Psychologische theorien aus philosophischer sicht?

Hallo Oliver,

Ja, das schreibt Freud. Aber es ist keine zutreffende
Beschreibung, weil

  1. Freud die Suggestion zur Überwindung der
    Übertragungswiderstände einsetzt,
  2. die Übertragung ihm zufolge maßgeblich für die „Heilung“
    ist,

ergo ist die Suggestion wichtig für die „Heilung“.

Diese Passage Deines Postings halte ich für die entscheidende Stelle, weil alle anderen Argumente immer wieder daruf zurückgekommen sind; darum halte ich es für sinnvoller, nur hierzu, aber dafür ausführlicher zu antworten.

Zu 2) ja klar; wobei auseinander zu halten ist, dass Übertragung zwei Dinge benennt, die nicht voneinander getrennt, aber doch zu unterscheiden sind:
a)einmal ist sie als Wiederholung des infantilen Geschehens zu verstehen,
b)zum zweiten aber ist die Übertragung der Modus/Ort/Medium, an dem/durch den sich die Analyse abspielt; Freud versteht als Kur an der Übertragungsneurose, also die Behandlung einer „artifizellen Krankheit“; entgegen Deiner Meinung, Psychoanalyse würde „die Ursache der Krankheit tatsächlich beseitigen wollen“ geht es Freud um die Auflösung der Übertragungsneurose; und diese ist nicht die „tatsächliche Krankheit“; überhaupt ist der Begriff „tatsächlich“ in der psychoanalytischen Theorie ein sehr problematischer, er darf nicht als „so wie es gewesen ist“ verstanden werden.

zu 1) In der Übertragungsneurose, die nur innerhalb der Analyse eine Neurose darstellt, organisiert sich die Übertragung; das heißt also noch lange nicht, sie tritt im Sinne von a) direkt zu Tage; die Übertragungsneurose ist nicht einzig die „artifizielle Krankheit“ des Patienten, sondern die des Arzt-Patient-Verhältnisses; damit deckt sie sich nicht eindeutig mit der Neurose des Patienten

In „Erinnern, Wiederholen und Durcharbeiten“ (wenn ich mich richtig erinnere :wink: wird der Begriff der Übertragungsneurose von Freud eingeführt; Freud zeigt dort, dass in der Analyse nach und nach die neurotischen Symptome des Patienten sich in der Form der Übertragungsneurose ausdrücken; erst so sind sie dam Arzt zugänglich, weil sie damit ja nicht mehr Symptome des Patienten, sondern des Arzt-Patient-Verhältnisses sind; Ziel der Analyse ist es nach Freud sehr wohl, diese „artifizielle Krankheit“ zu „heilen“, aber eben nicht mit Mitteln der Suggestion, weil diese lediglich Symptome der „Krankheit“ wären, vom Arzt als Gegenübertragung (in gewisser Weise also als Krankheitssymptom) reflektiert werden müssten. Mit Suggestion also lässt sich die Übertragungsneurose unmöglich auflösen, sondern im Gegenteil gerade „zuschnüren“;

(unbestritten ist natürlich, dass per Suggestion und mit seiner Autorität ein Analytiker die Analyse beenden kann und dem Patienten einreden kann, er sei „gesund“; dies ist dann aber nicht im Sinne der Psychoanalyse geschehen.)

Die Stelle, an der ich mir vorstellen könnte, dass Suggestion benötigt wird, ist die, den Patienten dazu zu bringen, überhaupt zur Psychoanalyse „beizutreten“, also sich etwa der Grundregel der „freien Assoziation“ zu unterwerfen; hier ist es in der Tat so, dass der Arzt bzw. die Psychoanalyse selbst „Autorität“ benötigt; das finde ich in der Tat einen interessanten Aspekt; aber das scheint mir nichts Spezifisches der Psychoanalyse zu sein.

Du siehst, ich habe mich bemüht, Dir meine Haltung zu dieser Fragestellung zu verdeutlichen; Meine Bitte an Dich wäre, falls Du an einer Weiterführung interessiert sein solltest, dass Du Deine „Suggestion“-Vorwürfe etwas breiter ausführst, weil Du mir damit die Chance gibst, punktgenauer darauf eingehen zu können.

