Trauma, Verdrängung, Befreiung
Hi wega,
ich würde gern mal wissen, ob jemand zu folgendem thema
philosophische texte kennt
Systematische philosophische Abhandlungen über Bewußtsein sind nach einer Hochblüte im sog. Deutschen Idealismus meinem Überblick nach nicht vorhanden. Unmengen Literatur zur Subjektivität gibt es natürlich, vor allem in Frankreich, aber das würde ich nicht unter systematischer Philosophie einordnen.
Deine „These“ enthält deiner Formulierung nach ja auch schon einige Begriffe, die als solche - wie schon angemerkt wurde - aussschließlich in diversen psychoanalytischen Richtungen seit Freud anzusiedeln sind.
In den weiteren Erläuterungen zu der These:
es geht um die these: man muss verdrängten schmerz wiedererleben, um sich davon zu befreien.
die selbst schon etwas mißverständlich formuliert ist (dazu gleich), scheinen sich einige Mißverständnisse eingeschlichen zu haben:
zusammengefasst würde das heißen: man erlebt diesen schmerz in
etappen, also z.b. durch liebeskummer, weil man ihn zur heilung wiedererleben muss. …
Es ist aber mit dem „Wiedererleben“ keineswegs gemeint, daß man schmerzliche Situationen eines bestimmten Typs immer wieder neu erleiden soll, um sich vom Schmerz zu befreien. Du nimmst Liebeskummer (gemeint ist wahrscheinlich aber Trennungsschmerz) als Beispiel. Ich nehme mal einen körperlichen Schmerz (Fingerverbrennen) als Beispiel: Daß das wehtut, wird, wie du selbst ja auch vermutest, nicht dadurch vermindert, daß man sich immer wieder die Finger verbrennt. Das ist ja klar.
Mit dem „Wiederleben“ ist etwas anderes gemeint: Es geht um das Reaktualisieren (das wäre der korrektere Ausruck) eines bestimmten traumatischen Ereignisses oder eine länger andauernden traumatischen Situation der Vergangenheit, bei der der Schmerz (oder Trauer oder Entsetzen oder ähnliches) aus irgendwelchen Gründen nicht „adäquat“ ausagiert werden konnte.
Dann geschieht Folgendes: Das traumatische Erlebnis bleibt aktuell, es kann nicht als „vergangener“ und „jetzt nicht mehr aktueller“ Inhalt der bloßen Erinnerung überlassen werden. Es kann also nicht der Zustand erreicht werden, in dem das Ereignis als „vergangenes Ereignis“ in der Erinnerung abgespeichert wird - und jederzeit dort (nun schmerzfrei) auch abgerufen werden kann. Man sagt dann (nicht ganz korrekt) „ich kann nicht vergessen“. Es gibt also, wie du auch sagst, von dem Schmerz keine Befreiung. Es sei denn …
… und hier stellt das Bewußtsein offenbar einige Tricks zur Verfügung, dennoch den aktuellen Schmerz aus dem Tagesbewußtsein wegzuzaubern. Einer dieser Tricks ist nun mit dem Ausdruck „Verdrängung“ belegt worden. Verdrängung ist also selbst gerade eine Form der Befreiung vom Schmerz.
Die Verdrängung ist aber nur eine Form, in der sich etwas aus dem Tagesbewußtsein verabschieden kann:
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
Das psychotherapeutisch Relevante an der Verdrängung (die ja auch , wie in den Links gesagt, eine ganz normale alltägliche Bewußtseinsfunktion ist) ist nun, daß das Verdrängte dennoch wirksam bleibt:
- insofern permanent Verdrängungsarbeit geleistet werden muß, die sich z.B. in Vermeidungsverhalten zeigen kann oder - in der meist weniger dramatischen - Form der Fehlleistung:
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
oder sogar in der Weise, daß - ohne daß es von kognitiven Kritiren steuerbar wäre - dem ursprünglichen Trauma verwandte Situationen immer wieder provoziert bzw. inszeniert werden.
- insofern die Resultate der Verdrängung oder der verwandten Formen (insbesondere die Konversion in somatische Erscheinungen und die sog. dissoziativen Phänomene) neue Konflikte in der aktuellen Lebensform erzeugen, die ihrerseits wiederum zu bewältigen sind:
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
- insofern das Trauma im sog. unwillkürlichen und durch sog. Trigger ausgelösten backflash sich immer wieder unkontrollierbar aktualisieren kann.
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
Also: Nicht im Wiedererleben des verdrängten Traumas liegt die Befreiung (sonst wären backflashs schon die Therapie), sondern die Verdrängung (oder Abspaltung oder Konversion oder …) ist selbst ein vorläufiger Befreiungsversuch, der aber mißlingt. Und insbesondere ist natürlich mit Wiedererleben nicht Wieder-Inszenierung der traumatischen Situation gemeint.
Es muß daher in einer bestimmten Weise (und das ist eine von zwei diskutierten Formen der Traumapsychotherapie!) und auf einem bestimmten Wege der Gesprächsführung das Trauma noch einmal wieder aktualisiert werden, die Szenarien werden noch einmal so erlebt, als seien sie aktuell. Auch wenn eine gewisse sogenante externe Erinnerung an das Erlebte noch vorhanden ist („spult sich wie im einem Film vor Augen ab“), so werden meist die dabei unmittelbar erlebten Gefühle verdrängt (d.h. die Szenenerinnerung kann da sein, aber die Gefühlserinnerung nicht - bis auf unwillkürliche und nicht steuerbare backflashs), und **die/B> werden durch vorsichtiges Herantasten mit Hilfe des Therapeuten re-aktualisiert.
Wie das genau geht (geeignete Gesprächsführung, Vertrauensverhältnis zur/zum Therapeutin/Therapeuten) und wieso sich das von dem unwillkürlichen backflash unterscheidet und wieso das zu dem gewünschten Ergebnis der endgüligen Befreiung vom subjektiv erlebten Schmerz führen kann, ist etwas zu komplex, um es hier kurz zu fassen.
Es geht dabei um den - nicht unwillkürlichen, sondern den allmählich „erarbeiteten“ - Übergang von der externen, szenischen Erinnerung in die interne Gefühlerinnerung.
Einige Andeutungen dazu habe ich hier einmal gemacht:
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
Mit den Fragen der hier diskutieten Übertragung im psychoanalytischen Prozess hat das nur ganz peripher etwas zu tun, und mit Fragen der Suggestion schon gar nicht. Übertragung und Gegenübertragung spielen eine wesentliche Rolle in der Aufarbeitung sog. unbewußter Konflikte im psychoanalytischen Prozess, aber nicht bei der Traumapsychotherapie.
Grüße
Metapher**