Wenn ich mich richtig erinnere ging es hier doch irgendwie, um
die Zentralen Grundrechte. Ich kann nicht erkennen, dass sich
an denen in letzter Zeit irgendwas geändert hätte. Das Gesetze
angepasst werden und zwar so wie es die Politiker für richtig
halten ist m. E. geradezu zwingend notwendig. Wie sollte das
denn wohl sonst geschehen? Dazu werden Politiker gewählt:
Damit sie Gesetze machen, ändern und abschaffen. Wo siehst du
da das Problem?
Auf dieser Grundlage ist formal das Verhalten des Staates immer überall gerechtfertigt, egal was die Regierung beschließt und die Staatsorgane ausführen.
Selbst wenn dich die Politik stößt, wird sie von leuten
gemacht, die die einzige demokratisch rechtsstaatlich gültige
Legitimation haben: Sie wurden in demokratischen Wahlen dazu
bestimmt solche Entscheidungen zu treffen.
Du scheinst ein regelrechtes Sozialkundelehrbuch zu sein?
Die Demonstranten haben KEINE Legitimation. Wir leben nicht in
einer faschistischen Diktatur, die zivilen Ungehorsam
rechtfertigen könnte.
Was rechtfertigt denn deiner Meinung nach in einer faschistischen Diktatur (von anderen Diktaturen sprichst du ja nicht) zivilen Ungehorsam? Eine faschistische Diktatur hat auch Gesetze, nach denen kein Widerstand gestattet ist. Die hochgepriesene demokratische Legitimation wird von diesen Staaten nicht vorausgesetzt, kann also nicht als Argument herangezogen werden.
In solchen Staaten, und nur da dem Volk Widerstand gegen den Staat einzuräumen, ist die typisch westeuropäisch-nordamerikanisch geprägte Haltung, die ihre Staatsauffassung selbstverständlich über andere erhebt, ohne daß irgendeine weltweit anerkannte Instanz (welche auch?) diesen Anspruch bestätigt hätte.
Ich behauptet damit nicht, daß in Diktaturen kein Widerstand gerechtfertigt sei. Vielmehr hat sich das Verständnis für den Widerstand des Volks gegen den Staat nicht an irgendwelchen Ideologien, Regierungsformen usw. zu orientieren, sofern man den Anspruch auf eine objektive Wertung erhebt.
Im Übrigen solltest du dich nicht so sehr auf die Demonstranten versteifen. Mein erster Beitrag in diesem Strang war ein Kommentar zu der Aussage, Gewalt gegen Polizeibeamte sei wegen des Art. II GG nicht gerechtfertigt. Diese Behauptung wurde zwar im Zusammenhang mit derzeitigen Vorgängen aufgestellt, war aber allgemein formuliert.
Die vielleicht moralische Legitimation durch überlegene
Argumente machen „Demonstranten“ durch ihr gegenteiliges
Handeln zunichte. Wer Frieden und Gerechtigkeit fordert,
während er rechtswidrig Gewalt ausübt, ist im besten Falle
therapiebedürftig.
Du machst meine Ausführungen zu sehr an den Geschehnissen im Zug des G8-Gipfels fest. Auf diesen habe ich überhaupt keinen Bezug genommen.
Betrachten wir einmal deine Aussage:
Wer Frieden und Gerechtigkeit fordert, während er rechtswidrig Gewalt ausübt, ist im besten Falle therapiebedürftig.
Damit wird ausgesagt, daß Widerstand gegen den Staat, sofern er mit Gewalt verbunden ist, immer und überall zu verneinen ist.
Diese Meinung kann man ja vertreten, Martin Luther hat es auch so verstanden.
In diesem Fall sollte man sich aber nicht auf ein Grundrecht des Polizisten als Bürger/Mensch berufen, um Widerstand zu kriminalisieren, sondern einfach erklären, daß man Widerstand gegen Staatsorgane als falsch ansieht.
Jedoch wäre es natürlich auch möglich, daß viele
(Einheimische?)das derzeitige Gebärden des Staats als
Verletzung ihrer Menschenwürde empfinden.
Und das rechtfertigt dann, dass man andere Bürger zu Krüppeln
schlägt? Selbst wenn das Auftreten der Staatsorgane hier
irgendjemandes Würde irgendwie beeinträchtigt (wie sieht das
aus?) rechtfertigt das keine Selbstjustiz.