Viele Grüße
franz

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hallo metapher,

… die these, dass man angeblich
im ganzen leben keinen mehr erlebt, wenn man den
„eigentlichen“ frühkindlichen schmerz irgendwie bearbeitet.

ja, diese behauptung habe ich neulich gelesen. sie soll von
arthur janov stammen.

ah ja, dann ist klar, woher dieser absurde Wind weht. Da wir
hier nicht im Psychologiebrett sind, möchte ich mir einen
Kommentar dazu ersparen. Vielleicht nur dies als Vorschlag:
Vergiß diesen Nonsense!

naja, aber in abgeschwächter form wird ja auch in analytischen theorien die wiedererinnerungsthese hochgehalten.
und bisher erscheint mir auch die nicht ganz plausibel.

hat man das ursprüngliche trauma „bearbeitet“ - durch
wiedererleben - tauche kein schmerz im leben jemals mehr auf.

usw. Das ist erstmal einfach nicht wahr.

klingt auch unwahrscheinlich. aber wie soll bei solchen theorien entschieden werden, ob sie wahr sind oder nicht?

und dann sollte man
wissen, daß der Verlust der emotionalen Erlebensfähigkeit
selbst wieder ein psychopathisches Phänomen ist.

das mag schon sein.
aber wie entscheidet man, was ein psychopathisches phänomen ist?

wie unterscheidet man denn dann, ob ein aktueller schmerz mit
einem trauma aus der kindheit zu tun hat oder nicht ?

Das wird in einer sinnvollen Psychotherapie klar werden.

das ist mir zu schwammig.
es muss ja eine theoretische grundlage dazu geben, die auch auf theoretischer ebene kritisierbar sein muss, wenn nicht einfach „herumtherapiert“ werden soll.

Aber
zu erklären wie und warum, das würde den Rahmen hier bei
weitem sprengen und es ist wirklich keine philosophische
Fragestellung. Nur soviel sei gesagt: Man erkennt es daran,
daß das Schmerzerleben, die Reaktion auf das aktuelle
Geschehen dem aktuellen Geschehen nicht „adäquat“ ist (z.B.
wenn du Suizid- oder Mordgedanken hegst, weil dein Partner
dich betrogen hat).

was genau heißt denn „adäquat“?
und was wäre, wenn ein liebeskummer in dieser heftigen form erlebt wird, während ein anderes mal der liebeskummer im „üblichen“ rahmen bleibt? wenn ein trauma vorläge, müßte eigentlich jeder liebeskummer ein auslöser dieses traumas sein.

gruß
wega

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Hallo,

man nimmt heute eher an, das es reicht, die kognitive
Bewertung einer (z.B. emotional als bedrohlich erlebten)
Situation und das erlernte Verhalten zu verändern
(Verhaltenstherapie bzw. kognitive Verhaltenstherapie), ohne
die ursächlichen Erinnerungen anzutasten.

ja, stimmt. Ich komme aus der Ecke, so daß mir die Ansichten der CBT bekannt sind. Betonen möchte ich, daß sowohl in der CBT als auch in der PA Modelle über Ursachen bzw. aufrechterhaltende Bedingungen aufgestellt werden. Daher besteht keine Gewißheit darüber, ob die in der Therapie entwickelten Erklärungen für das Verhalten / Erleben des Patienten korrekt sind. Es besteht noch nicht einmal Gewißheit darüber, ob überhaupt Gedächtnisinhalte vorliegen. Fraglich ist dann natürlich, ob die Erinnerungen an nicht-vorhandene Inhalte therapeutisch effektiv sein können. Freud verteidigte seinen Standpunkt allerdings damit, daß der therapeutische Effekt nur eintrete, wenn die Deutungen des Analytikers korrekt seien. Allerdings ist dieses Verteidigungsargument wiederum problematisch.

Es ist ja auch
teilweise so, dass psychische Störungen in einem sehr frühen
Kindheitsalter (mit-)verursacht werden, in dem eine adäquate
Erinnerung noch nicht oder nur eingeschränkt möglich ist.

Richtig.

Auch gibt es das Problem der Suggestion (z.B.
„False-Memory-Syndrom“).

Sehr richtig. Das Problem der Suggestion war auch Freud schon bewußt. Er hat versucht, dies durch eine weitere Argumentation zu lösen. Bei Adolf Grünbaum [„Die Grundlagen der Psychoanalyse. Eine philosophische Kritik“] kann man eine Beschreibung und kritische Bewertung dieser beiden Argumentationen, d.h. auch der oben genannten, nachlesen.

