Hi Ulf,
deine Affinität zu einem charismatischen Führer (das ist momentan der gängige Fachbegriff) liegt bei den jüngeren, amtierenden Religionen ja nicht ganz daneben, aber- wie Metapher schon anführte- damit vernachlässigst du einige tausend Jahre gewachsene Religion.
Religion gab es schon vor den Städten und viele Religionen sind auch da gewachsen, wo es noch keine Städte gab (auch wenn sie in den ersten Städten sehr deutliche Spuren hinterließen, z.B. in Ur).
Diese Menschen, welche in deiner Vorstellung beeinflusst werden sollten, gab es nicht in der benötigten Anzahl. Die Familien, Clans und Verbünde waren relativ klein, und selbst wenn sich mehrere Zusammenschlossen gab es noch keinen keinen Austausch, keine Übernahme im direkten Sinne, dass es eine charismatische Persönlichkeit gegeben haben könnte die irgendjemanden überzeugt hat - im Regelfall.
Indirekt funktionierte das vielleicht eher, da hat vielleicht jemand von einem Wettergott Jahwe gehört und sich gedacht: Hey, das klingt cool. So könnte mein Blitzwerfender Gott heißen, ist das wohl der selbe?
Ich denke die soziale Dynamik, die zum Entstehen der Religionen führte, steckt noch immer in uns. Zumindest in der letzen Generation, bei dieser Generation Kindern bin ich mir nicht mehr so sicher…
Es ist jedenfalls zu beobachten, dass Kinder, wenn sie sich zusammenfinden, ihre Fantasie sehr reichhaltig Nutzen um sich die Umwelt zu erklären noch bevor sie die „richtigen“ Erklärungen der Erwachsenen aufnehmen.
Kinder erschaffen sich ihre eigenen Geister, Monster und unsichtbaren Freunde- von denen viele „Superkräfte“ haben (sowieso unsichtbar, besonders stark oder schnell und fast immer beschützend). In Gruppen schaffen sie sich manchmal gemeinsame „Geister“ und manch einer hat sich mit seinen Freunden in der Kindheit ganze Welten gebastelt.
Ich denke - ist auch nur meine persönliche Meinung- dass solche Dynamiken eher bei der Schöpfung der alten Religionen beteiligt waren.
Gruppen - oft Familien oder ein paar Zusammen - trafen auf die bereits von Torsten genannten Naturphänomene und auf das bekannte „Numinose“ (Rudolph Otto ist zwar großteils out, ich denke aber mit dieser Theorie der Erklärung des Unheimlichen hat er zumindest zu großen Teilen Recht).
Sie sammelten Erklärungen in der Gruppe, mehrere Personen trugen einen Teil bei und erhalten wurde das, mit dem sich die meisten identifizieren konnten, ich denke dabei gab es sehr viel Trial and Error, da ein „Ich denke, wir opfern jetzt unser Essen dem großen Stein da und dann haben wir mehr Jagdglück“ von jetzt auf gleich etwas schwer durchzusetzen erscheint ( Reaktion: *vogelzeig* „Ich behalte mein hart erkämpftes Essen und jage selber gut“).
Der Austausch erfolgte eher passiv als aktiv (siehe Jahwebeispiel) oder interkommunikativ (Gruppe A trifft auf Gruppe B, beide haben einen Donnergott mit diversen Namen, man einigt sich darauf, dass das wohl der selbe ist und welcher Name überlebt, entscheidet die Fitness).
Dies könnte dann z.B. erklären wie die Vätergötter Abrahams, Isaaks und Jacobs (die ja eigentlich aus drei verschiedenen Clans stammten - ist eine der gängigen Lehrmeinungen-) zusammenkamen und später ja auch miteinander identifiziert wurden (das steht sogar im AT drin: „Ich bin der Gott deines Vaters Abraham…“).
Und es würde auch erklären warum einige Götter z.B. in Griechenland doch sehr weit verbreitet aber vollkommen unterschiedlich sein können, wie etwa Aphrodite, die wir als Göttin der Liebe und Schönheit kennen, die aber auch Meeresgöttin, Luftgöttin und Kriegsgöttin sein kann (Milet).
Auch das nur meine persönliche Interpretation, mangels Schrift fehlt uns hier einfach zu viel, da gibt es viel graue Theorie.
lg
Kate