Servus Hanna 
Freut mich, daß wir uns auch hier
treffen, auch wenn ich nicht glaube, daß
wir uns diesmal so einig wie sonst sein
werden. Aber ich denke, einer guten
Freundschaft kann das nicht abträglich
sein.
Einer guten Freundschaft kann nichts
abträglich sein, solange man einander mit
gegenseitiger Hochachtung begegnet. Also:
Keine Sorge!
Das finde ich schön. Vielleicht geben wir ja ein gutes Beispiel für unsere Politiker ab?
Ich habe folgende Überlegung angestellt:
Welche Leute haben wohl Interesse, zu
demonstrieren? Die Blauen? Die haben doch
erreicht, in der Regierung zu sein! Die
Schwarzen? Die stellen jetzt den Kanzler!
Endlich hat Schüssel die Gelegenheit, aus
dem Schatten des übermächtigen Klima
herauszutreten, und sich selbst zu
profilieren!
Wer also könnte was gegen die Regierung
haben wollen?
Nun, zum ersten mal in der 2. Republik haben würden die Nichtwähler die stärkste Fraktion im Parlament stellen, wenn man alle Wahlbeteiligten zum Vergleich nimmt.
Und zum ersten mal gab es mehr als 50% potentielle Wechselwähler. Noch nie gab es in Österreich so wenig Menschen die sich einer Partei zugehörig fühlten.
Schauen wir uns ein bißchen die Diskussionsbeiträge an. Ich habe einen einzigen gefunden, in dem sich jemand klar für eine Partei bekannt hat. Ich würde sagen, die Demonstranten setzen sich aus allen politischen Lagern zusammen. Ein großer Anteil von ihnen ist sicher von Politik enttäuscht, und sieht die Straße als einzigen Weg zum Protest.
Bevor ich folgendes schreibe, möchte ich folgendes klarstellen. Ich bin eigentlich kein Linker, eher ein humanistisch denkender Liberaler, und auf Demonstrationen findet man mich nur selten. Die Anti-Atomdemonstration, die Antirassismusdemonstration, vom 12. Nov. und noch ein paar, bei denen es für mich einen wirklich wichtigen Grund gab hinzugehen.
Ich war ja am 4. 2. schwer enttäuscht, daß es bei einer Demo in Wien Gewalt und Verletzte gegeben hat. Gerade deswegen freut es mich über die Demonstration von gestern erfreuliches zu berichten. Ich habe mir mit einem Freund gestern die Demo angesehen. Ich habe mir einen guten Platz gesucht, wo mich mein Freund finden kann, und ich einen guten Überblick über die Demonstration habe. Die Menschenmasse kam mir entgegen, und schon allein die Geräuschkulisse gab mir einen ganz anderen Eindruck als die vom 4. 2. Da war kein Haß und keine Angst mehr zu spüren. Die ersten Menschen zogen an mir vorüber, und wie ausgemacht begannen sie zu winken. Sie winkten uns Zusehern, den Menschen an den Fenstern und den Polizisten zu. °winkwink° So als wollten sie sagen: ‚Wir haben nichts mit den Gewalttätern vom 4. Zu tun.‘ °winkwink° Die Nachrichten haben meinen Eindruch bestätigt. Es war eine friedliche Demonstration.
Ich habe dann meinen Freund gefunden, und wir haben uns entschlossen ein wenig mitzugehen. Für mich war es ein stiller Protest. Ich protestiere ja gegen etwas: Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, und nicht gegen eine Partei oder Person. Das würde nicht meinen Grundsätzen entsprechen, und Eskalation und Polarisation hat es in Österreich schon genug gegeben. Ihr wißt was ich von Haider im speziellen und von der FPÖ im allgemeinen halte, aber wenn diese Regierung scheitert, dann soll es geschehen weil sie über ihre eigenen Füße stolpert und nicht wegen Druck von außen.
Natürlich waren die Berufsdemonstranten die auffälligsten, aber keineswegs die Mehrheit. Wenn die 'Linke‘ zu einer Demonstration ruft, dann kommen vielleicht ein paar hundert Menschen. Da waren jedoch ein paar tausend Menschen unterwegs.