BTW: U.a. zur Thematik der verdrängten und wiedererlebten Mißbrauchsereignisse erschien 2003 im Annual Review of Psychology ein interessanter Artikel. Ich habe die Pro- und Contra-Argumente auf meiner Seite

http://people.freenet.de/oliverwalter/Psychologie/Ps…

zusammengefaßt.

Bei einigen wenigen Störungsbildern
scheint es jedoch wichtig zu sein, die Erinnerungen (den
„Film“) noch einmal ablaufen zu lassen, beispielsweise bei
Posttraumatischer Belastungsstörung.

Bei der PTBS ist das Wiedererleben von Traumainhalten aber auch charakteristischer Bestandteil der Störung („Flashbacks“).

Aber, wie es bei so etwas immer ist, die Gelehrten streiten
sich natürlich darüber *g.

Abschließend ist die Frage sicherlich nicht beantwortet.

Gruß,

Oliver Walter

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Hallo Franz,

ich meinte Dich nicht.

Grüße,

Oliver

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Franz ist ein Sensibelchen :smile:
*ÄTSCH*

Franz, jetzt habe ich es ausgeplaudert.

Haha!

schmunzelnde Grüsse sendet dir

Tahere

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Hallo Oliver,

wen kannst Du denn dann gemeint haben? Da Du ja Branden explizit ausgenommen hast, und die Frage des Verhältnisses von Suggestion und Übertragung weder bei Wega, noch bei Metapher oder Tahere auftaucht, bleibt wohl kein anderer übrig.

Außerdem habe ich ja auch nicht gesagt, dass es mich persönlich stören würde, sondern dass es sachlich falsch wäre.

Viele Grüße
franz

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Hallo,

da ziehe ich mir in diesem Thread wieder einmal den Haß der Herren Analytiker zu, weil ich in meinen Postings mehrfach auf genau das Buch verweise, das Du jetzt „gefunden“ zu haben angibst. Hättest Du meine Postings gelesen, wärst Du schon viel früher darauf gekommen. Stattdessen hast Du mir geschrieben, daß man ja auch „ohne Freud“ das Thema diskutieren könne. Warum jetzt also dieser Sinneswandel mit der Tendenz zu gehobener Lektüre, frage ich mich.

Trotzdem viel Spaß beim Lesen. Es lohnt sich. Eine deutsche Ausgabe, für die Grünbaum sein Werk überarbeitet und erweitert hat, gibt es übrigens auch (Reclam-Verlag, 1988) wird aber nicht mehr verlegt. Die BBS (nicht BBC) hat zudem ein Themenheft herausgegeben, das ins Deutsche übersetzt wurde und 1991 im Julius (nicht Axel) Springer Verlag erschienen ist. Der Band enthält ca. 30 Kommentare von Philosophen, Psychologen und Psychotherapeuten zu Grünbaums epochaler Freud-Kritik. U.a. haben zu diesem Band Popper, Eysenck, Cioffi, Klerman, Farrell und Eagle Beiträge geliefert.

Grüße,

Oliver Walter

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Hallo Tahere,

wir haben doch schon mal festgestellt, dass Deine Diagnosen mir gegenüber nicht immer gerade treffend sind!

Aber vielleicht triffst Du ja das nächste Mal ins Schwarze :wink:

Viele erwartungsfrohe Grüße
franz

P.S.: Meine Freundin hat sich gerade über Dich beklagt, weil Du ihr mit Deinen Diagnosen jede Illusion über „weibliche Intuition“ rauben würdest;
Also: Streng Dich besser an, oder oute Dich als Mann! SCNR :wink:

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Hallo,

niemand, auch du nicht, hat mir einen konkreten titel genannt.

Du hast auf mein Posting reagiert, wie Du reagiert hast. Warum hätte ich Dir da noch etwas schreiben sollen?

du schriebst lediglich von „grünbaums analysekritik“.

Nein, denn wenn Du Dir meine Postings in diesem Thread aufmerksam durchgelesen hättest, hättest Du den Titel von Grünbaums Buch schon früher gefunden.

jemand schrieb gar, es wurde sich auf philosophischer, bzw.
wissenschaftstheoretischer ebene damit nie beschäftigt.

