann hatte ich ihn hier halt nicht richtig in Erinnerung; ich frage mich aber, warum Du dann an dieser These festgehalten hast

das hängt damit zusammen, dass Grünbaum z.B. die Thematik
„Nachträglichkeit“ und „Deckerinnerung“, die ja ganz tief in
diese „Übereinstimmung“ hineingreift, nicht akzeptabel
reflektiert; wie gesagt: ich hoffe, hier nicht reinen Stuss zu
erzählen, „Grünbaum“ ist lange her und meine Erinnerung kann
mich täuschen; was ich aber sicher sagen kann ist, dass ich
eine andere Psychoanalyse vertrete als Grünbaum sie darstellt,

Grünbaum äußert sich in einem anderen Werk auch über Lacan.
Ich will keinen Streit, deshalb zitiere ich das jetzt nicht.

Du streitest schon das ganze Posting, und das ziemlich unlauter!

und dass ich eine Kritik der Psychoanalyse, von einer Position
der analytischen Philosophie wie Grünbaum sie vertritt her,
grundsätzlich nicht akzeptiere.

Ist das ein Argument?

Nein, das ist selbstverständlich kein Argument gegen Grünbaum oder für Freud, oder was auch immer; ich wollte damit sagen, dass ich nicht gewillt bin, diese Diskussion auf dem Grünbaumschen Boden zu führen, weil ich seine erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Positionen nicht teile; die Diskussion würde also erst auf diesem Gebiet zu erfolgen haben.
Alles was ich zu „Grünbaum“ geschrieben habe, sollte Dir nur eine grundsätzliche Einschätzung meiner Sicht auf die Psychoanalyse ermöglichen; die Diskussion geht doch um etwas ganz anderes;

Ich halte es also für unsinnig, die Diskussion auf der polemischen Ebene weiterzuführen; auf der sachlichen meinetwegen

Viele Grüße
franz

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Hallo Oliver

Die genaue Quellenangabe ist

Gesammelte Werke, Band 14, S. 68f.

  1. Freud die Suggestion zur Überwindung der
    Übertragungswiderstände einsetzt,
  2. die Übertragung ihm zufolge maßgeblich für die „Heilung“
    ist,

ergo ist die Suggestion wichtig für die „Heilung“.

Nein, das ist verkürzt dargestellt und im Zusammenhang daher nicht genau genug interpretiert. Die wesentlichen Särtze hasz Du (whlwissend?) weggelassen.
„Es ist ganz richtig, dass doe PA mit dem Mittel der Suggestion arbeitet wie andere psychotherapeutische Methoden. DER UNETRSCHIED IST ABER, DASS IHR - DER SUGGESTION ODER DER ÜBERTRAGUNG - HIER NICHT DIE ENTSCHEIDUNG ÜBER DEN THERAPEUTISCHEN ERFOLG ÜBERLASSEN WIRD. SIE WIRD VIELMEHR DAZU VERWENDET, DEN KRANKEN ZUR LEISTUNG EINER PSYCHISCHEN ARBEIT ZU BEWEGEN, - ZUR ÜBERWINDUNG SEINER ÜPBERTRAGUNGSWIDERSTÄNDE, - DIE EINE DAUERNDE VERÄNDERUNG SEINER PSYCHISCHEN ÖKONOMIE BEDEUTET. DIE ÜBERTRAGUNG WIRD VOM ANALYTIKER DEM KRANEKN BEWUSST GEMACHT, SIE WIRD AUFGELÖST; INDEM MAN IHN DAVON ÜBERZEUGT, DASS ER IN SEINEM ÜBERTRAGUNGSVERHALTEN GEFÜHLSRELATIONEN WIEDERERLEBT, DIE VON SEINEN FRÜHESTEN OBJEKTBESETZUNGEN, AUS DER VERDRÄNGTEN PERIODE SEINER KINDHEIT, HERSTAMMEN.“
Wenn Freud hier im letzten Satz „überzeugt“ sagt, hätte er meines Erachtens besser geschrieben: „…indem man dem Patienten deutlich werden lässt.“ Es geht ja im großen und ganzen darum, dass dem Patienten Zusammenhänge BEWUSST werden, nicht dass ihm etwas eingeredet wird. An ganz anderer Stelle sagt Freud ja auch, dass es unwichtig ist, ob der Patient an den Erfolg der psychoanalytischen Behandlung glaubt oder nicht. Die Heilung geht prozesshaft durch Bewußtwerdung vonstatten, nicht durch Überreden. Freud hat sich hier übrigens im Band 14 in seiner Selbstdarstellung zum Teil relativ unglücklich ausgedrückt. Du kannst bei jedem Autor, der dermaßen viel geschrieben hat, natürloch auch schwäcere Stellen in seinem Werk finden.
Gruß,
Branden

Die Argumentation Freuds, daß die Suggestion in der
Psychoanalyse im Vergleich zu anderen Therapien eine
untergeordnete Rolle spiele, ist daher nicht überzeugend.
Grünbaum kritisiert diesen Punkt übrigens auch.

Hier interpretierst Du meines Erachtens das Zitat falsch:
Nicht die Suggestion dient zu…, sondern die Bewusstmachung
bzw. Auflösung der Übertragung, was ja nun nicht einfach
Suggestion ist

Aber zur Überwindung der Widerstände setzt Freud die
Suggestion ein.

Also nicht der Arzt, sondern das Verhältnis des Patienten zum
Arzt; das was er dem Intellekt hier entgegensetzt ist also
nicht gerade der Intellekt des Arztes, der suggerieren würde,
sondern sind die Faktoren, die in der Übertragungsneurose, dem
Arzt-Patient-Verhältnis, wirken. Von Suggestion ist hier keine
Rede, im Gegenteil.

Die Suggestion hat er anderweitig eingeführt als Mittel in der
Nutzung der Übertragungssituation.

Wenn man hier pos. und neg. Übertragung als termini technici
versteht, dann beschreibt Freud hier ganz sicher nichts
Spezifisches der psychoanalytischen Therapie, sondern eine
Binsenweisheit: Wenn ich meinem Hausarzt gegenüber eine
negative Übertragung einnehme, dann werde ich ihm kein „Gehör“
schenken und seinen Rat befolgen; deshalb wird aus meiner
Grippe eine Pneumonie; damit ist die „Kur“ gescheitert; mehr
besagt der zitiert Passus meines Erachtens nicht,

Ja, richtig. Freud sagt aber auch, daß die Psychoanalyse als
einzige Therapie kausal wirksam sei und zwar nicht, weil sie
die Suggestion verwendet, sondern weil sie die Ursache der
„Krankheit“ tatsächlich beseitige. Nun sagt er weiter, daß er,
um die Ursache zu beseitigen, die Suggestion benutze. Das
macht er, indem er den Patienten unter Verwendung seiner
Autorität als Arzt suggeriert, daß die analytische Deutung des
Wiederlebens von Verdrängtem korrekt ist.

Ergo: Freud benutzt die Suggestion für die „Heilung“. Er
benutzt sie, um den Patienten von der psychoanalytische
Theorie über die Entstehung der „Krankheit“ zu überzeugen.

Und schließlich: Wenn der Patient das glaubt, was Freud ihm
unter Ausnutzung seiner Autorität suggeriert, dann gilt der
Patient als „geheilt“.

Grüße,

Oliver Walter

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