Ich finde man kann ihnen ruhig die Betroffenheit und Angst abnehmen.
Wenn die Demonstrationen weiterhin gewaltfrei bleiben werde ich am 19. auch dabei sein. Das Lauteste was man von mir hören wird, wird jedoch mein Winken sein.
Heute wieder Nachrichten gehört. Die neue Regierung will einen Selbstbehalt von bis zu 20 % bei medizinischen Leistungen einführen. Dazu ein Direktor von der Wiener Gebietskrankenkasse: Sie wollen das nicht mitmachen. Dafür bitte ich ihn vor den Vorhang. Wer weiß, was da genau geplant wird?
Welche Alternative zu dieser Regierung
hatten wir denn? Hättest Du einer
SPÖ-Minderheitsregierung eine reelle
Chance gegeben?
Damals vielleicht nicht. Jetzt werden aber die Angebote der SPÖ an die FPÖ bekannt. Im Austausch, daß die FPÖ eine SPÖ-Minderheitsregierung ein Jahr toleriert hätte, hätten sie vier unabhängige Minister vorschlagen können. Und nach diesem Jahr, wenn die FPÖ keine ihrer bekannten Entgleisungen begeht, hätten sie eine Koalition mit der FPÖ geplant. Bis dahin hätte die SPÖ die FPÖ so halbwegs in Europa hoffähig machen können. Die FPÖ ist ja laut Haider-Aussagen ohnehin der SPÖ näher als der ÖVP. Wäre unter Umständen besser gewesen.
Es blieb uns doch wohl nur diese
Alternative! (Wenngleich es seltsam
anmutet, dass die ÖVP nach 4 Monaten die
Verhandlungen unter dem Vorwand abbricht,
das Finanzministerium müsse in schwarzen
Händen bleiben - und nach ein paar Tagen
gibt sie es ganz einfach den Blauen!!! Da
stimmt doch was nicht?)
Ja, komisch gell? Hat für mich schon ein wenig geplant ausgesehen. Nachdem die ÖVP so lange Zeit nichts mit der SPÖ zustande gebracht hat, schaffen sie es innerhalb einer Woche mit der FPÖ zu koalieren?
Wenn wir nur aus lauter Angst vor der EU
kuschen und uns von denen unsere
Innenpolitik bestimmen lassen, welches
Signal senden wir damit aus?
Was werden die uns als nächstes
aufdrücken?
Nein, kuschen ist auch nicht gut. Aber man muß die Sorgen der EU schon verstehen.
Wenn man Haiders Aussprüche hört muß man ja Angst bekommen. Wenn er sie nicht so gemeint hat, gut. Aber wieso tut er so entrüstet, wenn man ihn nach diesen Aussprüchen mißt? Man könnte jetzt sagen, selber Schuld, aber die Österreich leiden darunter, ob sie ihn gewählt haben oder nicht.
Herbert, offenbart sich nicht gerade in
diesen Tagen die große Schwachstelle der
Demokratie?
In einer Demokratie geschieht nicht
unbedingt das, was besser ist fürs Volk,
sondern das, was mehrheitlich gefordert
wird. Wieviele Fehlentscheidungen haben
wir beide schon dulden müssen, die wir
nicht mitgetragen haben!
Kennst Du den Unterschied zwischen Diktatur und Demokratie?
In der Diktatur darf man nichts gegen die Regierung sagen.
In der Demokratie darf man, aber es nutzt einem nichts 
Wenn nun unter den Demonstanten auch
Schüssel-Anhänger und Haider-Wähler sind,
dann kann man der Sorge jener Wähler in
Zukunft am besten so beikommen, dass die
Parteien nach der Wahl zwei, höchstens
drei verschiedene Regierungsvorschläge
ausarbeiten und sie dem Volk zur
Abstimmung vorlegen. Dieser Vorschlag
stammt übrigens von Harald, und ich halte
ihn für sehr gut!!!
Ich auch!
Mit dieser Methode hätten wir mit hoher
Wahrscheinlichkeit eine andere Regierung,
meinst Du nicht?