Das, was dieser jemand geschrieben hat, ist nicht richtig. Vielmehr hat man sich ausführlich mit der Psychoanalyse in philosophischer und wissenschaftstheoretischer Hinsicht beschäftigt. Ich nannte bereits einige Namen. Popper z.B. ist neben Grünbaum einer der bekanntesten philosophischen Kritiker der Psychoanalyse.

weil mir niemand bisher die frage beantwortet hat,

Du hast eine Antwort von mir bekommen: Die Prämisse, von der Du ausgegangen bist, ist nicht zutreffend. Darauf hat bereits Freud hingewiesen.

(und das sollte doch auch möglich sein, ohne freud zu
zitieren?)

Es ist sinnvoller, Freud zu nennen als ihn zu verschweigen, weil Freud einer derjenigen ist, der die Wiedererinnerungsthese maßgeblich vertreten hat. Er hat sie dann später selbst aufgegeben. Das zeigt Dir, daß die Prämisse, von der Du ausgegangen bist, selbst nicht mehr von demjenigen vertreten wurde, der sie maßgeblich geprägt hat.

Außerdem habe ich in einem meiner Postings in diesem Thread auf eine meiner Internetseiten verwiesen, auf der ich aktuelle Argumente für und gegen die Wiedererinnerungsthese aus einem Artikel des Annual Review of Psychology zusammengefaßt habe.

warum das wiedererinnern (ob suggeriert oder „echt“)
für einen „heilerfolg“ - was auch immer das sein mag -
funktionieren soll.

Ich sagte Dir bereits, daß Du von einer unzutreffenden Behauptung ausgehst. Das Wiedererinnern ist nicht notwendig.

bisher habe ich nur die information, dass
das wiedererinnern wichtig ist, um eine situation samt
dazugehörigem gefühl zu den akten legen zu können.

Das ist die ursprüngliche psychoanalytische Behauptung. Diese Behauptung ist nicht zutreffend. Darauf hat bereits Freud hingewiesen. Er hat seine eigene Behauptung widerrufen. Warum ist das für Dich nicht verständlich?

doch warum das gleiche gefühl dann nicht in aktueller
situation trotz zuordnung zur vergangenheit doch wieder
auftauchen sollte, ist mir nicht klar.

Ich wiederhole mich: Diese ursprüngliche psychoanalytische Behauptung ist falsch. Falls Du daran interessiert bist, wie man sich das damals vorgestellt hat, dann solltest Du lesen:

Breuer / Freud. Studien über Hysterie.

Das Buch zu lesen, lohnt sich heute noch. Aber nicht, weil es alles richtig ist, was dort steht. Vielmehr kann man lernen, wie die Wiedererinnerungsthese ursprünglich aussah. Dann wird einem klar, daß die Psychoanalyse in der Folge immer mehr modifiziert wurde, weil die Grundannahme der Verdrängung als krank machendes „Agens“ unzutreffend war.

hat das auch einen titel? :wink:

Grünbaum, A. (Hrsg.). Kritische Betrachtungen zur Psychoanalyse. Adolf Grünbaums „Grundlagen“ in der Diskussion. Berlin u.a.: J. Springer.

In Universitätsbibliotheken erhältlich.

Gruß,

Oliver Walter

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Hallo Oliver

Ich sagte ja: Ich halte diese Sätze in Freuds Selbstdarstellung
auch eben nicht für die glücklichsten oder gelungensten.

Wieso „auch“? Wer hält sie denn noch für nicht glücklich oder
gelungen? Franz?

Nein. Ich habe den Eindruck, Du möchtest an diesem Text von Freud etwas beweisen, was meiner Ansicht nach an gerade so einem Text nicht zu beweisen ist. Ich sagte ja schon, man kann bei jedem Autor Stärken und Schwächen in seinen Texten erkennen und es ist leicht, mit Spitzfindigkeit und Polemik einen Text zu zerlöchern.
Im übrigen finde ich es befremdend, wie Du jetzt auf Nebengleise ausweichst und fragst, wer was wo gesagt hat, ob Du, Franz oder ich etwas worüber auch immer gesagt haben - das führt uns doch vom Wesentlichen hier weg.

Was lastet wer Freud an?

