Daten zum Fall:
Name: -
Staatsangehörigkeit: marokkanisch
Deutschkenntnisse: sehr gut
Aufenthalt in Deutschland: seit Anfang 2000
Beruf: Student
Studium: Informationstechnik, Vordiplom
Delikt: Diebstahl eines Pullovers in einem Innenstadt-Kaufhaus im Jahr 2001
Vorstrafen: keine (Ersttäter)
Gerichtsverfahren: ja
anwaltliche Vertretung: keine (Selbstverteidigung)
Urteil: 40 Tagessätze, Gesamtsumme 8.000,00 Mark
ausländerrechtliche Folge: Ausweisung am 11.03.2004
Familie: Bruder in Deutschland bezahlt Studium und Strafe
Die Ausländerbehörde verfügte, dass der marokkanische Student das Land verlassen muss, wie alle Straftäter, die zu mehr als 30 Tagessätzen verurteilt werden.
Art und Höhe der Strafe hängen von der Schuld des Täters ab. Dabei sind sämtliche Umstände des Einzelfalls - insbesondere Art und Schwere der Tat sowie Persönlichkeit und Umfeld des Täters - sorgfältig gegeneinander abzuwägen. Beim Ladendiebstahl ist unter anderem folgendes zu bedenken:
Diebstahl - auch Ladendiebstahl - ist grundsätzlich mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder mit Geldstrafe bedroht. Gegen den Ersttäter, der auch im übrigen noch nicht strafrechtlich auffällig geworden ist und auch sonst keine Neigungen zu einer künftigen kriminellen Karriere zeigt, wird in aller Regel stets auf Geldstrafe von deutlich weniger als 30 Tagessätzen - meist 5 bis 20 Tagessätze - erkannt (30 Tagessätze entsprechen einem Netto-Monatseinkommen), sofern es überhaupt zur Anklageerhebung kommt. (Quelle: /t/ladendiebstahl–2/200873
In einer anderen Quelle (http://www08.jura.uni-sb.de/ref/strafprozessrecht/Ra…) steht folgendes:
§ 242 (Anmerkung: StGB) bis ca. 250 € Einstellung nach §§ 153, 153a StPO, darüber ab 10 Tagessätze.
In einer anderen Quelle (http://www.123recht.net/forum_topic.asp?topic_id=1230) lese ich: Hallo alle zusammen! Ich bin 28 Jahre alt und studiere im 6. Semester Grundschullehramt. Mir ist vor ein paar Wochen etwas ganz blödes passiert. Und zwar war ich in einem Laden, wo ich eigentlich etwas ganz bestimmtes kaufen wollte, was ich auch gemacht habe. Nur, mir ist ein Fahrradlampe ins Auge gefallen, die ich unbedingt haben wollte. Sie kostete nur 4 Euro, aber ich wollte es mal austesten, ob ich sie nicht vielleicht so mitbekommen würde. (…) Habe auch schon einen Strafbefehl bekommen mit 30 Tagessätzen á 40 €. Gestohlen habe ich Sachen im Wert von 90 €. (…). Hier handelt es sich offensichtlich um einen deutschen Studenten.
Zur Diskussion steht hier nicht die Vorgehensweise der Ausländerbehörde, die sich nur daran orientiert, ob ein Straftäter zu mehr als 30 Tagessätzen verurteilt wurde, sondern die Festsetzung der Höhe des Strafmaßes durch das zuständige Gericht.
Der marokkanische Student erhielt für den Diebstahl eines Pullovers eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen in der Höhe von zusammen rund 8.000 Mark. Zum Zeitpunkt der Tat war er 27 Jahre alt und Student. Das würde bedeuten, dass dem marokkanischen Studenten ein Netto-Monatseinkommen von 6.000 Mark zur Verfügung gestanden hätte. Das ist schon erstaunlich, denn ich erinnere mich noch daran mit wie wenig Geld ich während des Studiums auskommen musste. Es stellt sich durchaus die Frage wie der Richter zu der Ansicht gelangen konnte, dass der marokkanische Student über ein derart ungewöhnlich hohes Netto-Monatseinkommen verfügt.
Weiters stellt sich die Frage, ob der zuständige Richter nicht wusste, welche Konsequenz die Verurteilung zu 40 Tagessätzen gemäß Ausländerrecht haben würde. Stellt die verhängte Strafe incl. ihrer ausländerrechtlichen Konsequenz der Abschiebung im Verhältnis zur begangenen Straftat „Ladendiebstahl eines Pullovers“ nicht eine unverhältnismäßige Härte dar?
Es steht deshalb zumindest die Frage im Raum, ob die Härte der Strafe in einem Zusammenhang zur nationalen Zugehörigkeit des Verurteilten steht und ob ein deutscher Student im gleichen Fall eine ähnlich hohe Strafe erhalten hätte?
Sein Anwalt klagte vor dem Verwaltungsgericht, dann vor dem Oberverwaltungsgericht, jedoch ohne Erfolg, weil dort weder die Lebensgeschichte noch die Umstände der Tat geprüft, sondern lediglich geschaut wird, ob ein Ausländer eine höhere Strafe als 30 Tagessätze erhalten hat oder nicht.
Was mich interessiert:
Vor welchem Gericht hätte der marokkanische Student gegebenenfalls die Möglichkeit gehabt sein damals akzeptiertes Urteil z. Bsp. wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes anzufechten?