Was Rot und Schwarz da jetzt fast vier
Monate lang aufgeführt haben, war
Kasperltheater von der traurigsten Sorte!
Volle Zustimmung!
Aber die
Demostration vom 12. November hat gezeigt
wer da demonstriert hat: die katholische
und die evangelische Kirche, Caritas, die
israelitische Kultusgemeinde usw. Ich war
auch dabei, und ich bin kein Sozialist.
Ja, aber damals kam es auch nicht zu so
wüsten Szenen, oder ist mir da was
entgangen?
Nein, auf keinen Fall! Ich wiederhole mich: Ich bin gegen Gewalt! Was am 4. 2. passiert ist, ist unentschuldbar. Ich werde die Demonstranten an den zukünftigen Taten messen. War das ein Einzelfall? Waren das nur schwarze Schafe? Wie hoffe ich das! Bitte, bitte, keine Gewalt!
Du kannst mir glauben: Eines lehne ich
grundweg ab: Gewalt! Das darf niemals der
österreichische Weg werden. So etwas darf
niemals mehr passieren. Aber ich weiß:
Die große Mehrheit der Demonstranten
hatten friedliche und ehrbare Absichten.
Es sind meist nur ein paar schwarze
Schafe, die den guten Ruf einer Gruppe
ruinieren. Es wird viel zu schnell
verallgemeinert.
Und das sollte nicht geschehen. Weder in die eine noch in die andere Richtung. Man kann doch auch nicht sagen, jemand der die FPÖ gewählt hat sei ein Rassist. Daß die EU Bedenken gegen die neue Regierung anmeldet finde ich gut, nicht so gut finde ich Vorverurteilugen.
Jetzt haben wir diese Regierung,
geben wir ihr eine Chance.
Wie lange wird sich die Regierung gegen
den Druck aus dem In- und Ausland
behaupten können und wollen? Und was
machen wir dann? Rot-Schwarz? Rote
Minderheitsregierung? Oder gar Neuwahlen?
Nichts davon wäre wirklich gut.
Wenn sich die FPÖ weiterhin vom NS und
von Fremdenfeindlichkeit distanziert,
wenn sie unter Beweis stellt, daß sie mit
ein Garant für Demokratie und
Rechtstaatlichkeit ist, und sie aufhört
Österreich zu polarisieren, dann kann ich
eines Tages auch hinter ihr stehen. Es
wird allerdings noch ein wenig Zeit
brauchen… Die FPÖ hat sich schon einmal
gewandelt.
Die FPÖ muss jetzt vieles beweisen. Aus
der Rolle des Wadlbeißers in die des
Regierungsverantwortlichen zu treten, ist
schon eine Herausforderung, besonders,
wenn man sich bisher aufs Polemisieren
spezialisiert gehabt hat.
Das stimmt schon. Ich finde es halt nicht gut, wenn sich eine Partei in der Opposition anders verhält, als wenn sie in der Regierung wäre.
Am 19. Februar gibt es wieder eine
Demonstration. Wie wäre es wenn wir nicht
gegen jemanden, sondern nur gegen etwas
demonstrieren: Gegen Fremdenfeindlichkeit
und Rassismus. Und für etwas:
Menschlichkeit. Vielleicht können wir
dann so manchen Freiheitlichen in unserer
Mitte begrüßen?
Herbert, Deine Stimme sollte in Wien
gehört werden! Schade, dass Du nicht in
die Politik gegangen bist!
Meinst Du das heute auch noch?
Nein, gut,
dass Du nicht in die Politik gegangen
bist! Du wärest dort zugrunde gerichtet
worden! Das haben wir schon einmal
diskutiert, erinnerst Du Dich?
Ja, das ist schon gut so. Ich wäre sicher kein guter Politiker. Zuwenig Ellbogen 
Für ein einiges, menschliches und
friedliches Österreich
Ja, Herbert, für ein einiges,
menschliches und friedliches Österreich!
Ja, Hanna, jetzt ist es zwar nichts neues mehr, aber ich wiederhole es und ich wiederhole es gerne:
Für ein einiges, menschliches und friedliches Österreich!
Servus
Dein / Euer Herbert