Auch dies ist eine solche Frage, die im letzten Grund ja rhetorisch ist und uns nicht weiterführt. Wir wissen doch beide, dass Du eher darauf aus bist, Freud etwas „anzulasten“ oder zu „beweisen“ als ich. Das Spiel um Worte sollte hierbei nicht ablenken und unnötig unser Diskussions-Niveau erniedrigen.

Gruß,
Branden

Hallo,

man nimmt heute eher an, das es reicht, die kognitive Bewertung einer (z.B. emotional als bedrohlich erlebten) Situation und das erlernte Verhalten zu verändern (Verhaltenstherapie bzw. kognitive Verhaltenstherapie), ohne die ursächlichen Erinnerungen anzutasten. Es ist ja auch teilweise so, dass psychische Störungen in einem sehr frühen Kindheitsalter (mit-)verursacht werden, in dem eine adäquate Erinnerung noch nicht oder nur eingeschränkt möglich ist. Auch gibt es das Problem der Suggestion (z.B. „False-Memory-Syndrom“). Bei einigen wenigen Störungsbildern scheint es jedoch wichtig zu sein, die Erinnerungen (den „Film“) noch einmal ablaufen zu lassen, beispielsweise bei Posttraumatischer Belastungsstörung.

Aber, wie es bei so etwas immer ist, die Gelehrten streiten sich natürlich darüber *g.

Gruß

Tahere

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Katharsis nicht ‚Kathartis‘
ein gnadenloser Akt von Selbstkritik: es heißt natürlich „Katharsis“ nicht „Kathartis“; erst durch Adjektivierung kommt das t hinein
:wink:

Hallo Oliver,

Du wirst verstehen, dass ich mir relativ schwer dabei tue, kurze Zitat Freuds zu kommentieren, ohne ihren Kontext einsehen zu können; ohne Zugriff auf meine Bücher (ich bin gerade nicht zuhause), kann ich nicht mal sagen, welches Werk denn hinter GW 14 steckt (das nur vorab)
Wie Du weißt bin ich kein orthodoxer Freudianer, warum sollte ich die GWs auswendig lernen.

Du kannst das Ganze ausführlicher in Grünbaums
Psychoanalyse-Kritik nachlesen. Dort stehen auch die
entsprechenden Stellen, meistens wörtlich zitiert. Das Buch
dürfte Dir bekannt sein, oder?

Ja, das Buch ist mir bekannt; ich habe es aber größtenteils nur überflogen, weil ich die Psychoanalyse darin gar nicht gefunden habe; es ist also nicht etwa so, dass ich es nicht zur Kenntnis nehmen hätte wollen, sondern so, dass ich ihm an allen möglichen Stellen in seinen Aussagen zugestimmt hätte, wenn ich denn überhaupt akzeptiert hätte, dass er von der Psychoanalyse spricht; das tut er meines Erachtens nicht; er spricht von einem Zerrbild; z.B. erkennt er meiner Erinnerung nach gar nicht an, dass Freud etwa die auch in Deinem Posting an Tahere implizit genannte „Übereinstimmungsthese“, wenn er sie denn überhaupt wirklich vertrat, nach und nach ablegte; das hängt damit zusammen, dass Grünbaum z.B. die Thematik „Nachträglichkeit“ und „Deckerinnerung“, die ja ganz tief in diese „Übereinstimmung“ hineingreift, nicht akzeptabel reflektiert; wie gesagt: ich hoffe, hier nicht reinen Stuss zu erzählen, „Grünbaum“ ist lange her und meine Erinnerung kann mich täuschen; was ich aber sicher sagen kann ist, dass ich eine andere Psychoanalyse vertrete als Grünbaum sie darstellt, und dass ich eine Kritik der Psychoanalyse, von einer Position der analytischen Philosophie wie Grünbaum sie vertritt her, grundsätzlich nicht akzeptiere.