In diesem Fall ist das wohl auch nicht gegeben. Daß sich meine Ausagen nicht auf konkrete gegenwärtige Fälle beziehen, habe ich weiter oben schon geschrieben.
Selbstjustiz halte ich für keinen passenden Begriff. Das wäre nur der Fall, wenn jemand für die Einschränkung seiner Grundrechte die Polizisten bestrafen wollte.
Es hört sich so an als seiest du nicht damit einverstanden,
dass körperliche Unversehrtheit höher zu bewerten ist, als
Demonstrationsrecht, Postgeheimnis u. ä.?!
Dieser Teil meines Beitrags behandelte ausschließlich die Frage der Hierarchie der Grundrechte. Die Menschenwürde wäre demnach höher einzustufen als das Recht auf körperliche Unversehrtheit, weil sie durch den 1. Artikel gewährleistet wird. Vom Postgeheimnis und Demonstrationsrecht habei ch nichts geschrieben.
Kann es sein, dass du dich hier argumentativ irgendwie
verheddert hast? Ich kann deinen Ansatzpunkt hier nicht
richtig erkennen.
Ich vermute mal, du gehst davon aus, dass Polizisten als
Vertreter des Staates anders behandelt werden dürfen als
andere Menschen?
Ja, in gewisser Weise und in manchen Situationen schon. Durch seinen Beruf nimmt der Polizist eine erhöhte Gefahr für sich selbst in Kauf, was er auch weiß, und macht sich natürlich auch zu einem Werkzeug des Staats.
Feindliche Soldaten sind auch Menschen, dennoch darf man sie, anders als andere Menschen, bekämpfen. Das wird gegebenenfalls sogar vom Staat gefordert.
Du kannst natürlich die Auffassung vertreten, daß Gewalt gegen andere nie rechtens ist, sofern sie dich nicht unmittelbar selbst angreifen.
Da stimme ich dir sogar zu, nur hat ein Polizist als Vertreter
des Staates noch mehr Respekt verdient, weil ein Vergehen
gegen ihn unter Umständen einen gravierenderen Verstoß
darstellt.
Daß einige die Meinung vertreten, ein Polizist verdiene aus irgendwelchen Gründen mehr Respekt als andere, kann ich noch nachvollziehen. Die Begründung mit dem gravierenden Verstoß leuchtet mir nicht ein. Warum soll ich einem Polizisten deshalb mehr Respekt entgegenbringen, weil der Staat ihn mit Sonderrechten versieht?
Du meinst wahrscheinlich eher Vorsicht, Zurückhaltung und ähnliche Dinge.
Außerdem stört es dich, dass Politiker die Angriffe auf
Polizisten nicht vor allem als Protest gegen die Politik
verstehen, sondern auf den menschlichen Auswirkungen
herumreiten?
Wenn man darauf hinweist, dass man bei Angriffen auf
Polizisten nicht nur „den Staat“ angreift (mit Institutionen
hat man ja eher kein Mitleid), sondern hier Menschen getroffen
werden, dann mag das auch eine Argumentationsstrategie sein.
Trotzdem stimmt es.
Selbstverständlich stimmt es. Dennoch ist es schäbig dies den Verursachern vorzuhalten, wenn man selbst die Basis dafür geliefert hat. Das erinnert an Forderungen der Volksparteien, ja nur keine Radikalen zu wählen, auch nachdem sie selbst jede Unterstützung durch den Wähler verwirkt haben.
Da hast du mit den Grundrechten aber was ganz gewaltig missverstanden.
Das glaube ich in diesem Zusammenhang nicht.
Ich fürchte ich hatte doch recht.
Vielleicht fürchtest du das jetzt immer noch. Für diesen Fall merke ich noch an, daß Grundrechte als Rechte von Bürgern bzw. natürlichen Personen, je nach dem konkreten Grundrecht, gegenüber dem Staat zu verstehen sind.
Daher ist es in keinem Fall ein Verstoß gegen Art. II, wenn ein Demonstrant einen Polizisten angreift. Der Demonstrant handelt dabei nicht stellvertretend für den Staat, und ein Privatmann kann überhaupt kein Grundrecht verletzen. Natürlich begeht er aber stattdessen eine Straftat.
Grüße
Ostlandreiter