Ich werde versuchen, kurz auf die Zitate einzugehen, aber Du wirst mir zugestehen, dass ich sie nicht unbedingt als Belege für etwas ansehe, nicht nur weil ich im Moment keinen Zugang zu ihrem Kontext habe, sondern auch, weil sich wohl bei jedem Autor ein Widerspruch zwischen Buchstaben und „Geist“ finden lässt:

Freud schreibt
aber auch, daß er die Suggestion benutzt, um die
Übertragungswiderstände des Patienten zu überwinden:

Es ist ganz richtig, daß auch die Psychoanalyse mit dem
Mittel der Suggestion arbeitet wie andere psychotherapeutische
Methoden.
*

Welche Mittel Freud hier meint, kann ich ohne Kontext nicht wissen, aber den darauffolgenden Satz muss man hier miteinbeziehen (Du hast ihn ja fairerweise unten mit angegeben), nämlich dass der Suggestion nicht die Entscheidung über den therapeutischen Erfolg überlassen würde; abgesehen davon macht es mich sehr stutzig, dass Freud an dieser Stelle von „Suggestion oder Übertragung“ spricht, als wäre das hier strukturell gleichzusetzen. Darauf kann ich mir hier keinen Reim machen;

Denn sie dient dem Analytiker dazu, den Patienten davon zu
überzeugen, daß der Patient
die Gefühlsrelationen wiedererlebt, die von seinen
frühesten Objektbesetzungen, aus der verdrängten Periode
seiner Kindheit, herstammen
* (GW 14).

Hier interpretierst Du meines Erachtens das Zitat falsch: Nicht die Suggestion dient zu…, sondern die Bewusstmachung bzw. Auflösung der Übertragung, was ja nun nicht einfach Suggestion ist

Den Ausschlag in diesem Kampfe gibt dann
nicht seine intellektuelle Einsicht - die ist weder stark noch
frei genug für solche Leistung -, sondern einzig sein
Verhältnis zum Arzt
.

Also nicht der Arzt, sondern das Verhältnis des Patienten zum Arzt; das was er dem Intellekt hier entgegensetzt ist also nicht gerade der Intellekt des Arztes, der suggerieren würde, sondern sind die Faktoren, die in der Übertragungsneurose, dem Arzt-Patient-Verhältnis, wirken. Von Suggestion ist hier keine Rede, im Gegenteil.

Soweit seine Übertragung von
positivem Vorzeichen ist, bekleidet sie den Arzt mit
Autorität, setzt sie sich in Glauben an seine
Mitteilungen und Auffassungen um . Ohne solche
Übertragung, oder wenn sie negativ ist, würde er den Arzt und
dessen Argumente nicht einmal zu Gehör kommen lassen
.

Wenn man hier pos. und neg. Übertragung als termini technici versteht, dann beschreibt Freud hier ganz sicher nichts Spezifisches der psychoanalytischen Therapie, sondern eine Binsenweisheit: Wenn ich meinem Hausarzt gegenüber eine negative Übertragung einnehme, dann werde ich ihm kein „Gehör“ schenken und seinen Rat befolgen; deshalb wird aus meiner Grippe eine Pneumonie; damit ist die „Kur“ gescheitert; mehr besagt der zitiert Passus meines Erachtens nicht, außer eben, dass die Psychoanalyse unter den Rubriken Negative Therapeutische Motivation bzw. Negative Therapeutische Reaktion diese Frage mit in die Analyse hineinnimmt, wogegen die Medizin oder die Psychologie sie ansonsten nicht reflektieren, oder höchsten als „Kundenfreundlichkeit“ also unter ökonomischen Gesichtspunkten reflektieren.

Freud hat expressis verbis die Psychoanalyse als Gegenprogramm zur
Suggestion entwickelt; auch als Gegenprogramm zur Religion
übrigens.

Das zumindest war sein Ziel. Die Durchführung ist wenig
überzeugend:

Das ist ja erst unser Thema!

Viele Grüße
franz

hallo,

ich würde gern mal wissen, ob jemand zu folgendem thema
philosophische texte kennt - obwohl das, was ich ansprechen
werde, wohl eher dem bereich der psychologie zuzuordnen wäre:
es geht um die these: man muss verdrängten schmerz
wiedererleben, um sich davon zu befreien.

wie seht ihr das?

die Prämisse Deiner Argumentation ist - soweit ich mich
erinnern :wink: kann - nicht richtig.
Denn dem späten Freud
zufolge muß man verdrängten Schmerz nicht wiedererleben,
sich von ihm zu „befreien“. Es reiche aus, wenn der Patient
der Autorität des Arztes folge und daran glaube, daß die
psychoanalytische Deutung richtig sei.

es geht mir hier ja eigentlich nicht darum, was man freud zufolge machen sollte.
ich möchte einfach nur diese wiedererinnerungsthese diskutieren.
(unabhängig davon, ob es „echte“ oder suggerierte erinnerungen sind)

gruß
wega

Hallo Oliver,

Der unbegründeten Behauptung in diesem Thread (nicht von Dir),
daß Suggestion und Übertragung in der Freudschen Therapie
nichts miteinander zu tun haben, wird damit durch Freud selbst
widersprochen.

auch wenn Du mich hier nicht expressis verbis nennst, kannst Du damit nur mich meinen:

Ich habe in keinster Weise behauptet, dass Suggestion und Übertragung nichts miteinander zu tun hätten, sondern habe:

  1. gesagt, dass es mich stutzig macht, weshalb Freud die beiden in Deinem Zitat als strukturell gleich anzusehen scheint; dass sind sie für ihn normalerweise nicht

und

  1. gesagt, dass „Übertragung nicht einfach Suggestion ist“; dies besagt nicht, dass Ü. mit S. nichts zu tun hätte

Und auch in meinem Posting zur „sachlichen Ebene“ zeige ich ja, dass sie „miteinander zu tun“ haben, aber nicht einfach dasselbe sind.

Was Du mir also hier unterstellst ist schlicht falsch, und ich frage mich ganz ehrlich warum dann diese Unterstellung.

Viele Grüße
franz

Hallo Oliver

Die Übertragung wird vom Analytiker dem Kranken bewußt
gemacht, sie wird aufgelöst, indem man ihn davon überzeugt,
daß er in seinem Übertragungsverhalten Gefühlsrelationen
wiedererlebt, die von seinen frühesten Objektbesetzungen, aus
der verdrängten Periode seiner Kindheit, herstammen
.

Du bist nun garnicht auf meine Ausführungen zu diesen Zitaten eingegangen, sondern wiederholst sie deinerseits wieder. Ich sagte ja: Ich halte diese Sätze in Freuds Selbstdarstellung auch eben nicht für die glücklichsten oder gelungensten. Er erweist seiner Sache damit eigentlich keinen rechten Dienst. Ich hätte das anders formuliert, um deutlicher zu machen, wie WENIG die Psychoanalyse mit Suggestion zu tun hat und nicht WIEVIEL. Denn sie hat ja im Vergelich zu den anderen damaligen Therapie-Methoden wenig mit Suggestion zu tun. Natürlich sollte man auch hier gerecht sein und die Weiterentwicklung der Psychoanalyse sehen und nicht immer alles dem armen Freud anlasten, der ja nun eh schon so viuel entdeckt und gesehen hat. Ich werfe ja auch nicht Pawlow vor, dass er noch keine kognitive Therapie drauf hatte. :wink:

Daß der Patient durch Suggestion und seinen Glauben an die
Autorität des Arztes von der Richtigkeit der
psychoanalytischen Theorien überzeugt wird, ist Freud zufolge
eine conditio sine qua non.

So würde ich es KEINESFALLS sehen. Das wäre so, als wenn ich ständig darauf hinweise, dass BHitler doch die Autobahn gebaut hat. Das ist zwar richtig, steht aber in keinem sinnvollen Verhältnis zum Rest seines Wirkens. :wink:

Gruß,
Branden

Hallo Branden,

verzeih mir, dass ich hier meinen Kommentar dazu gebe:

Du bist nun garnicht auf meine Ausführungen zu diesen Zitaten
eingegangen, sondern wiederholst sie deinerseits wieder.

Zu der Meinung über den Argumentationsstil Olivers bin ich inzwischen auch gekommen: bloße Repetition

Daß der Patient durch Suggestion und seinen Glauben an die
Autorität des Arztes von der Richtigkeit der
psychoanalytischen Theorien überzeugt wird, ist Freud zufolge
eine conditio sine qua non.

So würde ich es KEINESFALLS sehen. Das wäre so, als wenn ich
ständig darauf hinweise, dass BHitler doch die Autobahn gebaut
hat. Das ist zwar richtig, steht aber in keinem sinnvollen
Verhältnis zum Rest seines Wirkens. :wink:

Hierzu bin ich etwas anderer Meinung; Problematiken wie NTM oder NTR betreffen natürlich schon die Frage der Suggestion (wenn man denn darunter nicht bloß „zureden“ versteht, sondern etwa auch schon die Tendenzialität der Fragestellungen, etc.), aber diese Problematiken sind nicht auf die Psychoanalyse begrenzt, sondern treten in allen anderen vergeichbaren Therapierichtungen auch auf; aber einzig die Psychoanalyse nimmt sie in vollem Umfang mit in die Therapie auf; deshalb spricht das meiner Meinung nach für und nicht gegen die Psychoanalyse; ein anderer Aspekt dieser Problematik ist z.B. der auch von der Psychoanalyse selbst thematisierte „Mittelschichten-Bias“, dass also Unterschichten schwieriger analysierbar wären; (thematisiert z.B. bei Thomä/Kächele, das Du ja vielleicht kennst);

Meines Erachtens spricht Oliver mit der Frage der „Suggestion“ (in diesem weiten Sinne verstanden) allgemein sehr wohl einen richtigen Sachverhalt an, aber die Begrenzung dieser Frage auf die Psychoanalyse ist absurd.

Viele Grüße
franz

Ich wüßte nicht, daß sich je ein Philosoph mit einer solchen Frage beschäftigt hat. Vielleicht die Lebensphilosophen?

Auf jeden Fall ist es in erster Linie eine psychologische Frage, - nämlich wie geht man mit der Schmerz- und Leidensfrage im persönlichen Leben um. Und da die Psychologie, in der Beantwortung dieser Frage, nicht sehr geschickt ist, wird es zu einer religiösen.

Auch die Religion kann aber nicht bis zur Wurzel des Problems gelangen, - vielleicht tröstet sie, kann aber nicht heilen; so wird es schließlich zu einer spirituellen Frage.

Aus dieser Sicht ist es nun so, daß der Mensch um einen Fehler zu erkennen (und hier ist Leid die Ursache einer Fehlhaltung), sehr oft wiederholt die gleiche Erfahrung machen muß, um diese nach ihrem wahren Sinn beurteilen zu können und die Lehren daraus zu ziehen.

Das liegt an der Unbewußtheit der Menschen. Es ist leider so, daß oft nur Schicksalsschläge die Kraft haben, uns zur Besinnung zu bringen, um aus der (S)Leichtigkeit des Seins zu erwachen.

…das wären nur einige Faktoren.

gruß
rolf

Hallo Tahere

wenn ich einmal meinen bescheiden Beitrag geben darf, aber ich
denke, mit Oliver spricht das gesunde Selbstvertrauen der
naturwissenschaftlich, an Studienergebnissen
(„evidenzbasiert“) orientierten Mediziner oder Psychologen,
während Franz und Branden sehr schnell in der defensiven
Argumentation der eher geisteswissenschaftlich orientierten
Psychoanalytiker sind.

Nein. Das sehe ich anders. Ich stehe als Arzt den Naturwissenschaften mindestens so nahe wie den Geisteswissenschaften und halte diese Trennung m.E. nicht mehr für sinnvoll, sondern eher für hinderlich.
Obwohl es in diesem Thread überhaupt

keinen Grund dafür gibt, denn es ist ja ein reines
wissenschaftshistorisches und zudem sehr akademisches Thema,
ob Freud nun dies oder jenes gesagt hat und ob er es auch so
gemeint hat oder nicht :smile: Trotzdem landen die
Psychoanalytiker sofort in der Defensive, einfach so.

Das liegt zum Teil daran, dass wir Psychoanalytiker eher defensiv als aggressiv in Hinsicht auf unser Wissensgebiet sind. Wir sind abwartend. Neulich sagte mal ein psychiatrischer Kollege zu mir in Hinblick auf eine Fortbildung: „Und vergiss da mal deine vornehme analytische Zurückhaltung - da musst du dich richtig in die Menge werfen.“

Das ist mein rein emotionaler Eindruck, aber unter lauter
Psychiatern, Analytikern, Psychologen, Philosophen als
Nebenberufstherapeuten, Medizinstudentinnen mit Interessa an
Psychiatrie u.ä. darf man so etwas doch mal spiegeln, oder?

Natürlich. Jeder von uns hat seinen emotional gefärbten Eindruck dabei.

Hallo Wega,
Deine Theorie ist eher Tatsache, denn wenn man(frau)den Liebeskummer täglich erlebt, so wird er langsam aber sicher abgeflacht. Dies ist ein Schutzmechanismus unseres Gehirns. Wie Du sagst: er wird in Häppchen abgearbeitet. Bitte nicht verzweifeln !
Gruss:hardy

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]